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Predigt über 1Kön 19,1 - 9.11-12

am 20.3.2022
Sonntag Okuli

Ort:
Betberg - Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Die Beiden kennen sie: Asterix und Obelix die unerschrockenen und tapferen Gallier. Im Oktober letzten Jahres kam der 39. Band „Asterix und der Greif“ heraus. Zentraler Bestandteil aller Geschichten ist ein Zaubertrank der vom Druiden gebraut und dann an die Männer des Dorfes verteilt wird. Dieser Trank macht sie unbesieg- und unverwundbar, allerdings hält seine Wirkung nur für eine gewisse Zeit, dann verfliegt sie wieder. Aber für eine siegreiche Rauferei mit den Römern oder den Piraten reicht sie allemal. Nur bei einem ist das anders, bei Obelix: Er ist als Kind in den Kessel mit Zaubertrank gefallen und seither hält die wundersame Wirkung ohne nachzulassen an.

In meinen ersten Überlegungen zum heutigen Predigttext ist mir Obelix eingefallen. Wünschen wir uns in unserem Christ sein manchmal nicht auch so einen Zaubertrank der in seiner Wirkung nicht nachlässt? So eine Portion Glauben, nicht nur für heute sondern für immer, sozusagen Glauben für übermorgen. Aber gibt es das: Glaube für übermorgen? Kann ich Glauben konservieren und nach Bedarf mal wieder eine Tube aufmachen wenn mir danach ist oder ich mal wieder welchen nötig habe? Sind sie vielleicht in den Gottesdienst gekommen um sich eine kleine Dose für die kommende Woche abzuholen1? Für die beruflichen Entscheidungen und Herausforderungen oder für die anstehenden Klassenarbeiten in der Schule? Können wir zum Pfarrerin oder zum Pastor gehen und sagen: Hast Du mal ne Dose Glauben für mich, ich bräuchte mal wieder eine Portion? Geht das so einfach, ist Glaube so verfügbar?

Im Predigttext geht es auch um einen, der eine Portion Glauben nötig hat – ich lese:

- Text lesen: 1. Könige 19, 1 – 13a –

Lesung besser 19, 1-9.11-12

Da fürchtete sich Elia, da packte Elia die Angst2 und er rannte um sein Leben und floh bis Beerscheba“. Soweit, so gut denken sie, würden wir wohl alle machen, wenn uns jemand so nach dem Leben trachten würde. Bis dahin ja, und nun die Vorgeschichte.

„Wie lange hinkt ihr auf beiden Seiten? Wenn der HERR der wahre Gott ist dann folgt IHM nach; wenn aber der Baal3 dann folgt diesem nach.“ Mit diesen Worten war Elia noch vor Kurzem vor das Volk Israel getreten. Wie klärt man eine solche Frage am besten? Durch einen Gottesbeweis. Den fordert Elia und bestellt 450 Baalspriester auf den Berg Karmel. Hier sollen sie ihre Macht bzw. diejenige ihres Gottes beweisen und damit die Frage klären, wer der wahre Gott ist. Die Prüfung: Feuer vom Himmel erbitten und einen Opferalter nebst Opfer entzünden. Die Baalspriester legen sich mächtig ins Zeug, versuchen es, geben alles – ohne Erfolg. Dann Elia – und um das Ganze zu steigern lässt er noch ausgiebig Wasser auf Opfer und Feuerholz gießen und dann geht es los. Elia rief den Gott Israels an und es fiel Feuer vom Himmel das alles verzehrte. Danach tötet er alle Priester des Baal mit dem Schwert. Pause - durchatmen.

Trotz dieser unglaublichen Gotteserfahrung gerät Elia in eine Lebenskrise in der er sich weder diese Erfahrung noch seinen Glauben verfügbar machen kann. Er sieht seinem Leben von Isebel4, der Frau des Königs Ahab, bedroht. Auch wenn uns vermutlich niemand nach dem Leben trachtet so kennen wir sicherlich die Erfahrung des Elia von Lebenskrisen. Und manchmal werden aus solchen Lebenskrisen auch Glaubenskrisen, dann wenn wir nicht auf unseren Glauben, auf unsere Gottesbeziehung zurückgreifen können oder unsere Gottesvorstellungen nicht in die augenblickliche Lebenslage zu passen scheinen. Dann sehen wir uns auf uns alleine gestellt. Situationen in denen wir Glaube für übermorgen nötig hätten. Aber am Beispiel der Erfahrungen des Elia sehe ich: Glaube für übermorgen gibt es nicht, es gibt keine Technik, sich den Glauben, das Vertrauen zu Gott verfügbar zu machen. Und selbst bei Asterix klappt es in diesem 39. Band nicht: vor der entscheidenden Schlacht mit den Römern ist der Zaubertrank eingefroren, nicht verfügbar. Stattdessen mache ich bei Elia drei (mögliche) Phasen solcher Lebenskrisen aus, an deren Ende ich wieder Boden unter den Füßen und Glaubens-Perspektive bekomme:

  • Flucht und Rückzug
  • Gottes Fürsorge und Zuwendung
  • Gottes-begegnung
  • 1. Flucht und Rückzug – eine menschliche Regung

    Elia will nur noch eines: sterben. Er hat genug, er ist müde, abgekämpft, perspektivlos. Gegen Isebel kommt er nicht an. Scheinbar unbeeindruckt von den Ereignissen am Karmel und seiner Gottesbeziehung schwört sie Elia Rache bis aufs Blut.

    So bitter und schwer es für Elia in dieser Situation ist, so sehr ist er mir in seiner Reaktion sympathisch. Dass er eben kein unüberwindbarer Obelix ist der einmal in den Zauberkessel des Glaubens gefallen und damit unanfechtbar war. So finde ich mich in ihm wieder, in seiner Angst, Sorge, dem Gefühl der Gottverlassenheit. Da gibt es Situationen und Stationen in meinem Leben, da war der Glaube ebenso gefährdet oder ist mir gar abhanden gekommen. Da hing die Beziehung zu Gott an einem seidenen Faden, da gab es nichts mehr als der Schrei jenes Vaters zu Jesus (Mk 9,24) „Herr hilf meinem Unglauben!“ oder wie Jona der unter den Ginsterbusch (Rizinusstrauch) floh.

    Hier wünscht sich einer das Lebensende, der Gott in einzigartiger Weise erlebt hat. Unerschrocken ist er vor die 450 Baalspriester getreten und hat sie herausgefordert. Glaubensstark hat er darauf vertraut, dass sich Gott, sein Gott als der wahre Gott erweisen wird. Und so ist es gekommen und dem Volk blieb nichts anderes übrig als zu bekennen: „Der HERR, er ist Gott. Der HERR, er ist Gott.“ Was für eine Demonstration der Größe und Macht Gottes!? Soweit die Vorgeschichte.

    Und dann rennt er einfach um sein Leben – nichts mit Glaube für übermorgen. Weil er der Drohung der Isebel nichts entgegenstellen kann5. Ihm schlottern die Knie. Zunächst war ich versucht diesen Punkt zu überschreiben mit „Elias Unglaube“. Aber stimmt das? Ist das Unglaube? Vielmehr denke ich, dass Elia seinen Glauben in dieser Situation für sich nicht nutzbar machen, nicht umsetzen konnte. Sein Glaube, sein Gottvertrauen hatte auf die Bewertung seiner augenblicklichen Lage und seine Empfindungen keinerlei Einfluss. Und das ist sicherlich eine der spannendsten Fragen: Was geschieht, wenn ich mir meinen Glauben nicht nutzbar machen kann? So, dass dieser mein Denken, Fühlen, Reden, Handeln bestimmen und prägen kann? Auch und vor allem in Lebenskrisen, dann wenn ich nicht in der Lage bin, mich meinem Gott zuzuwenden, meinem Zweifel, meiner Angst nicht mein Gottvertrauen entgegenhalten kann.

    Wenn mir das nicht gelingt, dann bleiben mir nur ganz menschliche Verhaltensweisen und in diesem Fall wegrennen. Was wäre die Alternative gewesen? Dass Gott noch einmal so ein Wunder wie am Karmel tut? Oder für Gott und seine Nachfolge in den Tod gehen, zum Märtyrer werden?

    Gott will unsere Beziehung, unser Vertrauen nicht weil er seine Macht demonstriert hat, sondern weil wir erkennen und verstehen, dass ER uns liebt, bedingungslos! Es geht um eine vertrauensvolle Gottesbeziehung die immer auch anfechtbar und bedroht ist. Darum muss meine Gottesbeziehung in meinem Christsein, in meiner Nachfolge wie jede andere Beziehung dauernd gepflegt, gestärkt und gelebt werden, und das am besten vor Krisen. Das macht jede gute Beziehung aus.

    2. Gottes Fürsorge und Zuwendung

    Elia rannte, raus aus Israel, ans andere Ende nach Berscheba. Hier ließ er seinen Diener zurück und ging nochmals einen Tag weiter in die Wüste, wo er sich unter einen Ginsterbusch (Luther Wacholder) verkroch – noch einer unter dem Ginsterbusch. Die Wüste – ein wüster, ein öder Ort. Ein Ort zum sterben, denken wir. Aber: Wüste ist ein Ort der Reinigung, der Läuterung, der Versuchung. Wüste ein Ort der Neuausrichtung, ein Ort der Visionen, der Gottesbegegnung und der Gottesbeziehung. Ganz schön was los in der Wüste.6

    Elia ist fertig, will nur noch sterben und legt sich hin und schläft. Kennen sie das? Nur noch die Decke über den Kopf ziehen und in Ruhe gelassen werden? Und Gott lässt ihn schlafen, gesteht ihm diese Ruhephase und Zeit zum erholen zu. Elia erhält in dieser Zeit die zum Leben und überleben nötigen Dinge. Ruhe, Nahrung und Trinken. Es ist spannend zu sehen was der Engel Gottes getan hat. Und ebenso spannend und bezeichnend ist es zu sehen was er nicht getan hat.7 Elia bekommt keine frommen Sprüche und Durchhalteparolen zu hören, wird nicht an frühere Glaubens- und Gotteserfahrungen erinnert, er wird nicht getadelt. Nichts von alledem. Der Engel ist ihm einfach beigestanden und als Elia sich wieder hingelegt hat um weiterzuschlafen, hat er ihn nicht daran gehindert und hat ihn gedrängt aufzustehen und wieder zu kämpfen. Der Engel ist einfach da geblieben, hat Elia schweigend Beistand geleistet.

    Gottes Zeichen in der Wüste waren einfach, unspektakulär. Da ist nichts von dem zu erkennen was auf dem Karmel geschehen ist. Er gibt Elia das, was er jetzt benötigt und was zum (über)Leben erforderlich ist: Wasser und Brot. Und Elia bekommt Schlaf, kann sich ausruhen und vielleicht auch in den Träumen der Nacht die Ereignisse und sein eigenes Ergehen zu Verarbeiten und wieder zur Ruhe zu kommen.

    Das erinnert an den Psalm den wir eingangs gemeinsam gebetet haben (Ps 84): Wenn sie durchs dürre Tal ziehen, wird es ihnen zum Quellgrund8. Und dies ist mir ein Hinweis dass Gott Geduld und Zeit hat. Denn meist sind es wir die meinen, einen ganz bestimmten Zeitplan einhalten zu müssen. Dabei stellen wir zu große Ansprüche an uns, andere, an Gott.

    3. Gott begegnen

    Nachdem Elia die Zuwendung Gottes erfahren hat, er gestärkt ist, die Lebensgeister wieder erwacht sind wird sein Blick zuerst auf Gott gelenkt. Er muss neu erkennen wer Gott ist, wer Gott für ihn ist.

    40 Tage und 40 Nächte – nochmals 40 Tage und 40 Nächte, viel Zeit um nachzudenken und um zu reflektieren - begibt sich Elia erneut auf eine Wanderung. Elia bleibt in der Öde, bleibt bei sich, wird nicht abgelenkt, aber er bleibt nicht am Boden liegen.9 Elia wandert zum Horeb, dem Berg der Gottesoffenbarung. Dort, nach der Zeit der Ruhe und des Nachdenkens und der Besinnung gelingt es Elia sich neu auf Gott auszurichten, sich sein Vertrauen zu seinem Gott wieder nutzbar zu machen und dieser Gott begegnet ihm erneut. Ich frage: Wo sind unsere Berge der Gottesbegegnungen? Wo sind unsere Orte, an denen wir uns unseren Glauben wieder nutzbar machen können?

    Ich muss Gott wieder in den Blick nehmen, in den Blick bekommen, dann bekomme ich eine neue Perspektive. Aber Gott macht das nicht in der Art, dass er ihm seine Großtaten vor Augen führt. Er erinnert Elia auch nicht an das Vergangene und die Ereignisse vom Karmel. Das war gestern. Nun geht es ums heute, ums jetzt. Elia erfährt Gott in dem unscheinbaren. In dem stillen, sanften Sausen des Windes – Martin Buber, der große jüdische Religionsphilosoph überträgt: Eine Stimme verschwebenden Schweigens10 - in der Stille, im Schweigen erkennt Elia Gott. Darum sind Häuser der Stille – wie hier in Betberg – Orte an denen Gottesbegegnung möglich wird. Er lässt sich nicht beirren durch gewaltige Naturereignisse, lässt sich nicht täuschen durch Feuer, Sturm und Erdbeben – Fußnote!/11. Unzweifelhaft erkennt er Gott im Unscheinbaren, Unspektakulären, Alltäglichen, weil er bereit ist, Gott zu begegnen. Das Entscheidende: Elia klammert Gott aus seiner Lebenssituation, seiner Lebenskrise nicht aus, macht sich und seine Gottesbeziehung nicht abhängig von Erfahrungen.

    In dieser Gottesbegegnung erfährt nicht nur Elia Gott, auch wir erfahren etwas über diesen Gott: ER ist nicht im Sturm der alles hinwegfegt. Gott ist auch nicht im Erdbeben das alles ohne Differenzierung niederreißt. Auch nicht im Feuer das alles verbrennt. Gott ist in der Stimme eines feinen Schweigens (so der hebräische Grundtext). Das bedeutet: Gott ist kein undifferenzierter Gott. Gott ist kein lärmender und lauter Gott! Wenn wir Gott erkennen, erfahren wollen müssen auch wir die Stille, das Schweigen, Wüstenzeiten aushalten!

    Schluss

    Das Leben ist spannend, auch deswegen weil wir immer herausgefordert sind, weil wir um unsere Gottesbeziehung kämpfen, an ihr arbeiten müssen, da ist Leben drin!

    Falls sie in diesen Gottesdienst gekommen sind um die Methode, die Technik zu erfahren wie sie sich den Glauben für übermorgen zu eigen machen können oder sich eine neue Portion abzuholen, muss ich sie enttäuschen: die gibt es nicht! Das zeigen uns diese beiden Gottesbegegnungen und dazwischen die Wüste. Mir ist dies ein Sinnbild auch für mein, für unser Leben. Für unsere Gottesbeziehung, unser Gottesvertrauen gibt es keine technische Lösung, Vertrauen entsteht durch Beziehung in die wir uns, in die ich mich immer wieder einbringen, investieren muss12. Wir fallen nicht einmal in den Zuber mit Glauben und Gotteserfahrungen/-beziehungen und können dann ein ganzes Leben davon zehren. Nein, wir wandern von einer Gottesbegegnung und -erkenntnis zu anderen und pflegen so unsere Gottesbeziehung und dazwischen gilt es immer wieder ödes Land zu durchqueren. Da gibt es Zeiten der Stille, Zeiten in denen Gott scheinbar verschwunden ist, mir nur die Frage bleibt: mein Gott, warum hast du mich verlassen? Aber Gott ist da,

    bleibt bei mir und bietet mir ununterbrochen seine Beziehung an, versorgt uns unspektakulär mit dem was wir zum Leben brauchen. Und was uns Gott gibt reicht, damit wir das, damit wir sein Ziel für uns erreichen!

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Bedenken: Vielleicht sind wirklich Menschen in den Gottesdienst gekommen, um sich eine „Portion Glauben abzuholen“, um sich ihren Glauben stärken zu lassen.
    2 nach Hoffnung für Alle
    3 eine Gottheit der Nachbarvölker Israels – siehe Fußnote 3.
    4 Hier wäre vielleicht ein Hinweis hilfreich, wer Isebel ist, welche Rolle sie spielt im Blick auf den Baalskult in Israel.
    5 Mit dieser Reaktion hat er nicht gerechnet, sie traf ihn vollkommen unvorbereitet. Und wir können uns nur auf das vorbereiten und darauf reagieren, was wir kennen.
    6 QUITTKAT Sven; in: Zuversicht und Stärke. Februar -März 2008. 6. Reihe - Heft 2. Seite 33
    7 derselbe a.a.O. S 39
    8 Psalm 84,7 (LUT)
    9 derselbe a.a.O. S 39
    10 BUBER Martin, ROSENZWEIG Franz in: Bücher der Geschichte, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 19798, Seite 406. Lizenzausgabe Deutsche Bibelgesellschaft 1992.
    11 Das hat mich an Mt 24,24 erinnert wo Jesus seine Jünger vor falschen Christussen und Propheten warnt, die zwar spektakuläre Dinge tun aber nicht von Gott sind sondern die Menschen verführen wollen.
    12 Vertrauen braucht Zeit und eine offenes Herz. Das ist ein Zitat eines Imam in einem „Zürich-Krimi“, Folge Borchert und die mörderische Gier, ca. Min. 50

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