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Predigt über Jesaja 12, 1-6

am 13.05.2001
Kantate

Ort: Staufen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

"Lob Gott getrost mit Singen" - da haben wir gerade so frisch heraus gesungen. Aber können wir das auch in und mit unserem Leben unterstreichen?

Wir alle kennen Lebenssituationen in denen es uns sicherlich leicht fällt, in ein solches Lob Gottes einzustimmen, so wie wir es auch in diesem Gottesdienst tun. Wenn dann dazu noch das Wetter stimmt, dann steht dem Lob Gottes nichts mehr im Wege. Und es ist, wie ich finde, immer auch ein besonderes Erlebnis, sich durch die Melodien und auch Texte der Lieder mitnehmen zu lassen in das Lob Gottes.

Singt dem Herrn ein neues Lied - dazu werden wir im Wochenspruch aufgefordert. Was aber ist ein neues Lied? Sind das unsere Lebenslieder oder die Loblieder die wir heute morgen gesungen haben? Ist das neue Lied das Lied der jungen Menschen? Sind das die Lieder aus dem neuen Gesangbuch im Gegensatz zu jenen aus dem alten? Was muß neu sein an einem Lied, damit es dem entspricht was der Psalmist mit neuem Lied meint - die Melodie, der Text? Ich denke im Kern ist es weder das eine noch das andere. Natürlich können eingängigere Melodien dazu beitragen, daß uns das singen leichter fällt. Aber das alleine ist gewiß nicht gemeint, wenn hier davon die Rede ist, ein neues Lied zu singen.

Das, was der Psalmbeter hier anspricht geht tiefer: ihm geht es darum, mit einer neuen Einstellung, mit einem neuen oder auch erneuertem Bewußtsein Gott Lieder zu singen. Es geht darum, mit unserem Gott ganz neu in Beziehung zu treten und aus dieser Erneuerung heraus zu singen. -> 2. Kor 4,16

Nun gibt es gewiß Situationen und Stationen in unserem Leben, in denen uns diese Erneuerung und das Einstimmen in Lied, auch ein neues Lied, leicht fällt. Vielleicht an einem Tag so wie heute, wenn die Sonne scheint und wir leicht geneigt sind, in das Vogelgezwitscher einzustimmen. Was aber, wenn die Rahmenbedingungen nicht so günstig sind, uns einfach nicht danach ist, in dieses Lob einzustimmen? Was wenn uns das Lob schier im Halse stecken bleibt? Dann wenn uns eher nach Trauer- oder Klagegeschrei zu Mute ist?

Der Predigtabschnitt für diesen heutigen Sonntag will uns

- Text lesen: Jes 12, 1 - 6 -

Was wir gehört haben ist ein Lied, das hier vom Propheten angestimmt wird. Das besondere, es ist ein Danklied derer, die gerettet werden. Das Volk Israel, besser gesagt der Teil der einmal vom ihm übrig bleiben wird, soll Gott loben und ihm für die Errettung danken.

Eigentlich eine groteske Sache, denn zum Zeitpunkt, als der Prophet dieses Lied anstimmt und als Vorlage gibt, sind die Umstände alles andere als daß sie zum Lob einladen. Dieses Lied spricht von Hoffnung und spricht davon, das vertrauen zu diesem Gott nicht aufzugeben, selbst dann nicht, wenn dieser Gott die "Ursache" für Leid u.a. ist, dann, wenn sich Gott gegen mich gewandt hat.

Dieses Lied hat mir Blick den Blick in eine dreifache Richtung geöffnet:

  • einen in die Vergangenheit,
  • einen in die Gegenwart
  • und einen in die Zukunft.
  • 1. Ein Blick in die Geschichte (Vergangenheit)

    Um zu verstehen, was in diesen Versen ausgesagt wird und diese dann möglicherweise auf uns zu übertragen, ist ein Blick in die Vergangenheit unerläßlich.

    Das Volk Israel befand sich zum Zeitpunkt, als diese Verse, diese Aufforderung an das Volk erging in einer wenig erfreulichen Lage: es war von den Babyloniern ins Exil weggeführt worden. Sie mußten nun ein dasein fern von der Heimat führen. Aber das war vielleicht noch nicht einmal so das schlimmste. Viel schlimmer und bedrückender wiegte, daß keine Hoffnung bestand, jemals wieder in das "heilige", von Gott zugewiesene Land zurückkehren zu können.

    Das Volk und sein Prophet befinden sich in einer Gerichtssituation, erfahren den Zorn Gottes deutlich und schmerzlich. Es macht die Erfahrung, wie Gott sein Angesicht in seinem Zorn einen Augenblick verbirgt (Jes 54, 8) und es zu einem Spielball der Mächte dieser Welt wird. In dieser Situation zeigt der Prophet, daß nicht die Flucht vor Gott, nicht das Abwenden von Gott das angemessene ist, sondern die Bindung an ihn. Auch dann, wenn wir diesen Gott nicht verstehen, ER uns unheimlich und rätselhaft ist.

    Dennoch ist Gott mein, unser Heil und unser Zufluchtsort. Auch im Leid, auch im Leid und in schwierigen Lebenssituationen an diesem Gott festzuhalten, dazu fordert der Prophet seine Leidensgenossen auf. Eine Tatsache, die wir an vielen Stellen entdecken können, gerade in den Psalmen. Denn, so sagt der Prophet, mitten im Leid ist Gott! Da ist er auch zu finden, nicht nur dann, wenn wir guter Dinge sind. Das soll das Volk und letztlich auch uns ermutigen, auch dann an Gott festzuhalten, ihn nicht aufzugeben sondern immer wieder die Beziehung und die Gemeinschaft mit ihm zu suchen.

    Was uns nur schwer vorstellbar ist und wir kaum wagen zu denken, wird hier offen ausgesprochen: Gott ist es der einerseits zornig ist, und Gott ist es, der andererseits tröstet und neues Heil schafft. Damit unterstreicht Jesaja, daß Gott kein starres Prinzip ist. Die Geschichte Gottes mit diesem Volkes und mit der gesamten Menschheit ist eine lebendige. Gott agiert und Gott reagiert. Gott kann zürnen und er kann strafen, aber ER ist es auch, der in seiner Barmherzigkeit und Gnade mit denselben Menschen neu beginnt.

    Jesaja kann so von seinem Gott sprechen, weil er weiß, daß Gottes Zorn nicht das letzte ist. Trotzdem ist diese Aussage sicherlich nicht einfach nachzuvollziehen und spannungsreich. Für uns als Christen löst sich diese Spannung in Jesus. An ihm sehen wir das ganze Ausmaß von Gottes Zorn und Gericht. Gott hat seinen Sohn nicht verschont sondern die Strafe, die uns treffen würde, auf IHN gelegt. Deshalb gilt uns Gottes ganzes Heil.

    2. Ein Blick in die Gegenwart

    Auch wenn wir nicht weggeführt aus unserer Heimat weit weg an Ufern fremder Flüsse sitzen, getrennt von den Menschen, die uns lieb und wichtig sind, so kennen doch auch wir Erfahrungen, die es uns schwer machen, ein Lied anzustimmen. Selbst wenn wir nicht direkt, persönlich Leid erfahren, so kann es die Nachricht vom Leid anderer Menschen sein, die uns unseren Gott fremd und rätselhaft erscheinen lassen. Und oft endet dies darin, daß wir dafür halten, Gott hat die Sache nicht mehr im Griff, das ganze ist ihm aus dem Ruder gelaufen. Sowohl ein persönliches Leben, als auch die Geschehnisse in dieser Welt.

    Und so machen wir uns auf und wollen einmal mehr so sein wie er. Wollen die Sache selbst in die Hand nehmen, Gott spielen und ein leidfreie Welt schaffen. Wenn Gott nicht dazu in der Lage ist, wenden wir uns von Gott ab, lassen ihn einen "guten alten Mann" sein und nehmen es eben in die Hand und versuchen es.

    Die Diskussionen der letzten Wochen und Monate um die Gentechnik sind für mich Zeichen in diese Richtung. Da wird uns doch suggeriert, weil nun das menschliche Genom entschlüsselt ist sind wir in der Lage, all das Übel und all das Leid auszuräumen. Glauben sie das wirklich? Hier werden doch durch Utopien Hoffnungen geschürt die sich nie verwirklichen lassen und daher nur um so mehr Leid hervorrufen.

    Wir wollen, daß uns das Leid erst gar nicht erreicht, wir von allem Übel verschont bleiben. Diesen Wunsch halte ich zunächst einmal für normal und legitim, sonst wären wir ja Masochisten. Die Grenzen sind für mich jedoch dann erreicht, wenn wir dies um jeden Preis erreichen wollen und daß Leid völlig ausgeklammert wird.

    Am vergangenen Mittwoch war Begegnungsabend und als Thema war gewählt: "Leid und unser Umgang damit." Zwei Aussagen aus diesem Abend haben mich bemerkenswert und möchte ich ihnen daher an dieser Stelle weitergeben: Leid als Chance verstehen, zu einer neuen Gotteserfahrung zu kommen, so wie dies bei Hiob geschehen ist -> "... aber nun hat mein Auge dich gesehn!." Das zweite bezieht sich auf Daniel in der Löwengrube. Da hat ein Teilnehmer des Abends gesagt, daß ihm in einer schwierigen Lebensphase klar wurde, daß es nicht darum ging, vor "der Löwengrube" bewahrt zu werden, sondern so wie Daniel "in der Löwengrube". Wir neigen schnell dazu in eine Verdrängungmechanismus zu verfallen mit dem Ziel, vor allem möglich bewahrt und verschont zu werden. Daß uns Gott aber auch "in der Löwengrube" bewahren kann, kommt uns selten in den Sinn.

    Die gerade bei der Debatte um die Gentechnik sollte nicht vergessen werden, daß wir gefallene Kreaturen und uns Grenzen gesetzt sind - auch den "Halbgöttern in Weiß". Wenn ich mich kritisch zur Gentechnik äußere, dann heißt dies nicht, dem Leid tatenlos zuzusehen; daß hat auch Jesus nicht getan. ER hat Menschen geheilt, sie gesund gemacht sogar Tote auferweckt. Aber dies alles im Wissen um eine gefallen Schöpfung in der es vollkommenes Heil nicht geben wird und kann, aber auch um das Wissen einer neuen Welt, eine neuen Himmels und einer neuen Erde. Dann wird es sein, daß kein Schmerz und keine Geschrei und kein Leid mehr sein wird - erst dann! (Off 21,4)

    3. Ein Blick in die Zukunft

    Der Prophet nimmt in der Gegenwart, in einer Situation der Bedrängnis und des Leids einen Standpunkt in der Zukunft ein und betrachtet von da aus, quasi rückblickend die Gegenwart. Dadurch ändert sich nicht die gegenwärtige Situation, ändert sich nicht das Leid, in dem das Volk Israel leben mußte. Aber, und das halte ich für das entscheidende, es ändert sich der Blick für die Gegenwart.

    Indem der Prophet Gottes zukünftiges Heil in den Mittelpunkt stellt, den Blick darauf richtet, fällt ein anderes Licht auf die gegenwärtige Situation. Dabei kommt es darauf an, wie wir die Dinge gewichten und welchen Stellenwert Gottes Zukunft für uns hat. Ist es für uns (noch) wichtig, daß Gott sein Reich gründen und aufrichten wird und daß er uns, sie und mich dabei haben will? Was wiegt für uns gewichtiger - diese oder Gottes neue Welt?

    Natürlich leben wir im jetzt und im heute und es ist nicht unerheblich, was wir dabei erfahren und wie es uns geht. Auch ich möchte, daß es mir und meiner Familie gutgeht, daß wir von Leid und schmerzlichen Erfahrungen verschont bleiben. Aber genauso weiß ich auch, daß dies eine Utopie ist! Es wird auf dieser Erde keine leidfreie Zone geben und deswegen kommt es entscheidend darauf an, wie wir mit dem Leid, das uns, jeden von uns persönlich widerfährt, umgehen, wie wir es betrachten und welchen Stellenwert es für uns hat. Sehen wir nur das negative oder können wir darin auch eine Chance und möglicherweise einen Neuanfang erkennen, wenn wir es im Zusammenhang mit Gottes Zukunft bewerten?

    Schluß

    Jesaja 12 - ein besonderes Lied. Vom Ziel her, von Gottes Zukunft her fällt Licht auf unser Leben und vom Ziel her können wir das Lob anstimmen zu dem uns der Psalmist ermuntert. Auch wenn wir Gott oft nicht verstehen, er uns rätselhaft bleibt.

    Dieses Lob soll laut werden. Nicht nur in der Kirche und in unseren Gottesdiensten, sondern vor allen Menschen und Völkern. Gott ist mein Heil, in Jesus Christus, diese Botschaft soll laut werden in Wort und Lied. Darum: Singt dem Herrn ein neues Lied, den ER tut Wunder.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Belchenring 20
    D-79219 Staufen
    07633/500781
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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