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Predigten

Predigt über 2. Samuel 12,1-15

am 18.08.1996
11. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Staufen/Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

In heutigen Predigttext geht es um einen der ganz Großen in der Bibel. Um den von Gott ausgewählten König, den Träger göttlicher Verheißungen und den Mehrer des Reiches Israel. Es geht um David. Um einen Mann, mit tiefen geistlichen Erfahrungen und Erkenntnissen. Und so hatte dieser Name noch tausend Jahre später, zu neutestamentlicher Zeit und bis hinein in unsere Tage einen guten Klang.

Aber die Bibel berichtet auch anderes von David. Sie geht nicht darüber hinweg, daß dieser Name auch in ganz anderen Zusammenhängen vorkommt. Zusammenhänge, von denen wir lieber schweigen würden, beträfen sie uns. Aber die Bibel schweigt nicht dazu, sie erzählt, daß dieser Mann auch ein Mörder und Ehebrecher war.

Um eine Frau ging es 2. Sam 11,1ff, um eine sehr schöne Frau. Zwar war sie schon verheiratet, aber das hat David nicht daran gehindert, sich in sie zu verlieben und sie zu begehren. Und dann ist da ein Kind unterwegs und alles wird herauskommen. David entfaltet hektische Aktivität um das zu verhindern. Es darf nicht herauskommen, selbst wenn es das Leben eines anderen kosten würde. Heute wäre es das Kind, das im Mutterleib getötet würde, damals war es der Ehemann. Alles lief wie in einem gute Krimi ab, es sah alles nach einem Unfall aus. Die Frau ist Witwe und niemand kann mehr Anstoß nehmen, wenn David sie zu sich holt. Das Leben kann weiter gehen und Gras über die Sache wachsen. Es geht weiter, aber anders als es sich David vorgestellt hatte und davon erzählt der heutige Predigttext:

- Text lesen - 2. Sam 12,1-15 -

„Ich habe gesündigt“ - um dieses Bekenntnis des Königs David kreist die ganze Geschichte, um diesen scheinbar so unmodernen, altmodischen Vorgang, daß einer seine Sünde bekennt. Aber verhängnisvoll wäre es, dieses Bekenntnis voller Schadenfreude zu hören. Verhängnisvoll wäre es auch, beim Thema Schuld stellvertretend für andere zu hören nach dem Motto: hoffentlich macht der da zwei Reihen vor mir auch die Ohren richtig auf. Und verhängnisvoll wäre es auch, bei diesem Thema reumütig den Kopf mit dem scheinheiligen Bekenntnis zu senken, „wir sind ja alle Sünder“. Denn unsere Geschichte ist nicht die Geschichte eines Mannes, der fertig gemacht wird, dem das Kreuz gebrochen wird. Es ist vielmehr die Geschichte eines Menschen, der wieder froh wird. Nicht deswegen, weil er sein Leben wieder auf die Reihe kriegt, sondern weil ihm vergeben wird, weil er neu anfangen kann.

Das ist das spannende dabei, daß es eine Hoffnungsgeschichte ist. Eine Hoffnungsgeschichte für Menschen, die sich mit ihrer Lebenslast abquälen. Einer Last, von der niemand etwas merkt, weil scheinbar Gras darüber gewachsen ist. Aber es ist eben nicht so, daß damit alles erledigt ist. Und es stimmt auch nicht, daß die Zeit alle Wunden heilt. So möchte ich mit ihnen die drei Menschen etwas genauer betrachten, die in unserer Geschichte vorkommen.

1. Nathan

Es sind zwei Dinge, die mich an diesem Menschen besonders beeindrucken, wie er sich in dieser Situation verhält. Da ist zum einen seine Klarheit, mit der er die Dinge beim Namen nennt, und da ist zum anderen seine Sensibilität und sein Feingespür, mit der er dies tut.

Wir Menschen sind geschwätzig - mehr oder weniger. Das ist heute so und es war auch damals in Jerusalem nicht anders. Und ich stelle mir vor, daß es damals so richtig gebrodelt hat von Klatsch und Tratsch. Alle haben darüber geredet - aber mit denen, die davon betroffen waren, hat niemand geredet und schon gar nicht mit David. David, der König war bloßgestellt. Aber keiner spricht ihn darauf an. Nathan tut es, nicht freiwillig, aber auch nicht als Moralapostel und Tugendwächter, sondern als Beauftragter. “Und der Herr sandte Nathan zu David“, so beginnt unsere Erzählung. Wahrscheinlich ist ihm dieser Gang nicht leicht gefallen, aber er ist gegangen und hat mit David geredet und nicht über ihn. Menschen, die über andere herziehen gibt es genug - damals und heute. Leute wie Nathan sind selten.

Jesus hat seinen Jüngern den Auftrag gegeben: „Wenn dein Bruder“ - und ich ergänze deine Schwester - „sündigt, so weise ihn zurecht.“ Lk 17,3 Unsere Reaktion auf diesen Auftrag Jesu sieht doch oft so aus, daß wir sagen, das ist mir doch egal, da verbrenne ich mir doch nicht die Finger daran, da übernehme ich doch keine Verantwortung, „bin ich meines Bruders Hüter“ 1. Mo 4,9. Nathan hätte das sicherlich auch sagen können, aber er nimmt Gottes Auftrag ernst und geht ihm nach. Und er tut dies mit aller Klarheit. Er nennt Schuld ‘Schuld’ und Sünde ‘Sünde’2. Sam 12,9f. Er verharmlost nichts, redet nicht um den heißen Brei. Aber er tut dies mit einer Sensibilität und Liebe, die mich beeindruckt. Denn es geht ihn nicht darum, daß einer schuldig gesprochen wird. Es geht ihm auch nicht darum, daß einer als Sünder an den Pranger gestellt wird, und es geht auch nicht darum, daß so lange im Leben eines anderen herumgestochert wird, bis etwas Unrechtes ans Licht kommt. Ich bemerke bei Nathan nichts von Schadenfreude, er sich darüber freut, daß es auch einmal einen von den Großen erwischt hat. Um all das geht es Nathan nicht. Es geht ihm vielmehr darum, einem Menschen, einem Bruder zu helfen, der dringend Hilfe braucht.

David hat diese Hilfe bekommen, nicht erst, als das lösende Wort der Vergebung gesprochen war. Die Erlösung fängt damit an, daß David geholfen wird, ja zu sagen zu seiner Schuld, sie auszusprechen und zu bekennen. Und er kann dies, weil Nathan seinen Auftrag ausgeführt hat, mit aller Klarheit, aber auch mit aller Sensibilität und Liebe.

2. Der König David

David erkennt seine Schuld und bekennt sie. Er fängt nicht an, seine Tat zu entschuldigen, sich mit fadenscheinigen Argumenten herauszureden nach dem Motto, wir sind doch alle Sünder und alles halb so schlimm. David erkennt, ich habe gesündigt. Ihm wird bewußt, worin die Ursache liegt: in der Undankbarkeit gegenüber den Wohltaten Gottes und in seinem Ungehorsam.

David erkennt, daß etwas grundsätzliches in seinem Leben nicht mehr stimmt, die Beziehung zu seinem Gott. Diese Lebenshaltung, losgelöst von Gott ist das, was die Bibel Sünde nennt. Und diese äußert sich in konkreter Schuld. Aus dem Bruch mit Gott entstehen alle anderen Brüche wie zum Beispiel Ehebruch oder Einbruch.

David erkennt dies und bekennt: „Ich habe gesündigt gegen den Herrn!“ Natürlich hat er auch gegen Uria, Bathseba und gegen die versündigt, die er zu seinen Handlangern gemacht hat. Er weiß dies, aber er weiß auch, daß sich nur etwas ändert, wenn sich in seiner Beziehung zu Gott etwas ändert. Am Grundsätzlichen muß sich etwas ändern und nicht an äußeren Ursachen. Verstehen sie mich richtig: Ich rede nicht denen das Wort, die sich mit einem solchen Bekenntnis aus der Verantwortung stehlen wollen, Dinge gegenüber anderen Menschen wieder in Ordnung zu bringen. Das ist klar. Klar ist aber auch, daß sich in meiner Lebenshaltung etwas ändern muß, soll mein Leben gelingen. Es nicht mehr darum geht, ein Loch zu füllen, in dem ich ein anderes Loch grabe.

In dem David zu seiner Sünde steht und sie bekennt, kann ihm auch zugesagt werden: „Der Herr hat deine Sünde weggenommen.“ Das klingt so einfach - kann das so sein? Ist damit wirklich alles o.k.? Kennen sie diese Fragen und Zweifel? Ja, das genügt, mehr braucht es nicht: „Der Herr hat deine Sünde weggenommen - der allmächtige Gott hat sich über dich erbarmt, und durch seinen Sohn Jesus Christus vergibt er euch alle eure Sünde“ Liturgie 1 „Gottesdienst mit Abendmahl“; Agende der Badischen Landeskirche. Und das ist nicht nur Königen zugesagt, sondern jedem von uns. Nehmen auch sie dieses Geschenk der Vergebung an und schleppen sie ihre Lasten nicht noch länger mit sich herum.

3. Das Kind

Über den Schluß unserer Geschichte kann man nur zutiefst erschrecken und so komme ich nicht darum herum, zumindest noch kurz darauf einzugehen.

Widerspruch und Unverständnis erhebt sich wenn wir hören, daß der schuldige David Vergebung erfährt, und das unschuldige Kind sterben muß. Fragen tauchen auf, Fragen nach Gerechtigkeit und Fragen nach Gott. Ich kann diese Fragen nicht beantworten und den Widerspruch nicht auflösen. Der Schluß dieser Geschichte bleibt mir unbegreiflich. Und dennoch ist mir zweierlei daran klar geworden: Am Tod dieses Sohnes zeigt sich mir unverhüllt die ganze Macht von Sünde. Sünde ist nicht nur meine Privatangelegenheit. Sünde zieht ihre Kreise und zieht andere in Mitleidenschaft. Von meiner Schuld sind oft auch andere betroffen, andere, die genauso unschuldig sind wie dieses Kind. Sünde vergiftet und tötet Beziehungen.

Und das andere ist, daß der Tod dieses Sohnes ein Hinweis ist auf das, was Gott 1000 Jahre später selber tun wird. Sein Sohn Jesus wird sterben um der Sünden anderer willen. Der einzige Unschuldige der je auf dieser Erde gelebt hat muß sterben, damit wir Frieden haben. Jes 53,5 Damit bekomt diese alte Geschichte eine neue Dimension, eine Heilsdimension, die bis in unsere Tag und unsere Schuld hineinreicht. Weil Jesus gestorben ist, muß niemand mehr, kein Kind, keine Frau und kein Mann mehr um der Sünde eines anderen willen sterben.

Schluß

Das ist es, was ich in meinen Fragen und meinem Widerspruch festhalten möchte, daß kein Mensch mehr zum Opfer werden muß, weil Jesus sich für uns geopfert hat! Und ich möchte ihnen und mir Mut machen, daß wir unsere Sünde erkennen und bekennen. Daß wir das aus dieser Geschichte und von den darin vorkommenden Menschen lernen. Daß wir unsere Veranwortung gegenüber dem Nächsten erkennen, ihm helfen, daß er seine Sünde bekennen kann und das erlösende Wort der Vergebung zugesprochen wird. Aber auch, daß wir erkennen, daß wir unsere Schuld bekennen und Vergebung erfahren können. Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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