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Predigt über 1. Thessalonicher 5, 1 - 11

am 8.11.2020
Drittletzter Sonntag i. Kirchenjahr

Ort:
Grenzach


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Die allermeisten hatten die Hoffnung und Erwartung schon lange aufgegeben. Zu viele Jahre waren ins Land gezogen als dass man noch damit gerechnet und noch für möglich gehalten hätte. Und dann passierte es doch, am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Die Teilung Deutschlands war damit Geschichte.

Ähnlich verhält es sich bei einem anderen Ereignis, das die Menschen schon immer umgetrieben – aber im Gegensatz zu einem möglichen Fall der Berliner Mauer - in aller Regel zu wilden Spekulationen hingerissen hat. Meist ausgelöst durch außergewöhnliche Naturereignisse oder –katastrophen, Hungersnöte, Seuchen oder nicht enden wollende Kriege. Und in unseren Tagen? Da beflügelt es die Phantasie und Vorstellungskraft unterschiedlicher Autoren oder Filmemacher. Wie wäre es wohl und wie ginge es von statten, wenn – ja wenn die Welt Unterginge? Mit neuester Filmtechnik prägnant und atemberaubend in Szene gesetzt. Filmtitel wie Independence Day oder Harmagedon dienen als Beispiele. Und wer weiß, ob dem einen oder der anderen Angesicht der Corona-Pandemie nicht ähnliche Gedanken durch den Kopf gehen. Folgende Fußnote kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen: Ich frage mich, warum beschäftigt und ängstigt uns Corona weit mehr als der Klimawandel oder das tägliche Artensterben?

Was bei diesen Weltuntergangsszenarien in aller Regel vergessen wird ist, dass die Erde nicht so einfach so zu Grunde geht. Das Ende der Welt ist mit einem anderen Ereignis untrennbar verbunden: der Wiederkunft Christi. An vielen Stellen in der Bibel, angefangen bei den Propheten und dann insbesondere im Neuen Testament über Jesus bis hin zu den den Briefen und schließlich in der Offenbarung des Johannes wird dies thematisiert, angesprochen und dargestellt. Hand aufs Herz: Wie sehr spielt dieses Ereignis in unseren Tagen, in unserem – ihrem und meinem - Leben eine Rolle?

- Text lesen: 1The 5, 1 – 11 -

Der erste Thessalonicherbrief ist der erste Brief, den der Apostels Paulus1 geschrieben hat und das älteste Dokument des Neuen Testaments2. Er ist vermutlich kurz nach der Gemeindegründung entstanden und gibt uns so einen exklusiven Einblick in das Denken und den Glauben der Christen damals. Sie waren zutiefst davon überzeugt, dass Jesus bald wiederkommt, dass es ihre Generation sein wird, welche Jesus bei seiner Wiederkunft begegnen wird. Diese Naherwartung prägte ihr Leben in nahezu allen Bereichen und natürlich auch ihr Glaubensleben und ihren Alltag.

Mit der Frage der Wiederkunft begeben wir uns in ein Spannungsfeld. Es geht einerseits darum, ständig damit zu rechnen und wachsam zu sein, die Zeichen der Zeit zu bewerten und andererseits dabei nicht in ein Schwärmertum und in eine Weltabgewandtheit zu verfallen - eine enorme Herausforderung. In diesen Spagat trifft Paulus zwei grundlegende Aussagen:

  • Christus kommt wieder.
  • Darauf sollten wir vorbereitet sein.
  • 1. Christus kommt wieder!

    Diese Zukunftsschau hat nicht Paulus entworfen, sondern stammt von Jesus selbst (siehe z.B. Mt 24,1ff und par. u.a. Lk 17,20ff). In seinen Aussagen lässt Jesus selbst keinen Zweifel daran, dass er wiederkommen wird. Wie gesagt, die ersten Christen, damit auch diejenigen in Thessalonichi, waren zutiefst davon überzeugt, dass sie es noch selbst erleben und sehen werden, wie Christus sichtbar vom Himmel herabkommen und seine Herrschaft für alle Menschen erkennbar aufrichten wird.

    Die Wiederkunft Christi ist gepaart mit verschiedenen Zeichen (Naturkatastrophen, Kriege, Hunger schlimme Zeiten) die seiner Wiederkunft voraus bzw. mit ihr einhergehen werden. Eindeutig ist auch, wenn Jesus kommt, dann werden keine Zweifel bestehen, dass ER es ist (Mt 24,29 ff; Lk 21,27f). Die benannten Zeichen und Ereignisse lassen jedoch einen weiten Spielraum für Interpretationen und Spekulationen - aber sie geben keinen eindeutigen Fahrplan an dem wir uns orientieren könnten und vor allem keinen klaren Zeitplan und schon gar keine Datumsangabe. Vielmehr stellt uns Jesus in die Verantwortung nüchtern und wachsam zu sein. Paulus ergänzt diese Zeichen mit dem Hinweis darauf, dass man sich auch vor denen hüten sollte, die sagen „Friede und Sicherheit“. (vgl. Jer 6,14; Hes 13,10)3 und stellt sich damit in die Reihe der alttestamentlichen Propheten. Nur wer in jedem Fall wachsam ist, kann die Zeichen erkennen, beurteilen und sich bereit halten.

    Mit dem Bild des Diebes (s.a. Mt 24,43) in der Nacht betont Paulus das unerwartete Hereinbrechen. Der Dieb meldet sich nicht an und schickt keine Ankündigung wie der Schornsteinfeger oder der Heizungsableser. Er kommt dann, wenn die Situation günstig ist, wenn niemand mit seinem Kommen rechnet. Der Dieb setzt auf den Überraschungsmoment. Und mit dem Bild der Geburtswehen der Schwangeren hebt Paulus die Unverfügbar- und Entrinnbarkeit des Kommens hervor. Das Kind kommt dann, wenn es Zeit ist und wenn die Wehen einsetzen, ist die Geburt nicht mehr aufzuhalten.

    Wenn ich mich mit dem Thema Wiederkunft auseinander setze, dann sollte auch ein anderer, durchaus persönlicher Aspekt bedacht werden. Um was geht es bei der Wiederkunft Christi? Es geht darum, dass wir - ich, sie - Christus begegnen. Das ist sichtbar dann für diejenigen der Fall, welche seine Wiederkunft real erleben werden. Aber diese Begegnung mit Jesus findet durchaus schon früher statt und wird jedem und damit auch uns betreffen. Dann, wenn wir Christus am Ende unseres Lebens gegenüber treten. Dieser Gedanke leitet über zur zweiten Aussage des Paulus:

    2. Darauf sollte ich vorbereitet sein

    Die absolute Verborgenheit des Datums der Wiederkunft Jesu verdeutlicht, dass die Zeichen der Endzeit keine Zeichen zur Berechnung und schon gar nicht zur Spekulation, sondern zur Wachsamkeit sind.4 Wir sind nicht berufen um zu rechnen sondern um wachsam zu sein und zu vertrauen. Denn wer schläft, wer nicht wachsam ist wird im Schlaf überrascht, das belegt das Bild vom Dieb. Nur wer wie Christus im Licht lebt, nicht schläft und nüchtern ist, ist auch in der Lage, die Zeichen der Zeit wahr zu nehmen und zu bewerten. All dem, was mir zum Thema Wiederkunft Christi begegnet, sollte ich mit einer gesunden geistlichen Skepsis entgegen treten. Insbesondere dann, wenn die Zeichen der Zeit von manchen als allzu eindeutig interpretiert werden (Mt 24,23 i.V.m. V. 5).

    So geht es vor allem darum, dass ich auf die Begegnung mit Jesus vorbereitet bin, wann immer diese erfolgt. Bei seiner Wiederkunft am jüngsten Tag oder dann, wenn ich IHM ganz persönlich begegne. Wenn ich vorbereitet bin, wenn ich mir meiner Beziehung zu Jesus, dem auferstandenen Christus gewiss bin, dann kann es mir doch vollkommen gleich sein, wann ER sichtbar wiederkommt. Vorbereitet sein berührt den Aspekt unserer Heiligung, also die Frage, wie leben wir, was sind die Maßstäbe in unserem Leben, nach was richten wir - ich, sie - uns aus und orientieren uns. Wie formulierte es der Prophet Micha „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr bei dir sucht, nämlich das Gebotene tun, Gemeinschaftssinn lieben und aufmerksam mitgehen mit dem Gott, der dir den Weg bahnt.“ (Mich 6,7; Übersetzung von H-W. Wolff).

    Heiligung hat nichts mit Fehlerlosig- oder gar Sündlosigkeit zu tun. Denn Heiligung ist nicht die Abwendung von der Welt, sondern die Profilierung in der Welt.5 Das bedeutet für mich, dass ich in meinem Alltag mit Christus in Verbindung bleibe. Dass ich IHN einbeziehe in meine Lebensvollzüge, die auch von Gegensätzen geprägt sind: Freude und Trauer, Gelingen und Scheitern, Gemeinschaft und Einsamkeit, Glaube und Zweifel (vgl. Prediger 3,7ff). Und Jesus hat uns versprochen, in allem mit dabei zu sein. Wenn mein Leben getragen ist von GLAUBE – LIEBE und HOFFNUNG dann kann sich auch bei mir die Haltung verwirklichen, die Jesus seinen Jüngern im Blick auf die Ereignisse seiner Wiederkunft vor Augen gestellt hat: „Wenn aber diese Dinge anfangen zu geschehen, so blickt auf und hebt eure Häupter empor, weil eure Erlösung naht.“ (Lk 21,28)

    Schluss

    Berührt es uns noch, wenn wir im Glaubensbekenntnis bekennen: „Von dort wird er wiederkommen zu richten die Lebenden und die Toten“? Ist das ein Thema, ein Merkpunkt in unserem Alltag und Glaubensleben? Jesus und Paulus betonen und fordern uns heraus, wachsam und vorbereitet zu sein. Wie könnte sich dieses „wachsam und vorbereitet sein“ gestalten? Dadurch dass ich nah an Jesus dran bin und dran bleibe. Dann, wenn ich zulasse, dass ER in meinem Leben gegenwärtig und präsent ist. Dann, wenn ich in meine Jesus Beziehung investieren und sie lebendig und gegenwärtig halte.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 BAUMERT, Norbert; SEEWANN, Maria-Irma: In der Gegenwart des Herrn, Übersetzung uns Auslegung des ersten und zweiten Briefes an die Thessalonicher in der Reihe „Paulus neu gelesen“. Echter Verlag, Würzburg 2014. S. 5
    2 FRIEDRICH, Gerhard: Das Neue Testament Deutsch. NTD Band 8. Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen und Zürich 199017. S. 247
    3 Vermutlich wecken Katastrophen u.ä. eher die Wachsamkeit in uns, als die trügerischen Momente, in denen alles im Lot schient und vielleicht auch ist.

    4 Hille, Rolf Dr. in: Zuversicht und Stärke. Oktober-November 2020. 2. Reihe - Heft 6. Seite 68

    5 Klaus vom Orde; Quelle nicht bekannt

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