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Predigt über 4. Mose 6, 22 - 27

am 7.6.2020
Sonntag Trinitatis

Ort:
Betberg-Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Ich liebe das Kirchenjahr mit seiner Ordnung der Sonntage und den jeweiligen Perikopentexten. So werde ich mit Themen konfrontiert, auf die würde ich vermutlich selbst nie kommen. Ein solches Thema gibt der heutige Sonntag Trinitatis vor. Trinitatis – allein der Name kommt nicht so ganz trendy rüber und bis auf die Hardcore-Dogmatiker machen wir doch lieber einen Bogen um dieses Thema. Der dreieinige Gott – ein Wesen in drei Gestalten/Personen und doch ein Gott. Wer hat sich das ausgedacht? In der Bibel finden wir keine ausgesprochene Trinitätslehre, vielleicht auch ein Grund, warum wir uns damit so schwer tun.

Und dennoch, in der Gesamtschau des Alten und Neuen Testaments lassen sich diese drei Personen – Gott der Vater – Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist und ihre Wesenseinheit erkennen. Aber eben nicht in einem Satz und einem schönen griffigen Bild, wie es in der Kunst immer wieder versucht wurde1. Aber vielleicht hilft der Predigttext für den heutigen Trinitatissonntag weiter:

- Text lesen: 4Mos 6, 22 - 27 -

Der sogenannte aaronitische Segen – in (nahezu) jedem Gottesdienst hören wir ihn, wird er uns zugesprochen und bildet er den Abschluss. Er ist das zuletzt gesprochene Wort. Mit diesem Segen gehen wir hinaus aus der Gottesbegegnung im Gottesdienst in die vor uns liegenden Begegnungen der neuen Woche. Aber was um alles in der Welt hat dieser Segen, mit dem das Volk Israel gesegnet werden sollte, mit Trinitatis zu tun?

Was sofort auffällt, ist seine Dreiteilung – aber dann ist es auch schon wieder vorbei mit dem Zusammenhang zu Trinitatis. Dafür findet sich eine andere, interessante Begebenheit: die drei Teiles des Segens bestehen hauptsächlich aus Verben. Diese Verben stehen allesamt im Imperfekt. Damit wird ausgedrückt, dass Gott fortwährend segnet, behütet und gnädig ist. Im hebräischen ist der Segen in den sogenannten „Jussivformen“ wiedergegeben. Damit wird unterstrichen, dass es sich um einen Segenswunsch handelt und dass es immer Gott selbst ist, der diesen Segen gibt und segnet. Das verbindende aller drei Segensteile ist der Gottesnamen, der am Anfang genannt wird. Auch das unterstreicht eindrücklich wer hier handelt und wirkt – Gott der HERR. Und dieser HERR welcher segnet der ist es, der die Welt und die Himmel erschaffen hat. Es ist der HERR von dem es am Anfang der Bibel heißt: Und Gott schuf! Und dieser Gott wendet sich nun seinem Volk Israel, nach allem was geschehen ist (erhalt der Bundestafeln, goldenes Kalb, Zerrbruch der Bundestafeln) segnend zu:

  • 1. Der HERR segne und behüte dich -
  • 2. Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig -
  • 3. Der HERR (er)hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
  • Und schon bin ich mitten drin und begebe mich auf eine dreiteilige Segens-Reise:

    1. Der HERR segne und behüte dich

    Segnen – was heißt das eigentlich und was geschieht dabei, was verbinden wir damit? Im Alten Testament werden mit Segen vielfach materielle Aspekte verbunden: eine reiche Ernte, Fruchtbarkeit für Mensch und Tier, Gesundheit, ein langes Leben – kurz: die guten Gaben Gottes. Und das hat sich bis heute in unsere Tage und Vorstellungen gehalten. Im Segen Gottes erhoffen wir, dass es uns wohl-ergeht. Aber geht es im Segen wirklich allein darum, um unser, um ihr und mein Wohlergehen? Natürlich würden darunter auch immaterielle Aspekte fallen – aber nochmal die Frage: Was verbirgt sich hinter Segen?

    Wenn Gott segnet, dann wendet ER sich dem Menschen zu und will ihm gelingendes Leben schenken und indem der Mensch Gott in seiner Zuwendung erkennt, wendet er sich seinerseits Gott zu. Und hier merken wir schon, da steckt mehr drin. Segen bringt uns ganz nah an Glück im biblischen Verständnis der Seligpreisungen. Segen bedeutet in der Gewissheit zu leben, mit Gott in jeder Lebenslage verbunden zu sein. Die Gewissheit: An jedem Tag meines Lebens hält Gott mich und meine Situation in seiner Hand. Auch wenn die Situation so ist, dass ich sie kaum aushalten und ertragen kann. Mein Glück besteht darin, dass ich mich zu Gott halte und nicht darin, dass es mir wohlergeht.

    Das Ziel unseres Lebens ist ja nicht, dass wir alle in einem luxuriösen Haus ohne Geldsorgen leben und ein Automobil nach Wunsch fahren – unser Ziel ist ein Leben in der von Gott neu geschaffenen Welt in seiner sichtbaren Gegenwart! Darauf leben wir zu – darum engagieren wir uns in vielfältiger Weise – darum glauben wir und wollen das Heil unseres Gottes und seines Sohnes in unserem Leben und in dieser Welt sichtbar machen.

    Gott will das, was er geschaffen, was er ins Leben gerufen hat, auch erhalten. Die Geschichte Gottes mit dieser Welt und den Menschen ist immer auch eine Geschichte des behütens, bewahrens und versorgens. Gott sorgt sich um den Menschen den er wollte und den er geschaffen hat. Und zu behüten gibt es einiges in meinem Leben das sonst droht, aus dem Ruder zu laufen. Gott nimmt den Menschen, nimmt uns in unserer Bedürftigkeit wahr, vor allem auch in unsere Erlösungsbedürftigkeit.

    Segnen und Segensempfang ist ein Beziehungsgeschehen – ein sich einlassen auf den Segen Gottes, auf das, was er mir zukommen lässt ganz im ver-TRAUEN darauf, dass Gott es gut mit mir meint weil er will, dass mein Leben - im ganzheitlichen Sinn - gelingt! Es kommt darauf an, dass der im segnen angesprochene Mensch sich diesen Segen Gottes gefallen lässt und sich dafür öffnet.2

    Der zweite Teil:

    2. Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig

    Das Angesicht Gottes – vor dem haben sich Adam und Eva im Paradies nach dem Sündenfall versteckt (1Mos 3,8). Aber weil wir von Gott zu seinem Ebendbild geschaffene Wesen sind steckt in uns eine Sehnsucht nach diesem Angesicht: „Wie der Hirsch lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?“ (Ps 42, 2.3). Dieses Angesicht ist aber auch Ausdruck der Heiligkeit und Herrlichkeit Gottes: „Dann sprach Gott (zu Mose): Du kannst es nicht ertragen, mein Angesicht zu sehen, denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben.“ (2Mos 33, 20). In dieser Spannung zwischen Sehnsucht und Unmöglichkeit leben wir und sind gefordert, das Angesicht Gottes zu suchen. Wo suchen wir? Wo lässt es sich finden?

    Das leuchtende Angesicht Gottes sehen und erkennen wir, wenn wir Jesus sehen. Johannes formuliert es so: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14). Oder wie es Paulus ausdrückt: „… zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.(2Kor 4,6).

    Im Angesicht Jesu, dann wenn wir auf Jesus schauen, so wie wir ihm in den Berichten und Briefen des Neuen Testaments begegnen, schauen und erkennen wir Gottes Angesicht. Ein Angesicht, das uns strahlend und leuchtend anschaut, von Herzen und gnädig uns zugewandt ist. Diese Gnade Gottes offenbart sich im Kommen, leben, leiden, sterben und auferstehen Jesus! So wie Jesus den Levi im Zollhaus oder den Zachäus auf dem Maulbeerfeigenbaum oder den Kranken in seinem Leid am Teich Bethesda sitzen sieht, genauso sieht Gott auch uns, nimmt uns wahr und wendet sich uns gnädig zu.

    Damit wir Gottes Gnade in unserem Leben wahrnehmen und erfahren, darum ist Jesus gekommen. Und wen Gott in seiner Gnade so ansieht, der ist bei IHM angesehen.3 Der aaronitische Segen sagt und gibt uns mit: Gott zeigt Gesicht!4

    Nochmals zum Thema Trinitatis – sind ihnen meine Entdeckungen bereits aufgefallen? Noch nicht – dann kommen wir zum dritten und letzten Gliederungsteil:

    3. Der HERR (er)hebe sein Angesicht über dich und schenke dir seinen Frieden!

    Und schenke dir seinen Frieden – da fällt die ganze Last ab! – So jedenfalls geht es mir – da kann man, kann ich wieder richtig durchatmen – Gott hebt sein Angesicht vor dem ich mich als Sünder verstecke auf mich, auf mein Leben. Gott blickt hinein in mein Leben und auf das was gelingt und auch auf das was aus dem Ruder läuft. Auf das, was ich nicht mehr im Griff habe vielmehr das mich im Griff hat. Er blickt auf meine Schuld und Sünde und ER will mich mit seinem umfassenden Frieden, seinem Schalom erreichen! Ich frage mich: Will ich mich von IHM und seinem Segen erreichen lassen? Gottes Frieden – das ist mehr als die Abwesenheit von Streit, Zwist, Unfriede oder gar Krieg. Gottes Friede ist etwas anderes als Harmonie und etwas ganz anderes als Friede, Freude, Eierkuchen. Dieser Friede, das ist die Anwesenheit und Gegenwart Gottes! Das sind die Momente, die kann man nicht machen, weder ich noch andere. Die Momente, in denen ich auf eigentümliche Art und Weise diesen Frieden erlebe wenn mich ein Wort Gottes berührt wie selten, ich in einem Gottesdienst zur Ruhe komme und viele andere Momente, in denen ich mir der Gegenwart Gottes gewiss werde. Das sind für mich diejenigen Momente in meinem Leben, wo ich etwas davon erlebe, dass Gottes Geist, mit dem ich versiegelt bin (Eph 1,13; 4, 30) mich erfüllt. Das ist für mich ein Stück Vorgeschmack auf den Himmel.

    In diesem letzten Teil des Segens taucht im hebräischen ein interessantes Wort5 auf, das wir im deutschen mit „geben“ übersetzen. Wörtlich heißt es setzen oder legen – also etwas an einen Ort ablegen. Dort gehört es hin und dort bleibt es auch. So auch Gottes Segen, den ER auf uns, sie und mich legt - dort gehört er hin und dort bleibt er auch!

    Das war meine Reise durch den Predigttext für das heutige Trinitatisfest. Ich bin froh, dass ich mich einmal mehr herausfordern habe lassen und dem nicht ausgewichen bin, was die Perikope für heute vorgegeben hat. Und wie so oft – wie immer, wenn ich mich auf Gott einlasse kommt er mir entgegen – so im Segen versprochen. In diesem alten Segen erkenne ich

  • den Gott, der mich erschaffen hat und bewahrt -
  • wenn ich auf Jesus blicke Gottes leuchtendes Angesicht das er mir zuwendet und mir gnädig ist -
  • Gottes umfassenden Frieden der mich erreicht und erfüllt, weil sein Heiliger Geist von mir Besitz ergreift und Gott mir begegnet.
  • Schluss

    Symbolik und Gestik hat man uns evangelischen ja gründlich ausgetrieben – in gewisser Weise zu Recht, wo es nur noch um Hüllen und nicht um Inhalte ging und die Hüllen auch noch in die Irre führten zum einen in der Reformationen und zum anderen in der Aufklärung. Da haben es andere christliche Religionsgemeinschaften - Katholiken oder orthodoxen Christen - aber auch Juden „besser“. Ich bin überzeugt, auch uns täte ein inhaltliches mehr an Riten und Gesten gut und sie würden uns manches näher bringen.

    Geschichte von der Moschee in Heidenheim – wenn ein Moslem Segen empfängt, dann empfängt er diesen symbolisch in zu einer Schale geformten Hände – nachdem er den Segen empfangen hat, legt er seine Hände auf den Kopf und gießt den Segen über sich aus.

    Lasse ich mir den Segen Gottes gefallen!

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 zum Beispiel Masaccio: Dreifaltigkeit, Fresko in der Kirche Santa Maria Novella
    2 RÖLLE Timotheus; in: Zuversicht und Stärke. Juni-Juli 2007. 5. Reihe - Heft 4. Seite 9
    3 derselbe a.a.O. Seite 8
    4 KLINGLER Harald; in: Zuversicht und Stärke. Juni-Juli 2020. 2. Reihe - Heft 4. Seite 18
    5 ALBRECHT Ralf; in: Zuversicht und Stärke. April-Mai 2013. 5. Reihe - Heft 3. Seite 124

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