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Predigt über Markus 8, 22-26

am 01./02.09.2001
12. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

In dieser immer wieder faszinierenden Geschichte der Bekehrung des Paulus, wird berichtet, wie er blind und dann wieder sehend wurde. Die Blindheit, mit der Paulus geschlagen wurde, hatte in erster Linie symbolischen Charakter. In dem es ihm wie Schuppen von den Augen fiel, gewann er nicht nur sein Augenlicht wieder, sondern erkannte auch, und das war viel entscheidender und letztendlich auch das Ziel, wer Jesus war. Und so wurde aus dem Christenverfolger ein brennender Zeuge des Evangeliums. Die Heilung des Paulus ist bei weitem nicht die einzige Wundergeschichte des alten und neuen Testaments. An vielen Stellen wird uns von Wundern berichtet, so auch im heutigen Predigttext, in dem es um ein Wunder geht, das Jesus getan hat.

- Text lesen: Markus 8, 22 - 26 -

Diese Heilung des Blinden zählt zum Sondergut des Markus. Kein anderer Evangelist berichtet von ihr. Das ist aber nicht das einzige auffällige daran. Während in anderen berichten von Heilungen die Kranken sofort geheilt wurden (Mt 20,34; Mk 10,52; Lk 18,43), vollzieht sie sich hier gewißermaßen in Etappen.

Aber ich denke mir, daß uns und die meisten Zeitgenoßen diese Auffälligkeiten weit weniger stören als die Tatsache, daß hier ein Wunder geschehen ist, ein Ereignis, daß sich unserem Erfahrungshorizont entzieht, das den Naturgesetzen, so wie wir sie kennen, entgegenläuft. Das macht uns mißtrauisch und stutzig. Denn was nicht sein kann auch nicht sein darf! Aber wer bestimmt, was sein kann und was nicht? Wer legt fest, wer setzt den letztgültigen Rahmen und bestimmt die Definitionen wie und was zu geschehen hat und darf? In unserer Wahrnehmung und Beurteilung sind wir fixiert auf das Denkschema, das uns durch die Aufklärung und die Naturwissenschaften vermittelt wurde. Und da hinein passt eben nur das durch die uns bekannten Naturgesetze erklär- und beschreibbare.

Den heutigen Predigttext habe ich zum Anlass genommen, um mir einmal etwas intensiver Gedanken zu diesem Thema zu machen. Was hat es auf sich mit den Wundern, die uns im alten und neuen Testament berichtet werden? Sind es nur Berichte von Menschen die es eben nicht besser zu erklären wußten, weil sie von den Gesetzen der Naturwissenschaften keine Ahnung hatten? Oder was hat es sonst auf sich mit diesen Berichten von Heilungen Kranker, Totenauferweckungen, Sturmstillungen und Brotvermehrungen und anderer, für uns heute sonderlich anmutender Geschichten? Warum vollbringt Jesus Wunder? Was will er damit zum Ausdruck bringen und um wen geht es ihm dabei?

  • Wunder - Heilung der verletzten Schöpfung
  • Wunder - Zeichen einer neuen Welt
  • Wunder gibt es immer wieder
  • 1. Wunder - Heilung der verletzten Schöpfung

    Das Neue Testament unterscheidet im Zusammenhang mit Wundern zwischen Heilungen und Rettungen. Zu letzteren gehören zum Beispiel die Sturmstillung. Bei ersteren wendet sich Jesus an in der Regel an Kranke mit einem chronisches Leiden. Das Motiv für Jesu Handeln ist die stumme Not des Kranken oder aber dessen flehende Bitte des Leidenden oder der Mitleidenden. Interessant erscheinen mir auch, welche "Kräfte" dabei wirksam werden. An erster Stelle und uns einleuchtend ist immer das Wollen Jesu. Daneben kann dann aber immer auch der Glaube des Kranken oder die Fürsprache bzw. der stellvertretende Glaube und Liebe derer, die sich für den Kranken einsetzen eine Rolle spielen.

    Die Wunder Jesu geschehen aus der Schöpferkraft Gottes heraus und haben das Ziel, die verletzte Schöpfung wiederherzustellen. Sie waren räumlich und zeitlich begrenzt, ereigneten sich punktuell, waren bezogen auf den einzelnen Kranken, dem sich Jesus zuwandte. Jesus hat nie anonym und in Massen geheilt.

    Wunder sind immer Ereignisse, die das Staunen derer hervorrufen, die sie miterlebt oder die von ihnen gehört haben. Mit seinem Handeln sprengt Jesus den Erfahrungshorizont der damaligen Menschen wie auch den unsrigen. Mit Wundern hat Jesus in das Leben einzelner Menschen eingegriffen und hat deren Situation, die persönlichen Lebensumstände der Betroffenen grundlegend verändert, in dem er deren persönliches Leid heilt. So kann der Blinde in unserer Geschichte wieder sehen oder an anderer Stelle kann ein Lahmer wieder gehen. Aber das ist nicht alles! Es geschieht weit mehr, als daß der Blinde wieder sehen kann. Die Veränderung, die seinem Leben widerfährt, hat viel weitreichendere Konsequenzen.

    Durch die Heilung wird der Blinde in die Lage versetzt, sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Bisher war er auf die Hilfe anderer angewiesen, die ihn dabei unterstützten, daß sein Leben gelang. Nun ist er wieder oder erstmals auf sich selbst angewiesen und wieder in der Lage, sein Leben selbst zu gestalten. Das ist für mich, neben dem für mich unbestreitbaren Umstand, daß da jemand sein Augenlicht wieder erhalten, ein wichtiger Bestandteil dieses Wunders.

    Die Wunder die Jesus und seine Nachfolger vollbracht haben dienten wie bereits gesagt dem Ziel, Gottes verletzte Schöpfung wiederherzustellen. Diese Wiederherstellung bezog sich allerdings immer nur auf die Lebenssituation einzelner Menschen. Jesus hat nicht alle Kranken geheilt, denen er begegnet ist (Beispiel Lahmer am Teich Betesda Joh 5,1ff).

    2. Wunder - Zeichen einer neuen Welt

    Jesus hat mit seinen Wundern in das Leben einzelner Menschen eingegriffen um deren Lebenssituation zu verändern, um ihnen zu helfen, sie heil zu machen. Die Art und Weise wie dies geschehen ist macht darüber hinaus deutlich, daß diese Wunder immer auch Zeichencharakter haben, Zeichencharakter im Blick auf die Person Jesu und Zeichencharakter im Blick auf die Zukunft.

    Sie sind Hinweiszeichen auf die Person Jesu, daß er von Gott gesandt und der Messias war, und Zeichen seiner Vollmacht. In dem was er tat und vor allem was er dazu sagte, unterstrich Jesu aus welcher Vollmacht heraus er handelte. Die Wunder waren allesamt Zeichen, die zur Legitimation Jesu dienten. Es waren nie Wunder zur eigenen Rettung, oder Strafwunder oder Wunder als Beweis statt als Hinweis.

    So standen die Wunder nie alleine da, sondern waren untrennbar verbunden mit dem gesprochenen Wort, der Botschaft vom Reich Gottes. Denn es ist unstrittig, daß ein Wunder allein noch lange kein Hinweis dafür war und ist, daß Gott dahinter steckt. Jesus selbst weist immer wieder darauf hin, daß viele aufstehen werden und große Wunder und Zeichen tun, die nicht von Gott gesandt sind. So liegt der Höhepunkt nicht auf dem Wunder, sondern immer auf dem das Wunder begleitende Wort Gottes. Beispiel: Vergebung der Sünden und Heilung eines Gelähmten in Mt 9, 2ff. Und nur im Zusammenspiel von Wort und Zeichen sind diese zu verstehen.

    Die Wunder waren auch Zeichen für die Zukunft, für eine Welt wie sie sich Gott vorgestellt hat. In den Wundern kommt zum Ausdruck, daß Gott alles Leid und alle Tränen abwischen wird. Es in seinem Sinn und sein Ziel, daß es kein Leid und kein Schmerz und kein Geschrei mehr geben wird. So weißen sie hin auf Gottes neue Welt.

    Die von Jesus und seinen Nachfolgern gewirkten Wunder sind Zeichen dafür, daß Gottes Reich angebrochen ist. Durch sie wird erkennbar und erfahrbar, was Gottes Zukunft für uns bringen wird.

    3. Wunder gibt es immer wieder

    Vielleicht haben viele von uns den Eindruck, daß die Wunder im Vergleich zu neutestamentlichen Zeiten weniger geworden sind, denn wo ist in unserer durchrationalisierten und scheinbar für alles mögliche machbar und erklärbar gewordene Welt noch Platz für ein Wunder?

    Ich halte jedoch dafür, daß Wunder heute ebenso zum Leben der Gläubigen gehören wie in den Tagen des Neuen Testaments. Es geht bei Wundern nicht so sehr und in erster Linie darum, daß sie spektakulär oder unerklärbar sind. Entscheidend ist für mich, von wem das Wunder kommt, wenn ich dafür verantwortlich mache. Für den biblisch denkenden Mensch ist ein Wunder jedes Ereignis, in dem ich Gottes helfendes Eingreifen erkenne. Ob dabei die Naturgesetze durchbrochen oder eingehalten werden, spielt dabei zunächst keine Rolle. Wunder, als helfendes, zurechtbringendes Eingreifen Gottes sind zunächst ergebnisoffen. Ich kann Gott nicht auf ein bestimmtes Ergebnis festnageln. Das zu Recht bringen, heil machen eines Menschen hat immer zuerst die Beziehung zu Gott im Blick. So verstanden, kann jemand durchaus weiter an einem Gebrechen leiden und dennoch heil werden und heil sein.

    Im Erkennen, daß Gott in der einen oder anderen Lebenssituation Gottes helfend in mein Leben eingegriffen hat, kommt das größte Wunder zum Ausdruck: der Glaube an den lebendigen Sohn Gottes.

    Wunder sind nicht machbar oder erzwingbar aber wir sollten sie auch nicht vorschnell aus unserem Lebens- und Erfahrungshorizont ausklammern. Bei Wundern geht es nicht in erster Linie darum, daß die Naturgesetze außer Kraft gesetzt oder umgangen werden. Es geht vielmehr darum, daß der Mensch, sie und ich Gottes heilbringende Handeln erkennt und sich dieser, in letzter Konsequenz, darauf einläßt. Darum sollen wir nicht aufhören, unsere Anliegen vor Gott kund werden zu lassen und mit seinem Handeln zu rechnen.

    Schluß

    "Zeichen und Wunder sahen wir geschehn" so werden wir es im folgenden Lied singen. Zeichen und Wunder sollen uns Mut machen und daran erinnern, daß Gott gegenwärtig ist und wir mit IHM und seinen Möglichkeiten rechnen sollten. Wunder sind keine Allheilmittel, nehmen uns die Last unserer Tage nicht ab sondern wollen uns hinweisen auf Jesus und Gottes neue Welt.

    Wir sollen nicht zu Zeichendeutern werden aber zu Menschen, die sensibel werden für Gottes heilbringendes eingreifen in unserer Welt und in unserem Leben und darüber ins Staunen und Loben kommen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Belchenring 20
    D-79219 Staufen
    07633/500781
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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