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Predigt über Lukasevangelium 21,25-33

am 08.12.2002
2. Advent

Ort: Sontheim/Brenz


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

"Wollen sie die Wahrheit hören?" Oder anders formuliert: "Wieviel Wahrheit vertragen sie?" Diese Frage stellte kürzlich der Unternehmerberater Eberhard Jung in einem Vortrag in Heidenheim "Wer will die Wahrheit schön hören?" Diese Aussage bezog er auf die Situation in vielen Unternehmen, die er aus seiner beruflichen Praxis kennen gelernt hatte. Wenn ich an die aktuelle politische Diskussion denke oder an die vergangener Tage dann gewinne ich den Eindruck, daß wir diese Frage ganz allgemein stellen können: " Wieviel Wahrheit darf es denn sein?" Wie wäre wohl die Wahl im September ausgegangen, wenn die Politiker die Wahrheit gesagt hätten? Hierbei erinnerte ich mich an die Wahl nach der Wiedervereinigung 1990. Damals versprachen die einen blühende Landschaften, die anderen mahnten vor den entstehenden Kosten und sprachen auch die Belastungen an, die auf die Bürger zukommen würden. Der Wahlausgang vor 12 Jahren war eindeutig und belegt für mich heute, was wir hören wollen. Wie sagte kürzlich ein Fernsehmoderator: "Das ist die geforderte Offenheit, aber nicht das, was man allseits gerne hört." ("heute nacht" Moderator am 04.12.2002 zur Haushalts- und Finanzdebatte im Bundestag am 03.12.2002).

Können wir, wollen wir die Wahrheit hören oder begnügen wir uns lieber auch mit Teilwahrheiten? Das geht dann nach dem Motto, alles was ich gesagt habe war die Wahrheit, aber ich habe nicht alles gesagt. Und das, was nicht gesagt wird, aus welchen Gründen auch immer, ist das entscheidende. Manchmal dünkt es mich, daß auch in unseren Gemeinden so verfahren wird und wir uns so verhalten. Wir akzeptieren die Botschaft vom Kind in der Krippe und wir akzeptieren auch noch die Botschaft vom Mann am Kreuz. Die eine, weil sie so schön rührig ist und die andere deswegen, weil wir um sie nicht herumkommen und weil das, was an jenem Kreuz von Golgatha geschehen ist, mir zu Gute kommt. Da hat ja einer meine Schuld raufgeschleppt, ist den Weg gegangen, den ich eigentlich hätte selber gehen müssen. Ist für mich den Tod gestorben, der mir gegolten hat.

Gerade jetzt im Advent gedenken wir mehr oder weniger dem Kommen des Gottessohnes, dem Kind in der Krippe. Hören wir auf einige Verse aus dem Lukasevangelium:

- Text lesen: Lukas 21, 25-33 -

Alles andere als ein adventlicher, besinnlicher uns aufs Weihnachtsfest einstimmender Text - oder? Möglicherweise stören wir uns daran, weil er nicht in unsere Vorstellungen von Advent paßt. Aber ich frage sie an dieser Stelle, was bedeutet eigentlich Advent? Die liturgischen Farben weisen uns den Weg: violett ist die Farbe des Advents und das bedeutet, der Advent ist eine Buß- und Fastenzeit. Advent als die Zeit, in der wir uns das Kommen Jesu aber auch seine Wiederkunft in besonderer Weise in Erinnerung rufen, Zeit, unsere Beziehung zu Jesus neu zu überdenken. Insbesondere der 2. Advent, und es steckt eigentlich schon im Namen, ist in der kirchlichen Tradition dem 2. Kommen Jesu, seiner Wiederkunft gewidmet. Und weil dies ein Ereignis von großer Wichtigkeit und Bedeutung ist, hat Jesus immer wieder darauf hingewiesen und versucht seine Jünger, und damit auch uns heute, darauf vorzubereiten. Dabei hat er mit seiner Botschaft nie hinter dem Berg gehalten sondern hat immer reinen Wein eingeschenkt. Jesus hat sich nicht mit Halbwahrheiten begnügt, auch wenn diese für die Hörer vermutlich angenehmer gewesen wären und sind. Wenn Jesus von der Zukunft redet, dann nimmt er kein Blatt vor den Mund. Er läßt die Leute, die sich zu ihm halten, nicht im Unklaren darüber was auf sie, und letztlich auf die ganze Menschheit, zukommen wird. Davon legt unserer heutiger Abschnitt eindrücklich Zeugnis ab.

Aus dem was Jesus an dieser Stelle sagt, möchte uns zweierlei mit auf den Weg geben:

  • Augen auf!
  • Kopf hoch!
  • 1. Augen auf - Jesus kommt!

    Während in den 50er und 60er Jahren die Menschheit noch vom Machbaren aller Dinge ausging so ist dieser Zukunftsoptimismus in den letzten Jahren mehr und mehr einer Resignation gewichen. Vieles der Dinge von denen in den Evangelien oder anderen Stellen der Bibel über die Endzeit zu lesen ist, scheinen sich in unseren Tagen zunehmend zu ereignen - schreckliche Hochwasserfluten, nicht nur in Deutschland (im Jahr 2000 in Mosambik mehrere tausend Tote), Erdbeben, Vulkanausbrüche, Umweltkatastrophen, Terrorakte (interessant ist, gegen wen sie sich richten) ...

    Die Frage ist, wie ordnen wir diese Dinge ein. Zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte gab es Ereignisse, die bei den Betroffenen den Eindruck erweckten, das Ende der Welt sei gekommen (Pest im Mittelalter, Kriege, u.a.). Bedingt durch die Möglichkeiten der Massenmedien erfahren wir natürlich heute viel mehr von solchen Ereignissen als dies noch vor einigen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten der Fall war. Aber es gilt unter Fachleuten als unbestritten, daß die Zahl ungewöhnlicher Naturkatastrophen in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Aber reicht das schon aus um zu dem Schluß zu kommen, daß wir, die jetzigen Generationen in dieser Zeit leben von der Jesus hier durch Lukas berichtet? Steht das Kommen Jesu vor unserer Tür, so daß wir es erleben werden?

    Aber nicht nur die Zunahme von Katastrophen ist ein Hinweis auf das bevorstehende Kommen des Gottessohnes. Auch der in unseren Tagen zunehmende Werteverfall bringt die Grundfesten dieser Welt ins wanken. Wie halten wir es mit "Du sollst nicht töten" (auch in der Abtreibungsdebatte?), "Du sollst nicht Ehe brechen", "Ehre Vater und Mutter" und nicht zuletzt auch mit der Frage nach der Wahrheit. Was bedeutet uns der Nächste, wie gehen wir mit ihm um und welchen Stellenwert genießt der sozial Schwache (-> Beispiele aus dem AT und NT) in unserem Leben aber auch in unserer Gesellschaft und in unserer Gemeinde. Was wir dazu beobachten ist für mich auch ein Gradmesser im Blick auf die Beurteilung der Zeit in der wir leben und in der Frage auf die bevorstehende Wiederkunft Jesu!

    Das oder unser Problem ist die Frage, wie wir mit diesem Thema umgehen oder anders formuliert, welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Eine mögliche Reaktion ist die Fixierung auf den Tag, an dem Jesus wiederkommt, "Wann wird das sein" so fragten bereits die Jünger Jesu (vgl. Mt 24,3; Mk 13,5; Lk 21,7). Die Spekulationen über den Zeitpunkt der Wiederkunft Christi trugen und tragen die unterschiedlichsten Blüten. Aber erfüllt hat sich noch keine von ihnen. Und so behaupte ich, daß dies gewiß der falsche Weg ist, sich mit der Wiederkunft Jesu zu beschäftigen. Jesus selbst hält sich mit Kriterien woran diese zu erkennen und festzumachen sei sehr bedeckt und bleibt im Ungenauen. Zwei Dinge jedoch macht Jesus klar und stehen mit der Wiederkunft fest: Wenn es soweit ist, werden diejenigen, die es erleben werden, es mit Sicherheit erkennen und diese Ereignisse werden eintreten, denn Jesus wird wiederkommen! Die Antwort, die Jesus auf die oben erwähnte Frage der Jünger gibt, weißt uns den Weg zum Umgang mit dem Thema

    Wiederkunft Christi und Endzeit: "Seht zu, daß euch niemand verführe"! Jesus wird wiederkommen, das ist gewiß, der Zeitpunkt dafür ist unerheblich. Entscheidend ist daß wir, sie und ich darauf vorbereitet sind (vgl. Mt 25,1-13;14-30 u.a.)! Und das heißt, mich immer wieder an Jesus binden, die enge Gemeinschaft mit IHM suchen, hier und heute. Wenn mir das gelingt, dann hat dies auch automatisch Auswirkungen auf mein Leben.

    Der Gemeindegründer der Korntaler Brüdergemeinde Gottlieb Wilhelm Hoffmann selbst beschrieb die Einstellung der Gemeinde zur Wiederkunft Jesu mit den Worten: "Wir warten, beten und bereiten uns, wie wenn der Herr morgen käme; aber wir pflanzen, bauen und wirken auf Erden, wie wenn es noch tausend Jahre so fortging." Und so nahmen die Männer immer ihren Sonntagsanzug mit aufs Feld um diesen anzuziehen, wenn der Herr wiederkommt und es stand auch immer eine Pferdegespann fahrbereit um dem wiederkommenden Herrn entgegenzufahren.

    Zum zweiten:

    2. Kopf hoch - der Erlöser kommt!

    Was heißt das? Geht es hier nur um eine Durchhalteparole getreu dem Motto "es wird schon wieder werden" oder um Schönrederei? Wenn diese Dinge geschehen werden sind auch Christen davon betroffen und stehen nicht nur als Zuschauer auf der Tribüne und betrachten das Geschehen. Bei den Ereignissen vor der Wiederkunft Jesu werden auch Christen mitten drin sein. Und ich kann mir gut vorstellen, daß dies auch eine Zeit sein wird, in der unser Glaube auf die Probe gestellt werden wird. Eine Zeit in der Fragen, die wir jetzt schon hin und wieder verspüren, drängend in den Vordergrund kommen. Dann wird sich zeigen ob wir es verstanden haben in den "guten" Zeiten unseren Glauben richtig einzuüben und zu erproben. Aber noch ist es noch nicht so weit - vielleicht!

    Kopf hoch bedeutet nicht, die Nase hoch nehmen und sich vermeintlich über andere zu erheben. Wenn wir den Kopf hoch nehmen sollen dann aus dem Grund, damit wir das Ziel wieder ins Auge fassen können. Nur wenn ich aufblicke sehe ich, wohin ich gehe. Und nur, wenn ich mich immer wieder auf das Ziel ausrichte, werde ich auch dort ankommen. Und unser Ziel ist nicht das Ende dieser Welt sondern der wiederkommende Christus und die neue Welt Gottes. Darauf sollen wir uns vorbereiten, darum können und sollen wir getrost und zuversichtlich sein.

    Vielleicht werden wir in jenen, oder sage ich besser in diesen Tagen, auch in Gefahr stehen die Orientierung und das Ziel aus den Augen verlieren. Darum sollen wir das Haupt erheben und aufblicken und das Ziel wieder in den Blick nehmen. Ich vergleiche das immer wieder mit Wanderungen im Hochgebirge in den spanischen Pyrenäen. Wenn man dort unterwegs ist und auf einen Berg will, dann muß man sich an kleinen Steinhaufen orientieren, die Wanderer vor mir gemacht haben um den Weg zu markieren. Um den Weg auszumachen darf ich nicht nur vor mich hinschauen sondern muß immer wieder den Kopf heben, den Gipfel anvisieren und mich an den kleinen Steinhaufen orientieren. Wenn ich nur nach unten blicke entgeht mir vieles weil ich es nicht wahrnehmen kann. Mit erhobenem Haupt wird mir dann eher gelingen auch das zu sehen, was etwas weiter entfernt ist und was danach kommt. Und nach der Leidenszeit, und da sollten wir uns wirklich nichts vormachen daß wir da irgendwelche Vorteile hätten, kommt das Beste noch. Das sollten wir uns immer wieder bewußt machen.

    Es wird uns nicht immer möglich sein, den Kopf hoch und das Ziel im Blick zu behalten, da sollten wir uns nichts vormachen. Für diese Situationen möchte ich zweierlei an dieser Stelle als Strategie weitergeben: zum einen ist es keine Schande wenn dies so ist, aber ich sollte mich dann an andere wenden, die mir helfen das Haupt wieder zu erheben und mir das Ziel neu zeigen lassen. Oder aber diejenigen, die das Ziel im Blick haben, sollten sich derer annehmen, denen dies eben nicht so möglich ist. Das heißt nichts anderes als daß die Starken sich der Schwachen annehmen, einer des anderen Last tragen sollte (Gal 6,2). Dabei geht es darum, das Ziel, daß Jesus wiederkommt, er sein Reich sichtbar auf dieser Erde gründen wird und wir berufen sind, Teilhaber an diese mREich und Gottes neuer Welt zu sein.

    Schluß

    "Wir warten dein o Gottes Sohn und lieben dein Erscheinen" (EKG Nr. 152)", so singen wir im folgenden Lied. Als Christen sind wir Menschen im Wartestand, warten auf die Begegnung mit Jesus, warten auf seine Wiederkunft. Warten kann mühsam, langweilig und ermüdend sein, oder aber spannend und erwartungsvoll, je nachdem wie ich die Zeit gestalte.

    "Das Ende kommt nicht einfach irgendwann einmal, sondern bestimmt das gegenwärtige Leben" (SCHWEIZER, Eduard; "Neues Testament Deutsch, Band 3; Das Evangelium nach Lukas"; Vandenoeck&Ruprecht in Göttingen; 1993; S.215). Darum sollten wir die Zeit nutzen um uns auf die Begegnung mit Jesus vorzubereiten. Dabei die Augen offenhalten und die Zeichen der Zeit wahrnehmen und beurteilen damit wir das Haupt erheben können und zuversichtlich und getrost auf das Ziel blicken, das uns verheißen ist.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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