Home
Predigten
 
 

Predigt über 1. Thessalonicher 5,14-24

am 01.09.2002
14. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Einleitung

Ein Mensch nimmt alles viel zu schwer.
Ein Unmensch naht mit weiser Lehr
Und rät dem Menschen: "Nimms doch leichter!"
Doch grad das Gegenteil erreicht er:
Der Mensch ist obendrein verstimmt,
Wie leicht man seine Sorgen nimmt.

(E. Roth: "Billiger Rat"; Sämtliche Menschen S. 154)

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Guter Rat, meist ist er teuer aber viel öfters erhalten wir Ratschläge, aufgefordert oder unaufgefordert bei denen es uns so ergeht wie jenem Menschen in diesem Gedicht. Dann denke ich mir, daß sich derjenige seinen Rat auch hätte sparen können, da er am Ziel und meiner Situation vorbeigeht. Umgekehrt sind mir solche Erfahrungen aber auch Mahnung, selber bedachter mit, und seien sie noch so gut gemeint, Ratschlägen umzugehen.

Als ich den heutigen Predigttext gelesen habe, war mein erster Gedanke, jetzt hagelt's mal wieder allerlei Ratschläge und gut gemeinte Tips, aber der Absender hat doch keine Ahnung von meiner Situation und meinem Ergehen. Der schießt jetzt doch wieder Kilometer weit am Ziel vorbei.

- Text lesen: 1. Thessalonicher 5, 14 - 24 -

Wie gesagt, nach dem ersten hören war ich diesen Versen gegenüber eher skeptisch. Aber ist das wirklich so, daß sich hier einer zu Wort meldet der keine Ahnung hat und sich nur mit allerlei, zwar wohlgemeinten und wohlklingenden Ratschlägen zu Wort meldet und wichtig tut? Oder wendet sich hier jemand an uns der weiß was Sache ist und uns Hilfestellungen anbietet die sowohl umsetzbar als auch hilfreich und wichtig sind? Betrachten wir uns diese Verse einmal genauer:

1. Verse 14 und 15

An dieser Stelle des Briefes wendet sich Paulus zunächst an diejenigen in der Gemeinde, die sich für diese verantwortlich fühlen und Verantwortung übernehmen. Er fordert sie auf, sich der Unordentlichen, Schwachen und Kleinmütigen anzunehmen und stellt damit zugleich fest, daß es sie gibt, daß sie im Leben der Gemeinde vorkommen und ihren Platz haben. Diejenigen, die Mühe haben mit den Ordnungen Gottes, diejenigen, die unter ihrer Begrenztheit leiden und diejenigen denen der Mut fehlt, mit den Möglichkeiten Gottes zu rechnen. Es gibt sie, auch in unserer Gemeinde und wenn sie uns noch nicht aufgefallen sind oder wir sie noch nicht bemerkt haben so liegt das möglicherweise daran, weil sie sich nicht trauen um Hilfe zu fragen oder weil sie nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Wie gehen wir mit ihnen um und haben wir in unseren Reihen Platz für sie? Paulus fordert dazu auf, diesen Menschen einen Platz in der Gemeinde einzuräumen, sich ihrer anzunehmen. Sie sollen nicht allein gelassen sondern ihnen soll aufgeholfen werden. Und das nicht nach dem Rasenmäher-Prinzip, sondern jeder so wie er es braucht. Es geht auch nicht darum, jemandem mal wieder den Kopf zu waschen und zu sagen, "wo der Barthel seinen Most holt".

Gewiß geht dies alle an und sind alle gefordert, aber in ganz besonderer Weise diejenigen, die Verantwortung tragen. Denn wie wir mit den Schwachen und Hilfsbedürftigen umgehen hat Wirkung nach außen. Nicht ob wir tolle Hechte oder perfekt sind bzw. alles perfekt machen sondern daran, wie wir miteinander umgehen wird die Welt erkennen, daß wir Gottes Kinder, Jünger Jesu sind. (Joh 13,35). Darum sollen wir uns der Schwachen annehmen damit sie wieder auf eigenen Füssen stehen können. Wohlgemerkt: es geht dabei nicht ums schön reden oder über andere reden und auch nicht ums "fertig machen" sondern ums "zu Recht bringen" und ums aufhelfen.

Paulus formuliert hier einen seelsorgelichen Auftrag, einen Auftrag, der den einzelnen im Blick hat. Das ist eine Aufgabe, die nicht mit einmal Tun oder sagen erfüllt ist. Dazu braucht es Geduld und einen langen Atem. Geduld ist etwas, was mir meist nicht so einfach zufällt, sie gehört zu der Frucht, die der Geist wirkt (vgl. Gal 5,22). Gemeint ist auch nicht eine "Seelsorgeanarchie" wo jeder jedem vermeintlich etwas sagen kann. Ich halte dafür, daß Seelsorge einer klaren Beauftragung bedarf und nicht in der Selbstverfügbarkeit des einzelnen liegt. Darum hat Paulus hier als Adressaten zunächst die Gemeindeleitung im Blick, diejenigen die Verantwortung für Menschen übernommen haben und die hier von Paulus erinnert werden, sich dieser Verantwortung zu stellen. Denn für Paulus ist Gemeindeleitung mehr als verwalten und organisieren (1. Pet 5,1ff). Paulus macht klar, was Gemeinde sein soll, ein Ort wo ich Geborgenheit und Annahme finde und wo ich wieder zurecht kommen kann. Das ist ein Auftrag der Gemeinde und dafür soll Sorge getragen werden.

Nach diesen Worten an die Gemeindeleitung wendet sich Paulus wieder an die gesamte Gemeinde.

2. Verse 16 - 18

Drei Aufforderungen an uns alle: freut euch allezeit, betet unablässig, sagt Dank in allem!

Ich weiß nicht wie es ihnen beim hören und danach ergangen ist, aber irgendwie hat man doch das Gefühl, hier erst mal auf Distanz gehen und zunächst einmal durchatmen zu müssen. Fast automatisch drängen sich Fragen und Einwände auf: Sich allezeit freuen - was mag derjenige denken, der in einer Lebenskrise steckt oder schweres durchzumachen hat? Man kann doch nicht einfach Freude anordnen, Freude muß sich einstellen. Und dann dies: Beten ohne Unterlaß, als ob ich nicht genügend anderes zu tun hätte und schauen muß, den Ansprüchen die tagtäglich vom Chef, von der Familie, den Kindern und was weiß ich noch von wem alles auf mich hereinstürzen, gerecht zu werden. Da reicht es wohl, wenn ich am Sonntag eine Stunde für den Gottesdienst aufbringe und vielleicht noch an der einen oder anderen Gemeindeveranstaltung teilnehme. Und wie soll das überhaupt gehen, allezeit beten? Den Vogel schießt Paulus damit ab, daß ich in allen Dingen Dank sagen soll! Das soll er mir bitte mal vormachen und den Menschen sagen, denen das Hochwasser ihre gesamte Existenz weggerissen hat. Ich glaube kaum daß die in der Lage sind, hierfür Dank zu sagen.

Möglicherweise sind wir geneigt Paulus Weltfremdheit zu unterstellen, ihm vorzuhalten, daß er nicht weiß, was Leben bedeutet. Aber ist das wirklich so, hatte Paulus keine Ahnung vom Leben? Gerade im Blick auf die Gemeinde in Thessalonichi wird ihm wohl schmerzlich bewußt gewesen sein, wie Übel ihm da mitgespielt wurde und er bei Nacht und Nebel die Stadt verlassen mußte (Apg 17,2ff). Paulus hatte sehr wohl an seinem eigenen Leben und Körper auch die Widrigkeiten und Begrenztheiten des menschlichen Lebens erfahren müssen. Ihm zu unterstellen, er argumentiere hier blauäugig, entbehrt jeder Grundlage.

Was also meint Paulus mit diesen Aufforderungen? Er richtet sie an uns, weil in unserem Alltag diese Dinge (sich freuen, beten, danken) vielfach von anderem überlagert werden und untergehen oder einfach zu kurz kommen. Deswegen ist es nötig den Blick immer wieder auf das zu richten, was Grund zur Freude und zum Danken ist. In letzter Konsequenz und unauslöschlich sind dies die Dinge, die Gott in unserem Leben gewirkt und verwirklicht hat. Daß ich ein Kind Gottes bin, er mich angenommen hat und immer wieder aufs neue annimmt, trotz meinem Versagen

"Wer Dank opfert der preiset mich und da ist der Weg daß ich ihm zeige das Heil Gottes" (Ps 50,23), das heißt ausbrechen aus meinen Grenzen, aus den tatsächlichen und den selbstgemachten und gewählten. Kürzlich sagte jemand, und das beschäftigt mich sehr: "Glaube an deine Grenzen und sie gehören dir!" (V. Birkenbiehl, "Wie zukunftstauglich sind sie?"; WVIB Zukunftstag 1999). Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß es bequem ist, sich hinter vermeintliche Grenzen zurückzuziehen und sie als Begründung vorzuschieben.

Für Paulus ist entscheidend, auch im Leid nicht nur um sich selbst zu kreisen, Trübsal zu blasen und in Selbstmitleid zu versinken sondern sich an den wenden und auf den blicken, der einen Ausweg bereit hält. Im Leid entdecken und für sich erschließen, daß ich in Gottes Hand bin, mich nichts von IHM trennen kann (Rö 8,38ff). Wenn mir das gelingt, auch durch die Hilfe anderer (siehe 1.), dann kann sich auch im Leid Freude ausbreiten, Freude, die von besonderer, von göttlicher Qualität ist (vgl. Mt 5,4) und nichts mit derjenigen zu tun hat, die von unserer heutigen Spaßgesellschaft propagiert wird.

Abschließend noch einige Gedanken zum "allezeit beten". Allezeit beten heißt für mich die Frage klären, woher komme ich wenn ich in meinen Alltag gehe, wenn ich zum Beispiel meine Arbeit beginne? Warum und für wen mache ich meine Arbeit? In einem Gespräch sagte der Geschäftsführer der Lebenshilfe Heidenheim zu mir: "Was ich hier tue, tue ich zuerst für Gott!". Was würde sich in unserer Gesellschaft aber vor allem auch bei uns und bei mir ändern, wenn das zur Maxime würde, und das nicht nur bei Christen, die in kirchlichen oder sozialen Einrichtungen tätig sind?

Mit diesen Aufforderungen beschreibt Paulus keinen IST-Zustand sondern gibt uns einen Weg vor, den wir beschreiten können. Wir sollen nichts schön reden oder die Augen vor den Tatsachen verschließen. Wir sind aufgefordert, unseren Lebenshorizont auszuweiten und mit den Möglichkeiten Gottes leben und rechnen zu lernen, dahin kommen, daß wir uns freuen, wir allezeit beten und allezeit Dank sagen, denn das ist Gottes Wille für uns.

3. Verse 19 - 22

Damit geistliches Leben gelingt sind wir auf die Unterstützung und das Wirken des Heiligen Geistes angewiesen. In diesen Ratschlägen und Anweisungen schlagen sich die Erfahrungen des Paulus nieder, die er in seinem Leben als Christ gemacht hat. Er ermahnt uns, das Wirken des Geistes nicht zu unterdrücken oder gar außen vor zu lassen. Es kommt entscheidend darauf an, daß dieser Geist wirken kann, bei mir persönlich aber auch im Leben der Gemeinde. Dieser Geist will Jesus groß machen und ihn in den Mittelpunkt stellen, in dem er uns immer wieder Jesus vor Augen führt und uns an das erinnert, was ER gesagt und getan hat.

Aber leider lassen wir uns, und das ist gewiß eigentümlich, gerade beim Thema Heiliger Geist und seiner Wirksamkeit immer wieder von negativen Beispielen und Erfahrungen, und meist die anderer (!), abschrecken und auf Distanz gehen. Und wußten wir es nicht schon immer, daß Charismatiker und Pfingstgemeinden neben der Spur laufen? Gewiß, und Paulus räumt es ja selbst ein, ist nicht alles was sich vermeintlich als Geist Gottes ausgibt, auch Geist Gottes! Wer sagt uns, was und wer Geist Gottes ist? Und weil dies alles so unbequem ist, lassen wir lieber die Finger ganz davon! Natürlich ist es nicht einfach und mühsam immer wieder zu prüfen, aber wie sagte Jesus: der richtige Weg ist der schmale und der unbequeme.

Wenn wir weiterkommen, das heißt wachsen wollen, können wir auf die Wirkungen, Gaben und Frucht des Heiligen Geistes nicht verzichten. Und vielleicht nennt deswegen Paulus an dieser Stelle die Weissagungen besonders. Wir sollen uns dem Reden dieses Geistes und damit dem Reden Gottes öffnen und erfahren, was dran ist für uns als Gemeinde aber auch für mich persönlich. Paulus hat dies so praktiziert und die Apostelgeschichte bietet reichhaltig Anschauungsmaterial wie Paulus dies in seinem Leben und seiner Arbeit umgesetzt hat. Er hat sich dabei immer wieder Jesus als Vorbild genommen, der mit offenen Augen durch die Welt gegangen ist und in seinem Bemühen um Menschen immer wieder Grenzen überschritten und neue Wege gegangen ist. Es ist an uns, aus unseren Grenzen auszubrechen, die Scheuklappen abzulegen, uns auf neues einzulassen und dabei ganz konkret mit dem Wirken Gottes zu rechnen.

Schluß

So, jetzt haben wir's wieder einmal gehört und vielleicht geht es uns so wie jenem Menschen, von dem Eugen Roth in seinem Gedicht berichtet. Gewiß, alles richtig und schön wenn es sich in unserem Leben umsetzen ließe. Aber meist ist unser Erfahrungshorizont ein anderer und darum laßen wir's beim hören und gehen wieder nach Hause.

"Regieanweisung": So tun, als wäre hier die Predigt zu Ende und man will von der Kanzel gehen. Dann kehrt man aber nochmals um und sagt den Nachsatz!

Als könnte Paulus diese Gedanken erahnen gibt er uns die entscheidende Blickrichtung vor: schaut auf den, der euch berufen hat, in dessen Hand euer Leben geborgen ist und der alles für euch, für sie und mich getan hat. Er hat das gute Werk in euch angefangen er wird es auch vollenden (Phil 1,6) und möglich machen. Jesus ist bei uns und er ist am Wirken, in unserem Leben und an uns Menschen, in unserer Gemeinde und in dieser Welt.

Amen

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Altenheimstraße 23
89522 Heidenheim/Brenz
07321/910915
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
nach oben Home Predigten eMail Predigt als PDF zum herunterladen Site Meter