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Predigten

Predigt über Jeremia 9,22-23

am 20.02.2000
Sonntag Septuagesimae

Ort: Staufen / Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Septuagesimae, 70 Tage vor Ostern - mit dieser Positionierung hat dieser Sonntag seinen Platz im Kirchenjahr. Mit diesem Sonntag verlassen wir die Epiphaniaszeit und stehen in der Vor-Passionszeit. Unsere Blickrichtung wendet sich weg von Weihnachten und hin zu den Ereignissen von Ostern.

Das Thema für diesen Sonntag: „Lohn und Gnade“. Dieses Thema findet seinen Niederschlag im Wochenspruch, im Evangelium für diesen Sonntag mit der Geschichte von den Arbeitern im Weinberg und in den Versen des Predigttextes aber auch in den Liedtexten, die in diesem Gottesdienst gesungen werden. Während die Schriftlesung den Aspekt des Lohnes im Mittelpunkt hatte, wenden sich die Verse des Predigttextes einem anderen Aspekt zu, der aber auch zu diesem Thema gehört. Die Fragen und die Aussagen die in diesen Versen getroffen werden, sind einerseits wegweisend andererseits fordern sie einmal mehr heraus. Neugierig?

- Text lesen: Jeremia 9,22+23 -

Worauf vertrauen wir als Christen, was ist die Basis unseres Lebens? Das klingt einleuchtend, was der Prophet Jeremia hier ausspricht: Niemand soll sich seiner Weisheit, seiner Stärke und seines Reichtums rühmen. Denn irgendwie hat „sich rühmen“ ja etwas anrüchiges an sich. Da riecht es schnell nach Lobhudelei und Selbstbeweihräucherung, kurz: es ist irgendwie unsympathisch. Grund dafür sind Beispiele von Menschen die uns dazu einfallen. Menschen, die sich viel einbilden auf ihre Weisheit, die uns Angst einjagen wollen weil sie meinen, Macht über uns auszuüben, oder die Selbstzufriedenheit mancher Millionäre die ihre Bankkonten wohlweislich nicht in Deutschland haben.

Im Blick auf diese hat der Prophet schon recht, wenn er ihnen ein klares Wort sagt! Und schön wäre es, wenn es diese auch hören würden. Aber: Heute sind wir hier versammelt, stehen wir unter dem Wort des Propheten und so gilt es zunächst einmal uns! Da gilt es nicht selbstzufrieden auf die anderen zu zeigen und die eigenen Hände in Unschuld zu waschen. Indem wir das Prophetenwort hören, sind wir angesprochen, sind wir herausgefordert, uns den Fragen zu stellen, die der Prophet aufwirft:

1. Die Frage nach der Lebensqualität
2. Die Frage nach der Erkenntnis
3. Die Frage nach den Konsequenzen

1. Die Frage nach der Lebensqualität

Weisheit, Macht, Stärke, Reichtum und Geld - das sind doch die Dinge, nach denen zu allen Zeiten, in den unterschiedlichsten Facetten und wandelnden Gewichtungen von uns gestrebt wird. Weisheit, Stärke Reichtum als Bilder für alles was uns erstrebenswert erscheint, was uns mit Befriedigung erfüllt, wofür wir uns auch gerne etwas bewundern lassen. Was das dann im einzelnen ist, kann jeder mit sich selber ausmachen. Ich sage dies ganz bewußt so, denn da bin ich mir sicher: ausnehmen kann sich von uns da keiner!

Aber das ist ja nicht automatisch schlecht oder gar gegen Gott gerichtet! Gerade das Alte Testament geht mit solchen irdischen Gütern und Gesinnungen recht unbefangen um und bezeugt uns immer wieder, daß Reichtum und Erfolg auch als Ausdruck von Gottes Zuwendung, als Ausdruck göttlichen Segens gewertet wurden! An manchen Stellen werden sie sogar erbeten und verheißen (z.B. 1. Mos 24,35). Das Problem sind also nicht diese Dinge an und für sich, sondern die Versuchung die darin steckt, wenn sie zur reinen Selbstbeschäftigung werden. Wenn ich Lebensqualität allein daran festmache, ob sich diese Dinge in meinem Leben eingestellt haben. Dann, wenn ich „Wohlergehen“ „mit „Glücklich sein“ (im Sinne von Mt 5,1-11) verwechsle. Hier sind wir genau an der Stelle wo der Prophet mit seiner Botschaft ansetzt. Mit seinen Worten will er uns davor bewahren die Gabe über den Geber zu stellen. Jeremia will unseren Blick wieder auf den „Geber aller guten Gabe“ (Jak 1,17) richten.

Ich bin durchaus der Meinung, daß diese „irdischen“ Dinge wichtig sind, daß sie zu unserem Leben dazugehören und auch zu unserem Wohlbefinden beitragen. Und so geht es hier nicht darum, sie in Mißkredit zu stellen oder sie abzuwerten. Es geht darum, sie in die richtigen Relationen zu setzen. Und hier sind wir wieder bei unserer Ausgangsfrage:

Worauf baut sich unsere, ihre und meine Lebensqualität auf? Oder anders formuliert: Woher beziehe ich meine Lebensqualität? Der Prophet möchte hierzu Hilfestellung anbieten, möchte uns Wegweisung geben. Leute, höre ich ihn sagen, Lebensqualität erschöpft sich nicht nur darin, etwas zu besitzen, Anerkennung zu bekommen, Macht und Stärke zu haben. Lebensqualität nährt sich auch - nein, nährt sich letztlich aus unserer Gottesbeziehung, nährt sich aus dem, daß wir von Gott beschenkte sind, beschenkt mit „irdischen“ aber auch und vor allem mit himmlischen, geistlichen Gütern.

Ich denke mir, wenn uns dies klar wird, oder besser gesagt, immer wieder bewußt wird, denn daran werden wir wohl ein Leben lang zu arbeiten haben, dann werden wir nicht umhin kommen, uns mit der zweiten Frage zu beschäftigen:

2. Die Frage nach der Gottes-Erkenntnis

Was aber heißt: Gott erkennen? Heißt das, die Bibel gelesen zu haben oder darin zu lesen und um die Geschichten zu wissen, die darin von Gott erzählt werden? Kenne ich Gott dann, wenn ich möglichst viele Bibelstellen zitieren kann oder schlaue theologische Bücher gelesen habe? Hab ich Gott dann erkannt, wenn ich regelmäßig in den Gottesdienst oder einen Hauskreis gehe? Was also hat es auf sich mit der Gottes -Erkenntnis, mit Gott erkennen?

Zunächst vermuten wir, daß es um eine verstandesmäßige Auseinandersetzung mit Gott oder religiösen Fragen geht. Aber weit gefehlt! Kennen, erkennen bedeutet weit mehr als reines verstandesmäßiges und intellektuelles verstehen. Kennen meint ein enges, persönliches Verhältnis zu haben. Auf den ersten Seiten der Bibel, kurz nach der Ereignissen im Garten Eden finden wir den entscheidenden Hinweis oder die Erklärung, was mit erkennen gemeint ist. „Und Adam erkannte seine Frau und diese wurde schwanger“. Genau dasselbe Wort gebraucht Jeremia in unseren Versen.

Was bedeutet das für uns? Wenn wir Gott erkennen wollen, dann reicht es nicht, die Bibel zu lesen und den Gottesdienst besuchen. Wenn wir Gott erkennen und zu Leuten werden wollen die IHN kennen, dann müssen wir uns auf IHN einlassen, dann müssen wir in Beziehung zu ihm treten, dann müssen wir uns von IHM finden lassen (1.Chr 28,9 (Verheißung an Salomo); Jer 19,13; Mt 7,7). Das ist das Thema, das die ganze Bibel durchzieht. Gott wirbt um uns, um sie und mich. So wie er Adam im Paradies suchte (1. Mos 3,10) sucht Gott den Menschen immer wieder, sucht er sie und mich. Gott will erkannt werden, das kommt immer wieder deutlich zum Ausdruck und er schafft auch die Möglichkeiten, daß wir ihn erkennen können. Nicht in theoretischen Unterweisungen, nicht in abstrakten Überlegungen sondern in seinem Handeln in und an dieser Welt. Dieses Verlangen, sich uns zu erkennen zu geben geht sogar so weit, daß Gott auf diese Welt kommt. In seinem Sohn, in Jesus offenbart sich Gott, gibt ER sich uns zu erkennen (Joh 14,7). Wenn wir Jesus erkennen, uns klar wird, wer ER für uns, für sie und mich persönlich ist, erkennen wir Gott!

Und dieses erkennen hat Auswirkungen, geht dann nicht spurlos an mit vorüber. Lassen sie mich ein Bild wählen, das uns sicherlich allen vertraut ist. Ich habe gesagt, daß mit Erkenntnis eine enge, persönliche, ja intime Beziehung gemeint ist. Eine Beziehung wie wir sie aus der Ehe her kennen. Wenn zwei Menschen sich aufeinander einlassen, dann hat das selbstverständlich Konsequenzen für ihr Leben, für ihren Alltag. Das Leben orientiert sich an den Bedürfnissen und Vorstellungen des Partners, der Partnerin. Bisher gewohnte Verhaltensweisen, Lebensgewohnheiten erhalten eine neue Gewichtung oder werden ganz aufgegeben.

Vielleicht frägt sich der eine oder die andere jetzt, wie das denn geht, mit Gott Kontakt, Gemeinschaft zu haben? Ich hatte vorhin etwas kritisch die Frage aufgeworfen, ob wir Gott wohl erkannt haben, wenn wir die Bibel lesen oder in den Gottesdienst gehen. Daß wir dabei Gott erkennen können, mit IHM in Beziehung treten können ist richtig. Indem wir uns mit Gottes Wort beschäftigen, hier im Gottesdienst, in der persönlichen Bibellese oder im Gespräch mit anderen Christen treten wir in Beziehung zu Gott. Aber auch im persönlichen Gespräch im Gebet, im Lob, in der Bitte und auch in der Klage. Das entscheidende dabei ist aber, daß wir dies nicht allein auf einer rein verstandesmäßigen Ebene tun. Wir müssen Gott hineinlassen in unser Leben. Wir müssen ihm nicht nur unseren Kopf öffnen, sondern auch unser Herz und unsere Gefühle.

Wenn wir dazu bereit sind und erste Schritte tun, dann verändert sich etwas, dann kommt Bewegung in unser Leben, fast von alleine. Da brauchen wir uns nicht verkrampfen und lang nach Gottes Willen fragen. Sich auf Gott einlassen, ihn zu erkennen hat Auswirkungen auf, in unserem Leben, es findet eine Veränderung statt - beim einen schneller und radikaler, beim anderen langsamer und weniger Radikal! Aber Veränderung findet statt!!

Veränderung läßt sich meiner Ansicht vor allem daran festmachen, daß sich die Fragestellungen in unserem Leben verändern. Wir fragen zunehmend danach, was denn Gottes Vorstellungen sind, welche Maßstäbe für IHN wichtig sind. Hier bin ich nun bei meiner dritten und letzten Frage die sich aus diesen Versen ergeben.

3. Die Frage nach den Maßstäben

Wenn wir sagen, Gott erkannt zu haben stellt sich fast zwangsläufig die Frage, ob wir uns dem verschließen können, woran Gott gefallen hat oder ob dies dann nicht auch Einzug in unser Leben, in unsere Lebensvollzüge, in unseren Alltag halten muß (vgl. Micha 6,8; 5.Mos 10,12; Spr 21,3). Wenn wir diese Verse betrachten, so gibt Gott unzweifelhaft Leitlinien vor, setzt Gott darin Maßstäbe, an Hand derer sich Veränderung vollziehen kann, vollziehen wird. Gnade, Recht und Gerechtigkeit - lassen sie mich darauf abschließend noch kurz eingehen.

Gnade, in anderen Übersetzungen wird hier der Begriff „Barmherzigkeit“ wiedergegeben. Gnade ist das, was uns unverdient, ohne Anspruch darauf zu haben, zukommt. Und wie wohltuend und belebend so etwas ist erfahren wir in unserem Alltag: die Freundlichkeit des Arztes die uns Mut macht und die nicht auf der Rechnung erscheint, die von einem anderen Kunden offen gehaltene Tür in einem Geschäft oder die Freundlichkeit der Verkäuferin oder des Schalterbeamten die nichts kostet - unverdient und unerwartet eben. So ist Gott und so handelt Gott an uns.

Wenn Gott Recht übt auf Erden, dann macht er uns recht, bringt uns zu-Recht. Gott stellt wieder her was zerbrochen ist. Gott richtet auf. Gott löscht den glimmenden Docht nicht gar aus oder zerbricht das geknickte Rohr noch vollends. Was würde werden, wenn auch bei uns, in unserem ganz persönlichen Umfeld der Kreislauf von wie du mir so ich dir durchbrochen werden würde? Was wäre, wenn es auch bei uns nicht ums Recht haben und Recht bekommen ginge sondern ums zu-Recht-bringen?

Gerechtigkeit: wird sollten ausbrechen aus dem unsere Stärke durchzusetzen, unsere Einflußmöglichkeiten durchzusetzen. Lernen hinzuhören auf die Nöte und Sorgen der anderen und sie nicht festnageln auf ihre Versäumnisse sondern auch ihre Bedürftigkeit und Schwäche wahrnehmen, ihnen gerecht werden so wie Gott uns selbst gerecht wurde.

Schluß

Unser Leben vollzieht sich im Spannungsfeld von Lohn und Gnade, zwischen den Maßstäben und Leitlinien dieser Welt und dem, was Gott gefällt. Wir werden diese Spannung nicht lösen können. Aber wir können uns aufmachen, die Fragen die Jeremia aufwirft für uns zu beantworten, Jesus in unser Leben hineinlassen und die Veränderungen Gottes in unserem Leben erfahren. Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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