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Predigt über 4. Mose 11,11.12.14-17.24-25

am 27.05.2007
Pfingstsonntag

Ort:
Betberg


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Das war eine schwierige Geburt. Dieser Gedanke ging mir durch den Kopf, als ich die heutige Predigt fertig hatte. Pfingsten, eine Gelegenheit über vieles zu predigen, engagiert und feurig, so wie es sich eben zu Pfingsten gehört. Aber die Verse aus der Heiligen Schrift über die heute zu predigen ist, gaben mir eine harte Nuss auf. Und zunächst fragte ich mich, wo denn das speziell pfingstliche an diesen Versen ist.

So möchte ich sie heute morgen einladen, mit mir auf eine geistliche Entdeckungstour zu gehen und einmal eine Pfingstgeschichte der ganz anderen Art zu betrachten und mit mir der Spur nachzugehen, die uns darin vermittelt wird.

- Text lesen: 4. Mose 11, 11.12.14-17.24-25 - (vielleicht alles lesen)

Es ist wieder einmal soweit, aber das kennen wir ja: das aus der Knechtschaft Ägyptens geführte Volk Gottes murrt. Das Volk war mit dem, was es von Gott bekam nicht zufrieden und übersah dabei jedoch vollkommen, das es letztlich nicht aus eigenem Vermögen, sondern von Gott und seiner Gegenwart lebte, von dem was er getan hat und tut. Obwohl es einfach so versorgt wurde, mitten in der Wüste, waren sie damit nicht zufrieden. Das Volk murrt gegen seinen Führer Mose und murrt damit letztlich auch gegen Gott. Sie murrten und motzten, hielten Gott vor, wie gut es ihnen in Ägypten ging. Das muss in seinen Ohren wie Spott und Hohn geklungen haben. Aber auch Gott wird es zu bunt, will sich nicht andauernd Vorhaltungen über sein Tun machen und sich sagen lassen, was er hätte besser oder anders machen können und sollen. Als sie jedoch sahen, dass sie mit ihrem Verhalten Gottes Zorn erregt hatten, riefen, nein schrien sie zu Mose.

In dieser Situation tritt bei Mose das ein, wovor ihn sein Schwiegervater schon einmal gewarnt und versuchte hatte, Abhilfe zu schaffen (vgl. 2Mos 18,17f). Aber dieses Bemühen hat nicht lange angehalten und es zeigt sich, dass sich Mose in seinem Einsatz für das Volk aufgerieben hat. Er ist es leid immer wieder dasselbe zu sagen - Zwischenfrage: kommt ihnen das möglicherweise bekannt vor? - ist es leid andauernd Fürsprecher für dieses mürrische und widerspenstige Volk zu sein, sich verteidigend und schützend davor zu stellen.

Aber was soll er tun? Er wendet sich an Gott, klagt ihm als sein Leid und seinen ganzen Frust: "Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, schick doch einen anderen." Was sich dann entwickelt, lehrt mich zweierlei:

  • Auch mit Gott gerät man in die Krisen - aber ich kann ihm mein Herz ausschütten.
  • Gott beamt nicht sondern führt aus der Krise - Gottes neue Wege.
  • 1. Mit Gott in die Krise - ich kann Gott alles sagen.

    Als sich die Wogen etwas geglättet hatten und Mose etwas zur Ruhe gekommen war, wendet er sich in eigener Sache an Gott. Warum Gott, warum? Mit dieser, sicherlich vielen von uns vertrauten Frage, kommt er nun zu seinen Gott. "Warum betrübst du deinen Knecht, warum mutest du ihm das zu? Geht es denn nicht auch anders?" Mose rechnet nicht auf, er weiß um seine Beauftragung aber er fühlt sich schlicht und ergreifend überfordert. Ich denke, dass dies durchaus normal sein kann und auch unserem Erfahrungshorizont entspricht, gerade in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft und Welt, in der auch wir uns hin und wieder überfordert fühlen.

    Und dies nicht nur in persönlichen Situationen und Lebensumständen sondern auch im miteinander in der Gemeinde, wo wir manchmal über Gebühr beansprucht und herausgefordert werden. Da gehen Gemeindemitarbeitern im Laufe der Jahre die Ideen aus, wiederholen sich Dinge und es fehlt einfach die Spritzigkeit. Die Leute machen nicht mehr richtig mit, es fehlt an Motivation und Begeisterung. Der Schwung der ersten Tage ist verflogen und erste Gedanken ans aufhören tauchen hoch - wir stecken in der Krise.

    Oder da werden wir vor Entscheidungen gestellt die wir treffen müssen und fühlen uns einfach überfordert. Das Problem dabei ist, dass wir in unseren drei Dimensionen gefangen sind. Wir können nicht in die Zukunft sehen um zu wissen, welche Auswirkungen unsere heutigen Entscheidungen morgen haben. Hier sind wir ganz darauf angewiesen, unser Vertrauen auf Gott zu setzten, und damit zu rechnen, dass er uns in unserer Entscheidung und den daran anschließenden Weg führt. Diese Situationen fordern uns heraus Gott zu vertrauen, zu erwarten, dass er seine Verheißung wahr macht und über bitten und verstehen gibt.

    Das besondere an Moses Situation ist für mich der Umstand, dass er genau wusste, dass sein Auftrag, das Volk zu führen, von Gott kommt. Ich glaube daran hatte er nie Zweifel. Hier höre ich manche Stimme von Zeitgenossen unserer Tage die sagt: "Ach, wüsste ich doch auch nur, dass dies Gottes Wille ist, dann würde ich es leichter tragen." Waldemar Pisarski, Pfarrer und Leiter der Gedenkstätte in Dachau schreibt: "Es gibt keine Heilung, die am Schmerz vorbeigeht, Trost gibt es nur durch die Trauer hindurch." (Waldemar Pisarski, Anders trauern - anders leben") Es ist ein Trugschluss zu meinen, wenn wir den Sinn mancher Geschehnisse wüssten, die Hintergründe kennen würden, dass es uns dann leichter fiele Belastungen, Schwierigkeiten und Krisen auszuhalten. Eine Antwort nach dem Sinn nimmt uns die Last nicht ab, vielleicht wäre in vielen Fällen eher das Gegenteil der Fall und die Last noch größer.

    Aber zurück zu Mose. Er weiß sich von Gott geführt und kann die ihm übertragene Verantwortung nicht einfach abwerfen, er weiß sich daran gebunden, aber er bricht darunter zusammen. Er weiß nicht, warum dies alles so ist, es ist ihm nicht vergönnt hinter die Kulissen zu blicken. Seine Qual mündet in der Frage nach dem "warum". Wie gehen wir mit dieser Frage um?

    Wir können sie in uns hineinschlucken, nach außen nichts durchscheinen lassen, gute Miene zum bösen Spiel machen. Oder wir können murren, gegen Gott und die Welt aufbegehren so wie es das Volk tat. In einem Seminar für Führungskräfte würde man Mose vermutlich empfehlen, eine neue Erfolgsstrategie zu lernen und anzuwenden, aber ja nicht, sein Scheitern einzugestehen. Hier liegt für mich das Problem nicht nur vieler Führungskräfte. Sie haben nie gelernt, wie sie mit ihrem Scheitern umgehen können, wo doch nahezu die Hälfte ihrer Aktivitäten mit Scheitern zu tun hat. Alle eben skizzierten Wege helfen in der Krise nicht wirklich.

    Im Gegensatz dazu können wir von Mose den Umgang mit Scheitern, mit Krisen lernen. Er gesteht sich sein Scheitern und seine Sorgen ein und wendet sich mit dem, was ihm auf dem Herzen liegt an Gott. Mose schüttet seinen Kummer, sein ganzes Herz vor Gott aus. Mose vertraut sich ganz Gott an, da ist nichts mehr, was zwischen beiden ist. Da dürfen Dinge zur Sprache kommen, die wir sonst niemanden anvertrauen würden. Mose ist so sehr am Ende, dass er sich sogar den Tod wünscht "... und wenn du so mit mir tust, dann bringe mich doch um." Ungewöhnlich für einen Mann Gottes - denken sie?

    Aber ist diese Reaktion wirklich so ungewöhnlich? Für uns vielleicht, weil wir sie so wenig in unserer Gegenwart ausgesprochen wird, für Gott ist sie weniger ungewöhnlich. Er wird solche verzweifelten Wünsche und Aufschreie öfters zu hören bekommen. Da fallen mir noch andere Namen ein, die ein ähnliches Schicksal und dabei ähnliche Äußerungen machten: Jona, der sich unter einen Busch verkriecht und sterben will. Oder Elia, der in die Wüste floh und sich wünschte, zu sterben. Und nicht zuletzt Hiob mit seiner Klage: "Ich mag nicht mehr - nicht ewig will ich leben. Lass ab von mir! ... warum, warum, warum?" Und Gott nimmt dieses Rufen, oft sehr stille und verdeckte Rufen, wahr. Er weisst Mose, Elia, Jona, Hiob oder wie sie sonst heißen nicht zurecht, sagt nicht, solche Gedanken darf man nicht haben, sondern erlaubt ihnen, diese auszusprechen. Dadurch wird ein erster und wichtiger Schritt getan, um Druck und Anspannung abzulassen. Sie alle erfahren in der Krise bei Gott Geborgenheit, wissen dass sie von IHM angenommen sind und nicht verstoßen werden. Und sie wissen auch, dass Gott ihnen helfen wird.

    So können, sollen Christen, sie und ich mit ihrem Kummer zu Gott kommen, dürfen ihm sagen, wenn wir mit Situationen und Aufgaben überfordert sind, in der Krise stecken. Wir dürfen wissen, dass Gott immer ein offenes Ohr für uns hat und sich unser annimmt. Gott weist keinem dir Tür, vielmehr öffnet er sie und führt und zeigt Wege aus der Krise heraus.

    2. Gott beamt nicht sondern führt aus der Krise - Gottes neue Wege.

    Ich hatte zu Beginn eingeladen, mit mir den etwas anderen pfingstlichen Gesichtspunkt dieser Verse aus dem 4. Mosebuch zu entdecken. Pfingsten und Heiliger Geist bringen wir meist in Verbindung mit Ausrüstung und Gaben für den Dienst in der Gemeinde. Das ist sicherlich eine wesentliche Aufgabe des Heiligen Geistes, so auch hier. Die 70 Ältesten werden mit dem Heiligen Geist erfüllt und damit befähigt, mit Mose zusammen das Volk zu führen. Eine Aufgabe, die ohne den Heiligen Geist zweifelsohne nicht zu bewältigen wäre. Und zur Bestätigung und Kennzeichen ihres Dienstes wird ihnen prophetisches Reden geschenkt.

    Die Ausrüstung und Befähigung einzelner Menschen für den Dienst in der Gemeinde und der Welt ist sicherlich ein zentraler Aspekt von Pfingsten, der Ausgießung des Heiligen Geistes. Denn ohne den Heiligen Geist und die von ihm geschenkten Gaben ist Gemeindearbeit nicht möglich. Dabei steht das Bild von Leib im Mittelpunkt: jeder hat seinen Platz und seine Aufgabe und ist auf Grund seiner Zugehörigkeit zum Leib gleich wichtig.

    Aber vielfach mache ich die Beobachtung, das es in unseren Gemeinde anders zugeht, dass wir einem anderen Leitbild folgen: statt "alle für einen" geht es eher nach dem Prinzip "einer für alle" oder "alle gegen einen". Hinzu kommt dann noch, dass sich mancher für unentbehrlich hält. Und in diesem Milieu traut sich schließlich keiner mehr, seine Grenzen zu erkennen und sein Scheitern einzugestehen. Anstatt sich an Maßstäben und Verhaltensweisen auszurichten die uns in der Bibel aufgezeigt werden, vertrauen wir eher auf Managementmethoden die uns an christlichen Führungskräfteseminaren feilgeboten werden, besuchen einen Gemeindebaukongress nach dem anderen und hoffen, so neue Erkenntnisse zu gewinnen. Geistliches Leiten hat aber weniger mit Methode als vielmehr etwas mit anvertrauen und sich befähigen lassen zu tun.

    Und obwohl für und im Reich Gottes gearbeitet wird bleibt es nicht aus, das Mitarbeiter nicht mehr weiter kommen, in und an ihren Aufgaben und Gemeinden resignieren und in die Krise geraten. In solchen Momenten zeigt sich dann, dass die Wirksamkeit und die Aufgaben des Heiligen Geistes sich nicht nur auf seine Gaben beschränken. In der Schriftlesung (Joh 14, 23-27) haben wir gehört, dass Jesus den Heiligen Geist Tröster und Beistand nennt.

    Damit ist ein anderer wesentlicher Wirkungskreis des Heiligen Geistes angesprochen. Es ist ein Irrtum wenn wir meinen, dass uns dieser Geist immer davor bewahrt, in Krisen zu geraten, ganz im Gegenteil. Ich erinnere nur an die Versuchung Jesu in der Wüste (vgl. Mt 4.1ff). Als Tröster und Beistand ist er auch in den schwierigen Lebensabschnitten in ganz besonderer weise für uns da. Es ist derselbe Geist, durch den mich Gott auch wieder aus der Krise führt. Und führen heißt mit jemanden mitgehen, manchmal Schritt für Schritt.

    Es ist dann dieser Geist, der mich hält und ins Gebet und trotz allem vor Gott treibt und mich meine Not hinausschreien lässt. Paulus spricht davon, dass es dieser Geist Gottes ist, der, wenn wir nichts mehr zu sagen haben, wenn wir leer und ausgebrannt sind und uns die Worte fehlen, für uns in die Presche tritt und uns vertritt mit unaussprechlichem Seufzen. Und vielleicht ist dieses Seufzen wie bei Mose auch nur noch ein Aufschrei, ein Bekenntnis des Scheiterns.

    Was mir an der Geschichte mit Mose bemerkenswert erscheint ist, dass Gott das Problem nicht einfach abschafft und eine fertige Lösung vom Himmel fällt, sondern dass er dem Mose sagt, was dieser tun soll. Aber machen muss er es dann schon selber, die 70 Männer auswählen, darauf vertrauen dass er die richtigen auswählt und es dann auch gut wird. Gott beamt uns nicht sondern führt uns aus der Krise. Dabei erstaunt mich immer wieder, wie ER das macht und wie ER sich auf mich einlässt. (In den Versen 18-23 sagt Gott dem Mose was er machen wird, um das Volk zufrieden zu stellen und wie Mose dies in Zweifel zieht indem er Gott vorrechnet, wie groß das Volk ist und dass es kaum möglich ist, so viele Rinder zu haben.) Hier ist immer wieder unser Vertrauen gefragt, vertrauen darauf, dass Jesus seine Verheißungen erfüllt, mir seinen Geist gegeben hat der in uns, in ihnen und mir sein Werk ausführt.

    In meiner Beobachtung nehme ich vielfach wahr, dass ich mich nach den großen und eindeutigen Machterweisen dieses Geistes sehne. Wohl deswegen, weil ich meine, dass es mir dann leichter fällt und klarer ist. Aber ein Blick in die Bibel lehrt mich dann meist schnell etwas anderes. Und da muss ich gar nicht viel blättern, da reicht es schon, wenn ich mir die heutige Mosegeschichte betrachte, und es gäbe noch etliche andere anzufügen.

    Es kommt nicht so sehr auf die großen und spektakulären Machterweise dieses Geistes an, sondern dass ich Augen bekommen für seine alltäglichen Führungen. Ich weiß nicht wie das so bei ihnen ist, aber der Großteil meines Lebens spielt sich in alltäglichen Situationen ab die es zu meistern gilt und weniger in spektakulären Ereignissen. Und gerade hier, in den "Niederungen des Alltags" können wir, können sie und ich diesen Geist erleben.

    Schluss

    Wir feiern Pfingsten im Gedenken an die Erfüllung der Verheißung Gottes, dass er seinen Geist über alles Fleisch ausgießen will (Joe 3,1). Wir können Pfingsten in der Gewissheit feiern, dass dieser Geist in unser Herzen ausgegossen ist, wir mit diesem Geist, wie es Paulus sagt, versiegelt sind (Eph 1,13.30; Gal 3,2; 1Thes 5,19), wir ein Tempel Gottes sind und dieser Geistes in uns wohnt (1Kor 3,16).

    Dieser Geist, von dem Jesus als dem Beistand und Tröster sprich, ist kein Traumbild, sein Wirken kein frommes Ideal sondern ist eine göttliche Wirklichkeit. Mose und viele andere Frauen und Männer hätten vieles nicht durchgestanden, wären in der Krise stecken geblieben oder in die Irre gegangen, hätten sie diesen Geist nicht gehabt. Er ist es, der uns immer wieder zu Jesus zieht. Nehmen wir Pfingsten 2007 als Gelegenheit um uns neu bewusst und gewiss zu machen: Gott hat uns diesen Geist gegeben, damit er uns beisteht, in den großen und kleinen Entscheidungen und Weggabelungen unseres Lebens führt - durchaus auch in Krisen - aber durch den er uns immer wieder in und durch alles neue Wege weist.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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