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Predigt über Jeremia 29, 1 - 14

am 28.10.2012
21. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Am vergangenen Sonntag wurde in Stuttgart im zweiten Wahlgang ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Vierzehn Tage zuvor, nach dem ersten Wahlgang, war im Kommentar der Badischen Zeitung zu lesen: "Politprofi Kuhn dagegen hat sich als der Kandidat präsentiert, dem die Stuttgarter am ehesten zutrauen, ihre Stadt ohne großen Fehler zu regieren."

Ist das noch alles, was wir von unseren Politikern und anderen Gestaltern unseres Landes und unserer Städte erwarten: Dass sie keine großen Fehler machen? Und wir hier in Tüllingen, was erwarten wir von unserer Oberbürgermeisterin und unseren Stadträten? Reicht es uns, wenn auch sie keine großen Fehler machen oder darf es schon ein bisschen mehr sein?

Und wie gehen wir mit ihnen um, wenn sie denn mal einen Fehler machen? Was, wenn sie Entscheidungen treffen, die so ganz und gar nicht in unserem Interesse sind? Jagen wir sie dann gleich wieder aus dem Rathaus?

Gehen wir einen Schritt weiter: Wie stehen und stellen wir uns zu den gesellschaftlichen Entwicklungen in unserer Stadt und unserem Land? Hoffen wir auch hier nur noch, dass es nicht noch schlimmer kommt? Was und wie bringen wir uns ein in diese Entwicklungen?

Viele Fragen - und die Antworten?

Vor mehr als 2.500 Jahren stellten sich Menschen ähnliche Fragen, was sie für sich, ihr Volk noch erwarten konnten. Weggeführt in ein fremdes Land, eine fremde Kultur und einer fremden Religion dachten sie mit gemischten Gefühlen an ihre Zukunft.

- Text lesen: Jeremia 29, 1- 14

Führen wir uns die Situation aus denen diese Verse entnommen sind nochmals vor Augen. Ein Großteil des Volkes Israel war vom babylonischen König Nebukadnezar nach Babel deportiert worden. Diese Wegführung war Gottes letzte Reaktion auf den im Volk weit verbreiteten Götzendienst. Nun fragten sich die Menschen, wie es mit ihnen weiter gehen wird. Sie suchten und rangen um den richtigen Weg und in dieser Lage erreicht sie ein Brief des Propheten Jeremia aus dem fernen Jerusalem. Nicht im eigenen sondern im Namen Gottes schreibt er den Gefangenen.

Und aus dem, was Jeremia den Menschen damals schrieb, leite ich für uns heute ab:

  • Ein Erstes was wir wissen sollten.
  • Ein Zweites was wir tun müssen.
  • Ein Drittes was wir hoffen können.
  • 1. Das erste, was wir wissen sollen: in allem sind wir in Gott Geborgen

    Was für eine Idee, Vorstellung von Gott haben sie? Was meinen sie, wie er ist und wie er in ihrem Leben erfahrbar wird und ist? Sind wir nicht alle zuerst davon überzeugt, dass Gott ein Gott der Volks- und Raiffeisenbanken ist, einer der den Weg für uns frei macht? Ein Gott, der dafür zuständig ist, die Schwierigkeiten in unserem Leben aus dem Weg zu räumen? Ist ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, dass es auch anders sein kann? Dass es gerade Gott ist, der uns auf manch steinigen und unwegsamen Weg führt? Er uns manches in unserem Leben zumutet und nicht einfach davor bewahrt oder befreit? Erinnern sie sich noch, wie die Verse von Jeremia beginnen: "An alle Weggeführten die ich von Jerusalem nach Babel gefangen weggeführte habe." Gott hat sein Volk, seinen Augapfel (Sach 2,12) von einem fremden König und Despoten in ein fremdes Land in die Verbannung führen lassen (V. 4). Und da saßen sie nun, die Israeliten an den Ufern (des Euphrat) Babylons und trauerten vergangenen, vermeintlich besseren Tagen nach.

    Und dann sind sie da, diejenigen die darauf bestehen, dass die Situation anders werden muss, weil sie so doch überhaupt nicht von Gott gewollt sein kann. Also, lasst uns Pläne schmieden und darüber nachdenken und die Initiative ergreifen um möglichst schnell aus dieser misslichen Lage herauszukommen. Angetrieben werden sie dabei von einem Propheten namens Hananja.

    Dagegen steht Jeremia mit seinem Joch auf den Schultern. Seine Botschaft ist eine andere. Auch in dieser Lebenslage hat Gott euch nicht fallen gelassen, seid ihr auch jetzt in Gottes Hand geborgen, weil ER es war, der euch weggeführt hat, weil er es war, der euch in diese Lage gebracht hat und euch diese zumutet. Das stellt die Israeliten und letztlich auch uns vor eine gewaltige Herausforderung und letztlich wird unser, ihres und mein Gottesbild hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt.

    2. Das zweite, was wir tun müssen: Das Besten den Frieden Gottes erbitten

    Im Auftrag Gottes wendet sich Jeremia an die Weggeführten, die sich mit aller Kraft und allen Mitteln gegen ihre Situation auflehnten, und dabei von falschen Propheten angestachelt wurden (vgl. Kap 28, 10f)1. Niemals würden sie sich in ihr Schicksal einfinden, nie sich mit der Deportation abfinden. Ihr Ziel war ihre baldige Rückkehr und auf diese wollten sie zuarbeiten. Und nun diese Botschaft! Konnte dies Gottes Wille sein? Statt Auflehnung sollten sie für die Stadt beten, das Beste für diese fremde und feindliche Stadt von Gott erbitten.

    Und um ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen wird in der Aufforderung zur Fürbitte nochmals betont, dass dies nicht die Stadt ist, in der die Menschen freiwillig hingekommen sind, die sie sich quasi als Feriendomizil ausgesucht haben. Nein, sie sind hier als Gefangene. Aber: Gefangene in Gottes Hand! Und an diesem Ort sollen sie nun das Wohl dieser Stadt suchen. Und dieses Suchen erfolgt derart, dass sie für diese Stadt das Beste von Gott erbitten sollen. Wenn es in der Bibel ums beten geht dann vielfach derart, für etwas zu bitten, nie gegen etwas! Wir sollen für die Stadt, für die Regierung, für den Nächsten und den Feind bitten, für den Arbeitskollegen und die Familie. Wir sollen Für-Beter sein, keine Gegenbeter.

    Diese Fürbitte ist gepaart mit etwas anderem. Die Israeliten sollen sich in dieser Stadt und den Menschen dort einbringen. Sich ihr und ihnen gestaltend und wohlwollend zuwenden (vgl. V. 5 und 6). Denn wir können nur für etwas beten, was wir auch kennen. Denn wenn wir beten, dann sollen wir ganz konkret1 beten: für die Kinder an unseren Schulen, Firmen die von der Schließung bedroht sind, für uns Stadt- und Gemeinderäte. Aber wenn wir konkret beten wollen, dann können wir das nur, wenn wir um die Probleme in unserer Stadt wissen und die Namen unserer Politiker kennen. Das bedeutet, dass wir uns mit dem, was in unserer Stadt und um uns herum vor sich geht, informieren und Interesse daran haben.

    In gewisser Hinsicht deckt sich unsere Situation heute mit derjenigen der Israeliten in Babel. Nicht das wir in der Verbannung leben müssen, weit weg von unserer angestammten Heimat. Obwohl wir in einem christianisierten Land und Erdteil leben, haben wir hier keine bleibende Stadt (Heb 13,14), sind wir Fremdlinge. Aber Jesus hat uns nicht von der Welt genommen (vgl. Joh 17,15). Auch wir sind gefordert, für unsere Stadt zu beten. Auch und insbesondere für diejenigen zu bitten (um Weisheit, inneren und äußeren Frieden etc.), welche die Geschicke dieser Stadt lenken. In einem föderalen Staat wie dem unsrigen, in dem die Geschicke nicht nur von den Regierenden einer Stadt, sondern weit mehr durch die Landes- und Bundesregierung gelenkt werden, darf unsere Fürbitte auch den dort Verantwortlichen gelten. Wir brauchen nicht für den Weltfrieden zu beten, es reicht wenn wir treu unsere Stadt und Land im Blick haben und für deren Belange einstehen! Das es ihr und den darin lebenden Menschen gut geht, sie Frieden haben und Frieden erlangen. Frieden im biblischen Sinn bedeutet nicht die Abwesenheit von Krieg, sondern persönliches und soziales Wohlergehen weil nach Gott gefragt, seine Gebote ernst genommen und eingehalten werden.

    3. Das Dritte, was wir hoffen können: Gott kommt zu seinem Ziel - mit uns und dieser Welt

    In unserer Suche nach dem Wohl unserer Stadt steckt immer auch unsere eigene Suche nach Gott. Und diese Suche trägt die Verheißung Gottes (V. 14), dass er sich auch von uns finden lassen wird. Er will sich nicht weiter vor uns verbergen und verborgen halten. Nein, Gott will sich von uns finden lassen. Anders als Adam und Eva im Paradies sich versuchten immer besser vor dem suchenden Gott zu verstecken, will er sich uns, ihnen und mir zu erkennen geben und uns zuwenden.

    Diese Suche ist allerdings an eine Bedingung geknüpft: Unsere Suche soll aufrichtig sein, soll von ganzem Herzen erfolgen. Leider ist es oft so, dass wir erst dann mit dieser Aufrichtigkeit suchen, wenn unsere menschlichen und irdischen Möglichkeiten erschöpft sind. Manchmal geschieht dies erst auf dem Sterbebett. Aber wohl dem der auch da sucht, denn ihm gilt die Verheißung Gottes und er darf gewiss sein, dass Gott sich finden lässt.

    Das ist die Zusage an die Weggeführten damals in Babel, und darauf gründet und daraus nährt sich ihre Hoffnung, dass Gott ihr Schicksal, ihre Lebenssituation und auch ihre Not wenden wird. Er wird sie zurückbringen nach Jerusalem.

    All unser Tun, unser Suchen hat letztlich ein Ziel: Gott. ER ist das Ziel unseres Lebens und auf ihn hin ist letztlich alles ausgerichtet. Damit endet die Botschaft Jeremias an seine Volksgenossen und auch an uns heute. Wir dürfen das Prophetenwort auch für uns ganz persönlich hören.

    Schluss

    Ich möchte schließen mit dem Eingangs gehörten Wochenspruch: "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem." (Rö 12,21).

    Dieser Vers steht am Ende einer Reihe von Anweisungen welche Paulus den Lesern seines Briefes gibt. Anweisungen für das miteinander innerhalb der Gemeinde und in unserer Stellung zur Welt. Paulus geht es darum, dass wir uns nicht aus dieser Welt verabschieden, wir uns von ihr abwenden, sondern dass wir uns mit unseren Mitteln und Möglichkeiten einbringen. Gott ist in diese Welt gekommen, hat sich nicht von ihr abgewandt. So bedeutet Nachfolge Christi auch, dass wir uns dieser Welt zuwenden und uns einbringen.

    Die heutigen Verse aus dem Propheten Jeremia zeigen mir und uns einen Weg, wie wir diesen Auftrag den Paulus in seinem Brief an die Römer formuliert, umsetzen können. In dem wir fürbittend unser Leben gestalten. Indem wir uns herausnehmen aus einer Zunft der Nörgler und Besserwisser und statt dessen zu Für-Betern werden in der Gewissheit immer in Gottes Hand geborgen zu sein und er sich uns zuwenden wird.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Dass es sich bei Hananja um einen falschen Propheten handelt wissen wir, erschließt sich uns weil wir die ganzen Zusammenhänge erkennen und auch das Ende wissen. Aber für die Menschen damals war dies nicht so einfach. Im Prinzip stehen auch wir immer wieder vor der Herausforderung zu erkennen, was kommt von Gott und was ist Gottes Wille für uns. Und nicht immer ist es, wie uns an dieser Stelle die Ereignisse zeigen, das Gute was Gott will bzw. was von Gott kommt. Ich denke nicht, dass Gott das Leid der Menschen wollte und will. Aber scheinbar bleibt ihm manchmal nichts anderes übrig, als mit uns Menschen solche Wegen und zu führen. Aber: Auch in und auf diesen Wegen sind wir in Gott geborgen.;

    2 HIRSCHMÜLLER Martin; in: Zuversicht und Stärke. Oktober-November 2012. 4. Reihe - Heft 6. Seite 50;
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