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Predigt über 1. Korintherbrief 9, 24-27

am 08.02.1998 - Sonntag Septuagesimae

Ort: Neuenburg


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Seit gestern ist es wieder soweit. Im japanischen Nagano wetteifern hunderte von Sportlern um olympische Ehren. Was wir dabei zu sehen bekommen, ist aber letztlich nur die Spitze der seit Wochen und Monaten andauernden Vorbereitung der Athleten. Unzählige Trainingsstunden voller Entbehrung sind vergangen und vielleicht ist dem einen oder anderen dabei die Hoffnung und Lust auf eine Medaille ebenfalls vergangen. Das Motto „dabei sein ist alles“ zählt wohl nur noch für eine Randgruppe, denn zwischenzeitlich heißt es „ schneller - höher - weiter“ damit sich das olympische Motto der Funktionäre erfühlt „Umsatz - Umsatz - Umsatz“.

Wie dem auch sei, und wie wir persönlich zu diesem Sport- und letztlich Wirtschaftsereignis stehen, hat doch der Sport für uns Christen eine wichtige Funktion. - Glauben sie mir nicht? Dann lese ich ihnen nun einige Verse aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die korinthische Gemeinde.

- Text lesen: 1. Kor 9, 24-27

Schon Paulus hat den Christen damals in Korinth den Sport in einer Bildfunktion vor Augen gehalten. Er hat wohl dieses Bild gewählt, weil den Korinthern sportliche Großereignisse durchaus bekannt waren. Konkreter Hintergrund waren nicht die olympischen Spiele, sondern die isthmischen Spiele, die damals in Korinth stattgefunden haben und mit denen in Olymp durchaus vergleichbar waren. Dieses Bild hat über all die Jahrhunderte nichts von seiner Aussagekraft verloren.

Damals wendet sich Paulus mit diesem Bild an eine Gemeinde, die alles andere als eine Vorzeigegemeinde á la Willow Creek war. In Korinth lief damals wohl so ziemlich alles durcheinander, was nur durcheinanderlaufen konnte. Es fehlte an einer klaren Linie, einem klaren Konzept. Die Einstellung zur Gemeinde und zum Reich Gottes von vielen entsprach dem oylmpischen Prinzip von „dabei sein ist alles“! So tröstlich dieses Motto immer wieder ist, bezogen auf unser Leben und Lebensziel trifft es allerdings nicht zu. Paulus gebraucht das Bild vom Wettkampf um gerade diesem Motto zu widersprechen und um sein Anliegen den Korinthern damals, und uns heute näher zu bringen und zu veranschaulichen.

Drei Aspekte sind es, die ich aus diesem Bild herausgreifen möchte:

1. Als Christ leben bedeutet immer auch Kampf.
2. Als Christ leben als heißt immer auch Verzicht.
3. Als Christ leben - das Ziel nicht aus den Augen verlieren

Zum Ersten:

1. Als Christ leben bedeutet immer auch Kampf

Zunächst habe ich mich etwas gescheut, diesen Begriff zu verwenden. Wörtlich schreibt Paulus „Wettkämpfer sein“. Er bleibt also näher an dem Bild aus dem Bereich des Sports. Gescheut habe ich diesen Begriff aus dem Grund, weil Christen oft in der Versuchung stehen, diesen Begriff falsch zu verstehen, und dies in zweierlei Hinsicht.

Zum einen, weil wir uns oft als Märtyrer verstehen, die von der „bösen“ Welt immer nur Schmach und Spott erdulden müssen. Die Welt die uns verfolgt ist Schuld an allem was uns auf unserem Lebensweg an Unangenehmen und Schwierigem begegnet. Uns zum Trost glorifizieren wir diese Situationen in dem wir uns als Märtyrer sehen und uns oft immer mehr in unser frommes Schneckenhaus einigeln.

Andererseits begegne ich immer wieder Christen die steif und fest behaupten, in ihrem Leben gäbe es keine Schwierigkeiten. Seit sie mit Jesus leben, sorgt er für sie und räumt alle Hindernisse aus dem Weg. Früher hat mir das erhebliche Kopfzerbrechen bereitet und großen Widerspruch in mir ausgelöst. Heute gelingt es mir zusehends mich über solche Aussagen zu stellen und sie einfach im Raum stehen zu lassen und nicht als Anfrage an mein eigenes Glaubensleben zu sehen.

Weder das eine noch das andere scheint mir die richtige Einstellung zu sein. Vielmehr bin ich der Überzeugung, daß Schwierigkeiten und damit Kampf, was nichts anderes bedeutet als Auseinandersetzung mit dem, was sich in meinem Leben alles ereignet und nicht glatt an mir vorbei geht, zum Leben eines jeden Menschen gehören, ganz gleich ob er Christ ist oder nicht. Und daß sich die Frage, wie ich damit umgehe, ob ich schlaflose Nächte habe oder fröhlich meine Straße ziehe, mehr oder weniger davon abhängt, welche Charakterstruktur meinem Wesen und Gemüt zu Grunde liegt.

Kampf, oder im Bild aus dem Sport zu bleiben, der Einsatz als Wettkämpfer gehören zu unserem Leben dazu. Seit dem Sündenfall gilt nun einmal der Grundsatz: „Im Schweiße deines Angesichts wirst Du dein Brot essen.“(1.Mos 3,19) und das heißt, wie gesagt nichts anderes, als eine ständige Auseinandersetzung mit meiner Umwelt in den verschiedensten Formen.

Erlauben sie mir an dieser Stelle eine kleine Randbemerkung. Wir sollten in unseren Vorstellungen Kampf nicht mit Krampf verwechseln. Beim Krampf geht es ums gegeneinander, muß ich mich gegen den anderen durchsetzen. Beim Krampf geht es auch um Leibfeindlichkeit und Verdienstlichkeit. Beim Kampf geht es um Freiheit: ich muß nicht alles haben, muß nicht alles essen, alles trinken, ... Zurück aber zu unserem Bild vom Wettkämpfer.

Um an einem Wettkampf teilnehmen zu können und darin auch zu bestehen, setzt dies voraus, daß ich mich darauf vorbereite. Und was diese Vorbereitung unter anderem beinhaltet, das möchte ich mit meinen zweiten Aspekt unterstreichen:

2. Als Christ leben bedeutet immer auch Verzicht

Ein weiterer Begriff der nach starkem Tobak riecht! „Verzicht“ - in der Kirchengeschichte, insbesondere der Theologie- und Dogmengeschichte spielte Verzicht immer wieder ein (nicht unbedeutende) Rolle. Nicht nur der Glaube, sondern auch ein Leben in Enthaltsamkeit diente dem Heil, davon war man immer wieder überzeugt - bis hinein in unsere Tage. Aus dieser Überzeugung heraus entstanden viele Mönchsorden, bei denen die Enthaltsamkeit auf den unterschiedlichsten gebieten eine wichtige Rolle spielte. In unserer frommen Sprache würden wir wahrscheinlich nicht mehr von Enthaltsamkeit reden, sondern den Ausdruck Heiligung gebrauchen. Bezogen auf unseren Text wäre es aber wohl fatal und völlig fehl am Platz, diese Stelle im Blick auf eine leibfeindliche Gesinnung des Paulus interpretieren zu wollen. Die vom ihm gebrauchten Ausdrücke lassen wohl bei schnellem hinsehen einen Rückschluß in diese Richtung zu, sollten aber auf keinem Fall zum richtigen Verständnis aus dem Zusammenhang gerissen werden.

Paulus versteht Verzicht oder Heiligung, wem dieser Ausdruck besser gefällt, nicht als Muß das uns auferlegt ist, sondern sieht dies im Zusammenhang mit der Freiheit, zu der wir als Christen berufen sind. Ich sehe diese Verse in engem Zusammenhang mit dem was Paulus etwas weiter vorne in diesem Kapitel (1.Kor 9,19ff) über die Freiheit geschrieben hat.

Mit dem Bild vom Wettkämpfer der sich auf einen Wettkampf vorbereitet verdeutlicht Paulus in anschaulicher Weise, wie wichtig eine gute Vorbereitung und Einstellung auf den Wettkampf ist. Wie viele Schweißtropfen werden in Fitneßcentern und Sporthallen vergossen um den Körper für einen Wettkampf zu trainieren oder einfach nur um fit zu bleiben. Und das alles geschieht ja in der Regel freiwillig, ohne Druck von außen. Einzig was antreibt ist das Ziel und die Aussicht, beim Wettkampf den Sieg zu erreichen oder einem Schönheitsideal zu entsprechen. Und all diese Vorbereitung fordert Verzicht. Und wenn es nur die Zeit ist, die ich opfere, die mir für anderes nicht mehr zur Verfügung steht. Sich vorbereiten heißt also immer auch, einen entsprechenden Lebenswandel zu führen, die übrigen Lebensberieche mehr oder weniger darauf abzustimmen. Verzicht geschieht nie um seiner selbst willen, Verzicht ordnet sich immer einem höheren Ideal unter.

Wenn wir uns in dieser Weise Verzicht auseinandersetzen, und das verdeutlicht das von Paulus gebrauchte Bild, kommen wir nicht umhin, uns mit der Frage der Konsequenz auseinanderzusetzen. Nur eine konsequente Vorbereitung, ein konsequenter Lebensstil schafft die Voraussetzung für einen erfolgreichen Wettkampf. Und um konsequent zu sein, bedarf es nicht moralisierender Appelle, von denen allen Unkenrufen zum Trotz, in diesen Versen wirklich nichts zu hören ist, sondern etwas anderes.

Hier bin ich nun bei meinem dritten Aspekt:

3. Als Christ leben - das Ziel nicht aus den Augen verlieren

Wie gesagt, alles Training und aller damit verbundene Verzicht dient nie einem Selbstzweck. Der Athlet hat das Ziel, am Ende als Sieger auf dem Treppchen zu stehen und von den Zuschauern und Fans bewundert zu werden. Die Aussicht, das Ziel auf Ehre und Anerkennung treibt ihn an. Und dieser Antrieb wirkt sich in einem konsequenten Lebensstil aus. Mehr oder weniger sein ganzes Leben wird auf dieses Ziel abgestimmt und das bedeutet in vielem „Verzicht“.

Auch wenn immer wieder betont wird, daß es nur um den olympischen Geist, um das dabei sein geht, würde ich doch einmal die Behauptung aufstellen daß dies nur bedingt zutrifft. Aus der eigenen Erfahrung die ich wohl mit vielen teile, hat doch jeder Sportler den Wunsch und das Ziel doch als Sieger aus einem Wettkampf hervorzugehen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand mit dem Ziel trainiert und sich vorbereitet, um Verlierer zu werden.

Mit Paulus teile ich vielmehr die Überzeugung, daß nur das Ziel den Siegeskranz zu gewinnen, einem Wettkämpfer die Chance einräumt so zu kämpfen, daß er auch als Sieger aus dem Wettkampf hervorgeht. Und dieses Ziel prägt die Zeit vor dem Wettkampf und liefert die Motivation im Wettkampf selbst. Lassen wir nun einmal diese Bild hinter uns und ich frage sie sehr persönlich: Haben sie Ziele in ihrem Leben? Und haben sie auch Ziele als Christ, ganz persönlich und auch als Gruppe oder Gemeinde? Haben sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wo sie zur Jahresmitte oder am Jahresende stehen wollen? Ich denke, keiner von uns ist ohne Ziele. Das Problem dabei ist, selbst wenn uns diese Ziele nicht bewußt sind, sie dennoch unser Leben bestimmen. In der Psychologie gilt der Grundsatz „Lebensziel prägt Lebensstil. Und glauben sie mir, vieles in unserer Zeit versucht uns Ziele aufzudrücken, unterzujubeln und wehe dem, der sich darüber nicht im Klaren ist! Und ich wage an dieser Stelle den Umkehrschluß: wo keine Ziele sind, wird auch kein Stil zu finden sein. Da bewegt sich möglicherweise alles irgendwie dahin, ohne konkrete Formen. Da bleiben die Auswirkungen in unserem Leben aus.

Auch wenn ihnen jetzt nichts konkretes einfällt, was sie sich als Ziel vorstellen könnten, so sei doch an dieser Stelle festgehalten, daß wir als Christen sozusagen ein Ziel auf jeden Fall mit in die „Wiege“ gelegt bekommen haben: einmal bei Jesus zu sein, das ewige Leben zu erben. Und um dieses Ziel zu erreichen gilt es, sich für den Weg dahin fit zu machen. Auf einem Kalenderblatt las ich vor kurzem: „Willst du das Ziel erreichen, so mußt du auch den Weg wollen.“

Schluß

„Ich laufe nicht so wie ins Ungewisse“ - so hat es Paulus an die Korinther formuliert, so haben wir es heute morgen gehört. Ich weiß was ich will, ich kenne das „große Ziel“ aber ich kenne auch meine kleinen Etappenziele. Diese Ziele, so sagt Paulus, bewahren mich davor, ins Ungewisse zu laufen zum bloßen Mitläufer zu werden. Die Frage nach den Zielen in unserem Leben und in unseren Gemeinden halte ich für eine äußerst interessante und spannende Frage. Leider reicht uns die Zeit nicht, in die Tiefe zu gehen und weiter in dieses Thema einzusteigen und uns damit auseinanderzusetzen, wie ich Ziele finde, sie formuliere und umsetze. Aber ich habe mir gedacht, ob es nicht eine Chance wäre, am Anfang dieses Jahres einmal seine Ziele zu überdenken - die persönlichen und die unserer Hauskreise, Gruppen oder die der ganzen Gemeinde.

Ich lade sie dazu ein und verspreche ihnen, es wird nicht ohne Auswirkungen auf ihr Leben bleiben.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Finkenweg 5
D-86574 Petersdorf-Alsmoos
08237/951727
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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