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Predigt Gott ist ...

am 22.10.2023
20. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Betberg-Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Wann haben sie sich das letzte Mal gefragt, wer Gott ist? Wer ist Gott … für dich …Wer ist Gott für mich … Wer ist Gott vielleicht auch für uns alle… Meine Antwort auf die Frage Gott ist lautet: Gott ist Gott! Amen. Denn alles was weiter gesagt wird, würde es weder klarer und eindeutiger noch besser machen.

Aber halten wir das aus, wenn ich jetzt „Amen“ sagen und diese Predigt beenden würde? Würden wir uns mit dem zufrieden geben? Oder würde uns nicht viel mehr etwas locken oder versuchen doch mehr zu erfahren, weiter zu bohren?

Gott ist … wenn ich mir diese Frage stelle, dann sollte, dann muss ich mir darüber in Klaren sein, dass ich als Antwort eine Aussage über den absoluten Gott treffe – aber kann ich das überhaupt? Greife ich da nicht ein in das ureigenste Hoheitsgebiet des a(A)bsoluten, in das Hoheitsgebiet Gottes? Wenn ich Gott erklären, beschreiben, definieren etc. kann, ist er dann noch Gott? Gott ist absolut und per se der verborgene, der nicht erkenn- und verstehbare, derjenige der sich meinem Zugriff entzieht. Und doch: wie sehr hätte ich, hätten wir diesen Zugriff auf IHN und wir meinen - vermeintlich - diesen zu haben, wen wir den Zugriff, die Deutungshoheit über sein Wort haben, wir es unter unsere Verfügungsgewalt bringen. Nicht von ungefähr hat Heinzpeter Hempelmann in seinem Buch „nicht auf der Schrift sondern unter ihr“ auf diesen Sachverhalt hingewiesen.

Für mich spiegelt sich in diesem Bemühen, in dieser Sehnsucht etwas in unserem Wesen was mit der Lust auf die Frucht des Baumes der Erkenntnis zurückzuführen ist – so sein zu wollen wie Gott. Wenn ich IHN mir verfügbar machen kann, wenn ich IHN erklären kann, wenn ich IHN begreifen und verstehen kann, habe ich dann nicht auch die Verfügung über IHN? Bin ich dann nicht selbst wie Gott?

Von uns aus ist uns der Zugang zu Gott verwehrt. Wir erkennen und verstehen Gott nur in dem ER sich uns offenbart - und das stellt uns vor Herausforderungen die wir nicht einfach lösen können … Wir erkennen von Gott nur das, was ER uns von sich offenbart, denn „… so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ Originalton Gottes durch seinen Propheten an sein Volk in Jes 55,9 (oder auch oder Paulus Rö 9,21).

Jetzt könnten wir etwas nerdig über die Selbstoffenbarung Gottes dogmatisieren – was gewiss nicht schlecht wäre, weil es in unseren Tagen und in unseren Gemeinden meiner Ansicht nach definitiv zu kurz kommt – das Theologie treiben in Dogmatik und Ethik und Bibelkunde etc.. Auf die Frage wer Gott ist reicht fürs erste auch ein Blick auf die ersten Verse in der Bibel. Im ersten Kapitel der Genesis (1. Mose) ist Gott Elohim - der Gott der wollte - der Gott der sprach und es geschah - der Macher Gott.

Aber schon einige Verse weiter im zweiten Kapitel begegnet mir ein „anderer“ Gott – Jahwe, der Du Gott, der Gott der Beziehung, der Menschensucher Gott, der Gott der meine Scham bedeckt und dafür ein Tier opfert. Ist uns das bewusst: damit der Mensch „schamlos“ wird musste ein erstes Tier sterben. Wir vertrauen nicht nur einem Gott der absolut und ein richtiger Macher ist sondern einem Gott, der in einer besonderen Beziehung zu uns Menschen steht und uns daher ganz nahe kommt.

Und schon bin ich mitten im weiteren nachdenken über Gott und wer Gott ist und es ist vorbei mit der eindeutigen und kurzen Antwort. Drei Aussagen wer Gott für mich ist:

1. Gott ist … Vater

Wann Gott das erste Mal in der Bibel als Vater bezeichnet wird ist schwierig zu sagen, da dies sprachlich nicht eindeutig ist und bei verschiedenen Stellen Interpretationsbedarf besteht. Unstrittig jedoch ist, dass die Vater-Bezeichnung Gottes in Dtn 32,6 eine der ersten ist. Für uns Christen ist es ein ganz starkes Bild von Gott als dem Vater zu reden. Dieses Bild wird von Jesus an vielen Stellen vorgestellt, geprägt und vertieft (z.B. Mt, 6,9.26)1. Jesus hat uns den Vater als den vorgestellt, den wir Abba, lieber Vater nennen dürfen.

In der Zeit der Anfänge meiner Jesus-Nachfolge wurde viel darüber diskutiert, ob man heute – also damals – das Bild des Vaters in den Focus stellen kann. Es war die Zeit, in der die ersten Missbrauchsfälle in Familien öffentlich bekannt und diskutiert wurden, wo bekannt wurde, das Väter Mütter und Kinder geschlagen oder anderweitig missbraucht hatten. Aber ich bin der Überzeugung, dass es auch in früheren gesellschaftlichen Epochen nicht einfach war, mit einem positiven Vaterbild zu punkten. Glücklicherweise hat sich das verändert, sicherlich auch durch veränderte Väterrollen in den Familien. Und natürlich gibt es auch die andere Seite, Menschen, bei denen das Vaterbild überaus positiv besetzt ist und es leicht fällt sich in dieses hineinzudenken und die es uns mit ihrer Sicht leicht machen, es auf Gott zu übertragen.

Beim Umgang mit herausfordernden Bildern, die gerne auch bestimmte Rollen assoziieren, halte ich es gerne mit Birgit Matausch – Pastorin im Literaturhaus St. Jakob in Hildesheim. Sie beschäftigt sich mit Sprache im Gottesdienst, mit unserem Reden von und über Gott und sie bringt in einem Interview für mich eindrücklich zum Ausdruck, wie sie manche biblische Tatsachen, die mit Rollenbildern verbunden sind, herausfordern, sie sich dann aber doch auf diese Rollenbilder einlässt und akzeptiert. 2

Und schließlich, von Gott als unserem Vater zu reden hat eine gravierende Auswirkung auf uns: wenn Gott unser Vater ist, dann sind wir Geschwister, Schwestern und Brüder in IHM durch Jesus den Christus.

2. Gott ist … Sohn (Jesus Christus)

Auch wenn in dem Bild Gott als Vater möglicherweise etwas distanziertes, etwas unnahbares mitschwingt so kommt dadurch auch etwas von Nähe und Geborgenheit zum Ausdruck. Dies wird übertroffen durch die Tatsache Gott wird Mensch und lebte unter uns – keine Reaktion, kein Amen oder Halleluja? – Gott wird Mensch, wo gibt es so etwas! Gott wird sichtbar, erlebbar, nahbar in Jesus von Nazareth. Aus dem Ort, aus dem nichts Gutes kommen kann (vgl. Joh 1,46) kommt Gott zu uns Menschen und so auch zu ihnen und mir. „Siehe ich verkünde euch große Freude die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. (Lk 2,10.11) – Gott kommt zu uns und lebte mitten unter den Menschen. Und dennoch bleibt er derjenige, der doch der ganz andere ist, den die Jünger und ich oft nicht verstehen. Er bleibt der, den wir uns nicht verfügbar machen können der sich aber für uns verfügbar macht.

Drei für mich exemplarische und markante Stellen, die dieses leben unter den Menschen kennzeichnet, die zeigen, besser erahnen lassen wer Gott der Sohn ist.

„Jesus aber blickte ihn an, gewann ihn lieb und sprach zu ihm …“ (Mk 10,21). Was für eine Szene, was für eine Begegnung die darin mündet, dass Jesus diesen Mann einlädt, ihm nachzufolgen, ein Jünger Jesu zu werden. Und der Mann kann es nicht, bringt es nicht übers Herz, geht wieder weg und Jesus lässt ihn gehen. Was hätte ich unternommen, diesen Mann zu halten.

Ich mache einen großen Sprung, überspringe vieles und komme vielleicht zu einer der Menschheitsfragen schlechthin: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ (Mk 15,34, par Mt). Im Gefühl der tiefsten Gottverlassenheit schreit der Sohn Gottes nach Gott und klagt. Hier, im Leid, in der Klage kommt er Gott ganz nah, klammert er sich an den Vater wie sich Jakob am Jabbok an Gott geklammert hat. Darum kann er dann auch sagen: „In deine Hände befehle ich meinen Geist.“ (Lk 23,46).

Hier lässt Jesus Gott Gott sein, geht es nicht um seinen, oder meinen Willen, sondern allein darum, dass geschieht und ich geschehen lasse, was Gott will. Und ich hoffe sehr dass uns bewusst ist, dass es hier nicht um Fatalismus geht, sondern darum, in der tiefen und ver-trauens-vollen Beziehung mit Gott zu leben. Dessen waren sich auch die Beter der Klagepsalmen durchaus bewusst und vielleicht sollten wir uns diese bewusst machen. Klage gegenüber Gott ist kein Zeichen von Gottesferne sondern von Gottes-nähe. Wenn wir das nicht hinbekommen, sollten wir das Vater Unser, zumindest aber die zweite Bitte streichen (mit einem schwarzen Edding markieren) oder an dieser Stelle zu schweigen.

Ich jedenfalls möchte mich meiner Verfügbarmachung3 Gottes entgegenstellen – in meiner Auseinandersetzung mit Gott, mit Jesus Gott Gott sein zu lassen – zu ver-trauen – Nachfolge einzuüben.

Aber Jesus ist nicht am Kreuz und nicht im Grab geblieben – er wurde auferweckt, der Lebende ist nicht bei den Toten geblieben (Lk 24,5) sondern ist aufgefahren in den Himmel. Und diese Himmelfahrt bringt mich zu meinem letzten Aussage:

3. Gott ist … Heiliger Geist

Die Jünger verstanden die Welt oder besser Jesus nicht mehr. Petrus hatte sich das schon so toll und schön vorgestellt mit der Hüttensiedlung auf dem Berg. So sollte es bleiben und dann dieser Hammer: „Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch nützlich, dass ich weggehe, denn wenn ich nicht weggehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; wenn ich aber hingehe, werde ich ihn zu euch senden.“ (Joh 16,7). Auch dieses Hüttenprojekt stellt eine Art Verfügbarmachung Gottes dar, weil Petrus Jesus an diesen Ort binden will.

Aber Gott der Sohn verlässt die Erde damit Gott der Geist kommen kann. Und dieser Geist der Nachfolgerinnen und Nachfolgern Jesu gegeben (2Kor 1,22. Eph 1,13) ist, in uns wohnt, wirkt und bewirkt viel. Er ist Tröster, der unsere Furcht austreibt, der uns den Vater und den Sohn zeigt und uns, mich mit dem Vater und dem Sohn in Verbindung hält. Es ist dieser Geist „der uns in alle Wahrheit leiten wird“ (Joh 16, 13). Ich betone: In alle Wahrheit leiten wird, nicht erklären, nicht definieren, sie uns nicht ins Gedächtnis brennen, sondern uns in alle Wahrheit leiten“ wird.4

Und doch erkenne ich immer wieder, dass ich selbst die einfachsten Aussagen über Gott, Jesus und den Heiligen Geist noch lange nicht be- und ergriffen habe. Dass ich mich leiten lasse bedeutet für mich auch „glauben“ – oder besser ver-trauen. Es ist kein Akt des Verstandes oder verstehens, sondern ein Beziehungsgeschehen, in Beziehung bleiben, in Beziehung sein mit diesem Gott, der Vater, Sohn und Heiliger Geist ist und dabei Stück für Stück mit IHM vertrauter werden und meine Beziehung mit und zu IHM festigen.

Was mir in meiner Vorbereitung genau an dieser Stelle aufgefallen ist, was überhaupt nicht mein Ansatz war, ist ein Abriss des apostolischen Glaubensbekenntnisses – unsere Bekenntnisgrundlage.

Schluss

Gott ist – Vater – Sohn – Heiliger Geist – drei wesensgleiche Personen – Trinität – eines der sperrigsten und zugleich spannendsten und faszinierendsten Themen der Christenheit das uns immer wieder aufs Neue herausfordert und mit dem wir vermutlich nie zu Ende sein werden. Dem wir uns möglicherweise eher dann annähern können, wenn wir es weniger als ein theologisches Konzept sondern vielmehr als spirituelles Konzept verstehen.5

So schließe ich mit einem Zitat von Martin Schleske aus seinem Buch Werk|Zeuge:

Gott ist nicht nur Schöpfer und Künstler, er selbst ist das urmächtige geistige Kunstwerk, das sich von Ewigkeit zu Ewigkeit ins Sein ruft. … Wir reagieren auf diese Qualitäten, indem wir erforschen und durchleben, wer Gott ist. Dazu sind wir da. Wenn die Sache nicht vieldeutig ist, hat sie nichts mit Gott zu tun. Nur der ängstliche und der rechthaberische Glaube erforscht und durchlebt nichts. Er fordert Eindeutigkeiten. Der in der Liebe wirksame Glaube aber lebt in einem gesunden Spannungsverhältnis (einer gesunden Ambivalenz), er erforscht, was er nicht begreifen kann. Er betet zu Gott: „Du greifst mich an, weil ich dich anders nicht begreife.“ Und die Antwort, die er hört, ist dies: „Du kämpfst mit mir, weil du mich liebst!“6

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

1 bei Paulus in Eph 1,3 einmalig
2 Ich beziehe mich hier auf das Interview in dem Podcast Ausgeglaubt in dem sie sagt, dass sie es nicht für glücklich hält, dass in dem von männlichen Bildern dominierten Christenheit auch noch Jesus als Mann auf die Welt kam / Gott als Mann Mensch wurde. Diese Aussage kann man hervorragend dafür einsetzen um zu zeigen, dass Gott in die speziellen Situation der Menschen kam und sie dabei nicht überforderte. In der damals ausgeprägten patriarchalen Gesellschaft hätte Gott als Frau wohl keine Aufmerksam erhalten. Der von mir verwendete Begriff „Rollenbild“ ist nicht ganz korrekt. Im Kontext einer Predigt habe ich ihn verwendet, um auf umfangreiche Erläuterungen zu verzichten..
3Die Verfügbarmachung Gottes ist ein höchst interessantes Thema, das viele Bereiche unseres Christ seins berührt. Sie ist quasi die toxische Seite unseres Beziehungsgeschehens mit Gott in unserer Nachfolge.
4 Hier sind mir auch die unterschiedlichen Übersetzungsvarianten zwischen Luther 2017 und Elberfelder bzw. Züricher aufgefallen.
5 trinitarisch Glauben - https://www.andreasgemeinde.de/fileadmin/andreasgemeinde/Download/Predigten/2018/2018-05-27_Was_heisst_trinitarisch_glauben-Friedrichs.pdf - das ist auch ein Thema von Andreas Loos
6nach Martin Schleske; in Werk|Zeuge – in Ressonanz mit Gott; S. 423

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