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Predigt 1Joh 4, 16 - 21

am 3.9.2023
13. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Grenzach


Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Warum eigentlich diese Anrede? Stimmt sie überhaupt? Sind wir denn so lieb, Schwestern und Brüder, Gemeinde? Auf unsere „Liebenswürdigkeit“ befragt, was bekämen wir zur Antwort von unseren Frauen oder Männern, was würden meine Töchter dazu sagen, was der Vermieter, die Nachbarin und die KollegInnen am Arbeitsplatz oder im Verein?

„All in the name of love“ so lautet ein Lied der kanadischen Sängerin Lisa Shaw. In diesem Lied besingt sie, was alles im Namen der Liebe geschieht: „So viele Worte, so viele Lieder, Verletzungen und verkehrte Dinge – alles im Namen der Liebe.“ Was wurde nicht alles im Namen der Liebe getan, gesagt und geschrieben. Wie oft wurde nicht auch im Namen der Liebe getötet, Krieg geführt, verurteilt. „Liebe“ ist ein stark strapazierter Begriff, ein Wort, das für vieles her halten muss aber dem wir oft nicht gerecht werden. Aber sie stellt dagegen, was Liebe ist: Liebe ist voller Hoffnung und Wahrheit.1

Aber nicht nur die Sängerin Lisa Shaw stellt die Frage: Was ist Liebe? Liebe ein Thema, das sich durch alle Bereiche unsere Gesellschaft zieht, in den unterschiedlichsten Facetten und Ausprägungen, zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte.

-- Text lesen: 1. Joh 4, 16 – 21 -

„Gott ist Liebe.“ Das ist die biblische Botschaft zum Thema „Liebe“, nicht nur hier im Johannesbrief. Und wenn Menschen, wenn wir uns zu Gott halten, dann bleiben wir in dieser Liebe, so die Aussage des Johannes. Johannes stellt fest, dass sich diese Liebe nicht über uns, unseren Charakter und unser Tun definiert, sondern über unsere Gotteskindschaft, unsere Gottesbeziehung. Einer Liebe die nicht auf Gefühle gründet, die sich nicht an emotionalen Erfahrungen und romantischen Momenten festmacht, im Gegenteil. Denn schon früh wurde das Verhältnis zwischen Gott und seinen Menschen getrübt, von Zweifeln und Misstrauen beherrscht. Sie erinnern sich: „Ja sollte Gott gesagt haben?“ (1Mos 3,1). Das ist wirkliche Versuchung, dann wenn Zweifel, dann wenn Misstrauen gesät wird an der Liebe Gottes zu uns. Nichts wirkt eindringlich und gefährdet unser Vertrauen, unsere Gottesbeziehung mehr.

Und so kommt es, dass wir Menschen vor Gott auf der Flucht sind. Aber Gott lässt uns nicht einfach laufen, der menschenfreundliche Gott wird zum Menschensucher2. Und diese Menschensuche zieht sich durch die gesamte Bibel und letztlich durch die gesamte Menschheitsgeschichte, nimmt ihren Höhepunkt in jenem Schuppen bei Bethlehem und ihre Vollendung auf jenem Hügel vor Jerusalem und ihr Ziel in dem leeren Grab von Ostern.

Und dies alles, weil Gott Liebe ist und weil er uns, sie und mich, diese Welt (!) bedingungslos liebt! So sind wir Geliebte Gottes, so wie wir heute morgen hier in dieser Kirche beisammen sind, mit all dem was wir aus der letzten Woche und den vergangenen Tagen mitbringen.

Drei Gedanken dazu:

  • Gottes Liebe erkennen
  • In Gottes Liebe bleiben
  • Gottes Liebe leben
  • 1. Gottes Liebe erkennen

    „Wir haben erkannt und geglaubt“ – wörtlich heißt es „und vertraut“ so beginnen unsere Verse. Spannend finde ich die Reihenfolge: erkannt und vertraut. Am Anfang steht das erkennen - wie geht es ihnen mit diesem Begriff? An was denken sie dabei?

    Ist es ihnen ähnlich ergangen wie mir und ihnen Begriffe wie wahrnehmen, verstehen, Durchblick gewinnen oder ähnliche eingefallen sind? Gewiss haben diese Worte etwas mit erkennen zu tun. Vor allem in unserem heutigen Sprachgebrauch, in dem sehr stark die verstandesmäßige Seite von erkennen im Vordergrund steht. Im biblischen Verständnis beinhaltet der Vorgang des „erkennens“ aber eine weitere, wichtigere Dimension.

    Dort hat „erkennen“ immer auch mit „in Beziehung treten“ zu tun. So lesen wir unter anderem auf den ersten Seiten des Mosebuches davon, dass Adam seine Frau Eva erkannte und diese schwanger wurde. Das heißt doch, dass das, was zwischen diesen beiden Menschen geschah, über die bloße Wahrnehmung hinausging. Hier wurde sicherlich wahrgenommen, aber es entstanden auch Gefühle, es entwickelte sich eine Beziehung zwischen diesen beiden Menschen. Ähnliches gilt, wenn im Neuen Testament davon die Rede ist, dass wir Gott oder Jesus erkennen. Auch hier wird der Rahmen von bloßem Verstehen und wahrnehmen durchbrochen und es geht darum, dass wir mit Gott in Beziehung treten, wir uns auf ihn einlassen, weil er sich auf uns einlässt - bedingungslos.

    Denn in erkennen steckt das Wort kennen, und so ist erkennen immer auch der Vorgang, bei dem es zum kennen kommt.3 Und meistens ist damit auch eine Entscheidung und Handlung verbunden. Es geht also um weit mehr als nur um denken, ist mehr als nur der kognitive, der intellektuelle Bereich des Menschen angesprochen. Es geht um unser Menschsein als Ganzes. Es geht um ein zutiefstes Beziehungsgeschehen das nie endet, mit dem ich mein Leben lang beschäftigt sein werde. Denn Beziehung ist etwas fluides, will gestaltet und gelebt werden.

    Wenn nun in unseren Versen Johannes davon schreibt, dass er die Liebe Gottes erkannt hat, dann meint er damit auch, dass er diese Liebe, dass er Gott in seinem Leben erfahren hat. Und er geht davon aus, dass auch die Leser bzw. Hörer seines Briefes, also auch wir hier in Grenzach, diese Liebe, diesen Gott erfahren, mit ihm in Beziehung treten können.

    Die Liebe Gottes erkennen wir, wenn wir auf das leere Kreuz blicken. Wenn wir dabei mehr wahrnehmen als zwei Holzbalken, wenn wir dort sehen, dass einer für uns, für sie und mich, sein Leben gegeben hat, gestorben ist für unsere Schuld und Sünde, und dieser Eine nicht im Grab geblieben sondern auferstanden ist, dann haben wir Gottes Liebe erkannt. Dann ist er mit seinem Geist am Wirken und wir verstehen, dass uns diese Liebe ein neues Leben, ein Leben in der Gemeinschaft mit Gott ermöglicht. Und diese Liebe erreicht uns spürbar dann, wenn wir miteinander Abendmahl feiern.

    Dass wir, sie und ich Gottes Liebe erkannt und auch erfahren haben, wir in Beziehung zu unserem lebendigen Gott stehen ist letztlich Voraussetzung, Grundlage für alles Folgende.

    2. In Gottes Liebe bleiben

    Petrus hat es gepackt: „Hier ist es gut für uns, lass uns drei Hütten bauen“ (Mt 17,4 par). Haben sie das Bild vor Augen? Jesus auf dem Berg der Verklärung, sein Angesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wie das Licht und Mose und Elia erscheinen. Petrus ist Zeuge dieses Ereignisses. Für uns wohl nur schwerlich fassbar aber für Petrus der Moment, den er konservieren, den er für die Zukunft, am besten für immer und ewig festhalten möchte. Ja so ist es gut, so soll es bleiben.

    Wann hat es mich das letzte mal gepackt, die Gegenwart Gottes festzuhalten, das Erlebte in die stets griffbereite „Tupper“ einzupacken und zu hoffen, dass dieser Augenblick bleibt, nicht vorüber geht? Solche Augenblicke sind wichtig in unserem Leben, solche Momente gehören dazu, auch zu unserem Glaubensleben. Aber dieses „bleiben“ von dem Johannes hier schreibt und diese Erfahrungen sind nichts statisches sondern ein dynamischer Prozess. Solche Erfahrungen sind wie Laternen am Wegesrand, aber nur Betrunkene halten sich an ihnen fest.

    Unser Glaube, unsere Beziehung zu Gott ist, wie jede andere Beziehung, nichts statisches, nichts, was jeden Tag gleich ist und gleich bleibt sondern etwas, das im Fluss ist, das sich entwickelt – und hoffentlich auch weiterentwickelt. So meint dieses bleiben weniger konservieren und nicht verändern als vielmehr dran und in Beziehung bleiben, gestalten und sich dadurch weiterzuentwickeln.

    Drei Stichworte die Ideen geben, wie sich dieses bleiben ereignet: bleiben in der Gemeinschaft – bleiben im Wort Gottes und bleiben im Sakrament. Bleiben in der Gemeinschaft: Es liegt eine besondere Verheißung Gottes darauf, wenn sich Christen zusammenfinden („Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Mt 18,20). Dies gilt wo immer Christen zusammenkommen in Gruppen und Kreisen, im Gottesdienst, in Sitzungen des Kirchengemeinderates, beim Gemeindeausflug.

    Bleiben im Wort Gottes: Im hören, lesen und auch in der Auseinandersetzung mit der Bibel, dem offenbarten Wort Gottes bleibe ich in dieser Liebe, bleibe ich bei Gott. Über das von Menschen geschriebene Gotteswort spricht Gott zu mir, erreicht Gott mich, uns, gibt sich mir und uns zu erkennen.

    Und schließlich bleiben im Sakrament, im Abendmahl. Hier wird am sinnlichsten und intensivsten die Gegenwart Gottes erfahren und insbesondere der Aspekt hervorgehoben, dass Gott zu mir kommt und bei mir bleiben will. Und so vollzieht sich im bleiben fortwährend dynamisches Wachstum.

    3. Gottes Liebe leben

    Wenn uns Gottes Liebe erreicht, wir sie erkannt haben, wenn wir in dieser Liebe bleiben, leben und gestalten und auf die unterschiedlichsten Arten wachsen, dann wirkt sich das in unserem Leben aus. Da bleibt unser Leben, unser Alltag nicht unberührt.

    Jetzt drängt sich mir die Frage auf, worin besteht denn der Unterschied zwischen in der Liebe bleiben und Gottes Liebe leben? Ist das nicht dasselbe oder zumindest doch das gleiche? Das, was ich mit in Gottes Liebe leben meine möchte ich in diesem letzten Punkt darlegen und erläutern und so auch den Unterschied verdeutlichen.

    Ausgangspunkt nehme dabei ich dabei bei Gedanken die ich bei den Theologen N.T. Wright und Miroslav Volf gefunden habe. N.T. Wright betont, dass wir jetzt, heute hier in Grenzach im Königreich Gottes leben. Jesus ist der von Gott verheißene Messias, er ist der Christus und er hat dieses Reich errichtet. Was diesem Reich fehlt, es ist noch nicht vollendet, das steht noch aus. Aber grundsätzlich besteht dieses Reich seit Auferstehung und Himmelfahrt Jesu und alle Menschen leben darin. Uns Christen kommt dabei eine besondere Rolle zu: in dieser Welt dieses Reich sichtbar zu machen. Und an dieser Stelle greife ich die Gedanken von Miroslav Volf auf. Er sagt, die Aufgabe von uns Christen besteht darin, in unserem Leben sichtbar zu machen, was wir von dem zukünftig vollendeten Reich Gottes verstanden haben, so wie es uns in der gesamten Bibel immer wieder vorgestellt. All das, wonach wir, und mit wir meine ich jetzt nur wir Christen sondern letztlich alle Menschen, sehnen. Frieden, Gerechtigkeit, Liebe, kein Schmerz, kein Leid, kein Tod.

    In dieser Nachfolge ereignet sich Spiritualität, gestalten wir unseren Glauben. Dann wenn wir Gott und Jesus hineinnehmen in alle unsere Lebensvollzüge und uns darüber austauschen. Wenn wir darüber miteinander ins Gespräch kommen wie gehst du mit Problemen um, wie löst die Theodizee-Frage für dich. Wie gehst du damit um, wenn du die Liebe Gottes mit dem Leid und all dem schwierigen in deinem Leben, dem Scheitern und immer wieder Versagen nicht in Deckung bringen kannst. Woher beziehst du deine Antworten und Ideen zum weitermachen? Wenn sich das in unserer Nachfolge ereignet, dann leisten wir als Christen etwas, was sonst niemand in unserer Gesellschaft leisten kann.4 So kann es gelingen, dass wir unsere kommunikative Anschlussfähigkeit, ich meine Sprachfähigkeit zu den Menschen unserer Tage wieder erlange.5

    Schluss

    Geliebte Schwestern und Brüder, geliebte Gemeinde. Wir sollen lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat und er uns so zu seiner Liebe befähigt. Einer Liebe, die nicht das ihre sucht, sich nicht erbitten lässt, eine Liebe die niemanden aufgibt (1Kor 13,5 GN).

    Wir sind nicht gefordert, die ganze Welt zu lieben, es ist auch nicht unser Auftrag, alle Menschen zu retten. Aber dort zu beginnen wo wir leben, in unseren Familien und an unseren Arbeitsplätzen, in dieser Gemeinde, unseren Vereinen und so Gottes Reich sichtbar zu machen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

    1 Shaw, Lisa: CD Peace – be still; Felsenfest Musikverlag, 1997
    2 ZIMMERMANN, Friedrich: in: Lesepredigt (ohne Punkt) zum 1. Sonntag nach Trinitatis; 13.6.2004; S. 4
    3 Weidner, Ulrich: Erkennen/Erkenntnis, in: Grünzweig, Fritz (Hrsg): Biblisches Wörterbuch, R.Brockhaus Wuppertal 1985; S. 82-85
    4 HEMPELMANN, Heinzpeter Prof. Dr.; in Kirche hat keine Zukunft! (Ausgeglaubt Special mit Heinzpeter Hempelmann), ab Minute 45; https://www.reflab.ch/kirche-hat-keine-zukunft-ausgeglaubt-special-mit-heinzpeter-hempelmann/ zuletzt aufgerufen am 2.9.2023
    5 derselbe ebenda

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