Home
Predigten

Predigt über Jeremia 1, 4-10

am 20.08.2000
9. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Auggen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

In die Reihen gehen und jemanden bitten die Predigt zu halten! Die Reaktion abwarten, wahrscheinlich wird niemand auf die Kanzel steigen. Nach den Beweggründen fragen und diese dann als Aufhänger für die Predigt benutzen.

Ich gebe zu, diese Überrumpelungsaktion war etwas forsch und so etwas habe ich auch zum ersten mal gemacht. Aber nachdem mir gesagt wurde, daß in dieser Gemeinde frisch weg alles gesungen wird und ich bräuchte mir bezüglich der Liedauswahl keine Gedanken machen, hatte ich mir gedacht, dann kannst du so etwas auch wagen.

Wie wäre es gewesen, wenn ich auf jemand anderen zugegangen wäre? Ich vermute einmal, die Reaktionen wären ähnlich gewesen. Und auch in anderen Gemeinden wäre dieses Experiment so abgelaufen.

Der heutige Predigttext erzählt uns eine vergleichbare Geschichte. Da wird auch einer im wahrsten Sinne des Wortes "aus heiterem Himmel" angesprochen und mit einem Verkündigungsauftrag konfrontiert. Wie er reagiert und was dann geschieht, erzählt uns der heutige Predigttext.

- Text lesen: Jeremia 1, 4-10 -

Vieles in dieser Geschichte erinnert uns sicherlich an unsere vorherige Szene. Und hier ist es ja nicht nur ein landeskirchlicher Prädikant, der einen Auftrag zur Verkündigung erteilen will, sondern Gott selbst. Gott hat sich den jungen Jeremia zum Propheten ausgesucht. Er wendet sich ihm zu und erteilt ihm seinen Auftrag, beruft ihn in seinen Dienst. Diese Berufung geschah, für uns vielleicht etwas verwunderlich, zu einem Zeitpunkt, da Jeremia noch gar nicht geboren war. Aber diese Vorstellung ist dem alten wie dem neuen Testament nicht fremd (Hes 1-3; 1. Kön 22,9ff; Jes 6; Lk 1,26-38; Mt 1,18-25; Gal 1,15).

Die Berufung folgt einem Schema, wie wir sie aus anderen Berichten kennen: Beauftragung - Einwand - Abweisung des Einwandes - bestätigendes Zeichen. Da sich dieses "Schema" in vielen Berufungen wiederholt, die Erfahrung vieler (so) berufener widerspiegelt, muß es uns heute morgen um die Frage gehen, was wir in dieser Geschichte über uns und unsere Berufung erfahren können.

Folgendes können wir an diesen Versen aus dem Prophetenbuch festmachen:

1. Wozu bin ich da?

2. Was ist meine Beauftragung?

3. Gottes Zusage gilt gegen viele Erfahrungen!

1. Wozu bin ich da?

Wenn es in unseren Tagen um Berufungen geht, z.B. bei Professoren an Universitäten, dann steht zu allererst die Frage im Raum, was hat die Frau oder der Mann geleistet? Worauf können wir zugreifen und als Beleg nehmen, daß derjenige auch für den Posten geeignet ist? So ein Kandidat muß dann seine fachlichen wie auch pädagogischen Fähigkeiten auf verschiedene Weise unter Beweis stellen. Und wenn dann das Berufungsgremium befunden hat, daß der Bewerber gut genug für die Aufgabe ist, erhält er seinen Ruf.

Wenn Gott jemanden beruft läuft dies ganz anders ab, förmlich in umgekehrter Richtung. Gott beruft Jeremia zu einem Zeitpunkt, da dieser noch gar nicht geboren war, er noch gar nichts leisten konnte. Gemessen an den Aufgaben an die Gott ihn und uns stellt, entbehren wir sowieso jeglicher Qualifikation. Da nützt auch das beste Theologiestudium nichts ("Zugegeben, Charismatiker brauchen kein Theologiestudium ..., für eine effektive und kompetente Gemeindearbeit kann es allerdings sehr hilfreich sein." - Anzeige in AUFATMEN 3/2000). Der Auftrag des Jeremia lautet: "Ich habe dich zum Propheten für die Völker bestimmt!" Unser Auftrag lautet: "Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker ..."1 Erinnern sie sich, wem Jesus diesen Auftrag erstmals gegeben hat? Einer handvoll unscheinbarer und verängstigter Männer - Fischer, Handwerker ohne theologische Ausbildung - die wohl in jenem Augenblick nicht wußten wie ihnen geschah. Vielleicht hatten auch sie damals Einwände wie wir sie heute kennen: ich bin zu jung, ich bin zu alt, mir fehlen die Fähigkeiten, ich habe keine Zeit oder beides. Und alle diese Einwände haben sicherlich auch ihre Berechtigung und sind nicht nur billige Ausreden. Aber für Gott gibt es kein "ich bin zu jung" oder "es ist zu spät".

"Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bildete, ich habe dich erwählt, ehe du geboren wurdest." Das müssen wir uns auf der Zunge zergehen lassen: von Gott geliebt, von Gott gewollt und auserwählt! Das schafft Boden unter den Füßen, gerade dann wenn nichts mehr zu tragen scheint. Ich stimme dem Ausleger zu der von diesen Worten sagt, daß sie zu den großartigsten und tiefsten des Alten Testaments, und ich ergänze, der ganzen Bibel gehören. Wie viele Menschen haben sich an ihnen aufgerichtet, Halt gefunden und neue Perspektiven für ihr Leben gewonnen. Wie viele mögen in ihnen den Sinn des Lebens erkannt und verstanden haben wozu sie da sind!

Jeremia hat seine Berufung erkannt und damit auch wozu er da ist. Er hat die Herausforderung angenommen und sich auf die Zusagen Gottes eingelassen. Und auch jeder von uns hat eine Berufung: Wir sind zum Erbe Christi berufen!2 Noch bevor wir darüber nachdenken, welcher Auftrag damit verbunden ist, wo und wie wir uns einbringen können, sollte uns bewußt sein, daß unsere Berufung zunächst darin besteht, in der Verbundenheit mit unserem Schöpfer zu leben. Das anzunehmen und zu leben was in dem "ich habe dich geschaffen" und "ich bin mit dir" zum Ausdruck kommt. Unsere erste Berufung ist diejenige, Gottes Kinder zu sein und als solche zu leben. Und aus dieser Berufung ergibt sich zwangsläufig eine zweite und die mündet in der Frage, was ist mein Auftrag, wo ist mein Platz an dem mich Gott gebrauchen will?

2. Was ist meine Beauftragung?

An dieser Stelle nun die Frage: "Was ist unsere Berufung?" Vielleicht denken sie, der da oben hat es gut, der weiß um seine Berufung. Aber ich versichere ihnen, daß es Tage gibt, an denen ich mir da auch nicht so sicher bin. Trotzdem verkrieche ich mich dann nicht nur hinter meinen Zweifeln und suche nach Ausreden, sondern versuche immer wieder Gottes reden und sein Bestätigung zu hören. Auf die Gefahr hin sie zu enttäuschen: Gott hat heute morgen nicht seine Hand ausgestreckt und meinen Mund berührt und seine Worte hineingelegt. Dennoch habe ich mich aufgemacht diesen Gottesdienst zu halten und bin auf diese Kanzel gestiegen und predige zu ihnen. Meine Worte und Gedanken! - Meine Worte und Gedanken? Ich glaube und bin überzeugt, daß Gott durch meine Worte hindurch zu ihnen reden kann und reden wird.

Wir verstecken uns meiner Ansicht nach viel zu oft und zu schnell hinter Aussagen wie "das habe ich nicht oder nicht so erfahren und darum habe ich keine Berufung". Wer sagt denn, daß ich das "so" erfahren muß. Entscheidend ist nicht was ich erfahren habe sondern worauf ich vertraue. Und warum sollte Gott nicht genau in diesem Augenblick zu ihnen reden und sie an ihren Auftrag erinnern?

"Gehet hin und machet zu Jüngern!" Dieses an die Jünger gerichtete Wort gilt auch uns, ihnen und mir heute. Die Frage ist nur: wie setze ich diese Berufung um! Muß ich auch auf die Kanzel steigen oder eine Jugendgruppe übernehmen? Die Frage nach dem wie und wo klärt sich dann, wenn ich bereit bin, diese, meine Berufung anzunehmen und darauf zu vertrauen, daß Gott mich dafür ausrüstet und befähigt.

Es kommt nicht darauf an, ob sie alles können und alle Fähigkeiten besitzen. Es kommt darauf an, daß sie erkennen, ich bin angesprochen. In der Geschichte von Jeremias Berufung zum Propheten ergeht auch ein Ruf an uns. Ich komme an dieser Stelle nochmals auf mein Beispiel mit der Professorenberufung zurück. Ein Berufener kann den Ruf den er erhält natürlich auch ablehnen. Das kommt dann vor, wenn ein Bewerber einfach mal seinen "Marktwert" testen wollte. Manchmal dünkt es mich, daß auch wir Christen hin und wieder unserer Marktwert bei Gott testen wollen so etwa nach dem Motto: "Gilt wohl seine Angebot für mich noch?" "Hat er mich noch lieb?" "Stehe ich noch in seiner Gnade?" um dann, wenn die Bestätigung kommt, einen Rückzieher zu machen.

So wie Gott einen Jeremia oder einen Jona, einen Philippus oder Paulus berufen und befähigt hat, so hat er auch sie und mich berufen und will uns befähigen zu einem Dienst in seinem Reich und in dieser Gemeinde. Der Aufgaben und Betätigungsfelder sind viele, aber ich werde sie nicht im stillen Kämmerlein herausfinden. Wenn sie sich nicht sicher sind wozu sie berufen sind, hören sie sich doch einmal um wo in der Gemeinde Mitarbeiter gebraucht werden oder wo sie sich selbst engagieren möchten, weil dies in der Gemeinde noch fehlt!

3. Gottes Zusage gilt gegen viele Erfahrungen oder: Gott führt zu seinem Ziel

Vehement wert sich Jeremia gegen seine Berufung. Aber Gott geht gar nicht auf seine Einwände ein, er ignoriert sie einfach und stell dem Jeremia sein "du sollst" entgegen. Jeremia gehorchte, nahm den Auftrag an - bis zur äußerten Verzweiflung. Seine Klagelieder geben davon ein beredtes Zeugnis! Auch nachdem Jeremia seinen Beauftragung angenommen hatte, kamen ihm immer wieder Zweifel und er wäre am liebsten davongelaufen und hätte seine Berufung "sausen lassen". Aber er ist nicht davongelaufen sondern hat seinen leidvollen Erfahrungen seine Berufung entgegengestellt und sich diese immer wieder vor Augen geführt.

Auf der Höhe der Klage schlagen sie um in Gewißheit und Trost. "Fürchte dich nicht vor ihnen, denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der Herr"3 oder "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden ... und siehe ich bin bei euch bis an der Welt Ende."4 - die Zuverlässigkeit dieser Verheißungen offenbaren sich dem, der sich darauf einläßt, durch alle Wirrnisse und Schwierigkeiten hindurch, und nicht durch kluge Gedanken und theoretische Überlegungen.

Gott beruft uns, Gott rüstet uns aus und Gott geht mit uns. Zur Bestätigung rührte Gott Jeremias Mund an und legte seine Worte hinein. Bei uns ist es das Wasser bei unserer Taufe das uns zum Zeichen für Gottes Gegenwart gegeben ist. Der bekannte Kabarettist und Buchautor Hans Dieter Hüsch berichtet von solchen Erfahrungen der Gegenwart Gottes. "Es gibt Textmomente, da weiß ich ganz genau, das ist nicht von dir, das hast du nicht geschrieben, da hat der liebe Gott nachgeholfen." Viele aufgeklärte Zeitgenoßen halten so etwas für kindisch - sie auch? Hans Dieter Hüsch sagt: "Ich jedenfalls fühle mich nicht allein. Gott läßt mich nicht im Stich, ich habe großes Vertrauen zu ihm, ER wird mich in seine Arme nehmen und dorthin führen, wo ich erwartet werde!"5

Schluß

Für mich steht außer Zweifel daß Gott auch heute, jetzt zu uns, zu ihnen aber auch zu mir redet. Es kommt darauf an, daß wir dieses Reden nicht ablocken sondern unsere Berufung, die uns gegeben ist annehmen und umsetzen. Daß wir dazu jeglicher Qualifikation entbehren steht ausser jedem Zweifel. Aber es kommt nicht auf unsere Qualifikation an sondern auf die Zusagen Gottes und unser Vertrauen zu IHM. Und so möchte ich meine Betrachtung über die Parallelen der Geschichte Jeremias und unserer schließen mit einem Zitat des Essener Jugendpfarrers und Evangelisten Wilhelm Busch: "Wir brauchen keine Berufung, wir brauchen einen Tritt in den Hintern." (Wilhelm Busch, Jugendpfarrer in Essen und Evangelist) Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -
Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781 oder 0173/6704938
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
nach oben Home Predigten eMail Site Meter