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Predigt über 1. Mose 4, 1-16

am 10.09.2006
13. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Heldenfingen und Heuchlingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Als ich begonnen habe, mich auf diesen Gottesdienst vorzubereiten und den Predigttext las, da habe ich mich gefragt, was mache ich denn damit? Die Geschichte kennt doch fast jeder aus dem "FF" und dazu es ist noch eine, die bei näherer Betrachtung mehr Fragen aufwirft als dass sie beantwortet.

Was macht es aus, dass diese Geschichte so bekannt ist, sie vermutlich nicht nur jeder Kirchgänger, sonder jeder, der in unserem Kulturkreis aufgewachsen ist, kennt? Und dies selbst noch Jahre nach dem letzten Religionsunterricht, zumindest in Bruchstücken und dem Grunde nach.

Ich will sie nicht länger auf die Folter spannen und lese ihnen nun den Predigttext:

- Text lesen: 1. Mose 4, 1 - 8 -

Gehe ich recht in der Annahme, dass sie bereits spätestens am Ende des ersten Satzes wussten, worum es in der Geschichte geht? Ich habe mich gefragt, was sie an dieser Geschichte so spannend finden oder wichtig ist, dass sie ihnen so bekannt ist? Ist es der Umstand des Brudermordes? Liegt es daran, dass es überhaupt der erste Mord in der Menschheitsgeschichte ist? Oder verdankt sie ihre Bekanntheit der Tatsache, dass diese Geschichte eigentlich mehr Fragen aufwirft, als dass von und in ihr beantwortet werden? Oder ist es einfach nur der Umstand, dass sie so oft zitiert wird und quasi zur Grundausstattung eines christlich sozialisierten Menschen gehört?

Vielleicht denken auch einige von ihnen daran, dass es sich um eine Geschwisterbeziehung handelt, wie es einige in der Bibel gibt: Josef und seine Brüder, Jakob und Esau, Lea und Rahel, Maria und Marta, und dass darin der Reiz liegt: ein Geschwisterkonflikt. Gewiss kann man aus all diesen Geschichten auch einiges über Geschwisterbeziehungen erfahren und lernen, so auch an dieser, aber es geht in dieser Geschichte nicht um einen Geschwisterkonflikt, sondern um einen Gotteskonflikt.

Dieser Konflikt hat seinen Ausgangspunkt bei der Frage: Warum hat Gott das Opfer des Abel angesehen und das des Kain keines Blickes gewürdigt? Und weitere Fragen schließen sich an: Warum musste es zu dem Brudermord kommen, warum hat Kain seinen Bruder erschlagen? Was war der Grund für diese Bluttat?

Drei Stationen mache ich in diesem Konflikt aus, gleichsam Eckpunkten, die mir bei all diesen Fragen helfen:

  • Das Opfer - Gottes Gnadenwahl
  • Der Brudermord - um Gottes willen
  • Die Reaktion - Gottes Erbarmen
  • 1. Das Opfer - Gottes Gnadenwahl

    Kain war der Erstgeborene, er wurde Ackerbauer; Abel, der Zweitgeborene wurde Viehzüchter. Beide bringen ein Opfer, wobei offen ist, warum sie das tun. Warum opfern die beiden überhaupt, was wollen sie damit bezwecken, welche Absicht verfolgen sie damit? Die Opfergesetze kommen doch erst viel später, bei Mose. Beide opfern, Kain und Abel. Beide bringen von den Früchten ihrer Arbeit und ihres Schaffens, der eine bringt von den Früchten seines Feldes, der andere vielleicht ein Schaf von seiner Herde.

    Und nun ereignet sich das völlig Unerwartete: Gott sieht das Opfer des Abel an, das des Kain aber nicht und es stellt sich die erste Frage: warum macht er das? Worin liegt Gottes Handeln begründet? Jüdische Ausleger suchen eine Begründung in dem sie vermuten, dass Kain das Erstbeste als Opfer brachte und Abel das Erste und das Beste. Aber diese Schlussfolgerung lässt der Text für mich aus diesen Versen nicht ableiten (vgl. V. 4: "Und Abel, auch er brachte von den Erstlingen ..." - hier steht "auch" und das lässt den Schluss zu, dass Abel wie Kain von den Erstlingen brachte).

    So sehr wir uns auch mühen, wir kommen nicht dahinter, wir können Gott nicht in die Karten blicken und das ist auch das ärgerliche daran. Denn Gott behandelt den einen anders als denn anderen - das ist eine Herausforderung, ein Ärgernis, ein skandalon mit dem Kain, und mit dem auch wir erst zurecht kommen müssen und das uns zum Fallstrick werden kann.

    Und wecken nicht die eigenen Erfahrungen an dieser Stelle Verständnis für Kain? Finden wir nicht auch, dass er von Gott ungerecht behandelt wird? Mal ganz ehrlich - zumindest doch bis zu dem Zeitpunkt, bis er mit seinem Bruder auf den Acker geht? Gott handelt nicht nach unseren Maßstäben von Vernunft und Gerechtigkeit. Damit hat Kain ein Problem und letztlich einen Konflikt mit Gott. Aber geht es uns nicht genauso? Ragt hier die Geschichte nicht hinein in unser Leben? Denn ist das nicht auch unser Problem und unser Konflikt mit Gott an vielen Stellen unseres Lebens?

    Der Mensch kann Gott nicht manipulieren, ich kann IHN nicht bestechen, so gern ich auch die Möglichkeit dazu hätte. Etwa in der Weise: "Hier Gott, nimm mein Leben oder das eines meiner Tiere, nimm mein Geld aber erhöre nur meine Bitte!" Aber so geht das nicht! Wo wäre den die Grenze für eine begründbare gegenüber einer unbegründbaren Bestechung? Vielleicht wäre es in einem Fall noch eindeutig und klar, aber es gibt ebenso viele Fälle wo es eben nicht klar ist und wo die Freude des einen das Leid des andern bedeuten kann.

    Diese Geschichte macht einmal mehr deutlich: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Gott uns keine Rechenschaft schuldig ist, ER seine Entscheidungen uns gegenüber nicht begründen und rechtfertigen muss! (Beispiel: Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg verdeutlicht dies in positiver Weise: "Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?"; Mt 20,15). Und alles aufbegehren unsererseits zeigt nur auf, dass es noch in uns steckt: die Lust so sein zu wollen wie Gott, selbst Gott zu spielen und eben nicht Gott "Gott" sein zu lassen (vgl. 1Mos 3, 1ff).

    Gott bleibt mir in seinem Handeln vielfach verborgen, ER lässt sich nicht in die Karten schauen, kann nach meinem Verständnis grausam und hart sein und wenn ich nicht wüsste, dass ER Gott ist und alles überblickt, alles in seinen Händen hält, würde ich daran verzweifeln - trotzdem: die Spannung bleibt und diese gilt es auszuhalten!

    2. Der Brudermord - um Gottes willen

    Als Kain sah, dass Gott das Opfer seines Bruders ansah, das seinige jedoch keines Blickes würdigte, da wurde er "sehr zornig". Kain wurde zornig - warum? Was ärgert ihn? Neid, das Gefühl, zurückgesetzt zu sein, dass Gott etwas gegen ihn hat? Hier bricht der Konflikt voll aus. Er kann Gottes Verhalten nicht verstehen, er senkt seinen Blick und wendet sich von Gott ab. Weil Gott sich nicht so verhält wie er es sich vorstellt, sein Opfer nicht ansieht, wird er zornig. Und Kain merkt, dass diese Reaktion nicht richtig ist, er senkt den Kopf, wendet sich von Gott ab. Er kann nicht mehr erhobenen Hauptes gehen und weder Gott noch seinem Bruder ins Angesicht blicken.

    Kain kämpft mit seinen Emotionen, er merkt, da will etwas nach ihm fassen, Besitz von ihm ergreifen. Hier lernen wir etwas über die Sünde: wie eine Raubkatze liegt sie auf der Lauer, gut getarnt, nicht auszumachen wartet sie auf ihre Beute, will nach ihr greifen. Und dann, im günstigsten Augenblick springt sie auf, gibt sich zu erkennen und stürzt sich auf ihr Opfer. Dass die Sünde nicht erst mit der aktiven Handlung beginnt, dass wissen wir seit Jesus und der Bergpredigt (Mt 5,28; 15,19; u.a.). Von innen mahnt zwar das Gewissen und Kain erkennt sehr wohl, dass etwas falsch läuft. Wie anders lässt sich sonst der gesenkte Blick erklären, aber es reicht nicht, um ihn umkehren zu lassen.

    Unvermittelt greift Gott ein. Er wendet sich Kain zu, spricht ihn an: "He, Kain, was ist los mit dir? Warum blickst du mich nicht mehr an? Warum bist du zornig? Wenn du recht tust, kannst du den Blick frei heben, wenn aber nicht, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen." Gott deckt einen Umstand auf, der so bei Beginn der Schöpfung nicht geplant war aber nach dem Sündenfall so ist: der Mensch wird mit der Sünde konfrontiert. Jetzt wäre die Gelegenheit für Kain, Gott zu sagen was los ist, was ihm stinkt und was ihn wurmt. Jetzt könnte er seinem Ärger Luft machen und Dampf ablassen. Jetzt könnte er mit Gott hadern und kämpfen und mit IHM wieder ins Reine kommen.

    Oft gibt es solche Warnungen, von außen und ihnen, auch in unserem Leben: "Warum ergrimmst du? Bist du dir sicher, dass dies der richtige Weg ist? Denke doch noch mal darüber nach, ob du dazu wirklich ein Recht hast?" Wir sollten ruhig lernen, auf unsere innere Stimme, auf unser Gewissen zu hören und dem nachzugehen (zur Bedeutung des Gewissens siehe bei Paulus in Rö 2,15). Und natürlich nicht zu vergessen die Warnungen von außen.

    Noch wäre es Zeit umzukehren, noch wäre es Zeit auf die innere und äußere Stimme zu hören. Gott spricht Kain an, will ihm Mut machen, zeigt ihm einen Weg aus der Misere: "... du aber sollst über sie herrschen.". Aber selbst dieses Eingreifen Gottes kann Kain nicht mehr herausreißen - es ist zu spät! Die Tragödie nimmt ungebremst ihren Lauf. Bedenken wir: Gott hält den Kain nicht zurück, er muss es selbst tun! Aber kennen sie das nicht auch aus eigener Erfahrung: es war einfach zu verlockend, die Sünde hatte zum Sprung angesetzt und man ist gefangen, wir kommen aus dem "Teufelskreis" nicht mehr heraus. In solchen Situation lernen wir dann meist auch etwas über uns: "... der Geist zwar ist willig, das Fleisch aber schwach." (Mt 26,41).

    Über die Versuchung hat Luther einmal gesagt: "Wir können nicht verhindern dass die Vögel über unseren Kopf fliegen, aber wir können verhindern, dass sie darauf ein Nest bauen." An dieser Stelle sind wir, sind sie und ich gefordert und, das macht die Aussage Gottes bereits an dieser Stelle deutlich, und das sollten wir uns durchaus merken: wir können das Nester bauen verhindern! Gott räumt uns diese Möglichkeit ein und er traut es uns zu, dass wir das können und machen.

    "Und Kain sprach zu seinem Bruder Abel." Wenn sie den Ausgang dieser Geschichte nicht kennen würden, was würden sie jetzt erwarten? Das klärende Wort des Kain, der nach der Anrede Gottes wieder auf den richtigen Weg zurückgekehrt ist? Eine offene Aussprache zwischen Brüdern die Raum schafft für eine unbelastete Geschwisterbeziehung?

    Aber es kommt ganz anders. Sie sind zusammen auf das Feld gegangen und dort geschieht das für nicht möglich gehaltene: der erste Mord, mehr noch, ein Brudermord! Kain erschlägt seinen Bruder Abel. Nichts war es mit Einsicht, Umkehr und Versöhnung. Mit ihrer ganzen Brutalität zeigt die Sünde ihr Gesicht. Für die meisten von uns endet die Geschichte an dieser Stelle. Aber sie geht weiter - wissen sie auch, was jetzt noch kommt?

    - Text lesen: 1. Mose 4, 9 - 16 -

    3. Die Reaktion - Gottes Erbarmen

    Was hätten sie als Reaktion Gottes auf den Mord erwartet? Ein Zorngericht ähnlich dem wie einst über Sodom und Gomorra? In seiner ersten Reaktion auf den Brudermord kommt Gott unseren Erwartungen wohl sehr nahe: "Was hast du getan? ... Verflucht seist du von dem Ackerboden hinweg. ... unstet und flüchtig sollst du sein auf der Erde." Na, das passt doch, oder? Das entspricht doch schon eher unseren Vorstellungen von Gerechtigkeit?!

    Aber erneut nimmt die Geschichte eine anderen Verlauf: Kain erkennt das Ausmaß seiner Bestrafung, aber kein Wort, dass er seine Tat bereut und Gott um Vergebung bittet. Kain bangt um sein Leben und er hat Angst. Er fleht nicht um Gnade, er stellt Gott vielmehr die Konsequenzen dieser Bestrafung, dieses Fluches vor Augen und ist wohl auch bereit, sich darunter zu stellen.

    Und wie schon einmal ein Kapitel zuvor, wendet sich Gott nicht gänzlich vom Menschen ab. Nach dem Sündenfall machte Gott ihnen Schurze aus Fell (1Mos 3,21) - Fußnote: dafür musste mindestens ein Tier sterben. Obwohl Kain mit großer Härte die Konsequenzen seines Tuns, seiner Schuld erfahren muss, erfährt er in dieser Situation auch die Zuwendung Gottes. Er erhält ein Zeichen, das "Kainsmal", als Schutzzeichen für ihn. Die Strafe wird nicht von ihm genommen aber der Fluch. Kain wird künftig unter diesem Zeichen, diesem Schutzzeichen leben und erhält damit zugleich eine neue Chance.

    Schluss

    Damit endet diese Geschichte. Damit, dass nicht Kain, der Mensch, das letzte Wort hat, sondern Gott. Dass Gott die Kette der Gewalt durchbricht und Kain eine neue Möglichkeit schenkt. Und zum zweiten mal ragt diese Geschichte hinein in unser Leben.

    Auch wir leben unter einem Zeichen: dem Kreuz. Unter diesem versammeln wir uns und erinnern an den, der daran für uns gestorben ist. An den, der dort sein Leben gelassen hat, um ihre und meine Sünden zu sühnen, damit wir leben können! An diesem Kreuz ist der Unschuldige, der, der von keiner Sünde wusste, für die Sünder gestorben, damit sie eine neue Chance haben.

    So ist diese Geschichte von den beiden Brüdern jenseits von Eden letztlich eine Einladung an uns, sich dieses Zeichens von Golgatha bewusst zu werden und die Chance zu ergreifen, die Gott ihnen und mir einräumt.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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