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Predigt über Daniel 3, 17-18 oder But If Not - Aber selbst wenn nicht

am 31.3.2019
Sonntag Laetare (4. Sonnntag der Passionszeit)

Ort:
Tüllingen, St. Ottilienkirche


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung1

1939, kurz nachdem Deutschland Polen überfallen und damit den zweiten Weltkrieg ausgelöst hatte, begann England Soldaten über den Ärmelkanal zu schicken. Diese sollten Frankreich beim baldigen Kampf gegen Deutschland unterstützen.

Etwa ein Jahr später, im Mai 1940 waren 300.000 britische Soldaten im Norden Frankreichs, in der Hafenstadt Dünkirchen stationiert. Bereits am 10. Mai marschierten deutsche Truppen in Belgien und Holland und kurz darauf in Nordfrankreich ein. Und nur wenige Tage danach fanden sich die britischen Soldaten in Dünkirchen eingekesselt und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie von den deutschen Truppen aufgerieben wurden. In dieser Lage telegrafierte ein britischer Offizier drei Wörter nach London: „But If Not. - Aber selbst wenn nicht.“

Die Empfänger dieser Nachricht, in der damaligen Zeit meist bibelfeste Menschen – in jenen Tagen wohl eher noch eine Selbstverständlichkeit – erkannten sofort worauf jener Offizier anspielte. Es war ein Zitat aus dem alten Testament, genauer aus dem Buch Daniel.

- Text lesen: Daniel 3,17 -

Was war geschehen? Warum diese steile Aussage? Was waren das für Männer? Männer - alt und lebenserfahren? Männer - gestanden mit viel Erfahrung in allen Bereichen des Lebens? Männer? Vermutlich waren es junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 19 Jahren.

Es waren Hananja, Mischael, Asarja, die drei Gefährten Daniels, die mit diesem aus Jerusalem an den Hof Nebukadnezars nach Babylon verschleppt wurden. Sie wurden getrennt von ihren Familien und allen Freunden. Verschleppt nicht um als Sklaven zu dienen, sondern um ihnen die allerbeste Ausbildung zu gewähren um dann im diplomatischen Corps am Hof des Königs Nebukadnezar zu dienen. Sie erhielten alle Privilegien die in der damaligen Zeit möglich waren.

Und die vier machten Karriere, gehörten zur Elite des Landes, genossen hohes Ansehen und konnten vermutlich alle Annehmlichkeiten der damaligen Zeit in Anspruch nehmen und genießen. Sie verweigerten sich nicht grundsätzlich dem was ihnen in der fremden Kultur und Religion begegnete und was am Hof üblich war, ganz im Gegenteil. Aber immer wieder gab es für sie Grenzen, die sie nicht überschritten. So zum Beispiel als König Nebukadnezar ein riesiges Standbild errichten ließ und anordnete, dass sich jeder vor diesem Standbild niederwerfen sollte. Aber hier weigerten sich die Drei. Als sie daraufhin denunziert2 wurden, mussten sie sich vor den König verantworten. Dieser forderte sie erneut auf, sich vor dem Bildnis niederzuwerfen oder sie würden zum Tode im Feuerofen verurteilt. Erstaunlich ist die Haltung der Drei die in ihrer Antwort auf den Befehl des Königs zum Ausdruck kommt: Wir glauben dass uns unser Gott aus dem Feuerofen retten kann. Aber selbst wenn ER es nicht tut, werfen wir uns nicht vor deinem Standbild nieder.

Drei Gedanken:

  • Der Kreis der Würde
  • Der Kreis meiner Würde
  • “But if not - aber selbst wenn nicht” in meiner Gottesbeziehung – oder was wäre wenn
  • 1. But If Not - Aber selbst wenn nicht – Der Kreis der Würde.

    An diese Männer erinnert Rolf Dobelli in einem Kapitel seines Buches „Die Kunst des guten Lebens“. Es ist überschrieben mit „Der Kreis der Würde“ und er knüpft an den Funkspruch jenes britischen Offiziers aus Dünkirchen an. Der Kreis der Würde umfasst für Dobelli die nicht verhandelbaren Dinge seines Lebens – die Dinge, die nicht zu diskutieren sind. Dobelli nennt Themen aus seinem Leben wie: nach außen nie schlecht über den Ehepartner, die Kinder, die Familie reden, selbst wenn es dazu Anlass gäbe. Nichts für Geld tun, das er auch nicht für 1/10 des Betrages machen würde. Nie Bilder seiner Kinder online stellen. Keine nobelpreisverdächtigen Aktionen aber für ihn sehr wichtig und durchführbar.

    Dobelli schreibt, dass der Kreis der Würde eng und überschaubar sein muss. In diesen Kreis gehören nur Überzeugungen bei denen ich sicher bin, dass ich sie auch einhalten kann und werde. Und diese Überzeugungen dürfen zwingend nicht rational begründbar sein. Denn wären sie es, würde sich nie Ruhe einstellen. Es wird immer wieder Argumente geben, die den Inhalt unseres Kreises angreifen und hinterfragen. Denn die Welt und die Gesellschaft lässt nur jene in Ruhe, die konform sind. Der Kreis der Würde ist kein Gefäß das man anderen überstülpen will, deswegen ist er auch nicht dazu da, um zu bewerten sondern um Haltung zu definieren.

    Die Konsequenzen aus dem Kreis der Würde: Ich werde Menschen enttäuschen, auch Menschen die mir wichtig und lieb sind, weil ich Dinge nicht erfüllen möchte, die von mir erwartet werden, weil sie außerhalb meines Kreises der Würde liegen. Und ich werde mich selbst „enttäuschen“, weil ich Dinge aufgeben muss, die mir bisher wichtig waren.

    2. Der Kreis meiner Würde.

    Und was sind die nicht verhandelbaren Dinge in meinem, in ihrem Leben? Was ist für mich, für sie unantastbar? Wo sind meine Grenzen?

    In der Erzählung von Daniel und seinen Freunden ist mir folgendes aufgefallen. Daniel (vgl. Kap. 1, 8ff) plagte die Sorge, sich mit den Speisen die ihm, seinen Freunden und allen in der Eliteausbildung befindlichen jungen Leuten täglich gereicht wurden, zu verunreinigen. Daher weigerte er sich davon zu essen und brachte den Speisemeister in größte Bedrängnis. Hier hören wir nichts von Hananja, Mischael und Asarja. Umgekehrt hören wir nichts von Daniel als es darum ging, der Anordnung des Königs zu trotzen und sich nicht vor der Statue niederzuwerfen. Hier sind es nun die Drei die sich trotz Androhung der Todesstrafe weigern, der Verordnung des Königs nachzukommen.

    Warum erwähne ich das? Scheinbar gibt es keinen für alle Menschen gleich geltenden Kreis der Würde, auch nicht für gottesfürchtige Menschen, auch nicht für Christen. Diesen Kreis der Würde, diesen Kreis meiner Würde muss ich für mich ausloten und definieren. Denn Würde ist etwas persönliches und ist nicht einfach übertrag- oder kopierbar. Natürlich kann ich mich an Normen orientieren, die auch für andere gelten, die sich auch andere zu Nutze machen. Aber meinen Kreis lege ich ganz allein für mich fest.

    Es liegt an mir, diesen Kreis meiner Würde, auch den meiner geistlichen Würde zu definieren. Das ist eine Herausforderung, denn ich muss mich mit vielen auseinandersetzen und zu einer eigenen Meinung/Haltung kommen. Und, an dieser Stelle widerspreche ich Dobelli: Ich muss meine Haltung unter Umständen durchaus auch mal hinterfragen oder hinterfragen lassen – dann wenn ich es will. Bei meiner Wegfindung darf, muss ich mich mit einem anderer Christen austauschen und mich auch mal von ihnen hinterfragen lassen. Wie bereits erwähnt darf dieser Kreis nicht zu groß sein, sonst verzettele ich mich. Mit dem Kreis meiner Würde, vor allem auch meiner geistlichen Würde kann ich (m)einen Weg durch die Wirren unserer Tage finden und gehen. Es muss mein Weg sein und nicht der Weg, den mir andere vorgeben.

    Der Kreis meiner Würde hat seinen Preis. Was ist mir meine Würde Wert? Und was ist mir meine Gottesbeziehung wert? Und was, wenn ich an die Grenzen meiner Würde und meiner Gottesbeziehung komme - der dritte und letzte Gedanke:

    3. „But If Not - aber selbst wenn nicht" in meiner Gottesbeziehung – oder was wäre wenn?

    „Ob unser Gott, dem wir dienen, uns retten kann - sowohl aus dem brennenden Feuerofen als auch aus deiner Hand, König, oder ob nicht: Es sei dir jedenfalls kund, König, dass wir deinen Göttern nicht dienen und uns vor dem goldenen Bild, das du aufgestellt hast, nicht niederwerfen werden.“ (Dan 3,17f).

    Würden wir das auch so sagen? Würden wir uns in unseren Tagen, in einem anderen Kontext aber inhaltlich gleich, auch so eine Aussage treffen und sie uns zu eigen machen? Wann waren sie das letzte mal in der Situation, dass sie aus ihrem Glauben Konsequenzen gezogen und eventuell Nachteile in Kauf genommen haben? Da muss es nicht zwingend um Leib und Leben gegangen sein, da gibt es locker niederschwelligere Gelegenheiten und Anlässe. Ich erspare mir Beispiele, denn ich denke sie haben genügend Phantasie und Lebenserfahrung um sich selbst Beispiele ins Gedächtnis zu rufen.

    Und haben sie auch schon einmal über das „But if not – Aber selbst wenn nicht“ in ihrer Gottesbeziehung nachgedacht? Was wäre wenn Gott doch ganz anders ist als dass wir uns das vorstellen?

    Das rührt an der uralten Frage des „warum“, dem „unde malum“ – woher kommt das Böse, woher kommt das Leid? Und welche Rolle spielt Gott dabei? Warum entwickeln, gestalten sich die Lebensumstände nicht so wie wir uns, wie sie und ich mir, das vorstelle? Und wo hat Gott da seinen Platz? Für was, warum brauche ich Gott? Dass er mein Leben gelingen lässt und mich vor allem Schlimmen und Schlechten bewahrt, dass es mir wohlergeht, ich ein glückliches Leben habe?

    Was würde ich tun, wenn Gott mich nicht aus dem feurigen Ofen retten würde? Würde ich so etwas überhaupt in Erwägung ziehen? Was, wenn sich Gott mir nicht gnädig und helfend zuwenden würde? Was, wenn Gott schweigen würde, ich nichts von ihm höre? Würde ich mich trotzdem verbrennen lassen? Was wäre dann mit Gott, mit meiner Gottesbeziehung? Hätten wir immer noch unsere Freude an ihm und wäre er immer noch unsere Stärke? Wäre er weiterhin unser Gott, mein Gott? Was wird dann aus dem lieben Gott?

    Bin ich, sind wir bereit Gott Gott sein zu lassen? Das ist eine Frage die ich mir immer wieder stelle wenn ich Christen und ihrem Gottesbild begegne. Sind wir bereit IHM zu zugestehen dass ER in seinem Handeln absolut souverän ist, auch dann wenn wir es überhaupt nicht verstehen? Wenn er mit seinem Handeln an den Grundfesten meines Lebens und meines Glaubens rüttelt?

    Diese Fragen sind Zumutungen für uns. Aber wenn ich den Zumutungen die uns das Leben bietet standhalten will, dann muss ich mich diesen Fragen stellen und sie für mich ganz persönlich beantworten. Nur dann bin ich in der Lage eine Haltung zu gewinnen, wie sie Daniel und seine drei Freunde einnehmen konnten.

    Haltung ist keine Frage des Alters – ich erinnere an das Alter Daniels und seiner Freunde der Gesellschaft oder Kultur, sondern eine Frage der Einstellung, der Auseinandersetzung mit Fragen die mir das Leben stellt und einer Entscheidung („Aber Daniel nahm sich in seinem Herzen vor…„ Dan 1,8). Haltung ist eine Herzenssache, Haltung kommt aus unserem Herzen, darum ist es wichtig dass wir auf unser Herz achten (vgl. Predigt am 4.11.2018).

    Schluss

    Ich schließe: Wir können unser Leben und unsere Lebensereignisse immer nur in der Rückschau letztendlich bewerten und einordnen. Die (Viel-)Zahl solcher Ereignisse schafft keine letztgültige Sicherheit, aber sie schaffen ein gutes Fundament für eine tragfähige Gewissheit.

    Aber wir müssen unsere Entscheidungen im hier und jetzt treffen und unser Leben gestalten. Mich hat der Gedanke vom Kreis der Würde wie in Rolf Dobelli in seinem Buch aufzeigt herausgefordert. Denn als Jünger, als Nachfolger Jesu in diesen Tagen und in dieser Gesellschaft halte ich es für wichtig, dass auch ich, dass auch wir über das „But if not – aber selbst wenn nicht“ in meinem Leben nachdenke. Dass ich darüber nachdenke

  • dass es einen Kreis der Würde gibt;
  • wie ich meinen Kreis der Würde definiere und
  • wie ich das „But if Not – aber selbst wenn nicht“ in meiner Gottesbeziehung aushalte und lebe.
  • Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    Nachtrag:
    Kommen wir nochmals zurück auf die eingangs erzählte Geschichte von Dünkirchen. Anfang Juni evakuierten die Engländer ca. 338.000 französische und britische Soldaten in einer chaotischen Aktion von 800 Kriegsschiffen, Fischerbooten, Handelsschiffen, Freizeitbooten und Themsefähren. Ein guter Ausgang für die Eingeschlossenen

    1 Den wesentlichen Teil der Einleitung habe ich gefunden bei: Dobelli, Rolf; Die Kunst des guten Lebens, Piper Verlag München; 2017; S. 165 f
    2 Es lohnt sich einmal nachzulesen, wie diese Denunziation abgelaufen ist.

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