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Predigt über 1. Korinther 1,18-25

am 11.07.2004
5. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

In Stetten über dem schönen Lontal befindet sich ein Rittergut, das von den "Württembergischen Rittern" betreut wird. Und alljährlich Ende Juni findet dort ein Ritterturnier statt, bei dem es auch einen mittelalterlichen Markt gibt. Dieses Jahr entdeckten wir einen Stand, an dem handgemachte Kleider, Hemden, Blusen und sogenannte Blaudrucke verkauft wurden, die von einem Handwerksbetrieb in Thüringen hergestellt werden. Kurzentschlossen habe ich mir ein Hemd bestellt, das in diesen Tagen dann auch bei mir eintraf. Als ich das Paket aufmachte, hielt ich zunächst ein christliches Traktat in der Hand, dann das bestellte Hemd und dann die Rechung.

Mich hat das berührt, dass hier Menschen den Mut haben, ihren christlichen Glauben, ihre Überzeugung nach außen zu tragen damit auch andere davon erfahren. Da wird nicht vermeintlich pietätvoll hinter dem Berg gehalten, sondern Menschen nehmen den Auftrag ernst und tragen das Wort Gottes in die Welt. Dass dies nicht immer so war und ist, das wir manchmal damit Mühe haben, auch was den Inhalt unserer Verkündigung anbetrifft, davon spricht der heutige Predigttext.

- Text lesen: 1. Korinther 1, 18 - 25 -

Beim ersten mal hören wirken diese Verse holperig und nur schwer verständlich. Was uns bleibt ist meist Vers 18: "Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir errettet werden, ist es Gottes Kraft." Dass uns dieses Wort so eingängig ist liegt wohl daran, dass wir uns auf der sicheren Seite wähnen. Wir gehören ja schließlich zu denen, die errettet werden, die dafür halten dass uns das Wort vom Kreuz zur Kraft wird.

Aber dass die Sache mit dem "Wort vom Kreuz" bei weitem nicht so einfach ist, zeigen diese Verse, sonst wären sie nicht geschrieben worden. Was hat es auf sich mit diesem "Wort vom Kreuz"? In drei Gedanken möchte ich dem nachgehen:

  • 1. Das Wort vom Kreuz - Torheit und Ärgernis.
  • 2. Das Wort vom Kreuz - heute noch zeitgemäß?
  • 3. Das Wort vom Kreuz - das einzige was wir haben!
  • 1. Das Wort vom Kreuz - Torheit und Ärgernis

    Diese Zeilen sind, wie der gesamte Brief, an die damalige Gemeinde ihn Korinth gerichtet, an die Menschen, die sich dort versammelt haben, die dort Gottesdienst miteinander gefeiert und ihr Leben geteilt haben. Korinth, das hatte zur damaligen Zeit den Klang wie heute Paris, New York, London, Tokio. Korinth war Weltstadt, politisches, kulturelles und geistig-religiöses Zentrum der damaligen Welt. Dort spielte die Musik. Dort saßen die Avantgardisten und Vordenker neuer Ideen und geistiger Schulen. Dort wurde an Konzepten geschmiedet, von denen an andern Orten nicht einmal geträumt wurde. Wer etwas auf sich hielt, der ging nach Korinth um sich dort inspirieren zu lassen.

    Man fühlte sich als etwas besonderes, wähnte sich über dem Durchschnitt und mit Profanem gab man sich erst gar nicht ab. Und das Abbild dieser Stadt spiegelte sich natürlich auch in der dortigen christlichen Gemeinde wieder. Und so forderten die griechisch geprägten Gemeindemitglieder, man solle sich doch mehr Gedanken über die Weisheit machen. Wie es möglich wäre, Gott mit dem Verstand, durch kluges nachdenken und überlegen zu erkennen und in seinen Entscheidungen zu verstehen. Wer solch schöne Gedankengebäude wie Plato und Aristoteles schaffen kann, wer praktische Lebenshilfen formulieren konnte wie die Stoiker, für so jemanden müsste es doch möglich sein, Gott in seinem Wesen in seiner Allmacht zu erfassen. "Kann Gott einen Stein schaffen der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht heben kann?" Diese oder ähnliche Fragen standen dann plötzlich im Zentrum, bestimmten das Thema. Aber dienten sie wirklich dazu, Gott den Menschen verständlicher zu machen, IHN näher zu bringen? Gott mit dem Verstand erfassen und begreifen zu wollen ist ein ähnlich mühseliges und letztlich unmögliches Unterfangen, wie sich das Universum vorzustellen.

    Auf der anderen Seite standen die jüdisch geprägten Gemeindemitglieder. Aus ihrer Tradition heraus suchten sie nach Zeichen. Denn hatte sich der Gott Israels nicht immer wieder durch mächtige Zeichen zu erkennen gegeben? Hatte ER nicht den Abraham erwählt und gesegnet? Und hatte nicht ER sein Volk durch das geteilte Meer geführt und ist er nicht Mose im brennenden Dornbusch erschienen? Das ist doch ein Gott, mit dem man etwas anfangen kann, den kann man vorzeigen und der griechischen Götterwelt entgegenhalten. In solchen Taten offenbart sich doch ein Gott, dem man sich gerne anvertraut, von dem man sich Hilfe in den eigenen Nöten erwartet. So muss der Gott sein, der das Unrecht aufhebt und ihre Unterdrückung wegnimmt.

    In beide Vorstellungswelten passte Jesus nicht hinein. Dieser Mann am Kreuz, er passte weder in das eine noch in das andere Gottesbild und die damit verbundenen Vorstellungen und Erwartungen. Ein Gott der sich auf das Niveau von Menschen begibt, der leidet wie sie, was soll das für ein Gott sein? Wo offenbart sich da der starke und mächtige Gott? Nein, einen Messias der den Verbrechertod stirbt, ist unvorstellbar.

    So war das damals in Korinth - und bei uns hier?

    2. Das Wort vom Kreuz - heute noch zeitgemäß?

    Auch in unseren Tagen wird das Gemeindeleben davon bestimmt und wird heftig darum gerungen, welches wohl das richtige Thema sei. Auch wir machen uns Gedanken darüber, wie Gott denn sein müsste, wie wir ihn erkennen können und haben Vorstellungen darüber, wie ER handeln sollte.

    Da gibt es die einen die dafür halten, dass wir andere, lebendigere Gottesdienste brauchen, mit neuen, zeitgemäßen Liedern. Die intensiv darüber nachdenken, welches Gemeindekonzept denn das richtige ist. Die von Kongress zu Kongress reisen um sich mit Ideen zu befruchten um die richtige zu finden, damit Gemeinde wieder lebendig wird. Die überzeugt sind, dass Gott in der Anbetung und im Lobpreis gegenwärtig ist.

    Und dann gibt es andere, die darauf pochen, dass der Dienst am Nächsten nicht vernachlässigt wird. Dass in einer Gesellschaft, die zunehmend von sozialer Kälte geprägt sein wird, es wieder darauf ankommt, sich den Menschen anzunehmen, die an den Rand gedrängt sind. Ich höre die, welche den Blick weit über die Orts- und Landesgrenzen hinaus richten und die Menschen in den Fokus nehmen, die noch nie etwas vom Evangelium gehört haben. Denen das Ergehen der Menschen in Moldavien oder an den Ufern des Amazonas am Herzen liegt. Die darauf vertrauen, dass Gott in der tätigen Liebe gegenwärtig ist und so für andere erkenn- und erfahrbar wird.

    Und schließlich melden sich auch die zu Wort die sagen, Christen müssen sich in das gesellschaftliche Leben einmischen. Müssen sagen, wie die Misere der Wirtschaft und der Sozialsysteme behoben werden kann. Die sich dafür stark machen damit Kirche in unserer Gesellschaft wieder Stimme und Gehör hat und sie wieder zu einer prägenden Kraft wird.

    Ich gehe einmal davon aus, dass hinter all diesen Bemühungen die Absicht steht, dass Gemeinde attraktiv wird und dies allein mit dem Ziel, dass Gemeinde einladend wird für Menschen. Dass Menschen kommen, Jesus begegnen, Glauben geweckt, genährt und gestärkt wird. Fehlt diese Grundvoraussetzung, dann erübrigt sich eh alles andere, dann sind wir auch nicht Gemeinde im christlichen Sinn!

    Hier stellt sich mir die Frage, ob dies alles ausreicht, ob wir hier am Kern angelangt sind. Erinnern sie sich, was ich eingangs des Gottesdienstes gesagt habe, wo Glaube seinen Ursprung nimmt: in unserer Verkündigung (Röm 10,17). Und Verkündigung ist mehr, als nur die Predigt von der Kanzel oder die Bibelarbeit. Verkündigung ist das, was wir anderen Menschen von Jesus weitererzählen, ihnen sozusagen zu Gehör bringen. Und was Inhalt dieser Verkündigung ist, darauf kennt Paulus nur eine Antwort und das ist das Dritte und Letzte:

    3. Das Wort vom Kreuz - das einzige was wir haben!

    Halten wir, um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen zunächst einmal fest: Als Christen sind wir ebenso Teil dieser Gesellschaft und denselben Prozessen und Entwicklungen unterworfen wie jeder andere Mensch auch. Deswegen lassen uns die Dinge von denen wir Tag für Tag in den Medien lesen oder hören keine Ruhe und beschäftigen uns. Und so gehört es zum Leben eines Christen in unseren Tagen dazu, dass auch er sich Gedanken darüber macht, zumindest wenn es ihn betrifft, wie das mit den sozialen Sicherungssystemen weitergeht. Und diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben oder darum bangen werden sich natürlich wie jeder andere auch fragen, ob es mit der Wirtschaft und mit dem Arbeitsmarkt wieder aufwärts geht. Und ich halte es für wichtig und richtig, dass sich Christen auch an diesen Diskussionen beteiligen und aus ihrer Sicht nach Lösungen suchen. Dazu gäbe es einiges zu sagen, aber das ist heute nicht unser Thema.

    Und natürlich es ist wichtig, wenn wir uns Gedanken darüber machen, wie Kirche wieder zu einer gesellschaftlichen Kraft werden kann, sie wieder Gehör findet. Dazu gehört für mich die Frage nach der Attraktivität von Kirche und Gemeinde. Welchen Weg gilt es einzuschlagen und welches Konzept zu wählen? Wie können wir es erreichen auf uns aufmerksam zu machen, einladend für andere zu sein? Auch diese Themen sind wichtig und gehören zum Leben eines Christen und einer christlichen Gemeinde dazu.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Paulus liebend gerne mit uns darüber diskutieren würde, wie Gemeinde attraktiv werden oder auch bleiben kann und welches denn das richtige Gemeindekonzept dafür ist. Fußnote: Gibt es überhaupt "das richtige Konzept"? Ist es nicht vielmehr so, dass dies von Gemeinde zu Gemeinde variieren kann?

    Das Problem entsteht dann, und das hat Paulus sehr wohl erkannt, wenn wir anfangen um uns selbst zu kreisen. Dann, wenn diese Themen plötzlich im Vordergrund stehen, wenn es vor lauter gieren nach Attraktivität mehr um die Verpackung als den Inhalt geht und der Auftrag, Menschen das Evangelium zu sagen, schließlich auf der Strecke bleibt. In dieser Gefahr standen die Christen damals in Korinth und stehen auch wir. Und die Antwort die Paulus ihnen gibt ist dieselbe wie heute: "Wir predigen Christus, und den als gekreuzigt, den Juden ein Ärgernis und den Nationen eine Torheit!".

    Es ist nun einmal so, dass sich an Christus die Gemüter stoßen und die Geister scheiden, nicht an der Zahl moderner Lieder die wir im Gottesdienst singen. Das Wort vom Kreuz ist auch heute vielen ein Ärgernis und manchen ist es auch Torheit, einfach zu wenig. Und da nützen alle Konzepte nichts. Dieses Wort vom Kreuz ist das Zentrum seiner und unserer Botschaft. Die Nachricht von dem Mann aus Nazareth, der sich für uns ans Kreuz hat schlagen lassen muss auch heute im Zentrum unserer Verkündigung stehen, ist Ausgangspunkt all unserer Überlegungen. Aber ist das heute noch zeitgemäß? Können wir das überhaupt so noch sagen? Zunächst einmal gilt, dass es nicht in unsere Beliebigkeit gestellt ist, was wir verkündigen, denn wir sind Botschafter an Christi statt (2Kor 5,20)! Wir können und dürfen uns den Inhalt unserer Verkündigung nicht aussuchen (vgl. Rö 16,17; Gal 1,8f)

    Wenn Paulus sagt, dass "wir Christus predigen, und den als gekreuzigt", dann meint er damit, dass wir den ganzen Christus verkündigen. Nicht nur den Christus, der Wunder vollbracht, Kranke geheilt und mit seiner Redegewandtheit die Gelehrten seiner Zeit entmachtet hat. Nicht nur den Christus, der sich gut vorzeigen lässt, mit dem wir Eindruck schinden können, sondern vor allem den Christus, der am Kreuz für uns, für sie und mich gestorben ist. Und obwohl dieses Wort von dem gekreuzigten Christus heute ebenso ein Ärgernis und eine Torheit wie zu Zeiten des Apostels Paulus ist, muss dieses Wort gesagt werden, damit Menschen gerettet werden. Dieses Wort vom Kreuz ist ein Ärgernis weil es mich auch mit meiner Schuld konfrontiert und mir klar macht, ich bin auf Hilfe angewiesen. Menschen müssen erfahren, dass sie von Gott getrennt, dass sie verloren sind. Aber sie müssen auch hören, dass und wie sie Versöhnung mit Gott erlangen. Auch heute geht es allein um diesen Christus, der dort am Kreuz sein Leben für jeden für uns gelassen hat. Und mit diesem Wort vom Kreuz einher geht die Botschaft vom leeren Grab. Dass der, der meine Sünde besiegt hat, auch den Tod besiegt hat und mir neues Leben und eine neue Hoffnung und Perspektive geschenkt hat.

    In der Verkündigung vom Kreuz kommt zum Ausdruck, dass uns Gott ganz nahe gekommen ist. Im Wort vom Kreuz sagen wir, dass Gott sich nicht scheut, in die Niedrigkeiten unseres Menschseins einzusteigen. Gott schaut nicht weg, wenn wir leiden, wenn wir zerrissen sind und uns von Gott verlassen fühlen. Gott ist da, in meinen Sorgen, Ängsten und Nöten, in meinen Zweifeln und meiner Gottverlassenheit.

    Schluss

    Dieses Wort vom Kreuz muss gesagt werden, weil Evangelium nicht nur, wenn überhaupt, theoretische Lehre sondern ein wirksames Rettungsangebot Gottes ist. Es muss gesagt werden, weil es die Kraft Gottes zur Rettung für alle ist, die daran glauben (Rö 1,16; vgl. Jes 53,1). Es muss gesagt werden weil durch die Verkündigung dieses Wortes Glauben entsteht, genährt und gefestigt wird. Es muss gesagt werden, weil durch dieses Kreuz unsere, ihre und meine Schuld getilgt ist. Es muss gesagt werden, weil mir in diesem Wort eine Perspektive gegeben ist, die über alles irdische und über den Tod hinausreicht und wir dadurch das Rückrat erhalten, um uns an den Diskussionen über die Themen unserer Tage, sowohl in Gesellschaft wie auch Gemeinde, zu beteiligen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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