Predigt über Jesaja 35, 1-10
am 10.12.2006 2. Advent |
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Ort: Brenz und Bergenweiler |
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des
Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!
Einleitung
Advent, Zeit der Schokoladennikoläuse und anderer vorweihnachtlicher Leckereien – das
war einmal! Seit Jahren schon beginnt der „weltliche Advent“ bereits viele Wochen vor
dem kirchlichen ersten Advent, füllen sich dann schon die Regale mit all diesen Dingen.
Wir hetzen von Besinnung zu Besinnung und fragen uns, was ist geblieben von der einstigen erwartungsvollen Stimmung? Was ist geblieben vom Advent und seiner eigentlichen
Bedeutung?
Die liturgischen Farben weisen uns noch die Spur: Die Farbe violett macht deutlich, es
handelt sich um eine Buß- und Fastenzeit, eine Zeit der Vorbereitung, Neuausrichtung und
Erwartung. Ausrichten, warten auf was? Auf Weihnachten – ja, aber was heißt das? Das
heißt doch, sich bereiten machen für den, der an Weihnachten auf diese Welt gekommen
ist. Advent das heißt, sich für die Begegnung mit dem bereit machen, der als der Retter
dieser Welt gekommen ist und wiederkommen wird. Advent, das heißt, sich bereit machen
für den, der zu uns, in unser Leben kommen und uns erneuern will.
Hier sind wir nun bei dem Predigttext dieses Sonntages, der von einem Mann stammt, von
dem man zunächst erwarten würde, der aber viele Adventstexte und –lieder geprägt hat:
der Prophet Jesaja.
- Text lesen: Jesaja 35, (1-2.)3-10 -
Ich sehe in die erstaunten Gesichter derer, die diese Worte erstmals gehört haben und
erahne, was dem einen oder anderen zunächst durch den Kopf gegangen sein mag. Vielleicht haben sie am Verstand des Jesaja gezweifelt, sich gefragt, ob ihm die heiße Sonne
das letzte Quäntchen Vernunft verdörrt hat. „He, Jesaja, wo sind denn deine Teiche und
Wasserquellen? Wir sehen nichts davon, eher das Gegenteil! Hier ist keiner, der die Sprache wiedergefunden hat und Loblieder singt. Angesichts der Bedrohung ist uns die Lust
am singen ordentlich vergangen.“ Und haben sie nicht recht mit dem was sie sagen? Können wir das, wenn wir in unser Leben und unsere Welt schauen, nicht auch bestätigen?
Kann sich, wird sich noch etwas ändern, in der Welt und in meinem Leben?
Was hat es auf sich mit dieser doch so sehr adventlichen Verheißung des Propheten?
Was hat es auf sich mit Advent, der Zeit des wartens, in unseren Tagen? Was wird erkennbar für uns? Drei Aspekte scheinen mir bedeutsam:
Die Not vor Augen – warten auf Hilfe.
Die Verheißung im Ohr – warten auf die Erfüllung.
Advent im Herzen – warten auf die Vollendung.
1. Die Not vor Augen – warten auf Hilfe.
Betrachten wir zunächst die Situation genauer, in die hinein Jesaja diese Worte gesprochen hat. Das Volk Juda war von der assyrischen Streitmacht bedroht. Es war zu erwarten, dass sie von den Assyrern angegriffen und besiegt werden. Und was sie dann erwarten wird, das traute sich keiner vorzustellen. Der judäische König Hiskia versuchte zwar
noch, eine Allianz mit anderen Staaten, insbesondere mit Ägypten gegen den assyrischen
König zu schließen. Aber vom Propheten Jesaja wird er immer wieder davor gewarnt, dies
zu tun. Nicht, weil der Prophet sich lieber unter fremden Joch gesehen hätte, sondern weil
er nicht wollte, dass man sich auf menschliche Möglichkeiten und Stärke verließ statt sich
ihrem Gott anzuvertrauen und von ihm Hilfe zu erhoffen.
Aber es zeichnete sich zunehmend ab, die Sache geht schief und das Ende wird kommen,
aus der Geschichte kommen wir nicht mehr ungeschoren raus. Das Volk sah sich sogar
dem Spott des Mundschenken des assyrischen Königs ausgesetzt (2Kön 18,32ff): „... hört
nicht auf Hiskia, wenn er euch verführt, indem er sagt: Der HERR wird uns retten! 33 Haben
etwa die Götter der Nationen jeder sein Land aus der Hand des Königs von Assur gerettet? 34 Wo sind die Götter von Hamat und Arpad? ... Haben sie etwa Samaria aus meiner
Hand gerettet? 35 Welche sind es unter allen Göttern der Länder, die ihr Land aus meiner
Hand gerettet haben, dass der HERR Jerusalem aus meiner Hand retten sollte?“ Solche
Häme saß und sitzt, verfehlte nicht ihre Wirkung: Kann uns denn Gott wirklich helfen und
will er das überhaupt noch? Wie lange müssen wir auf Hilfe warten?
In dieser Lage und in ihren Fragen erkennen sie noch etwas anderes, das für sie weit
schlimmer wiegt als die Bedrohung durch die Assyrer: Wir haben Gott verlassen und er
hat sich von uns abgewandt. Gott ist uns so fern, er hat uns dem Gericht überlassen. Was
also ist zu tun?
In dieser Situation, da keiner mehr den Mut und die Kraft aufbrachte etwas anderes zu
denken geschweige denn zu tun, meldet sich der Prophet wieder zu Wort.
2. Die Verheißung im Ohr- warten auf die Erfüllung
„Stärkt die schlaffen Hände und festigt die wankenden Knie! Sagt zu denen, die ein ängstliches Herz haben: Seid stark, fürchtet euch nicht! (Jes 35,3.4)“. Geht das so einfach?
Reichen da ein paar Appelle eines Propheten aus um die Situation zu wenden? Nein,
einfach so geht das nicht! Denn mit Appellen allein ist es nicht getan. Das kennen die
meisten von uns wohl auch aus eigener Erfahrung. Aber sind es denn keine Appelle die
der Prophet hier an seine Zuhörer richtet? Nein, denn Jesaja spricht hier nicht in eigenem
Auftrag, gibt hier nicht zum Besten, was er meint sagen zu müssen. Jesaja redet im Auftrag Gottes, im Auftrag dessen, der diese Welt erschaffen hat.
Jesaja ist von Gott beauftragt dem bedrängten Volk Gottes Trost zuzusprechen. So sind
es Gottes Worte, die das Volk hört und die wir heute hören! Und es ist dieses Wort Gottes
das Macht hat, Neues zu schaffen, es ist dieses Wort, das nicht wieder leer zurückkommt
sondern das bewirkt was Gott gefällt und ausführen wird, wozu er es ausgesandt hat (Jes
55,11). In diesem Fall bedeutet dies, den Bedrückten und Bedrängten Menschen Trost zu
spenden. Und dass dies möglich ist, kennen wir vermutlich aus eigenem Erleben. Ich zumindest mache immer wieder die Erfahrung, dass mir Gottes Wort zum Trost wird, dass
ich wieder Hoffnung schöpfe und neuen Mut gewinne. Das Wort „trösten“ bedeutet ursprünglich „stark machen durch eine gute Nachricht“. Stark machen allein durch eine gute
Nachricht und nicht durch Änderung der Umstände!
Gewiss, oft ändert sich an der äußeren Situation nicht viel, wenn überhaupt. Aber ich lerne, die Dinge mit anderen Augen zu betrachten. Denn es ist ein Unterschied, ob ich mich
allein auf mich gestellt, als einzelner Mensch im Getriebe dieser Welt und Zeit sehe oder
aber ob ich mich als vom dem geliebt, getragen und erwählt weiß, der diese Welt geschaffen und sie - und mich - unverbrüchlich in seiner Hand hält. In mitreißenden Bildern,
in denen Jesaja die Gegensätze anschaulich hervortreten lässt macht er deutlich was geschehen wird, wenn Gott eingreift und seine Herrlichkeit und Pracht zu sehen sein wird.
Diese Erfahrung macht auch das Volk in dieser hoffnungslosen Situation. „Siehe da ist
euer Gott!“ So ruft der Prophet. Siehe da ist der, der allein helfen kann. Und plötzlich erinnern sie sich wieder an all die Situationen in der Geschichte, in denen dieser Gott eingegriffen und sich als ihr Gott erwiesen hat. Das Bild vom sicheren Weg (V. 8ff) auf dem die
Befreiten sicher und bar jeglicher Gefahr und Bedrängnis geführt werden, weckt die Erinnerung an die Errettung aus Ägypten und die erste Wüstenwanderung. Bedenken wir: diese erste Wüstenwanderung war für die Menschen damals bei weitem kein Triumphzug
und lauter eitle Freude. Aber in dieser Zeit hat sich Jahwe immer wieder als der Gott seines Volkes erwiesen und gezeigt. Das ist die prägende Erinnerung und daraus schöpfen
sie jetzt neuen Mut, wissen sich getragen von diesem Gott. So sind diese Prophetenworte
kein billiger Trost mit denen er nur vertrösten will, sondern daraus erwächst Trost für diejenigen, die sie hören, auch für uns.
Und so hat diese Prophetenwort auch seine Bedeutung für uns, für sie und mich die wir
hier in Brenz/Bergenweiler Advent feiern:
3. Advent im Herzen – warten auf die Vollendung
Das ist gewiss: wir werden nicht von den Assyrern bedrängt und belagert oder stehen kurz
davor, von ihnen verschleppt zu werden. Bei uns herrscht – Gott sei Dank – äußerer Friede. Aber vielleicht wanken uns dennoch die Knie und sind unsere Hände dennoch schlaff
und kraftlos. Nein, uns belagert keine äußere Macht, aber unsere Sorgen und Ängste
nehmen uns gefangen. Sie bedrängen uns, lassen uns mutlos und verzagt werden. Und
kennen sie das nicht auch: da starrt man nur noch auf das Problem, da sieht und hört man
nichts anderes mehr. Das ist wie der Blick durch ein Vergrößerungsglas, nichts anderes
wird wahrgenommen, übergroß erscheint uns, was wir sehen.
In dieser Situation dürfen auch wir diese Worte des Propheten hören, jeder ganz persönlich für sich: Siehe, da ist dein Gott! Fürchte dich nicht! Darf mir so den Blick lenken lassen
auf das Wesentliche. Wir dürfen uns von ihm daran erinnern lassen, dass auch wir von
Gott geliebt sind, dass ER auch für uns sorgen und uns helfen will. Und vielleicht geht es
uns dann so wie dem Volk Juda, auch wir erinnern uns daran, wo und wie Gott bereits in
unserem Leben oder auch im Leben anderer eingegriffen und geholfen hat. Und wir werden gewahr, nein Gott überlässt uns nicht einfach so unserem Schicksal.
Vielleicht dürfen wir erleben, wie sich die Situation schlagartig verändert. Vielleicht ändert
sich aber auch äußerlich nichts, scheinbar zumindest. Aber wir sind plötzlich in der Lage,
dieses Vergrößerungsglas aus der Hand zu legen und die Probleme oder Sorgen wieder
mit normalen Augen zu betrachten, ihnen den Stellenwert einzuräumen, der ihnen angemessen ist. Wir erkennen, es gibt noch mehr als nur mich und mein Problem und vor allem
erlebe ich, in allem und durch alles bin ich von Gott getragen.
Die äußere Heilung, die äußere Wandlung von Situationen ist für uns Menschen immer
ganz wichtig und für viele wäre so eine Wandlung der Ausgangspunkt für den Glauben,
sagen sie. So gesehen würde sich Gott durch ein Wunder legitimieren an ihn zu glauben.
Aber seien wir gewarnt: so einfach ist es nicht (vgl. Mt 24,24). Haben nicht viele gesehen,
wie Jesus Wunder getan hat, waren nicht viele Zeugen wie er Lahme gehend und Blinde
sehend machte, aber nur ganz wenige haben an ihn geglaubt! Gottes Handeln am Menschen zielt nicht in erster Linie auf die „äußeren Dinge“ wie Heilung, sorgloses Leben etc.
Das ist nirgends verheißen! Es geht allein, ganz allein um die Wiederherstellung des inneren Menschen, das heißt um unsere, ihre und meine Beziehung zu Gott, um nichts anderes! Das ist das entscheidende, das was letztlich ewig bleiben wird (bedenke Mt 10,28; Lk
12,4). Denn wenn es Jesus allein um die äußere Widerherstellung gegangen wäre, dann
wäre seine Botschaft und sein Wirken sicher ein anderes gewesen. Die „äußere Wiederherstellung“ wollen wir, aber wollen wir auch die innere?
Schluss
Was dem Volk Juda durch den Propheten erst in ferner Zukunft verheißen war, ist für uns
bereits Wirklichkeit geworden. Gott hat den gesandt, durch den er uns frei gemacht hat
von allen Zwängen, Sorgen und Ängsten, Gott hat den gesandt der uns vor allem aber frei
gemacht hat von unserer Sünde, von unserer Trennung von Gott: Jesus Christus! Damit
wurde das, was der Prophet geschaut hat, Wirklichkeit.
Und mitten im Advent 2006 erinnert uns der Prophet daran, dass Jesus in diese Welt gekommen ist und uns erlöst hat. Wir werden aber auch daran erinnert, dass Jesus einst
wiederkommen und endgültig vollenden wird, was der Prophet geschaut hat und was auch
wir noch erwarten. Und wir werden schließlich daran erinnert, dass Jesus auch in das Leben eines jeden einzelnen von uns kommen will. Das an einem jeden von uns verwirklicht
wird, was Jesus bereits getan und verwirklicht hat. In diesen drei Dimensionen gewinnt
Advent seine ursprünglich Bedeutung wieder: sich bereit zu machen für Jesus, der für
mich ganz persönlich auf diese Welt gekommen ist und IHN in mein Leben zu lassen.
Amen.
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Altenheimstraße 23
89522 Heidenheim/Brenz
07321/910915
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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