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Predigten

Predigt über Apostelgeschichte 16,9-15

am 11.02.1996
Sonntag Sexagesimae

Ort: Neuenburg


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

Einleitung

Sie kennen sie sicherlich auch, die Führer die uns in vielfacher Weise und Ausführung angeboten werden, um sicher und bequem durchs Leben zu kommen. Da gibt es die Reise- und Campingführer, den Schnäppchen- und Gastronomiefüher oder den Straßen- und Theaterführer, den ... Führung, scheinbar eine Sache, die in unserer Tagen wieder an Bedeutung und Interesse gewinnt. Aber nicht nur in unseren Tagen ist Führung ein Thema, sehnen sich Menschen nach Leitung, insbesondere in schwierigen Lebensphasen. Bereits im Alten Testament finden sich zahlreiche Hinweise darauf, daß Menschen Leitung für ihr Leben erhalten sollen. Dies soll aber nicht durch irgendwelche „Führer“ geschehen, sondern Gott selber verheißt seine Leitung und Führung. Wir finden viele Aussagen darüber, daß Gott den einzelnen und sein Volk Israel leiten will. (Ps 23,3; 32,8; 25,9; 37,5; 2.Sam 22,33; Jes 48,17).

- Pantomime Annette -

Sie haben sicherlich gleich erkannt, welche Geschichte aus dem Alten Testament in der Pantomime dargestellt wurde. So wie Jakob Gottes Zusage und Führung erlebte, haben dies immer wieder Menschen erfahren, die sich mit ihrem Leben Gott anvertraut haben. Das Alte Testament gibt in vielen Berichten Zeugnissen davon. Aber Gottes Leiten erstreckt sich nicht nur auf die Menschen des Alten Testaments, sondern auch im neuen Testament finden wir viele Zeugnisse darüber, daß Gott führt. Eine Begebenheit, wie Gott Menschen geführt hat, wird in dem Abschnitt aus der Heiligen Schrift erzählt, die uns für diesen Sonntag als Predigttext gegeben ist.

- Text lesen - Apg 16, 9-15 -

Paulus und seine Mitarbeiter haben Gottes Führung erfahren. So wie ich Gott kennengelernt habe, geht er immer wieder auf einzelne Menschen und Situationen ein. Darum gibt es auch keine allgemeingültigen Regeln, wie Gott führt. Dennoch lassen sich in diesem Bericht den uns Lukas gibt, drei Aspekte herausstreichen die wichtig sind, wenn wir uns über Gottes Führung Gedanken machen.

1. Gottes Führung erwarten
2. Gottes Führung erkennen
3. Gottes Führung annehmen

1. Gottes Führung erwarten

Gehen wir zunächst einmal zurück und betrachten uns nochmals die Geschichte von Jakob, wie wir sie anfangs in der Pantomime gesehen haben. Nachdem Jakob im Traum die Verheißung bekommen hatte, und ihm klar wurde, wer ihm diese Verheißung gab, machte er sich wieder auf den Weg. Obwohl noch ein wenig verunsichert, hatte sich doch etwas Entscheidendes verändert: während er vor dem Traum hauptsächlich auf seine eigenen Fähigkeiten gesetzt hatte, sich allein auf sich gestellt sah, rechnete er nun damit, daß Gott ihn auf seinem Weg begleiten und führen wird. Situationen, in die er auf seinem weiteren Weg gestellt wurde, ging er nicht nur mehr aus eigener Kraft an, sondern erwartete Gottes Handeln.

Auch wenn es nichts Neues ist, so macht uns diese Geschichte doch noch einmal sehr deutlich und möchte uns ins Gedächtnis rufen, daß unser Gott kein stummer Götze, sondern ein lebendiger Gott ist. Er kümmert sich um seine Leute, ist für sie da und offenbart sich ihnen immer wieder und gibt sich zu erkennen. So wie er zu Jakob oder zu Paulus geredet hat, so möchte er auch zu uns reden.

In der Bibel finden wir immer wieder die Zusagen und Verheißungen, daß uns Gott führen will und uns den Weg weisen möchte. In vielen Aussagen der Heiligen Schrift werden wir darauf hingewiesen, daß Gott uns auf unserem Weg begleitet, mehr noch, daß er uns auch leiten will. Wir dürfen dessen gewiß sein, daß ER uns führt und leitet (Ps 23,3), und zwar nicht nur auf ebenen und geraden Wegen, sondern eben auch auf holperigen und ungeraden (Ps 23,4) - erinnern sie sich nur einmal, was David in Psalm 23 schreibt. Das sollten, eigentlich mehr - müßten wir uns immer wieder sagen.

Während meiner Ausbildung habe ich von unterschiedlichen Professoren vieles gehört, manches Interessante, manches was sie sich auch hätten sparen können. Und manches werde ich wohl nicht so schnell vergessen. Eine solche Aussage ist folgende: Sie sehen nur, was sie kennen. Prof. Kessler in einer Meteorologie-Vorlesung Übertragen auf Gottes Führung heißt das, wir werden Gottes Leiten in der Regel nur dann erkennen, wenn wir auch damit rechnen.

Paulus und seinen Mitarbeiter war es klar, daß sie unter Gottes Führung standen und so rechneten sie damit, daß Gott sie auf ihren Wegen führt. Für sie war es klar, daß es der Geist Gottes war, der es ihnen verwehrte bestimmte Dinge zu unternehmen (V.6). Und erinnern wir uns, es ist Gottes Geist Joh 16,13, der uns als Beistand verheißen ist und der uns leiten wird. Darum können wir auch um Weisheit, Durchblick bitten, wenn uns dieser fehlt (Jak 1,5). Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als die Fähigkeit zu erlangen, Lebensumstände zu erkennen und richtig beurteilen zu können.

Nur wenn wir uns bewußt machen, daß Gottes Geist uns führen will, sind wir auch aufmerksam genug, um seine Führungen wahrzunehmen. Wann haben sie das letzte mal ihre Bibel in der Erwartung gelesen, daß Gott zu ihnen reden wird?

2. Gottes Führung erkennen

Wenn wir wieder so weit sind, daß wir Gottes Führung in unserem Leben erwarten, kommt der wichtigste Punkt. Wir sind vielen Einflüssen ausgesetzt und müssen uns in einer immer komplizierteren und komplexeren Welt zurechtfinden. So wie es uns schwer fällt, uns in der Flut irgendwelcher Schnäpchen-Führer durchwühlen müssen, fällt es uns Christen zunehmend schwerer, uns in der Fülle von Meinungen und Strömungen unserer Tage zu orientieren.

Uns heute ist zugesagt und dürfen wir mit Paulus wissen, daß Gott uns durch seinen Geist führen wird (Rö 8,14). Kinder Gottes sind von seinem Geist getriebene, und dieser Geist hat viele Möglichkeiten, um uns zu leiten:

- Aussagen der Bibel
- Stille und Gebet
- Prüfung der Motive
- Einholen erforderlicher Informationen
- Rat der Brüder
- von biblischen Maßstäben geprägte Weisheit
- gesunder Menschenverstand
EGELKRAUT; Dr. Helmuth. in: Evangelisches Gemeindelexikon. R.Brockhaus Verlag Wuppertal 1986. Seite 192

Geistesleitung vollzieht sich in einem Geflecht von Vorgängen, die miteinander erst die rechte göttliche ergeben. Das Zusammenspiel aller dieser Elemente oder Teile spielen eine wichtige Rolle, um Gottes Führung zu erkennen. Zu warnen ist vor Zeichendeutung, da es hier zum einen leicht Fehldeutungen möglich sind, unsere eigenen, zum Teil verborgenen Wünsche einen großen Einfluß gewinnen können. Zum anderen würden wir dadurch unserer Verantwortung entzogen. Aber genau dies will Gott nicht, sondern ER traut es uns zu, daß wir seinen Willen und seine Führung erkennen. Ebenso ist es ein Trugschluß zu meinen, wir finden in der Bibel ausführliche Anweisungen für jede nur denkbare Lebenssituation. Dazu nimmt uns Gott viel zu sehr ernst. Es ist vielmehr so, daß es Äußerungen über Gottes Willen gibt, die sozusagen die Eckpunkte darstellen, innerhalb derer wir gefordert sind, in den jeweiligen Situationen das „richtige“ zu tun. Joh 6,39; 1.Tim 2,4 - 1. Thes 4,3 - 1.Thes 5,18 - 1.Pet 2,15

Wenn wir nach Gottes Willen und damit seiner Führung fragen, geht es zunächst einmal um eine grundsätzliche Neuorientierung (Rö 12,2: Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung des Sinnes, daß ihr prüfen mögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.)

Ohne diese Neuorientierung ist es nicht möglich, den Willen Gottes zu erkennen (1.Kor 2,13ff). Um also gezielt Gottes Führung in Anspruch nehmen zu können, bedarf es dieser Erneuerung. Wenn diese Grundvoraussetzung gegeben ist, können wir uns daran machen, Gottes Führung zu erkennen. Dazu liefert uns der Bericht aus der Apostelgeschichte erstklassiges Anschauungsmaterial, wie sich Paulus in solchen Situationen verhalten hat, und wie auch wir uns in solchen Situationen verhalten können. Das entscheidende Wort ist für mich „folgern“. Es beschreibt, wie Paulus und seine Mitarbeiter Gottes Führung erkannt haben. In diesem „folgern“ steckt für mich eine große Dynamik und Bewegung drin, wie sie mir immer wieder begegnet, wenn es darum geht, Gottes Führung zu erkennen. In der Regel fällt uns die Erkenntnis dafür nicht in den Schoß. Jesus vergleicht einmal den Weg ins Reich Gottes mit einem schmalen Weg (Mt 7,13). Für mich heißt das auch, daß die Wege, die Gott mich und uns führt, keine Autobahnen sind, sondern schmale Pfade, die man immer wieder suchen muß und wenn man auf ihnen geht, aufpassen muß, daß man nicht wieder davon abkommt.

In diesem Prozeß stelle ich mir Paulus vor, wie er am nächsten Morgen noch etwas benommen aus seinem Bett kriecht, und sich mühsam daran zu erinnern versucht, was er denn da in der vergangenen Nacht geträumt hat. Und so langsam dämmert es ihm wieder - war da nicht ein Mann aus Mazedonien? Und was wollte der - wir sollen da rüber kommen und ihm helfen? Schon eine verrückte Sache, aber Paulus nimmt sie ernst. Und in diesem ernst nehmen zeigt sich die Wirksamkeit des Heiligen Geistes in seinem Leben. Darum schenkt Paulus diesem Traum Beachtung und setzt sich mit seinen Mitarbeitern zusammen und erzählt ihnen davon. Und nun sind sie zu viert (Paulus, Silas, Timotheus und Lukas) und beratschlagen, wie dieser Traum zu beurteilen ist und was zu tun.

Da wird nun abgewogen und überlegt, da werden Argumente für und dagegen gesammelt und über allem steht die Frage: Wollte uns Gott etwas sagen? Und irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem entschieden werden muß; da muß nun der gesunde Menschenverstand, geschult durch Gottes Wort und geläutert durch den Heiligen Geist eine Entscheidung fällen. Nachdem alles erdenkliche hin und her abgewogen worden ist, gibt es für die vier Männer nur eine Folgerung: Gott hat uns nach Mazedonien gerufen.

Nun sind sie so weit, aber das Schwierigste kommt erst noch.

3. Gottes Führung annehmen

Denn wenn der zweite Punkt der Wichtigste war, so ist dies sicherlich das schwierigste. Schwierig deswegen, weil es da oftmals gilt altvertrautes über Bord zu werfen. Wir wissen nicht, was Paulus und Silas bewogen hatte, Phrygien und die galatische Landschaft zu durchziehen und dort zu versuchen, das Evangelium zu verkünden. Jedenfalls waren dies ihre Pläne, hatten vielleicht oder sogar wahrscheinlich auch für diese um Gottes Führung gebeten. Nun waren sie herausgefordert, diese Pläne aufzugeben, allein auf die Folgerung bauend, daß Gott sie nach Mazedonien gerufen hatte. Das war schon eine gewichtige Entscheidung, abgesehen von der geistlichen Dimension war es zu damaliger Zeit nun doch nicht ganz so einfach, von Troas nach Mazedonien mit dem Schiff zu kommen.

Da waren sicherlich genau so viel Unklarheiten wie Klarheiten. Und ich kann mir gut vorstellen, daß sich die drei mit einem etwas mulmigen Gefühl im Magen auf den Weg nach Troas machten. Bei der folgenden Überfahrt wurde miteinander noch einmal über diesen Schritt gesprochen und manche Fragen aufgeworfen. Den schließlich wußte keiner von ihnen, was sie da in Mazedonien erwarten würde. Machen wir hier nochmals einen kleinen Sprung zurück ins AT und erinnern wir uns nochmals an Abraham/Jakob. Gott verheißt ihm nur seine Führung1. Mos 12,1, macht aber keine konkreten Angaben, wie er das tun wird.

Und vielleicht wuchs im Verlauf der Reise die Gewißheit, daß es doch der richtige Weg ist. Wie groß muß da der Frust gewesen sein, als sie nach Philippi kamen. Denn was sie dort vorfanden, entsprach wahrscheinlich nicht unbedingt dem, was sie erwartet hatten. Ein paar Frauen, mehr nicht, trafen sie an der Gebetsstätte. Hier möchte ich von Paulus und seinen Leuten lernen. Sie ließen sich von der Situation die sie vorfanden nicht irre machen, sondern hielten an ihrer Überzeugung fest, daß Gott sie nach Mazedonien gerufen hat. Hier zeigt sich für mich, wie wichtig es ist, solche wichtigen Entscheidungen nicht allein zu treffen, sondern in Gemeinschaft mit anderen. Dann kann man sich gegenseitig wieder ermutigen und Zuspruch ge- ben. Sie hielten an ihrem Vertrauen fest, daß Gott sie geführt hat.

Ich vergleiche das immer wieder mit der Situation, wenn sich zwei Menschen entscheiden, eine Ehe miteinander einzugehen. Man entscheidet sich für einen Weg, von dem man im Detail nicht weiß, was er bringen wird. Wir müssen uns darauf einlassen und das ist sehr schwer. Von unserer Veranlagung haben wir das Bedürfnis nach Sicherheit, also zu wissen, wie es genau wird. Wenn wir das nicht wissen, schreckt uns das ab.

Wie mir niemand die Entscheidung für einen Ehepartner abnehmen kann, so kann mir auch niemand die Entscheidung abnehmen, mich auf Gott und seine Führung einzulassen, da ist jeder von uns sehr persönlich gefordert.

Schluß

Es wäre ein Trugschluß zu meinen, Gottes Führungen lassen uns sogleich Erfolge sehen.

Als Christen sind wir am Bau von Gottes Reich in unterschiedlicher Weise beteiligt. Kein Lebensbereich ist davon ausgeklammert und es ist auch keine Aufgabe von irgendwelchen Spezialisten. Ich kann ihnen kein Patentrezept liefern, wie sie Gottes Führung erkennen können und schon gar nicht, wie er sie persönlich führt. Jeder von uns ist gefordert und ich kann ihnen nur sagen, daß er sie führt. Gott nimmt uns in die Verantwortung (Mt 12,36). Aber er überfordert uns nicht. Er hilft uns, unseren Weg in dieser Welt zu gehen und seinen Willen zu erkennen. Darum sollten wir mit Gottes Führung in unserem Leben rechnen, unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten nutzen um Gottes Führung zu erkennen und letztlich immer wieder um die Kraft und den Mut bitten, um Gottes Führung anzunehmen. Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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