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Predigt über Jeremia 31, 31 - 34

am 20.5.2012
Sonntag Exaudi

Ort:
Staufen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Immer wieder erreichen uns Meldungen über Fortschritte in der medizinischen Forschung und Erfolge in der Behandlung von Krankheiten. Eine der sicherlich spektakulärsten und bedeutsamsten Meldung ging vor fast einem halben Jahrhundert, im Dezember 1967 über die Ticker der Nachrichtenagenturen: Dem 54 jährigen Louis Washkanksy wurde erfolgreich das Herz der bei einem Autounfall tödlich verunglückten 25-jährigen Denis Darvall eingepflanzt. Was für undenkbar gehalten wurde gelang einem 31-köpfigen Transplantationsteam unter der Leitung des südafrikanischen Arztes Christiaan Barnard in Kapstadt: die erste erfolgreiche Herztransplantation.

Das Herz gilt als zentrales Organ des Menschen und daher kommt der Behandlung von Herzkrankheiten eine besondere Bedeutung zu. Und nicht von ungefähr werden Herzerkrankungen von vielen meist als sehr lebensbedrohlich empfunden. Denn wenn das Herz nicht mehr schlägt, ist das Leben zu Ende. Und vielleicht dachte man im Dezember 1967 auch daran, den Tod besiegt zu haben.

Das Herz als lebenswichtiges Organ an dem letztlich erkannt wird ob ein Mensch lebt oder tot ist, das ist das eine. Das andere ist seine Bedeutung und Funktion in der Beziehung zu Gott. Und so wie es im Leben lebenswichtig ist, ein funktionierendes Herz zu haben, so kommt es auch in der Beziehung des Menschen zu Gott darauf an, dass wir auch hier ein funktionierendes Herz haben. Das ist Thema im heutigen Predigttext. Ich lese aus

- Text lesen: Jeremia 31, 31-34 -

Was Jeremia in der Sprache der damaligen Zeit mit "altem und neuem Bund" benennt ist ein Thema, das wohl auch den meisten von uns mehr oder weniger aus eigenen alltäglichen Erfahrungen bekannt ist.1 Es geht um die Spannung zwischen Wollen und Tun. Es geht um die Zerrissenheit des menschlichen Herzens. Wir wollen gute Ehefrauen und Ehemänner sein und doch erleben wir, dass uns im Streit das verletzende Wort über die Lippen kommt. Wir wollen gute Mütter und Väter für unsere Kinder sein und teilen die Erfahrung, dass unsere Nerven oft blank liegen und uns die Geduld ausgegangen ist. Wir wollen gute Kollegen, Mitschüler und Freunde sein und müssen erleben, dass uns Verständnis und Freundlichkeit vielfach fehlen. Wir wollen als gute Christen leben und machen all zu oft die Erfahrung, wie schnell uns Gott aus dem Blick gerät, wie unsere Hoffnung und Glaube manchmal erkalten.2

In drei Gedanken möchte ich diesem Gotteswort, das auch uns durch den Propheten gesagt ist, nachgehen:

  • Die Zerrissenheit des alten Herzens.
  • Der neue Bund und das neue Herz.
  • Durch die Vergebung heute im neuen Bund leben.
  • 1. Die Zerrissenheit des alten Herzens.

    Diese Zerrissenheit erlebt Jeremia in jenen Tagen als vom einstmals zahlreichen Volk Gottes nur noch ein kümmerlicher Rest übrig geblieben war. Das Nordreich Israel war von der Landkarte verschwunden und vom Südreich waren nur noch diejenigen übrig, die nicht in die babylonische Gefangenschaft verschleppt wurden. Jeremia nimmt in dieser Zeit eine immer größer werdende Zerrissenheit zwischen dem Verhalten der Menschen und den überlieferten Geboten wahr. Einst hatte Gott Abraham erwählt, hatte ihn zu einem großen und starken Volk gemacht und sich ihm und seinen Nachkommen immer wieder zu erkennen gegeben. Und schließlich hatte Gott mit dem Volk Israel einen Bund geschlossen, in dem ER seine Treue und seinen Segen versprochen hat. Jeremia zeichnet ein väterliches Bild von Gott - " ... als ich sie bei der Hand fasste und sie aus Ägypten herausführte." (V.32), wie dieser Gott sich immer wieder seines Volkes annimmt, sich ihm liebend zuwendet, ER um sein Volk ringt und an seinem Volk leidet. "Ich habe dich je und je geliebt und habe dich aus lauter Liebe zu mir gezogen." (Jer 31,3). Wir erleben einen Gott, der an diesem Volk und dessen Halsstarrigkeit schier verzweifelt, aber auch einen Gott, der dieses Volk nicht aufgibt! Damit dieser Bund auch gelingen kann, hat Gott seinem Volk Gebote, Weisungen zum Leben, gegeben. Aber die Menschen brechen immer wieder aus, verlassen die Weisungen Gottes, setzen diese nicht um. Vielmehr geben sie sich selbst Maßstäbe oder laufen irgendwelchen Göttern und Götzenbildern nach.

    Jeremia nimmt wahr, wie dieser Bund auf Seiten der Menschen immer brüchiger wird. Egoismus und Machtpolitik werden wichtiger als Gottes Gebote. Er ahnt, dass dies in eine Katastrophe führen wird. Aber was ist in dieser Situation zu tun, Was kann er als Prophet noch machen? Hatte er den Menschen nicht drastisch vor Augen geführt, wohin dessen Verhalten sie führen wird (vgl. Jer 27)? Aber alles mahnen, rufen und drohen hatte nichts genützt. In diese Situation hinein hört Jeremia ein Gotteswort und schreibt es nieder: "Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da schließe ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund."

    In diesen Worten kündigt Gott an, dass ER sich mit dieser Situation nicht weiter abfinden und dass ER sein Volk nicht aufgeben wird! Aber es wird auch deutlich dass für IHN klar geworden ist, dass es auf dem alten Weg, mit dem alten Bund nicht mehr weitergehen kann. Es bedarf eines radikalen, eines an die Wurzeln gehenden Eingriffs. Es nützt nichts, wenn die Gebote auf Steinplatten geschrieben sind, sie müssen in das Innerste des Menschen, sie müssen in sein Herz geschrieben sein.

    2. Der neue Bund und das neue Herz.

    Damit die Menschen den Bund halten bedarf es nicht einer alleinigen Rückbesinnung auf die Gebote und den Hinweis auf Gottes Offenbarungen in der Vergangenheit, es muss ein ganz neuer Bund geschaffen werden. Denn das "Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf" (1Mos 8,21). Damit der Mensch erkennt, was Gott will und dies auch umsetzt braucht es eine neues Herz. Denn das Herz ist nach biblischen Verständnis mehr als nur ein Muskel der das Blut durch den Körper pumpt. Es ist auch nicht wie bei uns angenommen, der Ort an dem die Gefühle beheimatet sind. Das Herz ist der Ort, an dem der Verstand und der Wille sitzt, es ist das Kommunikationsorgan des Menschen mit Gott. Über das Herz spricht Gott mich an, mit dem Herzen "hört" der Mensch Gottes Reden und mit dem Herzen trifft er seine Entscheidungen.

    Und an diesem Organ bedarf es dieser radikalen Änderung die Gott an anderer Stelle so ankündigt: "Und ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Und ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun." (Hes 36,26f).

    Allein auf seine Möglichkeiten, auf seinen Willen gestellt, ist der Mensch, sind wir, überfordert Gottes Gebote zu halten und nach seinem Willen zu leben. Das ist auch die Erfahrung eines Paulus wenn er schreibt "Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht" (Rö 7,18b) und ich denke, dass dies auch unsere Erfahrung ist die wir machen, manchmal sehr zu unserem Leidwesen.

    Gerne hätten wir, dass der Zwiespalt zwischen wollen und vollbringen überwunden ist. Und doch ist es gerade dieses erleben der Zerrissenheit die mir zeigt, dass ich ein neues Herz habe. Ich habe erkannt, dass es in meinem Leben anders laufen sollte als ich es vielfach erlebe. Mit dem neuen Herzen wandelt Gott die Gehorsamspflicht in ein Gehorsamsbedürfnis3. Aber es ist nirgends gesagt, dass mit dem "neu werden, mit dem neuen Herzen" auch eine Fehlerlosigkeit einhergeht. Wir sind neu, das ist gewiss wahr, aber damit sind wir noch lange nicht vollendet (vgl. Phil 3,12; 4,19; Kol 3,10) und schon gar nicht perfekt. In diesem neuen Bund leben wir so, wie Gott es will und wie es unserer ureigentlichen Bestimmung entspricht: Wir fragen nach Gott, beziehen ihn in unser Leben ein.

    Dieser neue Bund wird dem Rest des Volkes Israel durch den Propheten verheißen - in kommenden Tagen. In den Einsetzungsworten zum Abendmahl macht Jesus deutlich, dass in seinem Leiden, Sterben und Auferstehung dieser neue Bund, die neue Gemeinschaft mit Gott begründet wird: "Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird." (Lk 22,19f). Neu ist, dass Gott eine andere Grundlage schafft und neu ist, dass dieser Bund auf alle Menschen ausgedehnt wird, die sich darauf einlassen, die sich hineinrufen lassen. Jeder Mensch kann nun Teil des Gottesvolkes werden.

    3. Durch Vergebung bereits heute im neuen Bund leben.

    Obwohl der neue Bund begründet ist, bleibt diese Spannung, erleben wir nach wie vor diese Zerrissenheit, wie sie Jeremia erlebte und wie sie auch von Paulus erlebt und beschrieben wurde: die Kluft zwischen dem was wir wollen und dem, was wir vollbringen. Die endgültige und vollkommene Erfüllung dieses Bundes liegt auch für uns, die wir in der Zeit nach Christus leben, in der Zukunft. Johannes beschreibt es in einem seiner Briefe einmal so: "Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist." (1Joh 3,2).

    Die Zerrissenheit wird dann überwunden und der neue Bund sichtbar erfüllt sein, wenn auch wir den neuen Himmel und die neue Erde sehen, von der in der Offenbarung berichtet wird. Dass die Zeit nahe ist, ist gewiss, aber wann das genau sein wird, ist offen. Und was bedeutet das für die Zeit bis dahin?

    Der Geigenbauer Martin Schleske hat ein spannendes Buch geschrieben.4 Darin zieht er Parallelen zwischen dem Geigenspiel, dem Werden einer Geige und unserem Leben, auch dem geistlichen Leben eines Menschen und seinem Werden.

    Das Spiel der Geige baut auf Gegensätzen auf, verlangt dem Geiger viel ab, vor allem, dass er sich auf sein Instrument einlässt, eine Beziehung zu diesem aufbaut. Auch mein, unser Leben ist voller Gegensätze. In diesem geht es nicht darum, den goldenen Mittelweg zu finden (den es nach Schleske nicht gibt), sondern die Pole unseres Lebens von Freude und Trauer, Leben und Tod, Reden und Schweigen (vgl. dazu auch Pred 3,1-15) im Blick zu behalten und dadurch die Balance zu halten zwischen diesen Extremen in denen unser Leben stattfindet. Martin Schleske schreibt, dass es beim Bau einer Geige nicht um Perfektionismus geht, sondern um Vollkommenheit und darum, zu erspüren, wie aus dem "Gewordenen", dem Holz, das "Werdende" entstehen kann. Und so ist es auch mit unserem Leben, auch mit unserem geistlichen Leben. Gott als Schöpfer arbeitet mit dem Gegebenen und sieht das Werdende. Gott achtet das Krumme, sieht das Reaktionsholz unseres Lebens und führt uns zu seinem Ziel.

    Wenn wir verstehen und solange wir erleben, das wir noch nicht fertig, wir noch im Werden sind, Gott an uns arbeite, ist es ein untrügliches Zeichen, dass Gott an uns arbeitet, dass das neue Herz in uns schlägt.

    Dieser neue Bund, den Jeremia erwähnt, ist nicht nur Zukunftsmusik sondern ein entscheidender Aspekt davon ist in unserem Leben, ist heute schon für jeden von uns erfahr- und erlebbar: Vergebung!5 Was heißt Vergebung? Ist das "Schwamm drüber" und das "Mäntelchen der Barmherzigkeit" ausbreiten? Nein, Vergebung bedeutet, dass das, was in meinem Leben falsch gelaufen ist, nicht mehr trennend zwischen mir und meinem Gott steht. Die Zerrissenheit und die sie begründende Schuld durch mein Versagen steht nicht mehr unüberwindbar zwischen mir und meinem Gott. Ich werde frei, mich diesem Gott zuzuwenden und hoffnungsvoll auf sein Kraft zu hoffen. Somit ist Vergebung nicht einfach vergessen machen sondern dass Gott mich frei macht und frei spricht. Frei von dem, was mich belastet und bedrängt und frei von dem, was mich gefangen hält. Das heißt auch, dass ich nicht mehr vertuschen muss und verleugnen muss, sondern ich zu meinen Fehlern, zu meiner Schuld stehen kann und darf und ich so frei werde, neue Wege zu beschreiten. Ich darf wissen, Gottes Liebe zu mir hängt nicht mehr an meinen Leistungen und meiner "Unfehlbarkeit", sondern ist unverbrüchlich im Kreuzestod seines Sohnes begründet. Gott liebt uns, sie und mich, so wie wir sind! ER liebt uns mit unserer Fehlerhaftigkeit!

    Schluss

    Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten - zwischen tiefer Zerrissenheit und der Erwartung des kommenden Heiligen Geistes, das ist unsere Situation heute an Exaudi - höre doch! Höre doch du Mensch, der du heute hier in Staufen in den Gottesdienst gekommen bist, höre doch, was dir verheißen und zugesagt ist: in Christus bist du hineingenommen in den neuen Bund Gottes. Ein neues Herz ist uns, ihnen und mir verheißen und gegeben, ein neues Leben als Kind Gottes unter der Führung seines Heiligen Geistes.

    In diesem neuen Bund wirkt Gottes Geist in uns, in unserer Unvollendetheit, in unserer Zerrissenheit: er tröstet, ermutigt, erinnert uns an Gottes Wort, vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.

    Das ist Teilhabe am neuen Bund, am Versöhnungswerk Jesu. Teilhabe an der neuen Gemeinschaft mit Gott und der Auferstehungskraft Jesu, schon jetzt und heute, auch hier in Staufen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 KREPLIN, Dekan Dr. Matthias: Lesepredigt mit Punkt zu diesem Sonntag; "Hinführung und 1. Punkt
    2 KREPLIN, Dekan Dr. Matthias: a.a. Ort S.4
    3 STRECKER, Hermann: in Zuversicht und Stärke 4. Reihe, Heft 3; April/Mai 2006; S.118
    4 SCHLESKE, Martin: Der Klang : Vom unerhörten Sinn des Lebens; München. ²2010; hier insbesondere die Seiten 44; 55-99
    5 KREPLIN, Dekan Dr. Matthias: a.a. Ort S.7
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