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Predigten

Predigt über 1. Korinther 7, 29-31

am 04./05.11.2000
20. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Staufen / Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

In der Volkswirtschaftslehre hat man lange Zeit von knappen und freien Gütern gesprochen. Unter knappen Gütern wurde all das verstanden, was produziert werden mußte und gewisse Rohstoffe, die zuerst gefördert oder abgebaut werden mußten bevor sie in den Produktionsprozeß kamen.

Dagegen sprach man von freien Gütern bei all dem, was scheinbar im Überfluß vorhanden war: Wasser, Luft, Boden. So etwa um die Mitte der 80-er Jahre hat dann auf breiter Basis ein Umdenken stattgefunden. Man hat erkannt, daß auch Wasser und Luft nicht in unbegrenzten Maß zur Verfügung stehen, sondern es sich dabei auch um knappe Güter handelt. Allerdings hat man bis heute noch keinen Ansatz gefunden, wie diese Faktoren im Produktionsprozeß zu bewerten sind. Was ist ein Kubikmeter saubere Luft wert? Vielleicht der Gegenwert den man einsetzen muß, um diese Menge, wenn sie verschmutzt ist, wieder zu reinigen?

Knappe Güter: Wasser, Luft und Boden. Güter, die uns nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Aber es gibt noch ein weiteres knappes Gut, das allerdings bei ökonomischen und ökologischen Überlegungen so gut wie keine Beachtung findet: die Zeit. In der Bibel, altes wie neues Testament, finden wir dagegen einiges zum Thema Zeit zu lesen, so zum Beispiel in Psalm 90: "So lehre ‹uns› denn (richtig) zählen unsere Tage, damit wir ein weises Herz erlangen." oder nach Luther: "Lehre uns bedenken daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden."

Auch für Paulus war Zeit, ihre Bedeutung und der Umgang mit ihr, immer wieder Thema. So auch in unseren heutigen Versen zur Predigt:

- Text lesen: 1. Korinther 7, 29-31 -

"Die Zeit ist begrenzt", dieser Feststellung können wir noch folgen und ihr zustimmen. Den Konsequenzen aber, die Paulus daraus ableitet und den Menschen in Korinth ans Herz legt, damit haben sicherlich die meisten von uns ihre Mühe. Die Radikalität, für Paulus typisch, läßt uns zurücksckrecken.

Wenn wir dem zustimmen, daß die Zeit, unsere Zeit begrenzt ist, werden wir nicht umhin kommen, auch über Konsequenzen nachzudenken, die sich daraus ergeben. Und was zunächst so radikal wirkt, hat durchaus seine Richtigkeit.

Die Aussagen, die Paulus in diesen Versen trifft, möchte ich in folgenden Gedanken etwas vertiefen und etwas näher darauf eingehen, welche Konsequenzen der Umgang mit einem knappen Gut hat:

    Vom Umgang mit der Zeit, mit unserer Zeit

    Was bestimmt unsere Zeit (Zeitplan)?

    Was bleibt? - Vom Ziel her leben

1. Vom Umgang mit der Zeit, unserer Zeit

Was kann man mit Zeit nicht alles machen: Man kann Zeit ausnutzen, verlieren, auskaufen - Zeit kaufen - Zeit ist Geld? Man kann sie auch totschlagen, denn mit jeder Minute die (ungenützt) verstreicht, bekommt man immer ein Stückchen Leben genommen. Zeit kann man anderen stehlen, verplanen, haben oder nicht haben. Die Zeit kommt und geht, oder sie drängt uns, sie ist begrenzt und uns gelegen oder nicht gelegen.

Unsere Zeit läuft ab! Die heutigen Uhren, ob digital oder analog suggerieren uns ja etwas anders: Zeit ist unbegrenzt, fängt immer wieder von vorne an, der Zeiger dreht sich scheinbar ewig im Kreis. Aber dem ist nicht so. Zeit steht uns nicht unbegrenzt zur Verfügung, sie läuft ab. Das können wir förmlich sehen, wenn wir unseren Blick auf eine solche Sanduhr richten.

Damit wir die Zeit in den Griff bekommen, haben findige Menschen Zeitplanmanagementsysteme entwickelt, die uns helfen sollen, unsere Zeit besser zu planen oder zu verplanen. Da lernt man im "Eisenhower-Prinzip" wichtiges von dringendem zu unterscheiden, wie man eine Prioritätenliste erstellt und wie Prioritäten gesetzt werden.

Wir könnten uns sicherlich trefflich darüber streiten, ob solche Planungsinstrumente nun sinnvoll sind oder nicht, ob sie wirklich dazu beitragen und uns helfen besser mit unserer Zeit umzugehen oder sie uns nicht nur die Zeit stehlen. Ob wir unsere Zeit allerdings sinnvoll oder weniger sinnvoll planen, das liegt ganz allein an uns, davon, was wir, ich für das wesentliche halte. Und was für mich wichtig ist, hängt von meinen Zielen ab.

Wenn unsere Zeit begrenzt ist, sie abläuft ohne daß wir darauf Einfluß nehmen können, wir auch nicht wissen, wieviel Zeit wir (noch) zur Verfügung haben, dann sollten wir uns fragen, was unsere Zeit, unseren Zeitplan bestimmt.

2. Was bestimmt meine Zeit?

Ich gebe zu, daß es im Leben Situationen gibt, in denen wir von außen einen Zeitplan, einen Termin "aufgedrückt" bekommen. Im Bereich des beruflichen Umfeldes ist diese Situation sicherlich am häufigsten anzutreffen und wohl auch unvermeidlich. Wir erleben dies vielleicht nicht so drastisch, weil wir die Zeit für unsere Arbeit eh schon verplant und abgeschrieben haben. Aber auch im privaten Umfeld können Ereignisse einfach einen Eintrag in unseren "Terminplaner" machen und anderes verdrängen oder hintenan stellen, zum Beispiel dann, wenn ein Kind auf die Welt kommt. In solchen Situationen muß alles andere warten, die Reihenfolge der Ereignisse wird neu festgelegt.

Trotz alledem steht uns wohl der größte Teil unsere Zeit zur "freien" Verfügung und ich kann bestimmen, was damit geschehen soll. Es hängt an mir, wie und mit was ich diese Zeit gestalte, für wen und was ich sie verbrauche. Und wenn ich sage von mir, dann bedeutet dies letztlich von dem, was ich mir in meinem Leben als Ziel gesteckt habe, von meinem Lebensziel also.

Ziele, so sagen die Zeitmanagementfreaks, sind für eine gute und effiziente Zeitplanung unabdingbar. Zeitmanagement ohne Ziele ist sinnlos. Sie ermöglichen es mir, meine Zeit richtig zu planen und helfen mir, das wichtige vom dringenden zu unterscheiden. Das wichtige hat immer oberste Priorität, es gibt die Richtung vor. Es geht darum, den Blick für das Wesentliche zu bekommen, und das nicht nur für einen Tag oder eine Woche, sondern für das ganze Leben. Was ist mein, ihr Lebensziel, haben sie überhaupt eines?

Paulus hat seine Prioritäten gesetzt. Für ihn war die Zeit knapp. Immer wieder ermahnt und fordert er seine Leser dazu auf, die Zeit auszunutzen. Ihm war klar, Zeit steht nicht unbegrenzt zur Verfügung, und schon gar nicht der kairos, die "günstige" Zeit. Diesen Ausdruck gebraucht Paulus an dieser Stelle um insbesondere zum Ausdruck zu bringen, daß es sich um eine besondere Zeit, eine besonders günstige Zeit handelt. Eine Zeit die wir dafür nützen können, um sie in der Gegenwart unseres Gottes zu verbringen, mit ihm und seinem Sohn Gemeinschaft zu haben und anderen davon zu erzählen, sie einzuladen, auch diese Gemeinschaft zu suchen

Besonders Zeiten, in denen wir uns frei und unbefangen unserer Berufung widmen und vom Evangelium erzählen können, sind besonders rar. Wissen sie noch, wann dies bei ihnen der Fall war, wann sie "günstige" Zeit hatten ob sie diese dann auch genutzt haben?

Daß Menschen ihr himmlische Berufung erkennen und diese auch Leben, steht für Paulus immer im Mittelpunkt. Ist diese Berufung erkannt und wird sie im täglichen Leben umgesetzt, dann wird nahezu automatisch alles andere daran gemessen und hat sich alles daran zu orientieren. Es wird neu festgelegt was wichtig ist und die Prioritäten unsere Zeitplanung neu gesetzt. Das drückt Paulus in diesen Versen sehr drastisch aus: "... daß künftig die, die Frauen haben seien, als hätten sie keine, und die Kaufenden, als behielten sie es nicht ..." Das sind ja alles keine Nebensächlichkeiten die er hier nennt, und dennoch sollen sie für uns nicht zum wichtigen werden.

Die Zeit, unsere Zeit ist begrenzt, im grundsätzlichen und besonders für die Verkündigung des Evangeliums, und darum soll sie genutzt werden. Nicht weltfremd und zurückgezogen, sondern mit viel Phantasie und einem Herz für das Evangelium und dessen Verbreitung. Es geht darum, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen und ihn dann auch zu nutzen, das heißt dann, alles andere zurückzustellen und das wichtige zuerst zu tun!

3. Was bleibt?

Die Zeit ist begrenzt und die Gestalt dieser Welt vergeht. Die zweite Vorstellung ist ein Gedanke, eine Vorstellung, mit der ich mich nur sehr schwer anfreunden kann. Zu sehr hängt mein Herz an dieser Schöpfung, an den Schönheiten und Faszinationen, die sie hervorbringt. Es ist nun schon einige Jahre her, daß wir in einem Bibelkreis einmal herzhaft um Frage gerungen haben, inwieweit es Aufgabe von uns Christen ist, uns für Umweltschutz und für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Und inmitten dieser Diskussion viel die Aussage: "diese Welt ist eine vergängliche!" Erstaunt hielten wir in der Diskussion inne, eine völlig neue Perspektive tauchte da auf. Eine die nicht von der Hand zu weisen war, aber auch eine, die nicht dazu berechtigte im Blick auf Umweltschutz die Hände in den Schoß zu legen, darüber waren wir uns damals einig.

Wenn Paulus hier von der Vergänglichkeit spricht, dann hat er nicht nur die äußere Gestalt dieser Welt im Blick, sondern dann geht es ihm auch um die Wertmaßstäbe in dieser Welt. Dann macht er deutlich, daß Gott andere Maßstäbe hat und daß anderes Bestand haben wird als wir vermeintlich meinen, auch wenn es schmerzt. "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werde nicht vergehen." so sagt es Jesus zu seinen Jüngern (Mt 24, 35). Oder an anderer Stelle: "Baut euer Haus nicht auf Sand, sondern auf den Fels". An diesen zwei beispielhaften Zitaten, es gäbe noch etliche andere, erkenne ich die Mahnung Jesu an seine Leute, gut zu überlegen worauf sie, wir unser Leben aufbauen. Was erwarten wir von der Zukunft, worauf setzen wir?. Auf die rasch steigenden Aktienkurse mancher Unternehmen an der Börse oder auf meine Lebensversicherung? Verstehen sie mich bitte jetzt nicht falsch. Auch ich mache mir Gedanken über meine materielle Altersversorgung und was ich dazu tun kann. Aber eines muß dabei klar sein: mit dem was letztlich Bestand haben und bleiben wird, hat dies nichts zu tun.

Wenn wir uns damit auseinandersetzen, was bleibt, dann werden wir uns unweigerlich die Frage stellen müssen, worauf setze ich, was ist mir wichtig? Jesus mahnt uns, auf bleibende Werte zu setzen wenn er uns auffordert "Schätze im Himmel zu sammeln, wo weder die Motten noch der Rost sie fressen werden" (Mt 6,20). Zum Schätze sammeln wie es Jesus meint gehört sicherlich auch dies: "Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit...". Das sind die Dinge, die bleiben werden, über diese Welt hinaus.

Schluß

In diesem Gottesdienst gedenken wir auch des Reformationstages am 31.10. Martin Luther kannte wahrscheinlich noch keine Zeitplansysteme. Aber eines wußte er: daß Zeit begrenzt war und es darum ging, diese für die wichtigen Dinge einzusetzen.

Und so schließt sich für mich an dieser Stelle der Kreis. Bei knappen Ressourcen kommt es entscheidend darauf an, sie richtig einzusetzen. Und so verstehe ich die Mahnung des Apostels Paulus auch dahingehend, daß wir unsere Zeit für die bleibenden Dinge einsetzen. Paulus war hauptberuflich Missionar, hat sein ganzes Leben dieser Aufgabe verschrieben. Er hatte auch keine Familie derer er sich widmen mußte. Der Alltagshorizont der meisten von uns sieht anders aus als bei Paulus. Aber gerade deswegen sollten wir uns wohl überlegen, wie wir mit unserer Zeit umgehen, wofür wir sie einsetzen und welchen Teil wir für die bleibenden Dinge verbrauchen. Sorgen wir auch dafür, daß wir ausreichend "geistliche Nahrung" bekommen, daß wir uns "Schätze im Himmel sammeln" und dabei andere auf diesen Weg mitnehmen? Hat das Wichtige Priorität in unserem Leben oder lassen wir uns vom Dringlichen in Beschlag nehmen?

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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