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Predigten

Predigt über Jesaja 61,1-11

am 02.01.2000
2. Sonntag nach Weihnachten

Ort: Staufen/Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Endlich war es soweit! Seit vielen Jahren ja Jahrzehnten sehnten sie sich diesen Tag herbei und fieberten ihm entgegen. Nun sind die Bündel gepackt, die Karren, Esel und Kamele sind beladen, der lange Marsch in die Heimat kann beginnen. Die Erwartungen sind groß, endlich wieder in die Heimat zu kommen, von der man über so viele Jahre hin getrennt gewesen war. Mit jedem Tag, jedem Kilometer steigen die Erwartungen wie es wohl sein wird in der alten Heimat.

Und endlich war es so weit. Die Grenze ist überschritten und die Dächer Jersualems rückten näher. Aber so groß die Erwartungen und Hoffnungen waren, so groß war auch die Enttäuschung, als sie endlich am Ziel ankommen. Was sie vorfinden zerstört jäh ihre Hoffnungen: zerstörte Felder, zerstörte Häuser und fremde Herren. Die Trümmer zertrümmern all ihre Hoffnungen. Die Euphorie der Aufbruchstimmung machte der Ernüchterung platzt. Und auch der Wiederaufbau des Tempels, des Hauses Gottes gestaltete sich schwieriger als sie sich das gedacht hatten. Widerstand machte sich breit und erste Intrigen wurden geschmiedet.

Müde und erschöpft zündeten sie ein Feuer an und lagerten sich darum. Die Mühen und Gefahren der lange Reise tauchten vor ihren Augen auf und sie fragten sich, warum sie dies alles auf sich genommen hatten. Was um alles in der Welt hatte sie bewogen diese lange Reise zu wagen und was hatten sie eigentlich erwartet vorzufinden?

Und während sie so da saßen, sich im Schein des Feuers wärmten stand einer auf und erhob seine Stimme, so wie er es schon früher immer wieder getan hatte:

- Text lesen: Jesaja 61,1-11 -

Ich stelle mir die Reaktion der Menschen vor, die diese Rede des Propheten Jesaja gehört haben. Da sehe ich diejenigen, die sofort abwinken, die Eh schon wissen was kommt und sich nichts mehr darum scheren. Das haben sie schon zu oft gehört, hatten sich zu oft darauf eingelassen, so auch jetzt und wurden enttäuscht. Es kam immer anders als sie sich das vorgestellt hatten. Aber da gibt es auch noch diejenigen, die die Köpfe heben und gespannt und voll Interesse hören was der Prophet redet. Sie lassen sich anstecken, erneut in den Bann ziehen. Sie hören genau hin und dreierlei hören sie aus dem heraus, was Jesaja ihnen sagt:

1. Gottes reden hören
2. Mit Gottes Möglichkeiten rechnen
3. Sich von Gott verändern lassen

1. Gottes reden hören

Sind das nicht nur schöne Worte die aber an der Situation doch nichts ändern? Was nutzen diese Worte wenn sich doch an unserer Situation dadurch nichts ändert? Mahnt nicht im Neuen Testament Jakobus davor (Jak 2,14ff), den Bedürftigen nur mit frommen Sprüchen zu vertrösten ihm aber das vorzuenthalten, was er zum Leben bedarf. Hört sich das nicht ähnlich an und nimmt Jesaja seinen Mund nicht etwas zu voll? Wenn wir so denken, dann haben wir wohl den ersten Vers dieses Kapitels überlesen oder nicht richtig wahrgenommen. Denn wer redet an dieser Stelle? Sicherlich ist es Jesaja der seine Stimme zu den Heimkehrern erhebt. Aber es ist letztlich nicht er selbst der etwas zum Besten gibt, Jesaja redet nicht in eigenem Auftrag sondern ist Gesandter, redet im Auftrag Gottes.

Die Bedeutung dieser Verse, dessen was Jesaja hier sagt erschließt sich für die Menschen damals in den Trümmern Jerusalems und uns heute dann, wenn wir uns vor Augen führen, wer hier eigentlich redet bzw. in wessen Auftrag hier geredet wird. Es kommt entscheidend darauf an, wer redet, wer diese Aussage macht die vom Propheten ausgesprochen wird. Ein Beispiel: Wenn ich ihnen jetzt sagen würden, sie sind in diesem Jahr von jeglicher Steuer befreit, dann gäbe es vielleicht einige wenige sehr vertrauensseelige Zeitgenoßen unter uns, die würden mir das möglicherweise abnehmen. Der Großteil aber von ihnen würde sich aber wahrscheinlich mit dem Zeigefinger dezent an die Schläfe tippen und davon ausgehen, daß ich noch etwas unter den Nachwirkungen des Silvestersektes zu leiden habe. Etwas anderes wäre es wahrscheinlich, wenn der Finanzminister eine solche Aussage treffen würde. Wenn uns Versprechungen gemacht werden, dann kommt es unter anderem darauf an, ob derjenige, der das Versprechen macht auch in der Lage ist, dieses auch einzuhalten. Wenn diese Voraussetzung fehlt, wird auch am nötigen Vertrauen in dieses Versprechen fehlen.

Ich gebe aber trotzdem den Kritikern recht, daß sich allein durch diese Aufforderun- gen und Proklamationen an der konkreten Situation noch nichts ändert. Der Schmerz der Trauernden wird dadurch nicht weggewischt, Verluste und Verletzungen die wir erlitten haben sind nicht auf einmal weggewischt. Das Alte hält uns fest im Griff. Und dennoch: die Hoffnung auf das Neue läßt sich nicht unterkriegen, die Sehnsucht hat Lunte gerochen und seit 2000 Jahren rechnen wir mit der Wiederkunft Jesu – manchmal mehr, manchmal weniger. Wir rechnen damit und hoffen darauf, daß Gott mit dieser Welt zu seinem Ziel kommt. Das ist unsere Sehnsucht weil wir es Gott zutrauen, daß er das gute Werk das er angefangen hat auch vollenden wird.

2. Mit den Möglichkeiten Gottes rechnen lernen

Im Prinzip befinden wir uns in einem Dilemma! Als Christen leben wir zwischen Extremen. Zwischen neuer Kreatur (2.Kor 5,17), der Sünde abgestorben (Rö 6,11) und den Erfahrungen die auch Paulus schon gemacht hat „wollen habe ich wohl, aber vollbringen ...“(Rö 7,18). Es ist das Dilemma zwischen den Verheißungen und Zusagen Gottes auf der einen Seite und unseren „irdischen“ Erfahrungen und Unzulänglichkeiten auf der anderen. Wir leben im Glauben und noch nicht im schauen (2.Kor 5,7). Wir sind davon abhängig, daß Gott seine Verheißungen einlöst, daß wir vom Glauben zum schauen kommen, daß mit dem Kommen Jesus offenbar wird, was wir durch seine Erlösungstat sind (1.Joh 3,2). Und in derselben Situation befanden sich die Menschen, zu denen Jesaja gesprochen hat. Voller Hoffnung hatten sie sich im Auftrag Gottes (vgl. Esra Kapitel 1)aufgemacht um den Tempel Gottes wieder aufzubauen und wurden bei diesem Vorhaben jäh enttäuscht. Geblieben ist ihnen zunächst nur die Verheißung und der Zuspruch durch Jesaja. Jesaja kennt die Situation seiner Zuhörer, er weiß was sie durchgemacht und durchlitten haben, er kennt ihre Not und nimmt sie ernst. Auch wenn heute kein Jesaja zu uns spricht so dürfen sie dennoch gewiß sein, daß Gott auch unsere Situation kennt, ER weiß was sie durchgemacht haben und welche Sorgen und Ängste, aber auch welche Erwartungen und Freude sie bewegen. Gott nimmt sie darin ernst und es ist ihm nicht gleichgültig wie es uns, ihnen und mir geht.

Und so können wir uns die Frage stellen, auch im Blick auf unser eigenes erleben, was verändert sich durch diese Verheißung? Konkret im Leben der Menschen damals und unserem heute.

Die entscheidenste Veränderung ist, daß sich unser Blickwinkel, unser Horizont von dem aus wir die Dinge des Lebens, unseres Lebens betrachten, ein anderer wird. Wir werden uns bewußt, daß wir Gottes Kinder sind, daß Gott uns liebt und ER diese Liebe an uns erweisen will.

Wenn wir uns, sie und ich, dies bewußt machen, dann ändert sich unser Blickwinkel und unser Horizont wird ein anderer. Wir nehmen plötzlich wieder Dinge war, die wir zuvor nicht gesehen haben. Wir können uns lösen aus dem Kreisen um uns selbst und unser Leben, auch die Schwierigkeiten bekommen eine andere Dimension. Mir hat einmal jemand gesagt: „Wenn sich die Probleme uns Sorgen des Alltags zu sehr auftürmen, dann gehe ich auf den Belchen und blicke hinunter in die Rheinebene. Dann gewinnt plötzlich alles eine andere Dimension!“ Sicherlich, die Probleme sind dadurch nicht weg oder gelöst, aber ich erkenne, daß man das eine oder andere auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten und bewerten kann und vielleicht ergibt sich daraus der Mut und die Kraft, neu nach Lösungen zu suchen.

Um etwaigen Mißverständnissen vorzubeugen: Ich rede an dieser Stelle nicht denen das Wort die meinen irgendwann lösen sich alle Probleme von selbst, wir müssen nur die Hände in den Schoß legen. Auch nicht denen, die mit der rosaroten Brille durch die Welt laufen. Aber ich halte auch nicht dafür, ständig in einer Art von Selbstmitleid zu baden und sich selbst darin zu gefallen, daß es mir so schlecht geht und die ganze Welt nur böse ist und mir übel mitspielt.

Jesaja wird seiner Rolle und seinem Auftrag als Prophet gerecht. Denn Propheten gleichen Bergsteigern die über die Gipfel hinwegsehen und den Blick weit machen auf andere Gipfel. Sie wissen was kommt und wie die Gipfel heißen, aber wie lange der Weg dahin ist und wie er im einzelnen aussieht, wissen sie oft nicht. Aber sie rücken uns immer wieder das Ziel vor Augen, lassen klar werden worauf es ankommt und wie Gott die Dinge sieht. Können sie das hören was Jesaja sagt, können sie es hineinlassen in ihr Leben, ihre Sorgen und Nöte die sie mitgenommen haben ins neue Jahr? Gott will auch ihnen einen weiten Horizont schenken aus dem heraus sie Kraft schöpfen ihren Lebens- weg.

3. Sich von Gott verändern lassen

Kehren wir nochmals zu den Menschen aus unserem Bericht zurück. Auch für sie hat sich durch die Worte des Propheten zunächst wenig geändert. Die Häuser und Felder waren immer noch zerstört und die fremden Herren waren immer noch im Land. Aber geändert oder besser gesagt verändert hat sich ihre Einstellung zu ihrer Situation und zu sich selbst!

Sie sind zurückgekehrt zu ihrem Gott, haben sich anstecken lassen von der Hoffnung. „Hoffnung ist ein starker Rückenwind“ sagt ein brasilianisches Sprichwort. Sie haben die Hoffnung aus den Worten des Propheten aufgenommen. Sie haben den frischen Wind aus Gottes Herrlichkeit aufgenommen und in ihr Leben hineingelas- sen. Sie haben wieder erkannt daß es auf den Blickwinkel ankommt. Sie haben ihre Hoffnung an dem lebendigen Gott und seinen Zusagen festgemacht und daraus die Kraft gewonnen für ihren Auftrag.

Inmitten der Trümmer kehrte Freude und Jubel ein. Sie konnten ihre Situation an- nehmen und dennoch sagen: „Denn er hat mich bekleidet mit Kleidern des Heils den Mantel der Gerechtigkeit mir umgetan“ (Jes 61,10b). Es war noch viel zu tun bis die Trümmer letztlich wieder aufgebaut waren und der Tempel Gottes errichtet war, aber die Ge- wißheit der Gegenwart und Geborgenheit Gottes schaffte neuen Mut und gab Kraft, weiterzumachen.

Schluß

Und wir heute hier in Staufen? Wir mit unseren Sorgen, unseren Nöten und Erwar- tungen für das neue Jahr? Wir wissen nicht ob es für uns ein Gnadenjahr wird, ob es Trost für die Trauernden beinhaltet. Inwieweit wir des Trostes bedürfen oder andere trösten können müssen wir auf uns zukommen lassen. Was und wie sich unsere Alt- lasten aus dem vergangenen Jahr verändern werden wissen wir heute noch nicht, auch nicht, was sich von unseren Wünschen und Erwartungen erfüllen wird. In dieser Ungewißheit, die uns bei diesen Gedanken beschleicht, wird uns durch die Jahreslosung der Weg gewiesen: „Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen wer- det, so will ich mich von euch finden lassen.“ (Jer 29,13.14) Gott suchen und ihn finden, dazu sind wir durch die Jahreslosung eingeladen. Die Erfahrung die wir dabei machen können, hat uns heute der Prophet Jesaja vor Augen gehalten:

- Gottes Reden zu hören,

- mit seinen Möglichkeiten zu rechnen gerade dann, wenn unsere Möglichkeiten er- schöpft sind

- und uns von ihm verändern zu lassen.

Gott will seine Verheißungen an uns auch in diesem Jahr einlösen.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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