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Predigt über Jeremia 29, 1.4 -14

am 21.10.2018
21. Sonntag n. Trinitatis

Ort:
Tüllingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Die Volksparteien im Niedergang – deren Spitzenpersonal agiert wenig rühmlich und büßen dadurch zunehmend an Glaubwürdigkeit ein. Das Vertrauen in ihre Fähigkeit die Probleme und Herausforderungen dieses Landes zu meistern schwindet zunehmend. Da haben es Populisten einfach, die mit ihren simplen Antworten Lösungen versprechen, die sie weder umsetzen noch dafür gerade stehen müssen. Und wie ist es mit Regierungschefs in Europa und anderen Kontinenten, bei deren Entscheidungen man nie sicher sein kann, wie nahe sie dem Irrsinn sind?

Aber nicht nur Politiker stehen in der Kritik, auch Unternehmen die mehr und mehr den Eindruck erwecken, die Kunden und Verbraucher abzuzocken und für begangene Betrügereien nicht zur Verantwortung gezogen werden. Wer hat Konzepte und Ideen den gesellschaftlichen Herausforderungen – Fachkräftemangel, Integration der Menschen, die in unser Land gekommen sind, Digitalisierung, demografischer Wandel mit all seinen Facetten – zu begegnen? Wem trauen wir diese Gestaltungsprozesse in einer immer komplexer werdenden Welt und Gesellschaft zu?

Und wie stehen und stellen wir uns zu diesen Entwicklungen, konkret in unserer Stadt und unserem Land? Hoffen auch wir nur noch, dass es nicht noch schlimmer kommt? Gewiss ist das in unseren Tagen jammern auf hohem Niveau. Und dennoch: Was und wie bringen wir uns ein in diese Entwicklungen? Welche Erwartungen haben wir an die Zukunft – persönlich und für unser Land?

Viele Fragen – und die Antworten?

Vor mehr als 2.500 Jahren stellten sich Menschen ähnliche Fragen, was sie für sich, ihr Volk noch erwarten konnten. Weggeführt in ein fremdes Land, umgeben von einer fremden Kultur und einer fremden Religion dachten sie mit gemischten Gefühlen an ihre Zukunft.

- Text lesen: Jeremia 29, 1.4 - 14

Führen wir uns die Situation aus denen diese Verse entnommen sind nochmals vor Augen. Ein Großteil des Volkes Israel war vom babylonischen König Nebukadnezar nach Babel deportiert worden. Diese Wegführung war Gottes letzte Reaktion auf den im Volk weit verbreiteten Götzendienst. Nun fragten sich die Menschen, wie es mit ihnen weiter gehen wird. Sollten sie sich mit den Ägyptern verbünden und Nebukadnezar stürzen? Sie suchten und rangen um den richtigen Weg und in dieser Lage erreicht sie ein Brief des Propheten Jeremia aus dem fernen Jerusalem. Nicht im eigenen sondern im Namen Gottes schreibt er den Gefangenen.

Aus dem, was Jeremia den Menschen damals schrieb, leite ich für uns drei Gedanken ab:

  • Was wir wissen sollten.
  • Was wir tun müssen.
  • Was wir hoffen können.
  • 1. Das erste, was wir wissen sollen: in allem sind wir in Gott Geborgen.

    Was für eine Idee, Vorstellung von Gott haben wir? Was meinen sie, wie er ist und wie er in ihrem Leben erfahrbar wird und ist? Sind wir nicht alle davon überzeugt, dass Gott ein Gott der Volks- und Raiffeisenbanken ist, einer der den Weg für uns frei macht? Ein Gott, der dafür zuständig ist, die Schwierigkeiten in unserem Leben aus dem Weg zu räumen? Freie Bahn für freie Christenmenschen? Ist ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, dass es auch anders sein könnte? Dass es gerade Gott ist, der uns auf manch steinigen und unwegsamen Weg führt?1 Er uns manches in unserem Leben zumutet und nicht einfach davor bewahrt oder befreit? Erinnern sie sich noch, wie der Brief von Jeremia beginnt: „An alle Weggeführten die ich von Jerusalem nach Babel gefangen weggeführt habe.“ Gott hat sein Volk, seinen Augapfel (Sach 2,12) von einem fremden König und Despoten in ein fremdes Land in die Verbannung führen lassen (V. 4). Und da saßen sie nun, die Israeliten, saß Gottes auserwähltes Volk an den Ufern (des Euphrat) Babylons und trauerten vergangenen, vermeintlich besseren Tagen nach.

    Und dann sind sie da, die wissen wie es geht, diejenigen die darauf bestehen, dass die Situation anders werden muss, weil sie so doch überhaupt nicht von Gott gewollt sein kann. Also, lasst uns Pläne schmieden und darüber nachdenken und die Initiative ergreifen um möglichst schnell aus dieser misslichen Lage herauszukommen. Angetrieben werden sie dabei von einem Propheten namens Hananja.

    Dagegen steht Jeremia und als äußeres Zeichen seiner Botschaft trägt er ein Joch auf seinen Schultern. Und seine Botschaft ist eine andere. Die Israeliten sollen weder an ihrer Lage resignieren noch sich dagegen auflehnen. Damit redet er keinem Fatalismus das Wort. Denn auch, nein gerade in dieser Lebenslage hat Gott euch nicht fallen gelassen: ihr seid auch jetzt in Gottes Hand geborgen, weil ER es war, der euch weggeführt hat, weil er es war, der euch in diese Lage gebracht hat und euch diese zumutet. Und darum sollen sie ihr Leben gestalten, bauen und sich vermehren, denn Gott hat eine Zukunft für sie (V. 11). Das stellt die Israeliten und letztlich auch uns vor eine gewaltige Herausforderung und letztlich vor die Frage, wer ist Gott für mich? Mein Glaube und mein Gottesbild wird hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt.

    2. Das zweite, was wir tun müssen: Das Beste - den Frieden Gottes erbitten.

    Im Auftrag Gottes wendet sich Jeremia an die Weggeführten, die sich mit aller Kraft und allen Mitteln gegen ihre Situation auflehnten, und dabei von falschen Propheten angestachelt wurden (vgl. Kap 28, 10f)2. Niemals würden sie sich in ihr Schicksal einfinden, nie sich mit der Deportation abfinden. Ihr Ziel war ihre baldige Rückkehr und auf diese wollten sie zuarbeiten. Und nun diese Botschaft! Konnte dies Gottes Wille sein? Statt Auflehnung sollten sie für die Stadt beten, das Beste für diese fremde und feindselige Stadt von Gott erbitten.

    Und um ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen wird in der Aufforderung zur Fürbitte nochmals betont, dass dies nicht die Stadt ist, in welche die Menschen freiwillig gekommen sind, die sie sich quasi als Feriendomizil ausgesucht haben. Nein, sie sind hier als Gefangene. Aber: Gefangene in Gottes Hand! Und an diesem Ort sollen sie nun das Wohl dieser Stadt suchen. Und dieses Suchen erfolgt derart, dass sie für diese Stadt das Beste von Gott erbitten sollen. Wenn es in der Bibel ums beten geht dann vielfach derart, für etwas zu bitten, nie gegen etwas! Wir sollen für die Stadt, für die Regierung, für den Nächsten und den Feind bitten, für den Arbeitskollegen und für die Familie. Wir sollen Für-Beter sein, keine Gegenbeter.

    Und diese Fürbitte ist gepaart mit etwas anderem. Die Israeliten sollen sich in dieser Stadt und den Menschen dort einbringen. Sich ihr und ihnen gestaltend und wohlwollend zuwenden3 (vgl. V. 5 und 6). Denn wir können nur für etwas beten, was wir auch kennen. Denn wenn wir beten, dann sollen wir ganz konkret4 beten: für die Kinder an unseren Schulen, Firmen die von der Schließung bedroht sind, für uns Stadt- und Gemeinderäte. Wenn wir konkret beten wollen, dann können wir das nur, wenn wir um die Probleme in unserer Stadt wissen und die Namen unserer Politiker kennen. Das bedeutet, dass wir uns mit dem, was in unserer Stadt und um uns herum vor sich geht, informieren und Interesse daran haben.

    So deckt sich in gewisser Hinsicht unsere Situation heute mit derjenigen der Israeliten in Babel. Nicht das wir in der Verbannung leben müssen, weit weg von unserer angestammten Heimat. Obwohl wir in einem christianisierten Land und Erdteil leben, haben wir hier keine bleibende Stadt (Heb 13,14), sind wir Fremdlinge. Aber Jesus hat uns nicht von der Welt genommen (vgl. Joh 17,15) sondern in die Welt gesandt (Mk 16,15 par). So sind wir gefordert, für unsere Stadt und unser Land zu beten. Auch und insbesondere für diejenigen zu bitten (um Weisheit, inneren und äußeren Frieden etc.), welche die Geschicke dieser Stadt und dieses Landes lenken. Wir brauchen nicht für den Weltfrieden zu beten, es reicht wenn wir treu unsere Stadt und Land im Blick haben und für deren Belange einstehen! Das es ihr und den darin lebenden Menschen gut geht, sie Frieden haben und Frieden erlangen. Frieden im biblischen Sinn bedeutet nicht die Abwesenheit von Krieg, sondern die Anwesenheit Gottes weil wir nach Gott fragen, sein Wort ernst nehmen und uns danach orientieren.

    3. Das Dritte, was wir hoffen können: Gott kommt zu seinem Ziel – mit uns und dieser Welt.

    In unserer Suche nach dem Wohl unserer Stadt steckt immer auch unsere eigene Suche nach Gott, dem Sinn und Ziel unseres Lebens. Und diese Suche trägt die Verheißung Gottes (V. 14), dass er sich auch von uns finden lassen wird. Er will sich nicht vor uns verborgen halten. Nein, Gott will sich von uns finden lassen. Anders als Adam und Eva im Paradies versuchten sich immer besser vor dem suchenden Gott zu verstecken, will er sich uns, ihnen und mir zu erkennen geben und sich uns zuwenden.

    Unsere Suche soll aufrichtig sein, soll von ganzem Herzen erfolgen. Leider ist es oft so, dass wir erst dann mit dieser Aufrichtigkeit suchen, wenn unsere menschlichen und irdischen Möglichkeiten erschöpft sind. Manchmal geschieht dies erst auf dem Sterbebett. Aber wohl dem der auch da sucht, denn ihm gilt die Verheißung Gottes und er darf gewiss sein, dass Gott sich finden lässt (Mt 7,7 par).

    Das ist die Zusage an die Weggeführten damals in Babel, und darauf gründet und daraus nährt sich ihre Hoffnung, dass Gott ihr Schicksal, ihre Lebenssituation und auch ihre Not wenden wird. Er wird sie zurückbringen nach Jerusalem.

    All unser Tun, unser Suchen hat letztlich ein Ziel: Gott. ER ist das Ziel unseres Lebens und auf ihn hin ist letztlich alles ausgerichtet. Damit endet die Botschaft Jeremias an seine Volksgenossen und auch an uns heute. Wir dürfen das Prophetenwort auch für uns ganz persönlich hören.

    Schluss

    Ich schließe und spanne einen Bogen mit dem Eingangs gehörten Wochenspruch: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Rö 12,21).

    Diese Anweisung des Apostels in der Verbindung mit den Aussagen Jesu in der vorhin gehörten Schriftlesung (Mt 5, 38 – 48) bilden die Brücke zu Jeremias Brief. In allen drei Schriftstellen geht es letztlich darum, dass wir uns nicht aus dieser Welt zurückziehen, wir uns von ihr abwenden, sondern dass wir Haltung zeigen, uns Gott zuwenden und uns einbringen. Gott ist in diese Welt gekommen, hat sich nicht von ihr abgewandt. So bedeutet Nachfolge Christi auch, dass wir uns dieser Welt zuwenden und uns mit unseren Mitteln und Möglichkeiten einbringen in dem wir fürbittend unser Leben gestalten. Nehmen wir uns heraus aus einer Zunft der Nörgler und Besserwisser und werden statt dessen zu Für-Betern in der Gewissheit immer in Gottes Hand geborgen zu sein.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen 107621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1Der Weg ist nicht schwierig, das schwierige ist der Weg. Vgl. Mt 7,13 ff – in der Folge wird vor falschen Propheten gewarnt.
    2Dass es sich bei Hananja um einen falschen Propheten handelt wissen wir, erschließt sich uns weil wir die ganzen Zusammenhänge erkennen und auch das Ende wissen. Aber für die Menschen damals war dies nicht so einfach. Im Prinzip stehen auch wir immer wieder vor der Herausforderung zu erkennen, was kommt von Gott und was ist Gottes Wille für uns. Und nicht immer ist es, wie uns an dieser Stelle die Ereignisse zeigen, das Gute was Gott will bzw. was von Gott kommt. Ich denke nicht, dass Gott das Leid der Menschen wollte und will. Aber scheinbar bleibt ihm manchmal nichts anderes übrig, als mit uns Menschen solche Wegen und zu führen. Aber: Auch in und auf diesen Wegen sind wir in Gott geborgen.
    3SACHS Maike; in: Zuversicht und Stärke. Oktober-November 2018. 4. Reihe - Heft 6. Seite 31 findet sich ein Beispiel, wie sich junge Christen in Albanien nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems gesellschaftlich und politische engagiert haben.
    4HIRSCHMÜLLER Martin; in: Zuversicht und Stärke. Oktober-November 2012. 4. Reihe - Heft 6. Seite 50

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