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Predigt über Amos 5, 21-24

am 13.02.1994
Sonntag Estomihi

Ort: Saufen/Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Amos 5, 21-24

(21) Ich hasse, ich verwerfe eure Feste, und eure Festversammlungen kann ich nicht mehr riechen: (22) Denn wenn ihr mir Brandopfer opfert, mißfallen sie mir, und an euren Speisopfern habe ich keinen Gefallen, und das Heilsopfer von eurem Mastvieh will ich nicht ansehen. (23) Halte den Lärm deiner Lieder von mir fern! Und das Spiel deiner Harfen will ich nicht hören. (24) Aber Recht ergieße sich wie Wasser und Gerechtigkeit wie ein immerfließender Bach.

Liebe Schwestern und Brüder!

Was ist denn in den gefahren, werden jetzt vielleicht einige von ihnen denken. Kaum einmal fünf Minuten offiziell als Prädikant eingeführt, legt er aber richtig los. Aber zu ihrer Beruhigung, diese Sätze stammen nicht aus meiner Feder. Sie sind Teil der Botschaft des Propheten Amos, mit der er vor das Volk Israel getreten ist. Und Amos hatte noch mehr solcher Sprüche auf Lager. Hier einige weitere Kostproben: "Ich schicke unter euch die Pest in der Art Ägyptens. Ich habe eure jungen Männer mit dem Schwert erschlagen." (4,10) Oder zu Beginn des fünften Kapitels, quasi als Einleitung: "Hört dieses Wort, das ich über euch als Totenklage anhebe, Haus Israel!" Starker Tobak!

Was war geschehen, daß Gott seinen Propheten mit dieser Botschaft zu seinem Volk sandte? Lag es an den Tieren, die geopfert wurden, waren sie nicht rein genug oder wurden womöglich die falschen Lieder gesungen? Was war die Ursache, daß Gott so zu seinem Volk redete?

Damit wir verstehen können, warum es zu diesen schweren Vorwürfen gekommen ist, möchte ich zunächst einen Blick in die damalige Zeit werfen, sozusagen eine Diagnose stellen. Nur so lassen sich diese Aussagen für uns erschließen. Danach wollen wir einen Blick auf die Lösung werfen die uns Amos, gewissermaßen als Therapie, verheißt.

1. Zunächst also die Diagnose:

Amos, ein Viehzüchter, lebte in der Zeit Königs Jerobeams II. Ort des Geschehens ist die Stadt Bethel, in der zu jener Zeit das Nationalheiligtum stand. Es war eine Zeit, in der Israel seine politischen Grenzen ausdehnte und erstarkte. Mit der politischen Erstarkung kam auch der wirtschaftliche Aufschwung und alles zusammen wurde als Gnadenerweis Gottes gesehen. Man wähnte sich in Gottes Gunst, sah den wirtschaftlichen und politischen Auf- stieg als Segen an. So konnte man es sich durchaus leisten, im religiösen Bereich nicht nur zu kleckern, nein es wurde richtig geklotzt. Das Beste war gerade gut genug. Man wollte schließlich vor Gott, dem man den Aufschwung zu verdanken glaubte, gut dastehen.

Wieder einmal wird ein religiöses Fest gefeiert, die Stimmung ist auf dem Höhepunkt. Da mitten hinein Platz Amos, schreit es den Leuten förmlich ins Gesicht, reißt sie heraus aus ihren religiösen Gefühlen, aus ihren Gesängen. Wie geschockt stehen die Leute da, sie verstehen die Welt nicht mehr. Ist es denn so verkehrt, Gott die Ehre zu geben?

Man hat Amos immer wieder zum Prophet derer gemacht, die die Kirche mit scharfer Kritik über deren Verhalten bedecken und sich von ihr abwenden. Aber das wäre zu kurz gedacht. Amos greift nicht den Gottesdienst und das Heiligtum als solche an, sondern deren Entstellung und Entleerung. Aber die Leute opferten doch mit aufrichtigem Herzen, wollten Gott doch die Ehre geben. Was ist es dann, was Gott dazu bewegt mit seinem Volk so hart ins Gericht zu gehen? Die Entleerung und Entartung die Amos anklagt geschah nicht so sehr im Gottesdienst, sondern vielmehr im Alltag. Dort, im täglichen Umgang miteinander, wurde eine andere Sprache gesprochen als diejenige, bei den Heiligtümern.

In diesen Jahren des wirtschaftlichen Aufschwunges konnte man schnell reich werden, und dies umso eher, wenn man seine Ellenbogen gebrauchen konnte. So kam es, daß nicht alle am Wohlstand teilhaben konnten. Die Armen, die Witwen und Waisen und diejenigen am Rand der Gesellschaft, wurden von dieser Entwicklung ausgeklammert. Ihnen wurde das Recht gebrochen, sie wurden betrogen und ausgebeutet, ja sogar als Sklaven verkauft. Bestechung war an der Tagesordnung und so wurden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Gerechtigkeit, so scheint es, war in jenen Tagen ein Fremdwort.

Das war der Hintergrund, vor dem der Prophet Amos seine Botschaft ausrichtete. Ist das dann nicht doch Wasser auf die Mühlen derer, die den Vorwurf erheben, daß auch die Kirchgänger nicht besser sind als andere und darum die Parole ausgeben: "Lieber sozial und ehrlich als fromm." Könnten mit diesem Grundsatz die Mißstände behoben werden? Hier wollen wir nochmals Amos zu Wort kommen lassen.

2. Die Therapie, die uns Amos verheißt:

Amos hat eine andere Lösung vor Augen: "Aber Recht ergieße sich wie Wasser und Ge- rechtigkeit wie ein immerfließender Bach." Also doch: Tue recht und scheue niemand? Ich denke, nicht ganz, denn ein entscheidendes Wörtchen fehlt in dieser Ankündigung, um dies sagen zu können, das Wörtchen "euer". Nicht "euer" Recht, nicht "eure" Gerechtigkeit soll sich ergießen, sondern die Gerechtigkeit. Hinter dieser Ankündigung verbirgt sich eine Weissagung des Propheten. Denn um diese Mißstände, diese Ungerechtigkeiten, damals wie auch heute zu überwinden, bedarf es einer anderen Gerechtigkeit, eines anderen Rechts als das unsrige. Menschliche Gerechtigkeit strömt nicht, sie tröpfelt höchstens. Und meist endet sie in "ausgleichender Gerechtigkeit", die oft nicht mehr ist, als ein Zeichen der Resignation und Ausweglosigkeit. So war in der vergangenen Woche, nach dem schrecklichen Angriff auf Sarajewo in einem Kommentar, im Blick auf mögliche Bombenangriffe der Nato, zu lesen: "Immerhin aber könnten sie (die Bombenangriffe) eine Ahnung von ausgleichender Gerechtigkeit vermitteln". Die wahre Gerechtigkeit aber, hat eine andere Dimension. Gerechtigkeit im biblischen Sinne ist etwas, das nicht aus Paragraphen und Verordnungen besteht und die es einzuhalten gilt, sondern erwächst aus einer lebendigen Beziehung zu Gott. Diese Gottesbeziehung ist zunächst davon geprägt, daß Gott Israel als sein Volk er- wählt, er es in seine Gerechtigkeit gerufen hat. Der so in die Gerechtigkeit Gottes gerufene Mensch steht in der Pflicht, den Willen Gottes zu tun. Weil Gott sich und seinen Willen dem Volk offenbart hat, stand es in einer besonderen Verantwortung. Aber die Gerechtigkeit Gottes galt nicht nur dem Volk Israel. Die ganze Welt, die gesamte Schöpfung untersteht der Gerechtigkeit Gottes. Doch wie das Volk die Offenbarungen Gottes erlebt hatte, so erlebte es auch immer wieder, wie es versagte. Wozu das führte, zeigen uns die Verhältnisse, mit denen Amos zu tun hatte. Darum treten im Alten Testament immer wieder Propheten auf und mahnen die Gerechtigkeit an, fordern zu gerechtem Handeln auf, gerade gegenüber den Armen und Unterdrückten . Neben diesen mehr auffordernden Reden wurde aber immer ein weiteres unterstrichen: Gott selbst wird es sein, der Gerechtigkeit schafft und Recht übt. Es soll förmlich Gerechtigkeit vom Himmel regnen, soll allen Menschen zuteil werden. In seinem Knecht-Gottes-Lied führt es Jesaja auf die Spitze : "Durch seine Erkenntnis wird der Gerechte, mein Knecht, den Vielen zur Gerechtigkeit verhelfen, und ihre Sünden wird er sich selbst aufladen." Amos und Jesaja konnten nur als Verheißung weitergeben, was für uns Wirklichkeit geworden ist.

Wir stehen am Beginn der Passionszeit. Sie soll uns daran erinnern, daß sich in der Passion Jesu, in seinem Leiden und Sterben, letztlich die Gerechtigkeit Gottes vollzogen hat, von der Jesaja berichtet. Hier hat Gott wahr gemacht, was er seinem Volk immer wieder verheißen hat. Bereits zu Beginn seiner Wirksamkeit greift Jesus dieses Thema auf. "Selig sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, sie sollen satt werden." Hier stellt sich die Frage, wie dieser Hunger nach Gerechtigkeit gestillt wird?

Zunächst sollten wir uns noch einmal ins Gedächtnis rufen, daß wir, als gefallene Men- schen, als Sünder, von uns aus nicht gerecht sind. Die Lebensmacht, die uns bestimmt, ist die Sünde, und die führt zum Tod. Alle Ungerechtigkeit erwächst letztlich daraus, das unser Verhältnis zu Gott nicht in Ordnung ist. Darum müssen wir zuerst wieder "zu-Recht" gebracht werden. Dies können wir aber nicht selbst, sondern wirkt Gott an uns, indem er uns seine Gerechtigkeit schenkt, uns rechtfertigt. In einem Altarbild ist dies so dargestellt: Oben auf dem Bild ist die Hand Gottes zu sehen. Sie führt das Schwert der Gerechtigkeit. Das Schwert schlägt zu. Von Rechts wegen müßte es uns treffen, doch es trifft IHN, Jesus Christus. Paulus hat es einmal so formuliert, daß Christus uns zur Gerechtigkeit gemacht ist . Gottes Gerechtigkeit zeigt sich in seinem Handeln, zum Heil und zur Erlösung von uns Menschen. Hier stehen wir vor einem großen Geheimnis, das sich nur mit der Liebe Gottes erklären läßt. Gottes Gerechtigkeit, und um die geht es, kommt dadurch zum tragen, daß er sich durch unsere Sünde nicht aus dem Konzept bringen läßt. Trotz unserer Auflehnung setzt er sein Heil und seine Herrschaft durch. Heißt das nun, daß wir unsere Hände in den Schoß und die Füße hoch legen und der Dinge harren können, die auf uns zukommen? Sind wir zum Nichtstun befreit?

Die Antwort kann nur heißen: nein. Indem Gott uns gerecht macht, werden wir zu Sklaven der Gerechtigkeit. Das bedeutet doch, daß nicht wir die Gerechtigkeit haben, sondern sie hat uns. Gott bringt uns zurecht damit wir frei sind, um seinem Willen entsprechend zu leben. Mir ist dazu ein Bild eingefallen: Wir sind die Leitungsrohre, durch die Gott die Ströme seiner Gerechtigkeit fließen läßt. Wir sollen Menschen sein, die als Zeugen seiner Gerechtigkeit in dieser Welt leben. Das heißt aber auch, daß wir, wie Amos seine Stimme gegen das herrschende Unrecht erhob, nicht schweigen können. Weil Gott uns mit seiner Gerechtigkeit beschenkt hat, sollten wir danach streben, Gerechtigkeit in unserem Leben und Alltag wahr werden zu lassen.

Und in diesem Bild von den Leitungsrohren wir noch ein weiteres deutlich: Rohre können leck werden oder verstopfen. Auch als Christen sind wir nicht fehler- und sündlos. Immer wieder erleben wir, wie die Sünde hochkommt und uns herunterziehen will. In solchen Si- tuationen brauchen wir uns nicht irre machen zu lassen. Vielmehr kann es uns eine Gewiß- heit sein, daß "wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Er, Gott, treu und gerecht und vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit."

Kehren wir zum Schluß noch einmal zu Amos zurück. Angesichts des Unrechts und der Ungerechtigkeit, die sich ihm bot, konnte er nicht schweigen, hielt er die Botschaft Gottes nicht zurück. Er rüttelte seine Zeitgenossen wach und machte sie auf ihre Lage aufmerksam. Was er ihnen nur als Verheißung mit auf den Weg gab, ist für uns Wirklichkeit geworden. Gott hat seine Gerechtigkeit ausgegoßen in unser Leben. Nun liegt es an uns, was wir daraus machen. Leben wir in der Gemeinschaft mit Gott und geben den Weg frei, damit die Ströme von Gottes Gerechtigkeit in diese Welt fließen können? Dann wird deutlich, daß sich Gottesdienst nicht nur in diesen Mauern abspielt, sondern sich fortsetzt im Dienst an und in dieser Welt. Denn Gottes Liebe hat vollendet, was Amos so ahnungsvoll ans Ende seines Gerichtswortes gestellt hat. Nun könnten sie fließen, die Ströme lebendigen Wassers der Gerechtigkeit, durch uns, Gott zur Ehre und unserem Nächsten zugut.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781 oder 0173/6704938
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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