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Predigt über Lukas 18, 31 - 43

am 10.2.2013
Sonntag Estomihi

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Wenn man durch den Wald spazieren geht, kann man allerlei Interessantes und spannendes sehen und manch seltsame Entdeckung machen. Ich habe Ihnen heute mal etwas mitgebracht:

Kiefernzapfen (Pinus coulteri) unter einer Decke den Gottesdienstbesuchern zum fühlen geben und dann fragen, was sie gefühlt haben und ob sie denken, dass das sein kann. Dieser Zapfen ist kegelförmig, ca. 30 cm hoch, der untere Durchmesser beträgt ca. 15 und der obere ca. 10 cm.

Natürlich habe ich diesen Kiefernzapfen nicht hier am Tüllinger gefunden. Und es ist auch keine Spezialzüchtung unserer Gärtnerin an der Tüllinger Höhe. Ich habe ihn vor vielen Jahren von einem befreundeten Förster bekommen, der ihn als Geschenk aus Marokko mitgebracht hatte. Dort wurde diese Kiefernart, die ursprünglich aus Süd-Kalifornien stammt, zu Versuchszwecken angebaut.

Aber die Wirkung auf uns, wenn man so unbedarft damit konfrontiert wird, ist doch erstaunlich, finden sie nicht? Irgendwie denken wir das kennen wir doch aber es passt so überhaupt nicht in unser Weltbild, zu dem, was wir kennen und uns vorstellen Plötzlich bringt so ein Zapfen für wenige Augenblicke unser Weltbild und unser Denken durcheinander.

In diesem Zusammenhang sind mir zwei Aussagen eingefallen: Markus Müller, ehemaliger Direktor der Pilgermission St. Chrischona sagte vor ein paar Jahren in einem Interview: „Ob es Erweckung gibt“ – und ich ergänze: ob es in unseren Gemeinden, in unserem Leben geistliche Aufbrüche gibt- „hängt doch auch davon ab, ob etwas anderes passieren darf als das, was wir selbst erwarten“.1 Eine ähnliche Aussage war am 16. Januar diesen Jahres als Text in den Losungen zu lesen: „Wir müssen bereit werden, uns von Gott unterbrechen zu lassen.“ Dieser Satz stammt von Dietrich Bonhoeffer.

Als ich das gelesen habe fragte ich mich: Bin ich bereit mich von Gott unterbrechen zu lassen? Bin ich bereit, auch etwas anderes zu erwarten und für möglich zu halten, was nicht in mein Weltbild und meine Vorstellungen gehört?

Der heutige Predigttext berichtet von Menschen die sich jedenfalls mit solchen Fragen konfrontiert sahen:

- Text lesen: Lk 18, 31 – 43 -

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, nicht allein, seine Jünger und viele andere begleiten ihn auf diesem Weg2. Manche sind schon lange mit dabei, haben schon viel mit Jesus erlebt und noch mehr von ihm gehört. Und in all diesen Tagen, in dem miteinander leben und voneinander hören, hat sich in den Köpfen der Begleiter ein Bild von Jesus geprägt, wer er ist und warum er hier ist und all diese Dinge tut und sagt. Nun sind sie zusammen auf dem Weg nach Jerusalem, und in ihren Köpfen und Herzen formte sich die Vorstellung, dass sich dort etwas Faszinierendes ereignen wird. Denn Jerusalem war nicht nur irgendeine Stadt unter vielen, Jerusalem war für einen Juden die Stadt schlechthin. Und wenn sie bisher schon so viel mit Jesus erlebt haben, was würde wohl alles in Jerusalem geschehen?

In den Begegnungen all dieser Menschen, von denen unsere Verse berichten, wird dreierlei deutlich:

1. Jesus unterbricht unsere Lebensplanungen.

„Siehe wir gehen hinauf nach Jerusalem und es wird alles vollendet werden was durch die Propheten auf den Sohn des Menschen hin geschrieben ist.“ Jesus macht deutlich: Jetzt wird es ernst, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Seine Begleiter lässt Jesus nicht im Unklaren darüber, was sich in den folgenden Tagen ereignen wird.

Für uns ist das, was mit „Dritte Leidensankündigung“ überschrieben ist, normal, das kennen wir, weil wir vom Ende her kommen. Für die Menschen damals, die mit Jesus unterwegs waren, die ihm nachfolgten, war das etwas ganz anderes. Sie hatten einen ganz anderen Erfahrungshorizont, hatten mit Jesus Sachen erlebt, die sie begeisterten. Endlich war einer gekommen der ihnen Hoffnung machte, dass es mit ihrem Leben besser werden würde. Endlich war einer da, der sich um sie kümmerte, der sich ihrer und ihrer Lebensumstände annahm. Da war einer, der ihnen etwas zutraute, Salz und Licht sollten sie sein, Vollmacht über Dämonen und Krankheiten sollten sie haben, Menschen von ihren Leiden erlösen3. Das war doch mal was, und vor allem etwas anderes als auf dem See Genezareth in einem Boot herumpaddeln und Fische fangen. Das war doch mal eine Perspektive, das ergab doch eine ganz neue Lebensplanung.

Und nun das: Eine Leidensankündigung. Das passte überhaupt nicht in die Vorstellungen weder der 12 Jünger noch der anderen, die mit diesen zusammen Jesus nachfolgten. Sie stellten sich die Zukunft von und mit Jesus anders vor als seinen Foltertod am Kreuz von Golgatha. Da hörten sie auch nicht mehr, dass am Ende die Auferstehung stand.

Jesus durchbricht mit seiner Ankündigung die Lebensplanungen dieser Menschen. Den Unterbruch der Lebensplanung erlebt letztendlich jeder von uns spätestens Angesichts des Todes, manchmal auch ganz plötzlich, unerwartet und äußerst leidvoll. Da werden Lebensentwürfe hinterfragt oder ganz über den Haufen geworfen.

2. Jesus unterbricht unsere Lebenssituationen.

So sind sie unterwegs und ich stelle mir vor, wie sie noch darüber rätseln, was Jesus ihnen eben gesagt hat. Aber sie kriegen es einfach nicht zusammen. Und wie sie da weiter gehen und über das Gehörte nachdenken und rätseln was das zu bedeuten hat, werden sie in ihren Gedanken ein weiteres Mal unterbrochen. Ein blinder Bettler schreit unüberhörbar vom Straßenrand: Die Umstehenden versuchen ihn zum Schweigen zu bringen. Warum? Waren sie neidisch weil er etwas aussprach was sie nicht begriffen?

In „Der Kleine Prinz“ berichtet Antoine de Saint-Exupery von der Begegnung mit einem Fuchs und lässt diesen zum kleinen Prinzen sagen4: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für die Augen verborgen.“ Diese Aussage scheint sich in der Begegnung des Blinden mit Jesus zu erfüllen. Er, der nichts sieht, dem die Welt verschlossen ist erkennt in dem vorüberziehenden Jesus den Messias, den Heiland, seinen ganz persönlichen aber auch den der Welt. Und als solchen spricht, ruft, schreit er ihn an.

„He, du, Sohn Davids, erbarm dich meiner!“ War dieses Geschrei den Begleitern peinlich? Oder hatten sie einfach nur Angst die Aufmerksamkeit der römischen Besatzer zu erregen und fürchteten sie deren Strafen? Denn es glich an Hochverrat, einem Menschen in aller Öffentlichkeit den Titel „Sohn Davids“ zuzurufen. Das war fast schon Selbstmord.5 Wieder versuchen sie ihn zum Schweigen zu bringen. Aber es half alles nichts, ihre Bemühungen blieben erfolglos.

„He, du, Sohn Davids, erbarm dich meiner!“ schreit der Blinde weiter nach Jesus. Was hat er auch schon zu verlieren. Er will die Gelegenheit nutzen, viel schief gehen konnte eigentlich nicht, schlimmer konnte es ihm nicht mehr ergehen. Also, einen Versuch wagen. Wenn Jesus wirklich der Messias ist, der Sohn Davids, dann würde schon etwas geschehen und wenn nicht? Der Blinde ist scheinbar bereit, seine Lebenssituation von Jesus durchbrechen zu lassen. Er ist bereit neues zu wagen.

Ein Versuch ist es wert aber ich frage mich, ob er sich der Tragweite seiner Bitte bewusst war. Hat er sich vorher wohl überlegt was passieren würde, war er wirklich bereit, sich von Jesus in seinem Leben unterbrechen zu lassen?

3. Jesus durchbricht unsere Beliebigkeit

Jesus geht auf den Mann zu, das war zu erwarten. Aber mich überrascht wie Jesus auf diesen Mann zugeht, was er ihn und dass er ihn überhaupt fragt. Ist das nicht klar, was dieser Mann wohl will, was er von Jesus erwartet? Kann sich Jesus das nicht denken, was der Bettler von ihm will? Gewiss kann sich Jesus das denken, aber er will es von dem Mann selbst hören.

So wendet sich Jesus dem Bettler zu und jetzt wird es ernst für ihn, jetzt muss er konkret werden. Also gut, du willst dass ich mich deiner erbarme, aber nun komm und sag, wie dieses erbarmen denn aussehen soll? Mit einem „es soll alles wieder gut werden“ gebe ich mich nicht zufrieden. Jetzt kann sich der Blinde nicht mehr hinter irgendwelchen allgemeinen Floskeln und angelernten Glaubensaussagen verstecken, jetzt muss er Farbe bekennen und mit der Sprache rausrücken. Spannend, denn was, wenn er nicht sehend wird? Diese Aufforderung Jesus zeigt mir, dass Jesus hören will, was bei uns los ist, daran Anteil nehmen will was sich in unserem Leben ereignet. Und wir sollten nicht meinen, dass Jesus dies nicht hören wollte. Jesus kann unser Leben aushalten, will sich nicht davor drücken.

In dieser Begegnung mit dem Bettler wird für mich etwas Grundsätzliches erkennbar: Wir sollen in unserem Gebet aber auch mit unserem Leben ganz konkret werden und nicht in Beliebigkeiten und allgemeinen Aussagen stecken bleiben. Jesus reicht die Beliebigkeit nicht, er will es konkret. Indem Jesus auf den Bettler zugeht und ihn herausfordert sein Anliegen ganz konkret zu benennen, holt er ihn heraus aus dieser Beliebigkeit. Das gilt nicht nur für einzelne Anliegen, sondern für unser ganzes Leben. Jesus will nicht nur ein bisschen christlich, er will unser Leben in seiner Nachfolge. Der Blinde wird sehend und wir dürfen dieses „sehend werden“ durchaus in einem doppelten Sinn verstehen. Er konnte zum einen seine Umwelt wieder wahrnehmen und er wurde andererseits geistlich sehend. Ja, er war dem Davidsohn, dem Messias begegnet und sein Leben hatte eine entscheidende Wendung erfahren. So kommt es, dass es nicht nur bei der Heilung bleibt. Der ehemals blinde Bettler packte sein Bündel, lässt sich herausrufen aus seiner Beliebigkeit, verlässt seinen angestammten Bettelplatz und macht sich auf, folgt Jesus nach und zieht mit Jesus und den anderen nach Jerusalem.

Schluss

Der Kiefernzapfen steht schon viele Jahre auf einem Regal in meinem Studierzimmer. Er erinnert daran, ob in meinem Leben etwas anderes geschehen darf, als was ich mir vorstelle und plane. Ob ich bereit bin, mich von Gott auf meinen gewohnten, ausgetretenen Pfade unterbrechen zu verlassen – rauszukommen aus den Spurrillen meines Lebens, Denkens und Tuns.

Der Bettler ist dieses Wagnis eingegangen, er ließ sein ganzes Leben von Jesus durchbrechen, ließ sich auf neue Wege führen. Mir mach das Mut, dieses Wagnis auch einzugehen, jeden Tag aufs Neue.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

1 ideaSpektrum 37/2007; S. 22;
2 RIENECKER, Fritz: Das Evangelium des Lukas. Wuppertaler Studienbibel. R.Brockhaus/Brunnen Wuppertal 1983. S. 434
3 vgl. Mt 10, 5ff; Lk 9, 1-6
4 Saint-Exupery, Antoine de; Der kleine Prinz. Karl-Rauch Verlag Düsseldorf 1981, S. 52
5 Murdoch, Dr. Paul; in: Zuversicht und Stärke. Februar-März 2007. 5. Reihe - Heft 2. Seite 39
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