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Predigt über Hiob 14, 1 - 6

am 11.11.2012
Drittletzter Sonntag

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Während meines Studiums musste ich auch Vorlesungen in Geologie hören. Dabei war ein Themenbereich die Erdgeschichte. Es war spannend zu hören, wie sich Geologen die Entstehung der Erde vorstellen und wie sich im Laufe der Milliarden und Millionen von Jahren die Erde zu dem geformt hat, wie wir sie heute kennen.

Prof. Hugo Genser, so hieß unser Professor, konnte uns Studenten dies und andere Themen bild- und lebhaft nahe bringen. Einmal kam er, bei der Zuordnung der Zeiten etwas durcheinander und sagte dann: "Ach, dann geben wir noch ein paar Milliönchen Jahre dazu, auf die kommt es auch nicht an!"

So einfach gehen wir mit unseren Lebensjahren nicht um. Vielmehr sind wir gehetzte und getriebene ... nahezu besessen von dem Gedanken, immer älter, unsterblich zu werden und "dabei will niemand alt sein", wie es einmal die ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, Margot Käsmann formulierte1. Und so packen wir in unser Leben, in unsere Tage hinein was nur geht. Dabei wird kaum noch überdacht, was davon sinnvoll ist. Das Leitmotto lautet: Hier bin ich sowieso. schön ist es anderswo.

Im Gegensatz dazu galt bei den japanischen Samurai: In jedem Atemzug ist das ganze Leben.2 Denn was im Leben wirklich zählt, worauf es letztlich ankommt wird uns meist in Krisensituationen bewusst, dann wenn es um die letzten Dinge unseres Leben geht.

- Text lesen: Hiob 14, 1 - 6 -

In der Begegnung mit diesen Versen und im nachdenken darüber sind mir folgende Gedanken gekommen:

  • Unser Glaube ist angefochten.
  • Unser Glaube ist erfährt Grenzen.
  • Unser Glaube ist gehalten.
  • 1. Unser Glaube ist angefochten.

    "So blicke weg von ihm dass er Ruhe findet ..." (Hio 14, 6) - so enden die Verse der heutigen Perikope. Für mich ein erschütternder Abschluss. Gott soll von ihm wegblicken damit er Ruhe findet, das heißt doch, Gott soll ihn in Ruhe lassen. Hiob empfindet die Zuwendung Gottes als Bedrohung, als etwas beunruhigendes. Kann man so mit Gott reden? Ist das nicht Gotteslästerung?

    Was war geschehen, dass Hiob zu so einer Haltung und Aussage kam? Machen wir einen kurzen Rückblick. Hiob war ein reicher und wohlhabender Mann dem alles in seinem Leben zu gelingen schien. Er war glücklich verheiratet und hatte Kinder. Eine wahre Bilderbuchfamilie die rundum sorglos leben konnte. Und dann, von einem Tag auf den anderen änderte sich das aus heiterem Himmel: seine Kinder wurden umgebracht, all sein Vieh wurde gestohlen oder getötet. Alles was er hatte, was sein Leben ausgemacht hatte, war ihm genommen. Allein sein Glaube, seine Gottesbeziehung war ihm geblieben. Und inmitten seiner abgrundtiefen Trauer zerriss Hiob sein Gewand und dann heißt es: "Er fiel auf die Erde und betete an und sagte:"Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, der Name des Herrn sei gelobt." Und dann endet dieser Bericht mit der Aussage, dass Hiob bei alldem nicht sündigte (Kap 1, 20-22).

    Das wäre doch ein vorbildlicher Abschluss, hätte die Geschichte ihr gütliches Ende gefunden und Hiob wird uns zum großen Glaubensvorbild und ein Anwärter auf einen Heiligentitel. Aber so einfach macht es Hiob uns und sich selbst nicht! Da wird nicht einfach mal schnell das Mäntelchen der Barmherzigkeit ausgebreitet und alles ist mit ein paar frommen Floskeln wieder gut. Hiob stellt sich seiner Situation, vor allem Angesichts seiner drei Freunde. Diese waren gekommen, um ihn zu beklagen und zu trösten. Ihr Trost verkehrt sich irgendwann zu Anklage gegen Hiob (z.B. 22,5). Hiobs Sünde ist Ursache für sein Leid und seine Leiden und das solle er erst mal klären

    In dem Streitgespräch mit den drei Freunden wird Hiob mit und in seinem Glauben auf eine Harte Probe gestellt. Und es bleibt nicht aus, dass ihn selbst immer wieder Zweifel an der Güte und Liebe Gottes durchdringen.

    2. Unser Glaube erfährt Grenzen.

    Wenn ich in einem Dorf oder Stadt bin und dabei an einem Friedhof vorbeikomme, dann nehme ich mir wenn möglich die Zeit, und gehe über diesen. Es ist für mich eindrücklich und bewegend vor Gräbern mir unbekannter Menschen zu stehen, die Inschriften auf den Kreuzen und Grabsteinen zu lesen und zu erahnen, was sich hinter diesen verbirgt, was die Grabsteine und die Gräber alles erzählen. Nahezu alle tragen eine gemeinsame Botschaft in Form eines kleinen Striches. Dieser kurze Strich erzählt das Leben dieser Menschen. Der Strich zwischen Geburts- und Sterbedatum. Hinter diesem verbirgt sich das ganze Leben.

    Im Nachdenken über sein Leben und Lebensschicksal erkennt Hiob diesen Strich und wie kurz dieses Leben ist, gleich einer Blume die aufgeht, blüht und schon bald wieder verwelkt und von dieser Blume nichts bleibt. Es stellt fest, das jedes Leben von Gott seine Grenzen erfährt und fragt sich, was ein Menschenleben in dieser kurzen Zeit hervorbringen kann. Was davon hat Bestand vor Gott? Es ist ein düsteres Resümee welches Hiob zieht, da scheint überhaupt nichts ermutigendes und positives zu bleiben. War hätte Hiob auch beschönigen sollen? Er war so weit, dass er selbst die Gegenwart Gottes als unerträglich empfunden hat.

    Auf der Zeitachse dieser Welt ist unser Leben wahrlich nicht mehr als ein Strich. Wie haben wir eingangs im Psalm gebetet: "...tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist" oder "wie das Gras das am Morgen noch sprosst und des Abends verwelkt." (Ps 90, 4.6). Und wie fragt der Psalmist an anderer Stelle: "Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst und des Menschenkind, dass du dich seiner annimmst?" (Ps 8,5). Vielleicht hat Hiob diese Psalmworte bereits gekannt , denn so ähnlich formuliert er es selbst.

    Und die Konsequenz daraus? Auch hier gibt uns der Psalmbeter eine Antwort: "So lehre uns den zählen unsere Tage (Schlachter: richtig zählen), damit wir ein weises Herz erlangen" oder mit Luther "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." (Ps 90, 12).

    Aber: Ist das Leben noch so kurz, so ist der Mensch in und mit allem in Gottes Hand geborgen. Das schimmert auch in den Worten Hiobs durch wenn er davon spricht, dass unsere Lebenstage von Gott festgesetzt sind. Aber so ist unser Gott: für IHN ist nichts so unbedeutend, als dass er sich nicht darum kümmert und es IHM nicht wichtig wäre. Das erstaunt mich immer wieder aufs Neue.

    Hiob ringt um ehrliche Antworten, mit billigen und einfachen gibt er sich nicht zufrieden. Er weiß, dass Seine Beziehung zu Gott in Ordnung war, er ist ein Gerechter, einer der sich an Gottes Ordnungen orientiert und an diese eingehalten hat. Das entscheidende an diesem Ringen und Suchen ist, dass Hiob seine Antworten bei Gott sucht. Er kommt mit seinen Fragen, mit seiner Klage zu seinem Gott und klagt vor ihm. Und auch darin lässt er sich von einem Psalmwort leiten wenn es heißt, wir sollen unser Herz vor Gott ausschütten (Ps 62,9).

    Wir Christen können uns an Jesus orientieren, haben in ihm jemanden, der unsere Lebenssituationen kennt und der selbst am Kreuz geschrieen hat: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen." (Hebr 2,18 und 4,15).

    3. Unser Glaube ist gehalten.

    Auch wenn mich diese auf den ersten Blick wenige tröstenden Worte irritieren so sind diese doch ehrlich, bringen zum Ausdruck, wie es Hiob ergeht, wie er sich sieht, was er fühlt, auch in seiner Beziehung zu Gott. Und ich frage: Wo steht, dass wir das so nicht sagen dürfen? Im Gegenteil: "Wirf auf den Herrn deine Last und er wird dich erhalten; er wird nimmermehr zulasen dass der Gerechte wankt.", so heißt es in Psalm 553. Genau das macht Hiob. Wir sind, ähnlich wie Hiobs Freunde, versucht unsere Lebenssituationen mit unserer Logik zu erfassen und Antworten zu liefern4. Aber vielleicht will Hiob überhaupt keine logische Erklärungen. Möglicherweise will und braucht er vielmehr Nähe und Vertrauen.

    In nahezu 38 Kapiteln ringt Hiob um eine Antwort, eine Erklärung für seine Situation. Er wehrt sich gegen die Erklärungsmuster seiner Freunde. Irgendetwas in deinem Leben ist nicht in Ordnung, irgendwo steckt eine verborgene Sünde die Gott dazu veranlasst hat, dich zu bestrafen. Für sie war ganz klar: Ursache und Wirkung, Sünde verursacht Leid und Unglück und diese sind eine Strafe Gottes. Nur ein Ungerechter erfährt solches Unglück. Diese Logik hilft Hiob nicht.

    Vielmehr findet Hiob in der Nähe, im (Streit)Gespräch mit Gott die Antworten auf seine Fragen und seine Situation: Gott selbst. "Und als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ..." (Gal 4,4). Gott selbst wird zum Hiob5 für uns alle, macht durch, was wir auch durchmachen und kommt uns in seinem Sohn ganz nahe.6 In dem Kind in der Krippe und im Gefühl der Gottverlassenheit im Martertod am Kreuz von Golgatha.

    Bei Hiob ist es ein Sturm, in dem er Gott erkennt und in dem Gott zu Hiob spricht. Und so wie Gott damals dem Hiob begegnet ist, will er auch uns begegnen, in unserer Nähe sein. Und so wie Pilzsammler wissen wo Pilze am besten zu suchen und zu finden sind, dürfen auch wir wissen, wo Gott zu finden ist: in seinem Wort, im Gottesdienst, den Liedern die wir singen, den Texten die wir hören und in unseren Gebeten und in unserem Schweigen (Rö 8,36). Kürzlich habe ich meine alte Bibel durchgeblättert und da finden sich, wie in vielen Büchern die ich gelesen habe, Anmerkungen und Unterstreichungen. All das sind für mich Begegnungen mit Gott. Gott ist in unserer Nähe, ist mitten unter uns (so das Leitmotto den Drittletzten Sonntag im Kirchenjahr), hält uns und wird das Werk des Glaubens vollenden (Phil 1,6).

    Schluss

    Nicht in den Antworten und Reden der Freunde gewinnt Hiob seine Zuversicht und Vertrauen zurück sondern in der persönlichen Begegnung mit Gott. Gott bleibt nicht verborgen, blieb Hiob seine Antworten nicht schuldig. Was für Hiob mehr noch eine prophetische Schau war, ist für uns zur Tatsache geworden: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt (Kap. 19,25).

    In der Begegnung mit Gott findet Hiob zurück zu seinem Glauben, zu seinem Gottvertrauen, macht sein Leben neu fest an dem, der dieses in seinen Händen hält. Hiob hat erkannt, Gott hat ihn nie losgelassen, in allem war er immer an Gottes Hand.

    Und so lautet das Bekenntnis Hiob am Ende des Buches: "Nun hat mein Auge dich gesehen" (Kap 42,5). Nun weiß er, dass er immer ihn Gottes Hand geborgen und gehalten ist, ganz gleich wie er sich fühlt und was ihm widerfährt. Gebe Gott, dass dies auch unsere Zuversicht ist!

    Amen.

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 vergleich Predigt am 15.11.2009 in Tüllingen über Mt. 25, 31-46;
    2 ebenda;
    3 Psalm 55,23;
    4 Das gilt vor allem für uns Männer, Frauen sind da etwas anders. Siehe hierzu John Gray, Männer sind anders. Frauen auch.;
    5 BECKER Albrecht; in: Zuversicht und Stärke. Oktober-November 2000. 4. Reihe - Heft 6. Seite 83;
    6 beachte die Parallele zu Hiob 14,1; auch hier wieder Hebr 2,18; 4,15;
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