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Predigt über 1. Johannes 4, 16 - 21

am 29.8.2010
 

Ort:
Evangelische Stadtmission, Lörrach


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Warum eigentlich diese Anrede? Stimmt sie überhaupt? Sind wir denn so lieb, Schwestern und Brüder, Gemeinde? Auf unsere "Liebenswürdigkeit" befragt, was bekämen wir zur Antwort von unseren Frauen oder Männern, was würden meine Töchter dazu sagen, was der Vermieter, die Nachbarin und der Kollege? Wer aber, wenn wir uns bei Licht betrachten und die Schattenseiten unseres Lebens beleuchtet werden, liebt uns denn? Was macht uns liebenswert?1

"All in the name of love" so lautet ein Lied der Sängerin Lisa Shaw. In diesem Lied beschreibt sie, was alles im Namen der Liebe geschieht: "So viele Worte, so viele Lieder, Verletzungen und verkehrte Dinge - alles im Namen der Liebe." Was wurde nicht alles im Namen der Liebe getan, gesagt und geschrieben. Wie oft wurde nicht auch im Namen der Liebe getötet, Krieg geführt, verurteilt. Und sie stellt dagegen, was Liebe ist: Liebe ist voller Hoffnung und Wahrheit.2

"Liebe" ist ein stark strapazierter Begriff, ein Wort, das für vieles her halten muss aber dem wir oft nicht gerecht werden. Und weil dem so ist, halten wir dieses Thema vielfach für banal. Haben sie sich schon einmal gefragt, wann etwas banal ist? Wenn wir eine Aufforderung zu einer Handlung hören, diese kennen und auch umsetzen, dann halten wir eine solche Aussage für weise. Handelt es sich aber um eine Aussage, die wir kennen sie jedoch nicht umsetzen, dann ist sie "banal".

Aber nicht nur die Sängerin Lisa Shaw stellt die Frage: Was ist Liebe? Liebe ein Thema, das sich durch alle Bereiche unserer Gesellschaft zieht, in den unterschiedlichsten Facetten und Ausprägungen, zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte.

- Text lesen: 1. Joh 4, 16 - 21 -

"Gott ist Liebe." Das ist die biblische Botschaft zum Thema "Liebe", nicht nur hier im Johannesbrief. Und wenn Menschen, wenn wir uns zu Gott halten, dann bleiben wir in dieser Liebe. Johannes stellt fest, dass sich diese Liebe nicht über uns, unseren Charakter und unser Tun definiert, sondern über unsere Gotteskindschaft! Einer Liebe die nicht auf Gefühle gründet, die sich nicht an emotionalen Erfahrungen und romantischen Momenten festmacht, im Gegenteil. Denn schon früh wurde das Verhältnis zwischen Gott und seinen Menschen getrübt, von Zweifeln und Misstrauen beherrscht. Sie erinnern sich: "Ja sollte Gott gesagt haben?" (1Mos 3,1). Das ist wirkliche Versuchung, dann wenn Zweifel, dann wenn Misstrauen gesät wird an der Liebe Gottes zu uns. Nichts wirkt dauerhafter und gefährdet unseren Glauben mehr.

Und so kommt es, dass wir Menschen vor Gott auf der Flucht sind. Aber Gott lässt uns nicht einfach laufen, Gott wird zum Menschensucher3. Und diese Menschensuche zieht sich durch die gesamte Bibel und letztlich durch die gesamte Menschheitsgeschichte, nimmt ihren Höhepunkt in jenem Schuppen bei Bethlehem und ihre Vollendung auf jenem Hügel vor Jerusalem und ihr Ziel in dem leeren Grab von Ostern.

Und dies alles, weil Gott Liebe ist und weil er uns, sie und mich liebt! So sind wir Geliebte von Gott, so wie wir heute morgen hier zusammen sind, mit all dem was wir aus der letzten Woche und den vergangenen Tagen mitbringen.

Wie das Thema Liebe alles andere als banal ist, drei Gedanken zum Thema:

  • Gottes Liebe erkennen
  • In Gottes Liebe bleiben
  • Gottes Liebe leben
  • 1. Gottes Liebe erkennen

    "Wir haben erkannt und geglaubt" so beginnen unsere Verse. Spannend finde ich die Reihenfolge: erkannt und geglaubt. Am Anfang steht das erkennen - wie geht es ihnen mit diesem Begriff? An was denken sie dabei?

    Gehe ich recht in der Annahme, dass es ihnen ähnlich ergangen ist wie mir und ihnen Begriffe wie wahrnehmen, verstehen, Durchblick gewinnen oder ähnliche eingefallen sind? Gewiss haben diese Worte etwas mit erkennen zu tun. Vor allem in unserem heutigen Sprachgebrauch, in dem sehr stark die verstandesmäßige Seite von erkennen im Vordergrund steht. Im biblischen Verständnis beinhaltet der Vorgang des "erkennens" eine wichtige Erweiterung.

    Dort hat "erkennen" immer auch mit "in Beziehung treten" zu tun. So lesen wir unter anderem auf den ersten Seiten des Mosebuches davon, dass Adam seine Frau Eva erkannte und diese schwanger wurde. Das heißt doch, dass das, was zwischen diesen beiden Menschen geschah, über die bloße Wahrnehmung hinaus ging. Hier wurde sicherlich wahrgenommen, aber es entstanden auch Gefühle, es entwickelte sich eine Beziehung zwischen diesen beiden Menschen. Ähnliches gilt, wenn im Neuen Testament davon die Rede ist, dass wir Gott oder seinen Sohn Jesus erkennen. Auch hier wird der Rahmen von bloßem Verstehen und wahrnehmen durchbrochen und es geht darum, dass wir mit Gott in Beziehung treten, wir uns auf ihn einlassen, weil er sich auf uns einlassen will.

    Denn in erkennen steckt das Wort kennen, und so ist erkennen immer auch der Vorgang, bei dem es zum kennen kommt.4 Und meistens ist damit auch eine Entscheidung und Handlung verbunden. Es geht also um weit mehr als nur um denken, ist mehr als nur der kognitive, der intellektuelle Bereich des Menschen angesprochen. Es geht um unser Menschsein als Ganzes.

    Wenn nun in unseren Versen Johannes davon schreibt, dass er die Liebe Gottes erkannt hat, dann meint er damit auch, dass er diese Liebe, dass er Gott in seinem Leben erfahren hat. Und er geht davon aus, dass auch die Leser seines Briefes, also auch wir hier in Lörrach, diese Liebe, diesen Gott erfahren, mit ihm in Beziehung treten können.

    Die Liebe Gottes erkennen wir, wenn wir auf das leere Kreuz blicken. Wenn wir dabei mehr wahrnehmen als zwei Holzbalken, wenn wir dort sehen, dass einer für uns, für sie und mich, sein Leben gegeben hat, gestorben ist für unsere Schuld und Sünde, und dieser Eine nicht im Grab geblieben sondern auferstanden ist, dann haben wir Gottes Liebe erkannt. Dann wenn mich dieses Geschehen nicht mehr kalt lässt sondern mir bewusst wird, da geht es um mich, da bin ich persönlich gemeint und betroffen. Erkennen im biblischen Sinn vollzieht sich nicht durch die dicke Glasscheibe die uns, sie und mich zu vermeintlich neutralen Beobachtern macht. Wir werden in dieses Geschehen hineingenommen, bleiben durch das Wirken des Heiligen Geistes niemals unberührt.

    Dass wir, sie und ich Gottes Liebe erkannt und auch erfahren haben, wir in Beziehung zu unserem lebendigen Gott stehen ist letztlich Voraussetzung, Grundlage für das Folgende:

    2. In Gottes Liebe bleiben

    Petrus hat es gepackt: "Hier ist es gut für uns, lass uns drei Hütten bauen" (Mt 17,4 par). Haben sie das Bild vor Augen? Jesus auf dem Berg der Verklärung, sein Angesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wie das Licht und Mose und Elia erscheinen. Petrus ist Zeuge dieses Ereignisses. Für uns wohl nur schwerlich fassbar aber für Petrus der Moment, den er konservieren, den er für die Zukunft, am besten für immer festhalten möchte. Ja so ist es gut, so soll es bleiben.

    Wann hat es uns das letzte mal gepackt, die Gegenwart Gottes festzuhalten, das Erlebte einzupacken und zu hoffen, dass dieser Augenblick bleibt, nicht vorüber geht? Solche Augenblicke sind wichtig in unserem Leben, solche Momente gehören dazu, auch zu unserem Glaubensleben. Aber dieses "bleiben" im biblischen Sinn von dem Johannes hier schreibt, hat neben dieser eher statischen Seite auch noch und vor allem eine dynamische.

    Unser Glaube, unsere Beziehung zu Gott ist, wie jede andere Beziehung, nichts statisches, nichts, was jeden Tag gleich ist und gleich bleibt sondern etwas, das im Fluss ist, das sich entwickelt - und hoffentlich auch weiterentwickelt. Von Luther ist überliefert5, dass gewiss ein Fünklein Gnade und Glaube zur Seligkeit genügt. Aber dass dieses Fünklein natürlich stets und über die Maßen bedroht ist, und wenn man es nur "in der Asche liegen lässt, dass nicht der Teufel kommt und einen Kübel voll Wasser darüber gießt." Dann ist es aus mit der Seligkeit. Was aber können wir tun, um in der Liebe Gottes zu bleiben?

    Drei Stichworte zum bleiben: bleiben in der Gemeinschaft - bleiben im Wort Gottes und bleiben in dem Sakrament. Bleiben in der Gemeinschaft: Es liegt eine besondere Verheißung Gottes darauf, wenn sich Christen zusammenfinden ("Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Mt 18,20). Dies gilt wo immer Christen zusammenkommen in Gruppen und Kreisen, im Gottesdienst, in Sitzungen der Gemeindeleitung, beim Gemeindeausflug.

    Bleiben im Wort Gottes: Im hören, lesen und auch in der Auseinandersetzung mit der Bibel, dem Wort Gottes bleibe ich in dieser Liebe, bleibe ich bei Gott. Über das von Menschen geschriebene Gotteswort spricht er zu mir, erreicht er mich, uns, gibt sich mir und uns zu erkennen.

    Und schließlich bleiben im Sakrament, im Abendmahl. Hier wird am sinnlichsten und intensivsten die Gegenwart Gottes erfahren und insbesondere der Aspekt hervorgehoben, dass Gott zu mir kommen und auch bei mir bleiben will.

    Ich komme noch einmal zurück zu Luther. Mit seiner Aussage vom "Fünklein" und dem "Wassereimer des Teufels" bringt er zum Ausdruck, dass Glaube und letztlich auch die Liebe etwas ist, das Wachstum angelegt ist. Aber einem Wachstum, das nichts mit dem in unseren Tagen propagierten wirtschaftlichen Wachstum zu tun hat. Denn dieses ist allein auf Quantität, auf Menge ausgelegt. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Art von Wachstumspostulat zum scheitern verurteilt ist und auf Dauer nicht funktionieren kann. Durch die Ereignisse der letzten Jahre wird dies zunehmend deutlich und führt allmählich zu einem umdenken.

    Geistliches Wachstum zielt, wenn überhaupt auf Menge, so vielmehr auf Güte, auf Qualität. Wenn unser Glaube die Güte eines Senfkornes hätte, könnten wir Berge versetzen (Mt 17,20). Wie auch immer: Es geht darum, dass wir nicht stehen bleiben, auch und vor allem nicht bei unserem Glauben und Leben als Christen.

    3. Gottes Liebe leben

    Wenn uns diese, Gottes Liebe erreicht hat, wir sie erkannt haben, wenn wir in dieser Liebe bleiben, auf die unterschiedlichsten Arten wachsen, dann wirkt sich das in unserem Leben aus. Da bleibt unser Leben, unser Alltag nicht unberührt.

    So ist es nicht verwunderlich, dass wir im Neuen Testament immer wieder davon lesen, dass das bleiben in Gott, in seiner Liebe, sich auch dann vollzieht, wenn wir Gottes Gebote halten (vgl. Joh 15,9). Denn bleiben hat, so habe ich das vorhin gesagt, nichts damit zu tun, auf der Stelle zu treten, sondern dass wir uns weiterentwickeln, auch in unserem Glauben.

    Vielleicht sträuben wir uns gegen dieses Liebesgebot, weil es nicht den Vorstellungen von Liebe unserer Tage entspricht. Heute gilt die freie Liebe, die Liebe, die selbstbestimmt ist und sich möglicherweise auch selbst definiert. Ein "Gebot" zur Liebe steht dem absolut entgegen. Liebe und "du sollst" das kann doch nicht zusammen passen.

    Im biblischen Verständnis ist dies kein Widerspruch, da der Liebesbegriff eine weitere Dimension als die rein gefühlsmäßige erfährt. Hier geht es um die Liebe, die Art und letztlich Qualität von Liebe, wie sie uns Gott selbst angedeihen lässt. Und das ist geschenkte Liebe. In dem göttlichen "du sollst" steckt auch immer das göttliche "du kannst". In dem wir Gottes Gebote ernst nehmen, sie befolgen oder immer wieder darum ringen, wie wir sie in unserem Leben und Alltag umsetzen können, bleiben wir in seiner Liebe. In diesem Bemühen werden wir immer wieder scheitern, werden sich Zweifel und Misstrauen an der Liebe Gottes einstellen, werden wir vielleicht auch fallen. Von Wintson Churchill stammt die Aussage "Hinfallen ist keine Schande, aber liegen bleiben." Ich möchte einen weiteren, einen anderen Akzent setzen: Wenn wir fallen, wie wir das vor der Predigt in einem Lied gesungen haben, dann fallen wir an Gottes Hand! Was für ein Bild!

    Schluss

    Geliebte Schwestern und Brüder, geliebte Gemeinde. Wir sollen und können lieben, weil Gott uns zuerst geliebt hat und er uns so zu seiner Liebe befähigt. Einer Liebe, die nicht das ihre sucht, sich nicht erbitten lässt, eine Liebe die niemanden aufgibt (1Kor 13,5 GN).

    Wir sind nicht gefordert, die ganze Welt zu lieben, es ist auch nicht unser Auftrag, alle Menschen zu retten. Aber dort zu beginnen wo wir leben, hier in dieser Gemeinde, in unseren Familien und an unseren Arbeitsplätzen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Obertüllingen 107
    79539 Lörrach-Tüllingen
    07621/9153229
    eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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