Home
Predigten
 
 

Predigt über 4. Mose 2, 4b - 9.15 - 25

am 20.9.2020
15. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Grenzach


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Obwohl namenlos so sind sie doch nicht themenlos – all die durchnummerierten Sonntage nach Trinitatis. Und so steht auch der heutige 15. Sonntag nach Trinitatis unter einem Leitgedanken: sorget nicht! Sorgt euch nicht - leichter gesagt als getan. Sorge um Nahrung und Kleidung, Sorge und die Gesundheit und den Arbeitsplatz, Sorge um die Kinder oder die älter werdenden Eltern. Oft genug wird daraus ein unruhiges Grübeln, ein inneres Getrieben-Sein. Der 15. Sonntag nach Trinitatis mit seinem Wochenspruch ist eine Schule für den Umgang mit unseren Sorgen: „Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch!“

Was könnten wir uns da für ermutigende biblische Berichte vorstellen: Jesus Hinweis auf die Vögel die mit Nahrung versorgt oder die Lilien, welche schön gekleidet werden. Einen der Berichte von einem Speisungswunder oder wie Jesus den Sturm stillt. Und viele andere Berichte wären denkbar. Oder klassisch Psalm 23 – der gute Hirte der für uns sorgt und uns durch das Leben leitet. Aber nichts von all dem. Sondern Verse vom Anfang der Bibel.

Ich lese

- Text lesen: 2 Mos 2, 4b – 9.15 – 25 –

Dieser sogenannte zweite Schöpfungsbericht schließt sich an den ersten an. Sein Fokus liegt ganz auf der Erschaffung des Menschen. Die restliche Schöpfung wird eher am Rande erwähnt. Und etwas weiteres fällt im Vergleich zum ersten Bericht auf: es ist nicht mehr nur Elohim = der souveräne und allmächtige Schöpfer-Gott der am Wirken ist, sondern nun auch Jahwe = der Bundes-, der Beziehungsgott. So wird der Blick auf einen Gott gelenkt, der mit seinen Geschöpfen und insbesondere dem Menschen in Beziehung treten will. Er ist kein Gott, der anonym und unpersönlich irgendwo sitzt oder der das Wägelchen Schöpfung aufs Gleis stellt und dann vor sich hinrollen lässt und nichts mehr mit seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen zu tun haben möchte.

Wir sind von Gott auf Beziehung(en) hin geschaffen, und dies in dreierlei Hinsicht:

  • in unserer Beziehung zu Gott
  • in unserer Beziehung zu anderen Geschöpfen – der belebten Umwelt
  • in unserer Beziehung zu anderen Menschen, speziell in der Beziehung von Mann und Frau
  • 1. In unserer Beziehung zu Gott

    Ein Wesenszug dieser Beziehung zeigt der Wochenspruch aus dem ersten Petrusbrief. Sorget nicht1, vielmehr all Eure Sorgen werft auf IHN. Eine steile Aussage – geht das so einfach? Und wenn ja wie soll das gehen? Sorgt nicht – Sorgen sind doch vielfach einfach da, kommen auf Grund irgendwelcher Umständen oder Ereignisse. Gewiss, beim einen vermehrter und bei der anderen weniger oft oder intensiv. Kein Mensch ist Sorgen-los – ich zumindest kenne keinen. Und die Sorgen sind auch nicht das Problem, sondern unser Umgang damit.

    Ich muss an Rolf Dobelli denken, der in seinem Buch „Die Kunst des guten Lebens“ vom Maximalpunkt des Grübelns2 schreibt. Damit meint er den Punkt, an dem alles nachdenken, grübeln nicht mehr weiterhilft. Ab dann muss man handeln, den nächsten aktiven Schritt machen, weitergehen. So verstehe ich auch Petrus der mit seinen Appell an uns nicht sagen will, dass Christen weder die eigenen Sorgen noch die Sorgen anderer Menschen gleichgültig sein sollen oder wir diese zu belächeln haben. Ganz im Gegenteil. Auch Petrus macht deutlich, irgendwann bringt alles sorgen, nachdenken und hirnen einem nicht weiter, dann muss man etwas tun. Und der konkrete nächste Schritt, den er uns empfiehlt: Geh mit deinen Sorgen zu dem, der dein Leben in seinen Händen hält weil er sein Leben für dich gegeben hat. Bleib mit deinen Sorgen nicht alleine bei Dir, sage sie dem, der versprochen hat, für dich zu sorgen!

    Geh hin zu dem, der dich ins Leben rief, der dich gewollt hat, der dir seinen Atem eingehaucht hat und dich zu einer lebenden Seele erweckt hat. Welch starkes Bild: Gott formt den Menschen aus Lehm, macht sich dabei seine Hände schmutzig und haucht ihm dann Atem des Lebens in die Nase und der Mensch wurde eine lebende Seele. Wir haben nicht nur eine Seele, wir sind lebende Seele. Oder anders ausgedrückt: Wir habe nicht nur ein vitales Selbst, sondern der Mensch ist ein vitales Selbst3, ist Person und Persönlichkeit mit der Fähigkeit zu fühlen, denken, handeln und mit einem moralischen/ethischen Urteilsvermögen4 - jeder. So sind wir geschaffen um in Beziehung zu und mit unserem Schöpfer zu leben und unser Leben, unser Alltag mit allem was er in sich trägt und für uns bereit hält, mit diesem Schöpfer zu gestalten. Auf diese Beziehung mit Gott hin sind wir geschaffen. Das ist nichts statisches sondern, wie jede Beziehung äußerst dynamisch und lebendig, mit allem was dazugehört. Mit dem Atem Gottes beginnt die große Liebes- und Lebensgeschichte aber auch Leidensgeschichte zwischen Gott und dem Menschen./5

    Diese Erinnerung, dieses bewusst machen nimmt erst einmal gewaltig Druck aus dem Sorgenkessel. Ja, Gott hat mich geschaffen, Gott hat diese Welt, den Kosmos geschaffen. Und dieser Gott wendet sich mir immer wieder aufs Neue zu.

    2. Geschaffen in Beziehung zu meiner Umwelt

    Dass Gott sich um und für den Menschen sorgt zeigt sich ferner darin, dass Gott dem Menschen eine lebensfreundliche Umwelt erschafft. Gott setzt den Menschen nicht in die Wüste oder die Arktis, sondern in den Garten Eden, in eine Umwelt die seine Heimat sein soll, in der er leben und gedeihen kann. Und die Ebenbildlichkeit des Menschen wird erkennbar, in dem Elohim-Jahwe dem Menschen nicht nur etwas anvertraut, sondern ihm auch etwas zutraut.

    Der Mensch erhält den Auftrag, den „Garten“ zu bebauen und zu bewahren. Dazu gehört, dass die Tiere keine namenlosen Wesen bleiben, sondern sie alle einen Namen bekommen. Was macht ein Name alles aus? Wenn man die Baum- oder Pflanzenarten und -namen kennt, dann sieht man plötzlich den Wald vor lauter Bäumen wieder, weil man die einzelne Baumart oder Blume auf der Wiese erkennt und so wahrnimmt. Genauso ist es bei den Tieren und plötzlich verbinden sich damit Geschichten und Besonderheiten. Warum sonst bleibt wohl kein Haustier namenlos?

    Dadurch lernt man es wertschätzen und dies trägt zu einem anderen, bewussteren Umgang bei. Kann es sein, dass ein Grund für die Umweltzerstörung auch damit zusammenhängt, dass wir uns von unserer Umwelt entfremdet haben? Dass wir überhaupt nicht mehr wahr-nehmen, von wem und was wir umgeben sind weil wir es nicht mehr mit Namen kennen? Und ich denke es ist nicht zu weit hergeholt zu sagen, dass sich das bewahren auch auf die sogenannte unbelebte Natur erstreckt.

    Dass der Mensch, dass wir allerdings an und in unserem Auftrag der Bewahrung der Schöpfung immer wieder scheitern – und müssen wir in unseren Tagen sogar sagen grundsätzlich gescheitert sind - liegt nach meinem dafür halten an zwei wesentlichen Gründen: zum einen erkennen wir erst in der Rückschau die Auswirkungen unseres Entscheidungen und unseres Handelns. Entscheidungen treffen wir im hier und jetzt und den aktuellen Erkenntnissen und sind dabei vielfach Getriebene. Zum anderen weil der Mensch nach dem Sündenfall ein anderer ist als davor und in vielem bestimmt ist von Ich-Sucht.

    Aber wo immer wir unsere Schwächen erkennen und uns unser Auftrag wieder in Erinnerung kommt, sollten wir unser möglichstes tun, um dem ursprünglichen Auftrag gerecht zu werden und Gottes Ebenbildlichkeit auch in dieser Beziehung ein Gesicht geben.

    3. In unserer Beziehung zu anderen Menschen – insbesondere die Beziehung zwischen Frau und Mann

    An kaum einer anderen Stelle wird so deutlich, dass und wie der Mensch auf Beziehung, auf ein Gegenüber angelegt ist wie in diesen Versen. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen die ihm entspricht. Das ist mit den Tieren im ersten Schritt nicht gelungen. Denn der Mensch braucht nicht alleinig Hilfe sondern Gemeinschaft6. Der Mensch – Frau und Mann – sind nach dem Bilde Gottes geschaffen (1Mos 1,27). Da ist also kein Unterschied in der Ebenbildlichkeit.

    Der Mensch – als Frau und als Mann - ist in Eigenständigkeit und in Gegensätzlichkeit und nicht in Gleichheit erschaffen – man kann auch sagen in Ergänzung zueinander. In dieser Gegensätzlichkeit und gleichzeitig Ergänzung der Geschlechter liegt natürlich ein gewisses Konfliktpotential zugleich wird in Frau und Mann die Ebenbildlichkeit Gottes ganzheitlich erkennbar.

    Sowohl die Beziehung zu seiner Umwelt als auch die Beziehung auf ein menschliches Gegenüber machen mir deutlich, dass Gott den Menschen in vorbereitete Verhältnisse hineingestellt, hineingeschaffen hat. Wir werden nicht in einen beziehungsleeren Raum hinein geboren. Das gehört auch zur göttlichen Schöpfungsordnung. Und Störungen dieser Schöpfungsordnung haben Auswirkungen auf unser persönliches Leben aber auch auf die gesamte Schöpfung und das Beziehungsgeschehen der Menschen untereinander und zu Gott.

    Schluss

    Alle eure Sorge werft auf ihn, den ER sorgt für euch. An diese Haltung unseres Christseins werden wir an diesem Sonntag erinnert. Wie gesagt, damit wird keine christliche Sorglosigkeit propagiert welche die menschliche Sorge leugnet, im Gegenteil. Aber wir werden auch erinnert, dass wir mit unserer Sorge nicht allein bleiben müssen und in einem immer schneller drehenden Sorgenkarussell gefangen sind. Christliche Sorglosigkeit bringt Sorge an den Platz, an den sie gehört: vor Gott. Wir können das ängstliche routieren7 der Gedanken dadurch unter- und durchbrechen, indem wir aus unseren Sorgen eine Bitte machen und diese vor Gott bringen.

    Vor den Gott bringen, der uns gewollt und geschaffen hat. Vor den Gott, der von Anfang an für uns gesorgt hat. Vor den Gott, der uns in Beziehung zu ihm und zu anderen Menschen gestellt hat. Gott will dabei sein, in unserem Leben, er verdrückt sich nicht vom Sorgen-Acker unseres Lebens, sondern geht mit und ist dabei, auch in den sorgenvollen Stunden unseres Lebens – ganz gewiss.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Schrage, Wolfgang: in Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes, Judas; NTD Band 10; Vandenhoeck&Ruprecht, Göttingen, 199314; S. 119 -> hier ist wohl nicht an eine allgemeine Sorglosigkeit zu denken, als vielmehr auf die spezielle Situation der Verfolgung.
    2 DOBELLI, Rolf: Die Kunst des guten Lebens; Piper Verlag GmbH, München, 2017; S. 243ff
    3 ZIMMERMANN, Prof. Dr. Johannes; in: Zuversicht und Stärke. August-September 2020, 2.Reihe - Heft 5 S.71

    4 Genfer Studienbibel; Kommentarblock S. 11

    5 derselbe a.a.O. S.74

    6 JANOWSKI, B.; Anthropologie des AT, Mohr-Siebeck 201914, S. 48f in: Zuversicht und Stärke. August-September 2020, 2.Reihe - Heft 5 S.70f

    7vgl. hier auch BAUMERT zu Phil 4,6 in: Der Weg des Trauens; echter Verlag, Würzburg, 2009 S. 330ff -> auch hier: es heißt nicht, dass nichts Gegenstand von Sorge sein dürfte, aber es kommt darauf an, was ich damit mache!

    nach oben Home Predigten eMail Predigt als PDF zum herunterladen