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Predigt über 1. Mose 11, 1-9

am 16.05.2005
Pfingstmontag

Ort: Heldenfingen / Heuchlingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Von Hans Fallade stammt der Roman ein "Mann will nach oben" der Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sehr erfolgreich für eine mehrteilige Fernsehserie verfilmt wurde. Im Zentrum der Geschichte steht Karl Siebrecht, der als 16 jähriger Vollwaise nach Berlin des beginnenden 20 Jahrhunderts kommt. Aus einfachen Verhältnissen arbeitet er sich ganz nach oben. Dabei erleidet er immer wieder Rückschläge aber er steht auch immer wieder auf. Das Leben dieses Mannes charakterisiert ein Zitat, das Winston Churchill zugeschrieben wird: "Hinfallen ist keine Schande, aber liegen bleiben!"

Diese fiktive Lebensgeschichte jenes Karl Siebrecht ist mir gleichzeitig auch Bild für das Wesen von uns Menschen. Dieses ist unter anderem davon gekennzeichnet, sich nicht mit einem bestimmten, einmal erreichten Status zufrieden zu geben, sondern sich immer weiter zu entwickeln. Dieser Charakterzug ist gewiss nicht bei jedem von uns gleich stark ausgeprägt. Aber sie werden mir zustimmen, das die Menschheitsgeschichte diesen wiederspiegelt. Denn wir wohnen, bis auf ganz wenige Ausnahmen abgesehen, schon lange nicht mehr in Höhlen oder reiten auf Pferden zum Gottesdienst.

Im heutigen Predigttext spielt dieses menschliche Streben eine wichtige Rolle und wird kritisch hinterfragt. Ich lese

- Text lesen: 1. Mos 11, 1- 9 -

Diese Geschichte vom Turmbau zu Babel gehört wohl zu denjenigen, die den meisten Menschen geläufig ist, auch wenn sie sich nicht als bibelfest bezeichnen würden. Für uns heute ist der Umgang mit dieser Geschichte nicht ganz einfach. Keiner von uns war dabei und wir können auch niemanden mehr fragen, der dabei war. Und so gibt es Fragen, die wir heute nicht beantworten können und vieles was zu jenen Ereignissen gedacht und gesagt wird, ist einfach spekulativ, zumindest was die historischen Tatsachen anbelangt. Diesen Umstand teilen die meisten alttestamentlichen Texte. Sie stammen aus einer Zeit und Kultur, über die wir nur wenig wissen und die uns weitestgehend fremd ist. Wir sind schnell dabei, Dinge, die uns unwahrscheinlich erscheinen als unglaubwürdig abzutun, weil wir geneigt sind, für alles Beweise und Erklärungen zu wollen. Aber es gibt auf dieser Erde Dinge, die nicht zu beweisen sind und die man einfach stehen lassen sollte.

Hinter dem Wahn alles beweisen zu wollen und zu können, egal mit welcher Absicht (Dinge zu be- oder zu wiederlegen) steckt doch letztlich auch nichts anderes als die Vorstellung, dass wir alles können, für uns Menschen alles machbar ist. Und damit bin ich wieder bei unserem heutigen Ausgangspunkt für die Predigt, dem Turmbau zu Babel.

In drei Schritten möchte ich uns diese Geschichte erschließen:

  • 1. Der Turmbau zu Babel.
  • 2. Der Turmbau in der Menschheitsgeschichte.
  • 3. Der Turmbau in unserem Leben.
  • 1. Der Turmbau zu Babel.

    Wie eingangs bereits erwähnt ist es schwer, genaue Details über geschichtliche Gegebenheiten dieser Erzählung herauszufiltern. Dafür sind die Angaben die in ihr selbst gemacht werden einfach zu dünn. Das Land Schinar, in dem sich die Menschen niedergelassen hatten, lag wohl im Mündungsgebiet des Euphrat und Tigris im sogenannten Zweistromland. Und sie hatten, so wird ausdrücklich erwähnt, "dieselbe Sprache und ein und dieselben Wörter". Haben sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, was das wohl wäre, wenn alle eine Sprache sprächen? Wir sind von Ländern umgeben (die Schweiz und Österreich einmal ausgenommen), in denen eine andere Sprache gesprochen wird. Damit sind automatisch Verständigungsschwierigkeiten gegeben, die es erst einmal zu überwinden gilt, wenn wir mit Menschen aus diesen Ländern zusammentreffen. Wie es ist, wenn diese Sprachbarrieren nicht gegeben sind, habe ich während meiner Aufenthalte in Südamerika erlebt. Dort können sie durch alle Länder reisen (und mit Ausnahme von Brasilien) wird ein und dieselbe Sprache gesprochen.

    Die Menschen in unserer Geschichte bauen diese Stadt (vgl. auch 1Mos 4,17) und diesen Turm als Symbol der Einheit, quasi als Sammelpunkt um den sie sich scharen, als die Masse in der Mitte, die sie anzieht. Der Turm soll zum Identifikationsobjekt werden um das sich die Menschen sammeln, damit sie nicht zerstreut werden. Mit dem Turm soll zum Ausdruck gebracht werden, wir sind wer und wir können was, vor uns muss man sich in Acht nehmen und wer zu uns gehört und bei uns bleibt, dem wird es gut gehen. Mit diesem Turm wollten sie sich gegenüber Gott positionieren und zum Ausdruck bringen, wir sind doch auch wer und wir sind in der Lage, unsere Geschicke selbst zu bestimmen.

    Maßloser Größenwahn einerseits und Angst und Verzweiflung andererseits treiben sie bei ihrem Vorhaben an. Dabei übersahen sie ganz, dass sie mit diesem Anti-Zerstreuungsplan dem widersprachen, was Gott eigentlich für den Menschen vorgesehen hatte: "seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt die Erde". Dieser Zusammenballungsgedanke zum Städte- und Turmbau steht dem Schöpfungsgedanken entgegen1. Und nun ereignet sich etwas sonderbares: Gott kommt herab um sich diesen Turm anzuschauen. Gott nimmt das Tun des Menschen ernst weil er weiß, dass dieser immer in der Gefahr steht, sich aus der Gemeinschaft mit Gott zu bewegen und seinem Willen zu widersprechen. Und damit sich nicht noch schlimmeres ereignet, die Menschen in ihr Verderben laufen, durchkreuzt Gott ihre Pläne.

    2. Der Turmbau in der Menschheitsgeschichte.

    In den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts machte sich die Anti-Atomkraftbewegung ein Gemälde des Renaissancemalers Pieter Bruegel auf dem der Turmbau dargestellt wurde, in abgewandelter Form auf ihren Plakaten Bewegung zu eigen (unten zeigte das Plakat noch das historische Bild und ging dann in der Spitze in einen Kühlturm eines Atommeilers über). In dieser Montage liegt die Übertragung dieser Geschichte auf die Situation der Menschheit - zumindest für einen Großteil davon. Die Entwicklung der Menschheitsgeschichte ist geprägt vom immerwährenden Bestreben, die Rahmen- und damit Lebensbedingungen zu verbessern. Bezog sich dies ursprünglich hauptsächlich auf den Bereich der Grundversorgung und Lebenserhaltung und diente dem überleben, so geht dies in unseren Tagen mehr darum, Arbeitsabläufe und das "tägliche Leben" zu erleichtern und angenehmer zu gestalten. Allerdings stellt sich auch die berechtigte Frage, was sich durch den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt grundlegend geändert hat? Ist unsere Welt dadurch Heiler geworden und sind die existenziellen Probleme wirklich verschwunden? Es gibt immer noch Leid, es wird immer noch gestorben, es gibt immer noch Krieg und es gibt immer noch Schuld und Versagen und Menschen nehmen sich das Leben.

    Dieses, nennen wir es ruhig einmal "schöpferische Streben" ist von Gott so gewollt, ist in der Schöpfung des Menschen so angelegt, denn so verstehe ich auch die Aussage in 1Mos 1,28: "füllt die Erde und macht sie euch untertan". Um dies richtig und im Sinne des Schöpfers zu tun, bedarf es einer gewissen Kreativität und fortwährenden Weiterentwicklung. Wir sind Ebenbilder Gottes und dazu gehört auch ein gewisses Maß an Kreativität und Schöpferwillen und -kraft. So ist darin zunächst nichts verwerfliches zu sehen.

    Das Problem entsteht jedoch dann, wenn es zum Bruch mit Gott kommt. Wenn das von Menschen Geschaffene an die Stelle von Gott rückt. Und dazu gehört auch die intellektuelle Leistung. Dann wenn wir uns auf Grund unserer menschlichen Leistungen weiß machen wollen, unabhängig von Gott zu sein. Dieser Umstand wird vor allem in unseren Tagen gravierend und teilweise auch grass deutlich - als Stichwort nenne ich nur den gesamten Bereich der Genforschung. Dies sowohl im technischen als auch medizinischen Bereich. Was brauchen wir noch einen Gott, wenn wir doch selbst in der Lage sind, uns von den Unkalkulierbarkeiten der Natur zu lösen und Nahrungsmittel zu erzeugen. Und was braucht es noch einen himmlischen Gott, wenn wir doch unsere Halbgötter in weiß haben und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der Mensch willkürlich und planbar reproduzierbar ist. Und zu was braucht es noch einen Gottessohn, der am Kreuz sein Leben für unsere Schuld ließ, wenn die Selbstverwirklichung des Einzelnen oberstes Gebot ist.

    Um Missverständnissen vorzubeugen: ich möchte in keiner Weise denn technischen und wissenschaftlichen Fortschritt und die damit verbundenen Errungenschaften schmälern oder gar verdammen. Bei aller durchaus auch berechtigten Kritik und Fragen, die wir uns stellen dürfen und die wir auch stellen müssen(!), so können wir doch andererseits hinter die bisher erreichten Errungenschaften nicht mehr zurück. In diesen Zusammenhang passt eine Aussage, die bereits Goethe in seinem "Zauberlehrling" in den Mund legte: "Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los." Und so möchte ich davor warnen, das persönliche, wie das Heil der Menschheit, an diese Errungenschaften zu knüpfen!

    Was aber war das verwerfliche beim Turmbau zu Babel? Das verwerfliche war nicht der Turmbau an und für sich, das verwerfliche sind auch nicht die Errungenschaften in der Menschheitsgeschichte. Das Verwerfliche ist die Loslösung von Gott, das eigenmächtige und selbstherrliche Handeln des Menschen. Und in gleicher Weise ist auch das heutige Fortschrittstreben des Menschen nicht verwerflich sondern die einhergehende Loslösung von Gott. Dieser heillose Wahn so sein zu wollen und zu meinen auch so sein zu können wie Gott, ist unser Grundübel. In dieser Selbstüberschätzung vergessen wir, unser Leben und Tun mit Gott abzustimmen, uns auf den Wegen zu bewegen, von denen ER möchte, dass wir sie gehen.

    Es ist gewiss einfach mit dem Finger auf diejenigen zu zeigen, die in unseren Tagen für den Fortschritt verantwortlich zeichnen und die Schuld auf sie zu schieben. Und daher möchte ich abschließend den Blick auf uns richten und nach unserer ganz persönlichen Verantwortung fragen.

    3. Der Turmbau in unserem Leben.

    Befinden wir uns nicht alle immer wieder, mal mehr und mal weniger, in der Situation, wie die Turmbauer damals in Babel? Fassen nicht auch wir immer wieder Pläne und Vorsätze ohne diese mit Gott abgestimmt zu haben? Träumen nicht auch wir immer wieder den Traum uns selbst zu verwirklichen, in der einen oder anderen Form? Und haben sie sich noch nie bei dem Gedanken ertappt, das Leben selbst zu meistern? Die Frage ist nicht, ob wir Unternehmungen, Pläne schmieden und umsetzen, sondern die Frage ist, von woher komme ich, wenn ich mich mit diesen beschäftige oder sie gar umsetzen will? Für mich ist eindrücklich, dass an den entscheidenden Lebensabschnitten Jesu, von denen das neue Testament berichtet, er immer aus der Gemeinschaft mit seinem Vater kommt.

    Eine in diesem Zusammenhang gemachte Erfahrung ist, dass Gott manchmal auch meine und unsere Lebenstürme einreißt. Da wollen wir von unseren Möglichkeiten Gebrauch machen und sie ausschöpfen und dann bricht plötzlich alles zusammen. Sind wir dann nicht geneigt, die Stimme nicht nur klagend sondern auch anklagend gegen Gott zu erheben? Wir haben den Eindruck, Gott funkt uns willkürlich, neidisch und despotenhaft dazwischen, so wie damals den Turmbauern zu Babel. Er will uns unserer Möglichkeiten berauben aus Angst, wir könnten es besser als er.

    Aber das Gegenteil ist der Fall! Er verhindert den Weiterbau des Turmes um Schlimmeres zu verhindern. So kann es auch in unserem Leben sein. Natürlich ist das für jemanden dem der Lebensturm eingestürzt ist, den ein schwerer Schicksalsschlag getroffen hat, nur schwer nachvollziehbar und nur schwer zu verstehen - und wenn so etwas überhaupt möglich ist, dann meist nur nach Jahren in der Rückschau. In solchen Situationen gilt es, gegen alle äußeren und inneren Umstände und Stimmen, darauf zu vertrauen dass Gott es gut mit uns und mir meint!

    Schluss

    Diese Geschichte vom Turmbau zu Babel ist eine Pfingstgeschichte. Und zwar nicht nur deswegen, weil es darin um die Sprachverwirrung geht, sondern in erster Linie deswegen, weil wir daran erinnert werden, Gott in unser Planen und Tun mit einzubeziehen und dabei mit dem Wirken seines Geistes in unserem Leben zu rechnen. Und dass Gott, trotz aller Irrungen und Wirrungen unseres Lebens, ER für uns nur das Beste will!

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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