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Predigt über Jeremia 29, 1.4 -14

am 4.11.2018
23. Sonntag n. Trinitatis

Ort:
Betberg-Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Sagt ihnen der Name Louis Washkansky etwas? Es ist auch schon lange her, ein halbes Jahrhundert als dieser Name durch die Welt ging, verbunden mit einem zweiten Namen. 1967 wurde diesem Louis Washkansky durch den südafrikanischen Arzt Christiaan Barnard und seinem 31-köpfigen Transplantationsteam das erste menschliche Herz transplantiert. Eine Sensation! Das menschliche Herz, lange galt es als das zentrale Organ des Menschen. Seiner Gesundheit kam eine ganz besondere Bedeutung zu. Wenn das Herz nicht mehr schlägt, ist das Leben zu Ende. Und vielleicht dachte man damals im Dezember 1967 auch daran, den Tod besiegt zu haben.

Und heute, was ist das Herz heute? Ist es immer noch das zentrale Organ oder ist es zu einem Austauschprodukt geworden, das man mit beliebigen Ersatzteilen immer wieder neu bestücken und zusammensetzen kann. Und wer von uns weiß, was die Stammzellenforschung noch für ungeahnte Möglichkeiten bereit hält?

Hat damit das Herz als zentrales menschliches Organ ausgedient? Dient es lediglich noch dazu um unsere Gefühle zu verorten? Als Symbol wenn wir jemandem zugeneigt oder in ihn verliebt sind? Bei weitem nicht. Nehmen wir uns einen Moment Zeit und erinnern uns daran, was mit Herzen alles geschehen kann und wie es im biblischen Zeugnis gesehen wird: Wir können es verlieren, wir können uns etwas zu Herzen nehmen. Es kann sich ängstigen (Joh 14,1; 2Kor 2,4), es kann sich freuen und es kann verstockt werden oder es kann sich verhärten, mit Liebe und Hoffnung erfüllt werden, es kann ergründet werden, es kann trotzig und verzagt sein, unser Herz kann Wohnung sein und wir können darin Schätze sammeln (Lk 6,45).

Diese Bedeutungsvielfalt verdeutlicht uns, dass das Herz im biblischen Verständnis weit mehr ist, als nur der anatomische Herzmuskel. In der ganzen Spannweite der Zuschreibungen und Beschreibungen des Herzens wird mir bewusst, dass meinem Herzen eine ganze besondere Bedeutung zukommt

Darum gilt:

- Text lesen: Sprüche 4, 23 -

Mehr als auf alles andere, achte auf dein Herz, denn in ihm entspringt das Leben. (Spr, 4,23).

Ich stelle mir die Frage: Wie gehe ich mit meinem Herzen um? Achte ich auf mein Herz? Wann und wie tragen wir dafür Sorge? Sicherlich dann, wenn sich gesundheitliche Probleme ergeben, und darüber hinaus? Was bedeutet uns unser Herz? Und: Kennen wir unser Herz? Kennen wir uns selbst? Wenn wir die Spannung von Wollen und Vollbringen erleben, dann erleben wir die Zerrissenheit unseres Herzens. Im Propheten Jeremia spricht Gott vom Herzen als einem „trotzig und verzagten Ding“, das von niemandem als allen von Gott ergründet werden kann (Jer 17,9).

Zwei Gedanken:

1. Mehr als auf alles andere, achte auf dein Herz!

Was kann mit dem Herzen alles geschehen: voll des Lobes – voller Freude – Bei diesen Zuschreibungen können wir noch gut mit. Aber wie sieht es aus, dass sich unser Herz verstocken – es hart werden kann (Heb 3,8)? Dann wenn es unempfänglich wird für die Menschen um uns herum, unempfänglich für Gott, für sein Reden. Sie meinen, das kann nicht sein, das kann mir doch nicht passieren? Selbst die Jünger waren davon nicht ausgenommen (Mk, 6,52; 8,17) Aber was bedeutet dieses verstockt sein?

Die „Herzens-Härtigkeit“ (Mk 10,5 = sklerokardia => sklerose = krankhafte Verhärtung von Gewebe oder Organen) – zeigt den Zustand des Menschen, wie er sich zu Gottes Offenbarung, zu seiner Gnade verhält1. Diese Hartherzigkeit bezeichnet das Verharren eines Menschen in einer inneren Haltung der Uneinsichtigkeit2 aber auch der Teilnahmslosigkeit. Ein hartherziger Mensch zeigt keine Reaktion auf das, was er an und von seiner Umwelt wahrnimmt, an dem, was um ihn herum geschieht.

Das Herz das Zentrum einer Person, in ihm werden geistige und seelische Vorgänge verarbeitet und gesteuert. Diese werden von außen vielfach nicht wahrgenommen, wohl aber deren Konsequenzen. Das Herz (kardia) Sitz der Empfindungen und Gefühle, aber auch der Triebe und Leidenschaften. Im Herzen verorten sich Regungen wie Freude und Trauer, Mut und Feigheit, Kraft und Furcht, Hass und Zorn. Homer verbindet mit dem Herzen auch die Denkfähigkeit, womit es auch als Zentrum des Wollens und als Herd der Entschließungen des Menschen anzusehen.

Das Herz bestimmt unser dichten und trachten, das heißt es nimmt Einfluss auf unsere Gesinnung, auf unsere Werte und Haltung. Aus unserem Herzen kommen ferner böse Gedanken (Mt 15,19), dort haben sie ihren Ursprung und finden über unseren Mund ihren Weg nach draußen zu unseren Mitmenschen. Und welche Macht und Bedeutung haben gesprochene Worte (bedenke Mt 5,22). Jesus sagt: „Wes das Herz voll ist, dessen geht der Mund über“(Mt 12,34) – das heißt doch auch umgekehrt, achte auf das, was du in dein Herz hineinlässt, womit du es anfüllst.

„Gehe liebevoll mit deinen neuen Hüften um!“ Mit diesem Hinweis verabschiedete mich meine Physiotherapeutin aus der Reha nach meiner zweiten Hüft-OP. Und daran musste ich denken, als ich diesen Vers Salomos las. Gehe liebevoll mit deinem Herzen um. Denn dieses „achten“ meint nicht, den Regungen meines Herzens zu folgen. Dies wird aus der wörtlichen Übersetzung deutlich: Mehr als alles, was man (sonst) bewahrt, behüte dein Herz. Pass auf dein Herz auf. Denn, mit all den Dingen, die du in dein Herz hineinlässt, werden sie dich auch prägen. All unser Tun, unser ganzes Wesen nimmt und hat in unserem Herzen seinen Ursprung.

Darum achte darauf, woran dein Herz hängt, auf was es ausgerichtet ist. Denn worauf das Herz ausgerichtet ist, darauf bin ich als Mensch, mit meinem ganzen Sein ausgerichtet. „Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz.“ Mt 6,21. In ein paar Wochen beginnt wieder die weihnachtliche Backzeit. Und manche machen auch Springerle. Um diese zu machen, braucht es ein sogenanntes Model das dem Gebäck eine typische Form und Aussehen gibt. Was ist das Model, mit dem ich meinem Leben, meinem Herzen immer wieder seinen Ab- und Eindruck verleihe?

2. Denn aus ihm kommt das Leben - Es ist der Quellort des Lebens!

So ist das Herz nicht nur die Mitte des leiblichen und geistigen Lebens, sondern es ist auch die Mitte des geistlichen Lebens. Im Herzen haben die Kräfte des Geistes und des Verstandes3 aber auch des Willens ihren Ort. Das Herz nimmt Einfluss auf unser Menschsein, es macht uns letztlich als Menschen aus. Das Herz steht für das Ich des Menschen, es ist die Person schlechthin („der verborgene Mensch des Herzens“ 1Pet 3,4)4. Das Herz ist die Stelle im Menschen, an die sich Gott wendet. Wenn Gott unser Herz anspricht, dann spricht er uns, sie und mich an. Dann sucht er sein Ebenbild, sein Gegenüber, sucht er die Gemeinschaft mit uns. Das Herz ist auch der Ort der Verstockung, des Zweifels und des Unglaubens (Hebr 3,12; Jes 29, 3 14) aber daher auch der Ort des Glaubens (Rö 10,9 – 10; Ps 24,3 – 5) und des Gehorsames.5 Weil der Quellort des Lebens, das Herz, von der Sünde verderbt ist, ist alles Denken und Wollen, alles Fühlen und Handeln und alle Leiblichkeit von der Sünde bestimmt.6 Das Herz ist der Ort, an dem sich „für“ oder „wider Gott“ in erster Linie entscheidet7.

Darum brauchen wir ein neues Herz, benötigen wir eine grundlegende Erneuerung unseres Menschseins, damit wir wieder mit Gott in Kontakt kommen, mit ihm Gemeinschaft haben können. Die Sehnsucht nach einem neuen Herzen äußert bereits der Psalmbeter (Ps 51,12) und findet seine Konkretion in Gottes Ankündigung durch den Propheten Hesekiel bereits dem Volk Israel verheißen (Hes 36,26). Gott will die Hartherzigkeit des Menschen dadurch aufbrechen, indem er ihm ein fleischernes Herz gibt. Ein Herz, das von Gott wieder angesprochen werden kann, das auf IHN ausgerichtet ist.

Dieses neue Herz findet seine Verwirklichung wenn der Geist Gottes in uns Wohnung nimmt (Rö 8,11; 1Kor 3,16). Paulus stellt fest: Gottes Geist ist ausgegossen in unsere Herzen und bewirkt dadurch eine Veränderung unseres Herzens (Rö 5,5). Durch den Geist Gottes sind wir für Gott wieder erreichbar und suchen umgekehrt die Nähe und Gemeinschaft Gottes.

So wohnt der Geist Gottes durch unseren Glauben, durch unser Vertrauen, Zutrauen zu Gott in unseren Herzen (Gal 4,6) und damit wohnt Christus selbst darin (Eph 3,17). Und in Christus haben wir Anteil am Leben, am wahren Leben. In Christus haben wir die ganze Fülle Gottes (Eph 3,19). Glauben wir das und halten daran fest?

So lebe ich nicht mehr ich selbst, sondern Christus lebt in mir (Gal 2,20). Jesus ist gekommen, damit wir das Leben und volle Genüge haben (Joh 10,10). Wenn mein Herz bei Gott ist, wenn sein Geist darin wohnt, dann habe ich Anteil an dem neuen Leben das Christus für mich erwirkt hat (vgl. 2Kor 5,17) und mein Herz ist der Quellort dieses neuen Lebens.

Schluss

Mehr als auf alles andere, achte – behüte dein Herz, denn daraus kommt das Leben!

Wem gehört unser Leben – vom wem lassen wir uns prägen und bestimmen – wonach richten wir uns aus? "Der König aller Könige und Herr aller Herren, er allein Unsterblichkeit hat. Dem sei Ehre und ewige Macht!“ 1Tim 6, 15f (Wochenspruch). Wenn wir die biblische Botschaft ernst nehmen, wenn wir uns an ihren Inhalten festmachen und in ihnen verankern dann haben wir einen solchen Fixpunkt. Wenn wir uns an Christus hängen, bedingungslos an ihn hängen, so heißt das nicht, dass wir in unserem Leben alles im Griff haben oder hätten bzw. alles glatt läuft. Da kann noch so manches aus dem Ruder laufen. Aber wie schreibt es Nadia Bolz-Weber in ihrem Buch, „Ich finde Gott in den Dingen die mich wütend machen“: „Wir sind neu geworden, aber nicht perfekt.“8 Der neugeborene Mensch ist neu, aber noch lange nicht fertig und geschweige denn perfekt! Aber in und trotz allem gehören wir IHM!

Lassen wir uns von unserer sklerokardia , unserer Herzenshärtigkeit, von unserem Unvermögen und Scheitern nicht verunsichern sondern DEM vertrauen, der alles für uns getan und gegeben hat. Um dies in meinem Leben und Alltag zu verankern und miur bewusst zu machen, helfen mir kleine geistliche Übungen. Die kann ich mal mehr und manchmal auch weniger lange in meinem Alltag integrieren und praktizieren. Eine solche geistliche Übung ist mir für dieses Jahr das Herzensgebet der Mönche vom Kloster Athos in Griechenland.

Wenn ein Mönch sein Noviziat abgeschlossen hat, bekommt er vom Prior ein Herzensgebet zugesprochen. Das kann sehr kurz und unbedeutend sein: der eigene Name, der Name Jesu oder etwas anderes. Und immer wenn ein Mönch ein Haus betritt oder einem Menschen begegnet soll er dieses Gebet sprechen – sein Herzensgebet. Als ich dies gehört habe, erinnerte ich mich an den Gruß, den Franz von Assisi seinen Mönchen auferlegte: pax et bonum – Friede und Heil. Das sollten sie jedem Haus wünschen, in das sie eintraten. für mich ist dieses pax et bonum mein morgendliches Herzensgebet wenn ich die Schule betrete. pax et bonum allen Menschen die mir an diesem Tag begegnen werden, mit denen ich spreche und zu tun habe, allen Dingen, welche ich an diesem Tag zu erledigen habe. Das gelingt mir mal mehr, manchmal auch mal weniger. Aber es ist mein Herzensgebet für dieses Jahr und erinnert mich daran, ich bin in Gottes Hand und seine Verhei0ßungen gelten mir und jedem Menschen.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen 107621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

1 Elberfelder Studienbibel Neues Testament; S. 980, linke Spalte unten; R. Brockaus, Wuppertal, 20004,
2 VORLÄNDER, Wolfgang.; in: Biblisches Wörterbuch; SCM R. Brockhaus, Witten, 20142; S. 570, rechte Spalte
3nous wird oft synonym zu kardia gebraucht, mit nous wird dann stärker das Moment des Wissens betont. bei: SORG, TH.; in: Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Band 1; R. Brockhaus, Wuppertal, 19864; S. 682
4 SORG, TH.; in: Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament, Band 1; R. Brockhaus, Wuppertal, 19864; S. 682
5derselbe a.a.O.
6derselbe a.a.O.
7 GUTBROD zitiert bei derselbe a.a.O.
8 BOLZ-WEBER, Nadia. Ich finde Gott in den Dingen, die mich wütend machen, Brendow Verlag Moers, 20163, Seite 218

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