Home
Predigten
 
 

Predigt über Jes 42,1 - 9

am 9.1.2022
1. Sonntag n. Epiphanias

Ort:
Grenzach

Corona Gottesdienst


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde.

Einleitung

Weihnachten – ist vorbei und mit großen Schritten schafft sich dieses neue Jahr Raum in unserem Leben. Wir haben der Geburt Jesu gedacht, an sein Kommen in diese, unsere Welt. „Gott kommt zu uns“, so heißt es in einem Lied von Johannes Jourdan, „wir müssen uns nicht mehr zu ihm bemühen. ... Gott kommt herab von seinem ew’gen Thron.“ Das ist Weihnachten - Gott kommt zu uns, auch hierher nach Grenzach! Aber nicht nur dass Gott zu uns kommt ist bemerkenswert, sondern auch die Art und Weise wie er das tut.

Gott kommt als Kind, als Säugling, unscheinbar, in ärmlichen Verhältnissen in irgendeinem Provinznest im römisch besetzten Judäa. Nicht in Jerusalem, der Stadt Gottes und auch nicht in Rom, dem damaligen Nabel der Welt. Durch die Umstände wie Gott kommt, fordert er uns in unserem Glauben, in unserem Vertrauen heraus. Wenn Jesus einst wiederkommt, wird dies etwas anderes sein. Dann kommt niemand mehr daran vorbei, ihn als den Messias zu erkennen. Dann ist der Zeitpunkt, an dem jedes Knie sich beugen und bekennen muss (!), dass Jesus der Herr ist (Phil 2,11) und Gottes Reich wird sichtbar sein.

Aber noch ist es nicht soweit, noch leben wir in der Zeit des Glaubens und nicht des Schauens (2.Kor 5,7; Heb 11,1). Das ist oft nicht ganz einfach, aber Gott mutet uns das zu. Und mit seinem Kommen als Kind in der Krippe fordert Gott unseren Glauben, unser Vertrauen heraus.

Das also ist Weihnachten, von daher kommen wir, das ist unser Ausgangspunkt. Und vor diesem Hintergrund betrachten wir auch die Verse, die uns heute als Predigttext gegeben sind.

- Text lesen Jes 42, 1-4 -

Diese Verse aus dem Buch des Propheten Jesaja werden zu den sogenannten Knecht Gottes Liedern gezählt. Das bekannteste dieser Lieder sind sicherlich die Anfangsverse aus dem Kapitel 53 des Propheten Jesaja. In ihnen wird dieser Knecht als derjenige beschrieben, der alle unser Krankheit und alle unsere Schmerzen auf sich geladen hat. Diese Lieder haben in der Theologiegeschichte immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen und Auslegungsschwierigkeiten geführt. Wer oder was ist mit diesem „Knecht Gottes“ gemeint? Und hat sich Jesus selbst als der darin prophezeite Knecht gesehen? Das waren und sind die Fragen, welche die Theologen auch heute noch beschäftigen. Mir geht es heute weniger um die Beantwortung dieser Fragen, als vielmehr um das Bild das Jesaja mit dieser Botschaft für die Menschen damals in ihrer Situation zeichnet.

Und gilt dieses Bild, diese Vision die Jesaja mit seiner Botschaft weckt auch für uns und welche Bedeutung haben diese Verse für uns heute und unsere persönliche Situation? Diesen Weg möchte ich in drei Etappen mit Ihnen gehen:

1. Die erste Etappe: Der Knecht und sein Auftrag

Dieser Knecht wird beschrieben und uns vorgestellt als Gottes ganz persönlicher Knecht. Obwohl er keinen Titel, nicht einmal einen Namen hat, ist er Gottes Auserwählter. Gott legt seinen Geist auf ihn und unterstreicht damit nochmals, dass dieser in seiner Autorität und seiner Vollmacht kommen wird. Schon früh hat die Christenheit diesen Knecht auf Jesus gedeutet. Zum Beispiel bei der Taufe Jesu im Jordan, als der Geist auf ihn herab kam und sich auf ihn legte und Gott sich zum Jesus bekannte. Im Neuen Testament wird immer wieder der Bezug zwischen diesem Knecht und Jesus Christus hergestellt und gesehen. Auch wenn es uns selbst so geht, wir in diesem Knecht Jesus erkennen, sollten wir nicht zu schnell über diese Verse hinweggehen weil wir denken, ach Jesus kennen wir doch. Es lohnt sich die Zeit zu nehmen, und diesen Knecht genauer zu betrachten um das Bild zu erkennen, zu verstehen und umzusetzen.

Gottes Auserwählter kommt als Knecht auf diese Welt, als aebaed, als jemand ohne Ansehen und besondere Stellung - erinnern sie sich noch an das Kind in der Krippe? - Und dennoch lobt ihn Gott, wird er von Gott gepriesen, groß gemacht und geehrt. Und dieser Knecht wird mit einem besonderen Auftrag kommen. Er soll das Recht, Gottes Recht – zu den Völkern bringen. Nein, er soll nicht nur, er wird es tun sagt Gott. Und dieses wird hat einen ganz besonderen Klang: Da klingt es nicht nur nach Zukunftsmusik, da steckt die Melodie der Erfüllung dieser Verheißung mit drin.

Er wird Gottes Recht zu uns bringen. Gottes Recht und seine Gerechtigkeit das ist etwas anderes als wir gemeinhin darunter verstehen und erwarten. Gottes Gerechtigkeit ist mehr als bloße „Korrektheit oder Legalität“1 und es geht um weit mehr als nur um die Beantwortung der Frage, wer Recht hat. Wo Gott Recht und Gerechtigkeit schafft, da entsteht Heil und Gemeinschaft. Gott sieht den ganzen Menschen und es geht ihm darum, dass die Beziehung zwischen Gott und uns Menschen wieder recht wird. Gottes Recht hat zum Ziel, dass wir uns in seine Gemeinschaft, seine Gnade rufen lassen, es geht um das Gemeinschaftsverhältnis zwischen IHM und uns.

Dieser namenlose Knecht wird Gottes Gerechtigkeit zu denen bringen, die darauf warten, zu den Nationen und den entfernten Völkern. Da steckt Gott seinen Heilshorizont sehr weit, weltumspannend, es geht IHM um alle Menschen, nicht nur um sein Volk Israel allein. Natürlich geht es Gott auch um soziale Gerechtigkeit, da sprechen gerade die Propheten eine deutliche Sprache und auch Jesus hat das deutlich zum Ausdruck gebracht. Aber das ist eben nur ein Teil von Gottes Vorstellung von Recht. Und um sein Recht aufzurichten, uns in seine Gemeinschaft zu rufen, sendet Gott seinen auserwählten Knecht. Begeben wir uns auf die zweite Etappe und betrachten, wie dieser Knecht Gottes kommt und wie er Gottes Recht aufrichtet.

2. Die zweite Etappe: Der Knecht und sein Wirken

So untypisch dieser Knecht Gottes in seiner Person, in seinem Erscheinen ist, ebenso untypisch ist seine Arbeitsmethode. Wenn heute jemand etwas durchsetzen will, dann muss er die anderen übertönen, Aufmerksam erwecken gleich wie, möglichst viele Follower und hohe Klickzahlen erreichen, dann muss er die Ellenbogen einsetzen. Ganz anders dieser Knecht: er wird nicht schreien, noch seine Stimme erheben. Er kommt nicht mit großem Getöse und einer perfekten Werbeshow. Er führt seinen Auftrag in der Stille aus, unscheinbar, ganz seinem Wesen entsprechend. Er schreit nicht auf der Straße herum und will die Massen begeistern. Er wirkt vielmehr im Stillen, im Verborgenen. Und darum muss man genau hinsehen und hinhören, um ihn wahrzunehmen. Gott hat es in seiner Geschichte mit uns Menschen noch nie mit dem großen Spektakel gehabt.

Er will denen begegnen, die am Boden liegen, die mit ihren Kräften und Möglichkeiten am Ende sind. Er wendet sich denen zu, die zerbrochen sind, abgeknickt vom Leistungsdruck unserer Gesellschaft, von den Anforderungen des Berufslebens überfahren oder durch ein Lebensschicksal in die Enge getrieben. Er ist zu denen gesandt, die kaum noch einen Funken Hoffnung in sich tragen, für sich selbst oder die zerbrechende Ehe. Er wird das einst glühende Feuer des Glaubens, das heute vielleicht nur noch schwach glimmt, nicht auslöschen.

Dieser Knecht nimmt Rücksicht auf das, was in dieser Welt oft als lebensunwert geachtet wird. Er achtet die immer noch für wert, mit denen niemand mehr etwas anfangen kann, die nach den Maßstäben dieser Welt abgeschoben und ausgemustert gehören. Hier wird gehofft, wo es längst nichts mehr zu hoffen gibt. In dem was der Knecht tut, oder besser gesagt, nicht tut, in seinem Verhalten, drückt sich letztlich Gottes Wesen und seine Einstellung zu dieser Welt und zu uns aus. Es ist Spiegelbild für Gottes Barmherzigkeit und Güte.

Was aber heißt das, wenn er das geknickte nicht noch ganz abknicken und das nur noch glimmende nicht ganz und gar auslöschen wird? Wird er nur zuschauen wie es abgeknickt daliegt oder weiter vor sich hinglimmt? Ich denke mir, wir dürfen hier mit unseren Gedanken noch etwas weiter gehen. Dieser Knecht will uns nicht nur begegnen, ein paar tröstende Worte verlieren, nein, er will all denjenigen wieder Mut geben, die niedergeschlagen sind. Er will das geknickte wieder aufrichten. Er gibt uns ein Ziel und neue Hoffnung als Grundlage, um in dieser Welt unsere Frau und unseren Mann zu stehen und als Christen zu leben und Zeichen von Gottes Zukunft setzen. Er will unser Vertrauen in Gott immer wieder aufs Neue anfachen und stärken.

Obwohl die Methoden in unserer Welt andere sind, die Welt ihr Recht immer lauter einfordert und durchzusetzen versucht, gibt dieser Knecht nicht auf. Er resigniert nicht oder wechselt gar die Methode. Er bleibt seinem Auftrag treu, Er ist derjenige, dessen Eifer nicht erlöschen und der durch nichts gebrochen wird. Er bleibt so lange am Wirken, bis Gott mit dieser Welt und uns zu seinem Ziel gekommen ist, bis sein Recht aufgerichtet ist.

3. Die dritte Etappe – leben mit Blick auf Gottes Zukunft

Wie eingangs erwähnt: wir kommen von Weihnachten und dem was danach kommt. Wir kennen die Evangelien und anderen Berichte des Neuen Testaments und wir kennen die Briefe und die Theologie eines Paulus und vieler Theologen und Theologinnen nach ihm und all deren Deutungsspektrum auf das Neue und das Alte Testament. Und so lesen und hören wir diese Jesaja-Worte nicht mehr neutral und un-voreingenommen, sondern durch die Brille unserer christlichen Sozialisation und deren Auslegungsgeschichte.

Darum komme ich zurück auf die Frage, was das eigentliche an diesen Versen ist, an dem was für uns heute in und durch den Gottesknecht vorgestellt wird. Dieser durch Gott selbst vorgestellte Gottesknecht weist uns in die Zukunft, weit in die Zukunft. Auch wenn sich manches von dem was dem Volk in seiner Situation durch den Propheten vorhergesagt wurde bereits in der Folgezeit erfüllt hatte, so geht es bei dem was uns die Propheten sagen weit weniger darum, uns nur die Zukunft zu verheißen sondern darum uns daran zu erinnern und uns herausfordern, das Bild von Gottes Zukunft jetzt, in der aktuellen Situation, auch der unsrigen, zeichenhaft sichtbar zu machen.

Auch wenn sich aus unserem Blickwinkel vieles vom Gottes-Knecht in Jesus erfüllt hat, so leben wir doch noch auf diese Zukunft, die uns von Gott her verheißen ist, zu. Aber diese Vision von Gottes Reich soll(te) hineinwirken in unser Leben heute und unser Menschsein mit allem was dazu gehört, prägen. In unserem Leben und Glauben sollen wir getragen sein, dass Gottes Wohnung das letztliche Ziel allen menschlichen Bemühens und Sichfreuens ist2. Dieser Blick auf Gottes Zukunft, diese Idee in unseren Herzen sollte uns Mut und Hoffnung machen, in unserem Leben und daraus in dieser Welt Akzente aus dieser Idee von Gottes neuer Welt zu setzen. Quasi heute diese Würze, diesen Geschmack hineinbringen von Gottes neuer Welt, dem neuen Himmel und der neuen Erde, dem neuen Jerusalem.

Schluss

Jesaja sprach diese Worte zum Volk Israel in einer Zeit, da es sich in babylonischer Gefangenschaft befand und keiner rosigen Zukunft entgegensah. Und ich denke mir, als es diese Botschaft hörte, wurden viele Hoffnungen und Erwartungen neu geweckt. Gott kommt wieder zu seinem Volk und will es erneut aus der Knechtschaft herausführen. Sie erwarten diesen Knecht, von dem Jesaja gesprochen hat und erwarten Gottes Handeln.

Durch die Botschaft vom Evangelium wissen wir heute, dass Gottes Knecht in diese Welt gekommen ist. Jesus ist in diese Welt gekommen und hat uns Gottes Gerechtigkeit gebracht. Und er ist auch gekommen, um diejenigen zu erquicken, die mühselig und beladen sind. Die Frage heute Morgen ist nun, was hat das mit uns, mit mir persönlich zu tun? Werden Erwartungen in mir wach, wenn wir diese Botschaft hören? Erwarten wir, dass Jesus in unser Leben tritt, bei uns ganz persönlich oder haben wir sie schon aufgegeben?

Unser Auftrag besteht nicht darin, Gottes Reich zu errichten, das macht er selbst. Unser Auftrag besteht darin, von diesem Reich zu erzählen und uns davon jetzt und heute, in unserem je eigenen Alltag und Leben prägen und in unserem Tun und Reden und Denken leiten zu lassen. Ein neues Jahr liegt vor uns – fassen wir uns ein Herz und machen wir uns auf den Weg – mit festem Blick auf Gottes Idee getragen von seiner Hoffnung.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

1 Das Alte Testament, Hrsg. Dr. H. Egelkraut; Brunnen Verlag Gießen, 19902, S. 460ff
2 VOLF Miroslav; CROASMUN Matthew; Für das Leben der Welt – Ein Manifest zur Erneuerung der Theologie, Aschendorff Verlag, Münster 2019 Seite 6

nach oben Home Predigten eMail Predigt als PDF zum herunterladen