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Predigt über 1. Korinther 6, 9-14.18-20

am 06.08.2006
8. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Es ist nun schon wieder einige Wochen her, da haben wir sie – ich zumindest – mit vielen hunderttausend anderen besungen: die Freiheit. Die Freiheit als des Glückes Unterpfand in dem Deutschland blühen soll.

Freiheit – eines der wichtigsten Güter der Menschheit. In unserem Grundgesetz bereits im ersten Artikel verankert: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und ich denke mit dieser Würde einher geht auch die Freiheit des Menschen. Was wurde nicht alles dafür unternommen, um Freiheit zu erlangen. Wie viele Kriege wurden im Namen der Freiheit geführt und wie viele Menschen mussten dabei ihr Leben lassen? Wie weit kann, darf Freiheit gehen?

Auch in unseren Tagen wird die Freiheit propagiert, vor allem auch in der Werbung. Die Frage ist: sind wir wirklich frei und kann es eine grenzenlose Freiheit geben? Wie frei ein Raucher ist wird er spätestens dann merken, wenn er versucht, von seiner Sucht loszukommen. Und auch das Grundgesetz, in dem die Freiheit wie bereits gesagt an oberster / erster Stelle steht, sagt nein. Dann nämlich, wenn die Freiheitsrechte anderer betroffen sind ist Schluss mit grenzenloser Freiheit.

Aber wir sind heute morgen ja nicht in einem Rechtsseminar sondern in einem Gottesdienst und es stellt sich die Frage, was hat Freiheit mit uns zu tun, mit mir und meinem Christ sein? Bin ich frei und was fange ich mit dieser Freiheit an? Was mache ich daraus? Diese Fragen zeigen, Freiheit ist nicht nur ein Thema für Staats- oder Völkerrechtler, sondern ein Thema mit dem auch Christen immer wieder konfrontiert werden. Und dies meist nicht nur in theoretischer Form, sondern in ganz praktischen und alltäglichen Dingen. Nicht von ungefähr verfasste Luther seine Schrift von der „Freiheit eines Christenmenschen“. Und bereits viele Jahrhunderte zuvor sah sich der Apostel Paulus veranlasst, zu diesem Thema Stellung zu beziehen:

- Text lesen: 1. Korinther 6, 9 – 14. 18 – 20 -

Was Paulus zu Beginn dieses Abschnittes anspricht und für unser Verständnis in hohem Maße ungeheuerlich ist, das war im damaligen Korinth gang und gäbe, es war akzeptiert und man sah in diesen Praktiken überhaupt nichts anstößiges oder verwerfliches. Es war normal und gehörte dazu, dass man Götzenopferfleisch aß oder sich mit Prostituierten vergnügte. Schließlich stand in Korinth der Akrokorinthos, ein Tempel der Liebesgöttin Aphrodite. Und an die 1000 Liebesdienerinnen hielten sich dort bereit, um mit den männlichen Besuchern zu Ehren der Liebesgöttin zu „korinthern“, wie man damals zu sagen pflegte.

Gestützt wurde dieser Lebenswandel durch die in der griechischen Philosophie beheimatete Auffassung, dass Leib und Seele getrennt sind, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat und es letztlich nur darauf ankommt, dass die Seele unbeschadet bleibt und gerettet wird. Allein entscheidend war, dass für das Seelenheil Sorge getragen wird, was ich mit meinem Körper mache, spielt keine Rolle, hat keine Auswirkung auf die Beziehung zu den Göttern.

Diese Vorstellung entgegen steht das biblische Menschenbild von der Einheit des Menschen. Der Mensch kann nicht auseinanderdividiert werden, er ist mehr als die Summe seiner physiologischen Einzelteile. Wesentliches Merkmal des Mensch seins ist auch seine Leiblichkeit. Und oft wird in der Bibel Leib synonym für Leben gebraucht. Ohne Leib ist kein Leben möglich, das merken wir allein schon dann, wenn ein Leib nicht so geworden ist oder so funktioniert wie er es sollte. Stirbt der Leib, stirbt der Mensch. Aber dieser Leib mit seinen Organen, mit all seiner Unvollkommenheit und Schwachstellen ist uns von Gott gegeben und anvertraut. Mit ihm treten wir mit Gott in Kontakt: mit unserem Herz, mit unseren Ohren und unserem Mund.

Und so bezieht Paulus unmissverständlich Position und sagt, was ich mit und in meinem Leib mache hat sehr wohl Auswirkungen auf meine Beziehung zu Gott. Da gibt es Verhaltensweisen und Praktiken durch die diese Beziehung gefördert und gestärkt wird, aber es gibt auch solche, die nicht zu einem Leben mit Gott passen.

Meines Erachtens stellt Paulus hier keinen absoluten Katalog für falsche Verhaltensweisen auf, so etwas wäre müßig. Denn er wusste sehr wohl, dass es eine Grauzone gab und gibt. eine Grauzone, in der dem einen schon etwas als anstößig gilt worüber sich sein Nachbar noch lange kein schlechtes Gewissen machte (vgl. Rö 14,1ff. 15,1ff). Deshalb geht es an dieser Stelle auch nicht um eine Moralpredigt, um Detailfragen und auch nicht um eine Diskussion über Homosexualität und andere sexuellen Praktiken. Paulus will vielmehr wachrütteln weil es Dinge, Verhaltensweisen gibt, die von Gott trennen, von einer Teilhabe am Reich Gottes ausschließen. Er will uns, sie und mich sensibilisieren für die Frage, wie sieht mein Lebensstil aus? Gibt es nicht auch in meinem Leben Dinge, die ich für normal halte und durchaus auch in unseren Tagen für normal gelten, die aber vom Reich Gottes ausschließen? Wie gestalte ich mein Leben und wie lebe ich mein Christ sein außerhalb dieser Kirchenmauern? Wann haben sie sich das letzte mal diese Frage gestellt?

Paulus geht es vielmehr um die Konsequenzen, darum, dass nicht jeder Mensch automatisch gerettet ist und in sein eigenes Belieben gestellt ist was er tut. Dieses abgeschnitten sein vom Reich Gottes kann nicht vom Menschen aus überwunden werden sondern ruft Gottes handeln hervor. Es ist dreierlei, was Paulus den Korinthern und uns heute in Erinnerung ruft, was wir durch Gottes handeln sind:

  • befreite Menschen
  • geheiligte Menschen
  • gerechtfertigte Menschen
  • 1. Wir sind befreite Menschen

    Zunächst einmal Paulus stellt unmissverständlich klar, dass das Reich Gottes Grenzen hat und der auch bei uns gern gesungene Schlager „wir kommen alle in den Himmel“ so nicht gilt. Es gibt Umstände die ausschließen, in das Reich Gottes zu kommen, Erbe desselbigen zu werden. Paulus benennt einige solcher Verhaltensweisen, Praktiken und Lebensformen beispielhaft, wobei es solche gibt, die präzise und klar benannt werden können du andere, bei denen es wie gesagt eine Grauzone gibt.

    Und einiges von dem Aufgezählten wurde auch von Gliedern der korinthischen Gemeinde praktiziert und die Konsequenz auch für sie war, dass sie von der Teilhabe am Reich Gottes ausgeschlossen waren. Paulus macht das rhetorisch geschickt. Er sagt nicht „alle“ sondern „manche“ von euch sind so gewesen oder haben das gemacht. Das erlaubt es dem einzelnen, dem Hörer, ihnen und mir sich selbst zu hinterfragen und zu prüfen, wo bin ich angesprochen, was trifft auf mich zu. Und wenn wir ehrlich sind, finden wir uns wohl alle darin wieder. Paulus führt uns so unmissverständlich vor Augen, dass jeder Mensch von Geburt von Gott getrennt ist und von sich aus diese Trennung nicht überwinden kann. Wir sind gefangen in der Sünde und können nur von außen befreit werden. Und so ruft

    Paulus den Korinthern und uns in Erinnerung, dass Gott unser Leben bereinigt hat, dass ER uns abgewaschen und befreit hat. Paulus sagt, in dem Augenblick, da jemand Christ geworden ist, wird – ich sage das jetzt durchaus herausfordernd und spitz – alles anders, wird er gereinigt. Das alte Leben und vor allem das, was ihn von Gott trennt, wird abgewaschen, es zählt nicht mehr, es ist nicht mehr da (alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres Micha 7,19). Ein neues Leben im Sinne einer Neuschöpfung (so der genaue Wortlaut in 2Kor 5,17) ist entstanden. Im Leben, Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu wird uns dieses neue Leben geschenkt. Dadurch sind wir befreit zu einem neuen Leben, zu neuen Verhaltensmustern. Wir haben die Freiheit nein zu sagen zum Zeitgeist und haben die Freiheit das zu tun und zu leben, was uns von Gott her wichtig und richtig erscheint. Unser Wert bemisst sich nicht mehr daran, dass wir dem Zeitgeist leben sondern dass wir uns von Gott geliebt und angenommen wissen. Das ist eine Einladung an diejenigen, die diese Erfahrung noch nicht gemacht haben, an diejenigen die noch draußen stehen.

    2. Wir sind geheiligte Menschen

    Paulus spricht in diesen Versen vor allem zu denen, die sich bereits haben herausrufen lassen und sich als Gemeinde versammeln, also auch zu uns. Und dabei spricht er das Dilemma an, dass einige in der Versuchung standen, in den alten Lebenswandel zurückzufallen. Er mahnt diejenigen die leichtfertig meinen, als Christ kann ich doch immer wie- der auf die Vergebung zurückgreifen, wenn ich wieder schmutzig werde, wird mich Gott schon wieder rein waschen. Selbstverständlich kann ich, wenn ich schuldig geworden bin zu Gott kommen und seine Vergebung in Anspruch nehmen. Das tun wir in diesem Got- tesdienst in besonderer Weise, wenn wir nachher das Abendmahl zusammen feiern. Daran rührt Paulus auch nicht. Aber er ruft uns in diesem Zusammenhang ein Zweites in Erin- nerung: Ihr seid nicht nur abgewaschen, ihr seid auch geheiligt!

    Das ist natürlich ein gewaltiger Anspruch der hier formuliert wird. Paulus unterstreicht damit, es geht nicht nur um das was in der Vergangenheit war, dass Gott unsere Schuld bereinigt hat sondern der Blick wird auch in die Zukunft gerichtet. Denn was heißt geheiligt sein? Geheiligt heißt ausgesondert zum Dienst für Gott oder sagen wir es etwas einfacher, zu einem Leben mit und für Gott. Wenn ich mich auf Jesus einlasse und mich an IHN binde, dann werde ich auch eins mit IHM. Und damit wird auch klar, dass meine Lebensführung nicht mehr allein in meiner Beliebigkeit steht. Im Prinzip bringt Paulus hier die beiden Pole Rechtfertigung und Heiligung zusammen.

    Die Anweisung, die uns Paulus hier auf den Weg gibt, wie ein solch „geheiligtes“ Leben aussehen kann ist ebenso einfach wie genial: mir ist alles erlaubt, aber ich habe die Freiheit, über den Dingen zu stehen (v. 12; oder an anderer Stelle: mir ist alles erlaubt, aber es ist mir nicht alles nützlich ). Mit dieser Anweisung, Regel, die universal ist kommt auch zum Ausdruck, dass ich in meinem Mensch sein, in meiner Würde als Kind Gottes ernst genommen werde. Paulus traut uns eine Mündigkeit zu!

    Die Richtschnur für mein Handeln ergibt sich nicht aus dem „das darfst du“ und „das darfst du nicht“ sondern allein aus der Frage, was nützt mir. Was nützt mir in dem Sinne, was mich in meinem Glauben, in meiner Nachfolge weiter bringt und welches Zeugnis ich durch mein Verhalten ablege. Trage ich dazu bei, dass Reich Gottes gebaut wird und wächst oder geht es mir nur um den eigenen Vorteil? Lassen wir uns herausfordern und als geheiligte Menschen leben, an den Plätzen, an die Gott uns gestellt hat. Und so komme ich zum Dritten und Letzten:

    3. Wir sind gerechtfertigte Menschen

    All das ist nicht immer einfach und es bläst uns manchmal ganz gehörig der Wind entgegen. Darum braucht es eine Basis, auf die wir uns immer wieder zurückziehen und auf die wir aufbauen können, und das ist dieser letzte Punkt. Christen sind Gerechtfertigte, sind Menschen in denen der Geist Gottes wohnt. Wann haben sie sich das zum letzen mal klar gemacht und ins Bewusstsein gerufen dass sie dazu berufen sind, ein Tempel des heiligen Geistes zu sein? Weil dies so ist, Gott das so gemacht hat, wir gerechtfertigt sind und dieser Geist in uns wohnt, darum sollen und können wir als Kinder des Lichts leben!

    Unser Körper ein Tempel des dreieinigen Gottes – welch ein Kontrast zu der von einem griechischen Denker geäußerten Ansicht, „der Leib sei ein Grab“. In diesem Tempel ist Gott anzutreffen, hier wohnt er (Joh 14,23; 1Kor 3,16). Und so soll mit allem was wir tun Gott gelobt werden.

    Gewiss wird es immer wieder Situationen geben in denen wir uns fragen, ob das überhaupt sein kann. Tage an denen wir übermächtig unser Unvermögen und unsere Unzulänglichkeit erleben. Tage an denen uns vorgeworfen wird, so lebt doch kein Christ. Gerade dann sind diese Verse für uns wichtig! Denn hier wird nicht eine Aufforderung, ein Befehl formuliert, sondern eine Feststellung getroffen: du bist abgewaschen, du bist geheiligt und du bist gerechtfertigt.

    Gerechtfertigt zu sein das heißt ist etwas anderes als perfekt zu sein – oft wird das verwechselt bzw. so gesehen. Gerechtfertigt zu sein bedeutet, wir müssen uns nicht selbst gerecht machen, müssen uns das nicht selbst erarbeiten oder verdienen. Gott hat alles dafür getan, dass wir ihm recht sind, dass es so ist und ER sieht uns auch als solche an. Warum also maßen wir uns dann an, dies immer wieder in Abrede zu stellen und uns klein zu reden? Paulus macht deutlich, Gott hat uns gerecht gemacht und hat so eine neue Basis für unser Leben geschaffen auf die wir aufbauen können.

    Schluss

    Mit diesen Versen aus seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth ruft Paulus uns ins Bewusstsein, dass Gottes Reich ist nicht grenzenlos und jeder ist schon drin ist. Zunächst einmal ist der Mensch davon ausgeschlossen, von Gott getrennt, nicht Erbe. Aber Gott überwindet diese Trennung, macht uns, macht sie und mich zu Erben seines Reiches und ruft uns in die Nachfolge seines Sohnes.

    Gott selbst handelt an uns. Das möchte Paulus uns heute mit auf den Weg geben, merkt euch diese drei Tatsachen gut, wenn sich die Kirchentüre hinter euch schließt und ihr wieder hinausgeht in diese Welt:

  • ihr seid befreite Menschen,
  • ihr seid geheiligte Menschen und
  • ihr seid gerechtfertigte Menschen
  • und lebt als solche!

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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