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Predigt über 2Kö 5,9 - 19a

am 21.1.2024
3. Sonntag nach Epiphanias

Ort:
Betberg-Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Der dritte Sonntag nach Epiphanias hat das Thema: Gottes Liebe kennt keine Grenzen. Die christliche Botschaft, das Evangelium macht nicht vor Landes- oder Volksgrenzen halt, unterscheidet nicht nach Völkern, Sprachen oder Hautfarbe. Sie gilt ausnahmslos allen Menschen. Das Reich Gottes ist, wie es Paulus formuliert, „nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.“ (Rö 14,17). Das macht Jesus in seinem Leben und Wirken immer wieder zeichenhaft deutlich, wie in der Schriftlesung (Mt 8, 5 – 13) gehört. Für mich sehr beeindruckend das Gespräch Jesu mit der syrophönizischen Frau (Mt 15,21ff). Hier erfahre ich, wie Jesus dieses Thema, kann man sagen diese göttliche Wahrheit lebt und umsetzt und Grenzen auflöst. Nach meiner Beobachtung sieht unsere, auf jeden Fall aber meine Wirklichkeit anders aus. Da setze ich Gottes grenzloser Liebe Grenzen – geistliche, theologische und manchmal sogar menschliche. Maßstab, Handlungsleitlinie wie unser und mein Handeln demgegenüber aussehen und gestaltet werden soll, erfahren wir an vielerlei Stellen in der Bibel bei Jesus. In diesem Jahr insbesondere durch die Jahreslosung.

Ab keine Sorge für diejenigen, die der Jahreslosung leider schon überdrüssig geworden sind, es kommt jetzt keine Predigt über die Jahreslosung, wobei ich mir erst in der vergangenen Woche intensiver Gedanken dazu gemacht und bemerkt habe, da gäbe es einiges, was dazu näher zu betrachten und zu erläutern wäre. Heute aber liegt der Fokus auf dem Thema dieses Sonntags, darauf, wie sich Gottes grenzlose Liebe gestaltet und sich diese auswirkt.

- Text lesen: 2Kö 5, (1 – 8)9 – 15.19a -

Ich musste den Abschnitt zunächst mehrmals und in unterschiedlichen Übersetzungen bzw. Übertragungen lesen um mich darin zu Recht und den roten Faden zu finden, um in ihn eintauchen und ihn verinnerlichen zu können. Er folgt auf eine Reihe von Berichten über Wunder, welche durch den Propheten Elisa bewirkt wurden. Kontextuell (zeitlich) befinden wir uns in etwa in der Regierungszeit des Königs Joram von Israel (ca. 851 - 842 v.Chr., Sohn des Ahab). Auf die vorherigen Kapitel aufbauend beginnt dieses fünfte Kapitel mit einem Mann namens Naaman, der sich mit einer Ausnahme nur in diesem 5. Kapitel findet. Diese Ausnahme findet nur im Lukasevangelium nochmals Erwähnung. Wir erfahren von der Krankheit dieses Mannes, wie er sich, wie vermutlich jeder Kranke, nach Heilung sehnt und wie es sich dann ereignet, dass er tatsächlich Heilung erfährt. Ich habe drei Stationen in diesem Bericht ausgewählt, an denen ich mit ihnen verweilen und etwas genauer hinschauen möchte.

  • Bei einer namenlosen Sklavin.
  • Am Wendepunkt des Hauptmanns.
  • Bei der grenzenlosen Liebe Gottes.
  • 1. Eine namenlose Sklavin

    Kennen sie den Bechdel-Test1? Obwohl der Bechdel-Test kein wissenschaftlicher Test ist, er wird in der Filmindustrie herangezogen um Stereotypisierungen weiblicher Figuren in Spielfilmen wahrzunehmen und zu beurteilen und Rollenklischees aufzudecken. Und welche Reichweite dieser Test hat zeigt, dass ca. 80 Prozent aller Oskar nominierten Filme bei diesem Test durchfallen. Würde man ihn auf die biblischen Bücher anwenden, würden ihn nur zwei oder drei biblische Bücher bestehen. Ich bin mir bewusst, dass man dies differenzierter anwenden muss, aber so als anfänglichen Gedankenanstoß erachte ich das für durchaus hilfreich.

    Wie aber nun funktioniert dieser Test? Recht simpel, er besteht aus vier Fragen:

  • Gibt es mindestens zwei Frauenrollen?

  • Es wird zusätzlich gefragt, ob die beiden Frauen im Film einen Namen haben (in jüngeren Varianten des Tests).

  • Sprechen diese Frauen miteinander?

  • Unterhalten sie sich dabei über etwas anderes als einen Mann?

  • Und wenn sie jetzt lachen oder schmunzeln frage ich: Trauen sie Frauen nicht zu, dass sie sich über etwas anderes als über Männer zu unterhalten? Warum? Welches Frauenbild steckt dahinter?

    Nochmals zur Erinnerung: 80 % aller Oskar-nominierten Filme fallen durch, können diese vier Fragen nicht mit ja beantworten.

    An diesen Test musste ich denken, als ich auf dieses „namenlose“ junge Mädchen „gestoßen“ bin. Interessanterweise sind die ersten 8 Verse in der Perikope ausgeklammert, das bedeutet, sie müssen nicht thematisiert werden. So habe ich sie zunächst erst gar nicht und dann einfach überlesen, diese junge Frau nicht wahrgenommen. Wenn man es liest, liest es sich so einfach dahin: ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israel. Weggeführt das klingt fast wie Sonntagsspaziergang oder hingeführt zum Traualtar. Ein junges Mädchen – d.h. vermutlich im heiratsfähigen Alter, also nach unserem Verständnis eher ein Teenager, weggeführt, eher wohl weggezerrt, verschleppt, fortgerissen von ihrer Familie, Vater und Mutter, Geschwistern, Tanten und Onkels - ein Lebensschicksal! Und ich habe mich gefragt, wie es ihr ergangen ist? Was musste sie alles durchmachen, hat und musste sie erleiden? Sicherlich die Trennung und Verschleppung aus der Heimat, in Händen fremder Männer. Aber dann – hatte sie es gut bei ihrer Herrin? Wurde sie wenigstens dort verschont von den üblichen Misshandlungen und Missbräuchen denen insbesondere Frauen in Kriegszeiten ausgesetzt sind? Ich erspare mir und uns konkrete Verweise auf aktuelle Ereignisse. Ja, vielleicht hatte sie es gut, denn sie machte sich Sorgen um die Gesundheit ihres Herren und gibt dessen Frau einen Hinweis, wie er von seinem Aussatz geheilt werden könnte.

    Und diese vermeintliche Nebengeschichte – Fußnote: wie viele anderen in der Regel unbeachteten Nebengeschichten oder nicht erwähnten „Nebensächlichkeiten“ – Menschen, Geschehnisse - in der Bibel überlese ich, nehme ich nicht wahr? – diese Nebengeschichte also findet so Eingang in meine Predigt über den Hauptmann Naaman und lehrt mich, genauer hinzuschauen und zu lesen und auch das wahrzunehmen, was vielleicht nicht berichtet wird, was bewusst oder unbewusst ausgeklammert und marginalisiert ist. Auch wenn sie namenlos bleibt, hat sie es verdient erwähnt und beachtet zu werden und so habe ich diese erste Station hier, bei dieser jungen Frau gemacht.

    2. Der Wendepunkt des Hauptmanns

    Naaman macht sich also auf den Weg zu Elisa, dem Propheten. Keine Ahnung wie groß das Haus des Elisa war, ich stelle mir da aber eher eine bescheidenere Hütte vor. Vor dieser hielt Naaman mit Rossen und Wagen und erwartete wohl, dass der Prophet zu diesem hinaus kam. Was für eine Szene für einen Spielfilm, der hoffentlich den Bechdel-Test bestehen würde. Aber weit gefehlt – auch als sich der Staub der Rosse und Wagen gelegt, die Tiere sich beruhigt haben und ruhig standen, ließ sich der Prophet draußen nicht blicken sondern schickte lediglich seine Diener mit einer Botschaft, eher einer Verheißung für Naaman hinaus. Dieser war darüber nicht sonderlich erfreut, auch nicht über das, was der Prophet ihm auftrug zu tun, um von dem Aussatz befreit, geheilt zu werden.

    Das empörte – andere Übersetzungen werden noch deutlicher, das erzürnte - ihn sehr: »Ich hatte gedacht, er würde zu mir herauskommen …“. Klingt da etwas durch von gekränkter Eitelkeit, Standesdünkel und gar Klassismus? Auf jeden Fall war das Gefühl so stark, dass er sich wieder aufmachte, um nach Syrien zurück zu kehren. Was er gegenüber seinen Mitreisenden weiter anführt ist interessant: Das hätte er auch in den Flüssen von Damaskus machen können. Er hat also durchaus erkannt, dass hier der Prophet eine entscheidende Rolle spielt. Seine Diener erkennen das Problem und wenden sich mit einem pfiffigen Hinweis an ihn, der es dem Hauptmann ermöglicht, sein Gesicht zu wahren: »Herr, bedenke doch: Wenn der Prophet etwas schwieriges von dir verlangt hätte, hättest du es bestimmt getan. Aber nun hat er nur gesagt: ›Bade dich und du wirst gesund. Solltest du es da nicht erst recht tun?« (V. 13). Das überzeugt den Hauptmann, und so folgt er der Anweisung des Propheten, erfährt Heilung und bekennt am Ende: »Jetzt weiß

    ich, dass der Gott Israels der einzige Gott ist auf der ganzen Erde.“ V. 15).

    In diesem Bekenntnis drückt er das entscheidende Geschehen aus. Was er an seinem Körper erfahren hat, ist nicht den vermeintlichen Heilkräften von Flüssen, weder in seinem Heimatland Syrien noch den Flüssen in Israel noch der Person des Propheten zuzuschreiben ist, sondern allein dem, der allein Handelnder ist und bis heute bleibt: der Gott Israels. Und in dieser Erfahrung positioniert er sich, dieser Gott Israels ist allein Gott (V. 15). Der Hauptmann er- UND bekennt den Ursprung, die Quelle allen Handelns und hier konkret allen physischen Heilshandelns ohne – auch dies ist bemerkenswert – dies zu verallgemeinern, sondern er bleibt bei sich und seiner persönlichen Situation.

    3. Gott kennt keine Grenzen

    Im Vorschlag für die Grundlage zur Predigt werden auch die Verse 16 bis 18 wiederum ausgeklammert. Warum, haben sie nichts zu bedeuten, sind sie belanglos – aber worum geht es darin? Schauen wir auch hier genauer hin. Zunächst beginnt alles vermeintlich harmlos. Der Hauptmann möchte für seine Heilung „bezahlen“, was Elisa strickt ablehnt. An diesem Punkt willigt der Hauptmann noch ein, aber schließlich packt Naaman noch ein anderes Thema aus, das ihm auf dem Herzen liegt. Eine Last, die so groß ist, dass sie von zwei Maultiere getragen werden muss. Oha, was kommt jetzt?

    Er berichtet Elisa folgendes: Wenn er nun zurück in sein Land geht, wird es sein, dass er seinen König begleiten muss, wenn dieser in den Tempel geht, um dort dessen Gott anzubeten. Dabei stützt sich der König auf ihm ab, so dass er sich, wenn sich der König vor seinen Göttern verbeugt, auch er sich verbeugen und, so heißt es im Text, auch anbeten muss. Dies möge ihm der HERR vergeben, denn dieses Verhalten ändert nichts an seinem Bekenntnis: keinem anderen Gott mehr Opfer darzubringen, als dem Gott Israels (V. 17).

    Wie hätte ich mich, hätten sie sich an Stelle des Propheten verhalten? Was hätte ich zu dem Hauptmann gesagt und von ihm erwartet? Würden ich nicht auf Daniel und seine Gefährten verweisen, die standhaft und bereit waren, für ihr Bekenntnis in den Tod zu gehen und nicht vor dem Standbild des Königs Nebukadnezar niederzufallen und anzubeten? Wäre das nicht die alleinig richtige Haltung gewesen? Was denke ich, was denken wir?

    Scheinbar hat der Prophet kein Problem damit und sieht in dem Verhalten des Hauptmanns keinen geistlichen Abfall oder Rückkehr zu seinen alten Göttern. Elisa traut darauf, dass der frische Glaube, sein neues Bekenntnis zu dem Gott Israels bestand haben wird – auch in seiner Heimat, in seinem religiösen Umfeld. Elisa glaubt dem Glauben des Hauptmanns und entlässt ihn mit dem Gruß: Gehe hin in Frieden.

    Schluss

    Gottes Liebe kennt keine Grenzen, zu IHM darf kommen wer will, aus allen Himmelsrichtungen, das heißt doch aus allen Ethnien, Kulturen, Religionen und Glaubensüberzeugungen. ER weist keinem die Tempeltür. Wie das genau geht, hat uns Jesus in seinem Leben immer wieder zeichenhaft gezeigt. Daran will uns der heutige dritte Sonntag nach Epiphanias erinnern.

    Und ich habe mich gefragt, wie könnte es mir gelingen, meine Grenzen, die ich definitiv habe und die sich immer wieder bemerkbar machen, überwinden? Wie könnte ich etwas von dieser grenzenlosen Liebe, oder in Anlehnung an Karl Barth2 dieser bedingungslosen Menschfreundlichkeit Gottes in meinem Leben und Alltag zum Ausdruck bringen? Dass es mir gelingt, dem anderen seinen Glauben zu glauben, auch wenn er anders ist als der meinige?

    Einen aus meiner Sicht hilfreichen Ansatz habe ich bei Mario Fischer gefunden, dem Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Mario Fischer spricht im Zusammenhang im Umgang miteinander und vor allem unter Christen von einer Hermeneutik3 des verstehen wollens. Ich möchte es wagen, diesem hermeneutischen Ansatz zu folgen um so zumindest nicht in meinen Grenzen und in einer Hermeneutik des Recht haben wollens stecken zu bleiben, sondern diese zu überwinden um die grenzenlose Liebe Gottes sichtbar werden zu lassen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 https://de.wikipedia.org/wiki/Bechdel-Test - zuletzt aufgerufen am 9.1.2024; reflab – ausgeglaubt – Folge „Hat Gott ein Frauenproblem?“ mit Birgit Mattausch vom 14.1.2021 ab 3:20‘; https://www.reflab.ch/birgit-mattausch-hat-gott-ein-frauenproblem/ 2 Karl Barths „keine Menschendfeindlichkeit Gottes wie es Karl Barth einmal formuliert hat 3 Hermeneutik: Theorie der Interpretation und des Verstehens von Texten. Dazu gehört, mit welchen Grundannahmen, Setzungen oder auch Vorprägungen ich mich einem Text oder einer Aussage zuwende. In diesem Kontext könnte man auch sagen: Mit welcher Einstellung wende ich mich einem anderen Menschen zu.

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