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Predigt über Jesaja 5,1-7

am 19.03.2000
Reminiscere

Ort: Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Reminiscere - „Gedenke Herr an deine Barmherzigkeit!“ Haben sie schon einmal darüber nachgedacht, warum Gott seiner Barmherzigkeit gedenken sollte? Warum wir ihn daran erinnern? Für uns ist es ja fast selbstverständlich, daß wir auf der sicheren Seite sind, wir, um es mit Boris Becker zu sagen, „drin sind“. Nicht im Internet sondern im Himmel, wir unsere Erlösung sicher haben.

Das ist ja so auch richtig und trotzdem habe ich den Eindruck, daß ich mir, wir uns, das ganze manchmal ein bißchen zu einfach machen. Dietrich Bonhoefer hat in diesem Zusammenhang das Wort von der „billigen Gnade“ geprägt, daß wir uns die Sache mit dem gnädigen Gott etwas zu einfach machen. Wir zu schnell davon ausgehen, daß wir keine Konsequenzen zu fürchten hätten. Was aber wäre, wenn es nicht so ist, wenn Gott nicht gnädig wäre?

Ein Thema das wir gerne ausklammern aus unserem Bewußtsein streichen, dem wir lieber aus dem Weg gehen. Ein Thema auch, über das zu predigen man sich lieber drückt; es gibt angenehmeres! Und dennoch können wir diesem Thema nicht aus dem Weg gehen, gehört es zu unserem Glauben mit hinzu, ist Bestandteil davon. Der heutige Predigttext spricht aus, daß Gott auch anders könnte, als über alles den Mantel der Barmherzigkeit auszubreiten. Dort wird ausgesprochen, wie Gottes Konsequenzen auch aussehen könnten.

- Text lesen: Jesaja 5,1-7 -

Das erste was an diesen Versen auffällt ist die innige Art, die liebevolle Art mit der sie beginnen. Fast schon hat man den Eindruck, es handelt sich hier um eine Liebeslied. Da besingt einer eine vergangene Liebe, deren er immer noch nachtrauert. Aber plötzlich wird der Ton schärfer. Wir, die wir eher vom Neuen Testament kommen, haben ja mit diesen, für das Alte Testament nicht ungewöhnlichen Tönen, unsere Mühe. Das paßt nicht in unser Bild vom lieben Gott, der uns immer wohlgesonnen ist und für uns sorgt. Und dennoch, es ist derselbe Gott, der Gott, der sich immer wieder erbarmend uns Menschen zuwendet, der sogar soweit gegangen ist, seinen Sohn für uns zu opfern.

Darum sollten wir nicht über diese Verse hinweglesen sondern hinhören, was uns der Prophet hier sagen will:

1. Gott wählt uns aus
2. Gott investiert in uns
3. Gott erwartet Frucht (neudeutsch: Rendite)

1. Gott wählt - erwählt

Thema dieser Verse ist nicht die Rebe sondern der Weinberg! Da hat einer einen Weinberg und im Laufe der Zeit erkennt er, dieser Weinberg, dieser Hügel der ist etwas ganz besonderes. Der ist zu mehr zu gebrauchen, als darauf nur Gutedel oder Müller-Thurgau anzubauen. Auf diesem Boden, in dieser Lage da kann ein ganz besonderer Wein gedeihen, vielleicht ein Burgunder oder ein Traminer. Mit sicherem Blick hat dies der Winzer erkannt und macht sich nun daran, diesem Weinberg den letzten Schliff zu geben.

Gott wählt, ER wählt, Gott erwählt! Ein Thema, das sich durch die ganze Bibel zieht. Gott erwählt den Menschen und setzt ihn in den Garten Eden daß er ihn bebaue und bewahre. Gott erwählt Abraham, Gott erwählt Mose, Gott erwählt die Propheten und Gott erwählt uns: Eine zentrale Stelle ist hier für mich 1.Petr 2,9: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat“. Oder 2.Tim 1,9: „Der hat uns errettet und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach ‹seinem› eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben.“ (weitere Stellen: Galater 4,9; 2.Pet 1,3; Gal 1,15 1.Thes 4,7; 2.Tim 1,9; Kol 3,12; u.a. )

Stellen die deutlich machen, daß Gott ein Interesse an uns hat, daß er auch etwas besonderes mit uns vor hat. Denn man beruft nicht einfach so, nur zum Spaß, mit einer Berufung ist immer auch ein Auftrag verbunden. Und auserwählt, und darauf möchte ich an dieser Stelle das Augenmerk legen, wird nur, wer auch die nötige Qualifikation mitbringt, der für Wert geachtet wird.

In unserem Alltag ist es so, daß wir Qualifikationen mitbringen, Zeugnisse und Bescheinigungen vorlegen müssen, die bescheinigen, daß wir Wert wären, ausge-, auserwählt zu werden. Wir müssen erst in Vorleistung treten. Bei Gott geht das ganze etwas anders: Rö 5,8 „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, daß Christus, als wir noch Sünder waren, für uns gestorben.“ (Joh 6,70; 1.Kor 1,27). So sind Gottes Auswahlkriterien! Was bleibt uns? Erwählung annehmen oder ablehnen!

Ich komme an dieser Stelle wieder zurück auf und greife nochmals das Bild auf, das Jesaja gebraucht und das mir sehr treffend erscheint: Der Weinberg, wir, bringen die besten Voraussetzungen mit, aber das eine oder andere muß dennoch getan werden. Und hier bin ich bei meinem Zweiten:

2. Gott investiert in uns

Der Weinberg bringt vieles mit, und dennoch muß noch der eine oder andere Stein ausgeräumt werden, ein Zaun muß gebaut werden zum Schutz und anderes mehr. Gott hat keine Mühen für uns Menschen gescheut. Vielleicht denken sie einmal darüber nach, ob sie in ihrem Leben nicht Kapitalanlagen Gottes finden, Erlebnisse, Erfahrungen die ihnen Hinweis sind, Gott hat auch in ihr Leben ganz persönlich investiert.

So wie dieser Weinbergsbesitzer der die Steine aus seinem Weinberg wegräumt und die Erde umgräbt. Das hat ihn viel Mühe und möglicherweise auch Geld gekostet. Aber dies war ihm nicht zu Schade! Denn es war ja ein guter Weinberg, das sollten wir nicht vergessen, auch im Blick auf unser eigenes Leben, auf unsere eigene Persönlichkeit. Gott hält auch uns, hält sie und mich für wert, daß er in uns investiert. Was hat Gott investiert? Wir, die wir das Neue Testament kennen, wissen, was Gott investiert hat: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat“. (Joh 3,16). Gott hat alles für uns gegeben; er hat für uns den Kaufpreis bezahlt, hat unsere Schuld beglichen und den Schuldbrief, der uns angelastet war, zerrissen (Kol 2,14).

Gott hat das aus unserem Leben entfernt, was die größte Trennung zwischen uns und IHM war: unsere Schuld! Gott hat die Steine unserer Sünde aus dem Weinberg unseres Lebens entfernt und hat dafür seinen Sohn geopfert. Haben sie das gewußt, daß sie Gott so viel bedeuten, daß sie ihm so viel Wert sind? ER hat die Voraussetzungen für ein erfülltes Leben geschaffen, er will uns Leben und volle Genüge geben (Joh 10,10). Gott will daß wir als seine Leute in seiner Gegenwart leben und damit auch Frucht bringen für ihn, damit er verherrlicht wird in der Welt. Somit wird Frucht ein Hinweis dafür, daß sich der Weinbergsbesitzer in seinem Weinberg nicht getäuscht hat.

Was aber wenn die Frucht ausbleibt oder schlecht ist? Die Konsequenzen die der Weinbergsbesitzer in unseren Versen zieht sind hart. Ich weiß nicht wie es ihnen geht, aber mir wird schon etwas mulmig dabei und ich habe mich gefragt, was wäre wenn Gott diese Konsequenzen auch bei mir ansetzen würde. Und ich habe angefangen, etwas über die Frucht nachzudenken, und das ist das Dritte, was ich unterstreichen möchte:

3. Gott erwartet Frucht

„Gott erwartet Frucht“ und wo diese Frucht ausbleibt, da reagiert er, ich formuliere einmal etwas vorsichtig, recht ungehalten (Verse 5-7). Das sind Verse die wir eigent- lich nicht so gerne hören, denen wir lieber ausweichen. Aber die Frage nach der Frucht in unserem Leben stellt sich nicht nur im Alten Testament, sondern auch im Neuen Testament. Da fallen mir etliche Stellen ein, wo Jesus oder auch Paulus darauf zu sprechen kommen (Mk 3,8; Mt 13,1-8). Jesus hat uns erwählt, damit wir Frucht bringen, damit in und aus unserem Leben etwas erwächst! Und in vielen Gleichnissen spricht Jesus über die Konsequenzen, wenn die erwartete Frucht ausbleibt oder sie nicht den Erwartungen entspricht. Das Thema ist also keineswegs passé!

Allerdings sollten wir bedenken, daß es hier nicht um gute Werke oder um die Frage der Fehl- oder Sündlosigkeit geht, um Leistung, die wir als Christ bringen müssen, sondern es geht um Frucht! Bei ersteren sind wir gefordert, müssen wir aktiv werden und unser Leben gestalten, Entscheidungen treffen, Dinge tun oder nicht. Werke können wir machen, Frucht entsteht, Frucht kann man nicht machen! In dem Augenblick, da die Saat ausgestreut wird, liegt auch schon die Frucht fest. In der Saat ist die Dynamik, die Kraft festgelegt, die Frucht hervorwachsen läßt! Und diese Dynamik können wir nicht machen, können heutzutage die Rahmenbedingungen bedingt beeinflussen. Saat und Ernte können wir nur empfangen.

Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Pflanze, dem Träger der Frucht und der Frucht als solcher: „Liest man von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen?“ (Mt 7,16; Jak 3,12).Und so ist auch klar, daß die Frucht, die nicht den Erwartungen entspricht unbrauchbar ist (Mt 3,10 u.a.). Und lassen sie mich hier noch auf ein Letztes hinweisen: beim Thema Frucht in der Bibel, geht es nie darum, daß ein bestimmter Ertrag in Form von Menge (Quantität) erreicht wird, sondern immer nur darum, daß die Frucht und die Güte (Qualität) stimmt, es die richtige Frucht ist!

Schluß

Vielleicht sagt sich jetzt der eine oder andere, das dies ja schön und gut sei, aber wo bleibe ich denn dabei! Kann ich denn gar nichts tun, nur warten und schauen ob Frucht entsteht? Hier würde ich antworten, doch sie können etwas tun. Sie können auf die Rahmenbedingungen einwirken indem sie sich mit Gottes Wort beschäftigen, sich mit anderen Christen darüber austauschen und sich in seinem Reich einbringen. Sie können, soweit es an ihnen ist Hindernisse aus dem Weg räumen oder Gott darum bitten, dies zu tun.

Gott erwartet brauchbare Frucht von seinem Volk. Gott erwartet auch von uns Frucht, dazu sind wir erwählt (Joh 15,16). Ein wichtiges Thema für uns als Christen. Wenn wir darüber nachdenken und uns damit beschäftigen, sollte uns klar sein daß es nicht darum geht, in Aktivismus und Leistungsdruck zu verfallen sondern:

Gott uns erwählt hat, weil er uns für würdig erachtet hat und uns liebt,

Gott in uns, in sie und mich investiert hat und noch weiter investiert und

Gott nicht Leistung sondern Frucht erwartet und davon ausgeht, daß diese Frucht auch wächst! Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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