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Predigt über 1. Timotheus 1,12-17

am 27.06.2004
3. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Heldenfingen / Heuchlingen


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts kam ein Mann nach Amerika um dort, wie viele andere auch, sein Glück zu suchen. Er begann als Hilfsarbeiter, nahm für ein paar Pfennige Jobs an und arbeitete sich allmählich bis ganz nach oben. Schließlich war er einer der erfolgreichsten Stahlmagnaten seiner Zeit. Die Rede ist von Andrew Carnegie. Aber sein Reichtum ist im nicht in den Kopf gestiegen sondern er war sich immer seiner Herkunft bewusst und so spendete er mehr als 300 Mio Dollar (damals!) für gemeinnützige Zwecke. Auf sein Konto gehen viele Büchereien und Stipendien.

Von diesem Andrew Carnegie wird berichtet, dass er eines Tages einen seiner Angestellten zu sich rufen ließ. Dieser Mann, im mittleren Management tätig, hatte eine Entscheidung getroffen die, wie sich herausstellte, falsch war und das Unternehmen 1 Mio Dollar gekostet hatte. Nun saß er also vor diesem großen Andrew Carnegie und erwartete, dass ein Donnerwetter auf ihn niederprasselt und er gefeuert wird. Aber nichts dergleichen geschah und auf seine Nachfrage antwortete Andrew Carnegie: "Wieso sollte ich sie entlassen? Wir haben doch gerade eine Million Dollar in ihre Ausbildung investiert!" Für Andrew Carnegie war klar, dass dieser Mann diesen Fehler, der ihm unterlaufen war, kein zweites mal begehen würde.

Heutzutage ist es nach meinem dafürhalten nicht mehr so, dass jemand noch einmal eine zweite Chance erhält. Es gilt mehr das Prinzip "hire and fire", ob das nun Manager in der Wirtschaft sind oder Fußballtrainer. Und da braucht nicht mal einer einen gravierenden Fahler zu machen, es reicht schon aus, wenn man den gesteckten Erwartungen gerecht wird. Ich bin überzeugt, dass sich dieses Verhalten im gesellschaftlichen Bewusstsein negativ niederschlägt. In unserem heutigen Predigtabschnitt kommt ein Mann zu Wort, der in seinem Leben die Erfahrung gemacht hat, nochmals eine zweite Chance bekommen zu haben.

- Text lesen: 1. Timotheus 1, 12 - 17 -

Paulus schreibt hier an seinem Mitarbeiter Timotheus, den er in Ephesus zurückgelassen hat und der sich dort um die Gemeinde kümmern soll. Und dieser noch junge Timotheus sieht sich schweren Angriffen und dem Aufkommen fremder Lehren ausgesetzt. Da werden wieder Stimmen laut die behaupten, dass wir etwas für unser Heil tun müssen, es doch nicht sein kann, dass uns dies so einfach in den Schoß fällt. Und so versucht Paulus dem Timotheus Mut zu machen. Aber nicht in der Art, dass er ihm nun einen theologischen Vortrag hält um ihn für die Auseinandersetzungen und Diskussionen mit seinen Gegnern zu schulen. Das wäre sicherlich ein Weg um Timotheus in dieser Situation zu helfen. Aber Paulus weiß wohl wie kein anderer, dass die schönste Theorie eben nur Theorie ist und bleibt, wenn sie nicht durch Beispiele belebt wird und ihren Zugang zum Leben findet und den Herzen der Menschen findet. Und so legt Paulus dem Timotheus dreierlei ans Herzen:

  • 1. Allein Gottes Handeln zählt - oder ER handelt anders, denn
  • 2. ER gibt uns eine zweite Chance und
  • 3. befähigt uns zu neuen Werken.
  • 1. Allein Gottes Handeln zählt

    In diesen Versen seines Briefes blickt Paulus auf sein Leben zurück. Dabei stellt er jedoch nicht seine großartigen Leistungen heraus, sondern verweist auf die dunklen Seiten seines Daseins. Er redet davon dass er "früher ein Lästerer und Verfolger und Gewalttäter war", einer, der den Christen arg zugesetzt und sie in arge Bedrängnis gebracht hatte. Er zwang sie "durch Strafen, zu lästern" (Apg 26,11) und in seinem Eifer verfolgte er sie bis ins Ausland und scheute sich nicht, sie in den Tod zu treiben.

    Paulus war ein Eiferer, er wollte zeigen, dass er es mit seinem Glauben und seiner Gottesbeziehung ernst meint. Er wollte nicht nur Mitläufer sein und es bei Lippenbekenntnissen belassen, sondern er setzte sich für seine Überzeugungen ein. Er wollte nicht locker lassen bis er die christliche Gemeinde aufgerieben hatte. Erst dann, wollte er Ruhe geben.

    Diesem Treiben hat Gott zugeschaut und es wird IHN geschmerzt haben. Ein Mann Gottes, ein Mann aus seinem Volk treibt so übles Spiel mit seiner Gemeinde und erkennt nicht, was er da tut. Wohlgemerkt, es muss IHN in umgekehrter Weise auch geschmerzt haben als er mit ansehen musste, wie die christlichen Kirchen vergangener Epochen mit dem Volk Israel umgesprungen sind.

    Paulus fühlt sich mit seinem Standpunkt und seinen Aktionen im Recht und ist davon überzeugt, das Richtige und Gott Wohlgefällige zu tun. Er kann sich einfach nicht vorstellen dass das, was die Christen behaupten wahr ist, die Sache mit Jesus stimmen kann. So setzt er seine Verfolgung und Vernichtung der Christen fort und kann dafür immer wieder, auch aus den höchsten Kreisen der religiösen Führer der damaligen Zeit, Unterstützer finden.

    Wenn wir uns dies alles anschauen und anhören mag sich möglicherweise beim einen oder anderen die Frage stellen, warum Gott dem Treiben des Saulus kein Ende gesetzt hat? Warum hat ER kein Zeichen gesetzt wie auf dem Karmel, als er die Propheten des Baal vernichtet hat. Warum handelt Gott nicht?

    Doch Gott handelt an Paulus, dem größten Christenverfolger zu seiner Zeit, aber anders als wir es erwarten und anders, wie wir es selbst tun würden. ER handelt in SEINER Art, ER bleibt sich treu! So wie wir es im Psalm Eingangs des Gottesdienstes gehört haben: "Er wird nicht für immer hadern noch ewig zornig bleiben. Er handelt nicht mit uns nach unseren Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. Denn so hoch der Himmel über die Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen ist vom Abend, lässt er unsre Übertretungen von uns sein. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, die ihn fürchten." (Ps 103, 9-13). Erinnern wir uns, gerade David hat diese Erfahrung gemacht, was es bedeutet sich von Gott abzuwenden, aber er hat auch erfahren, dass sich Gott ihm wieder zugewandt hat.

    Was uns unendlich schwer fällt und meist misslingt, setzt Jesus um: Er wendet sich uns Menschen immer wieder gnädig zu, weil er den Menschen sieht und nicht allein die Tat. Er verurteilt die Sünde auf's schärfste, erbarmt sich aber über den Sünder und nimmt ihn an. Ich erinnere hier an die Begegnung mit Zachäus oder jener Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde und von den religiösen Führern der damaligen Zeit getötet werden wollte. Diese Begegnungen machen deutlich, Jesus sieht nicht nur die Tat sondern hinter allem und vor allem immer auch und zuerst den Menschen. So geht es letztlich weit weniger um theologische Erkenntnisse sondern vielmehr darum zu erkennen, wer Jesus für mich ganz persönlich ist.

    2. Gott gibt uns eine zweite Chance

    Um zu erkennen wer Jesus ist, muss ich ihm begegnen. Das war vor zweitausend Jahren nicht anders als heute. Jesus muss meinen Lebensweg kreuzen. Und dies geschieht bei Paulus damals - ich räume ein - in spektakulärer Weise auf seinem Weg nach Damaskus. Vor den Toren jener Stadt tritt Jesus dem Saulus in den Weg und in dieser Begegnung wird aus dem Saulus der Paulus wie wir ihn kennen (Apg 9).

    Die durchaus berechtigte Frage hierbei ist, ob dies immer so spektakulär sein muss? Denn ich gehe einmal davon aus, dass die wenigsten von uns eine Begegnung der Art hatten wie Paulus vor Damaskus. Aber das entscheidende an dieser Geschichte ist ja nicht das "Damaskuserlebnis", sondern dass Paulus zum Glauben an den gekommen ist, dessen Anhänger er bis dahin bis aufs Blut verfolgt hatte. Nach diesem Erlebnis erhält der erblindete Paulus Besuch von einem Mann namens Hananias und der den Auftrag hat, Paulus zu segnen. Da fällt es Paulus im wahrsten Sinne des Wortes wie Schuppen von den Augen, wem er da vor Damaskus begegnet ist und er ließ sich taufen. Paulus legte so das Bekenntnis ab, dass er das Gnadenangebot Gottes angenommen hat. Dass er allein durch Gottes Wirken und der Erlösungstat Jesu am Kreuz und seine Auferstehung Versöhnung mit Gott und ewiges Leben erlangt hatte. Vorbei die Zeit, in der es darum ging, Gott mit Werken zu imponieren und sich das Heil zu verdienen. Diese Erfahrung, diese Erkenntnis teilt Paulus seinem Mitarbeiter und Freund Timotheus mit. Das allein ist und bleibt seine Botschaft, das ist Evangelium, frohe Botschaft, Gott nimmt sich der Sünder an, erbarmt sich ihrer, rechnet ihnen ihre Sünde nicht zu! Gott räumt jedem eine zweite Chance ein, weil er jeden liebt und alles dafür gegeben hat!

    Und wie komme ich in den Genuss dieser zweiten Chance für mein Leben? Wo und wie kann ich Jesus begegnen, tritt er in mein Leben? Der Möglichkeiten gibt es viele. Sie sind heute morgen hier in den Gottesdienst gekommen, haben sich rufen lassen und haben so die Gelegenheit, Gottes Wort zu hören. Das ist eine wenn nicht sogar die entscheidende Ausgangsposition, so schreibt es Paulus einmal an anderer Stelle. Denn der Glaube an Jesus, der fällt nicht einfach so vom Himmel, den kann ich mir auch nicht bei Aldi kaufen oder im Lotto gewinnen und ich kann ihn mir auch nicht erarbeiten oder beim Pfarrer auf dem Pfarrbüro abholen. Woher kommt er dann? Der Glaube kommt aus der Verkündigung (Rö 10,17) und die Verkündigung hat ihren Ursprung im Wort Gottes. Und Gottes Wort ist mehr als eine Aneinanderreihung von Wörtern, schön formulierte Floskeln die kraftlos sind und die nichts bewirken, Gottes Wort hat die Kraft, Menschen zu verändern, das zu bewirken, wozu Gott es ausgesandt hat (Jes 55,11). Und dieses Wort, das in der Person Jesu lebendig geworden ist, ist absolut vertrauens-, ist absolut glaubwürdig.

    Aber nicht nur hier im Gottesdienst geschieht Verkündigung. Wir haben (noch) das Vorrecht in einem Land zu leben, in dem Verkündigung auch noch in den Medien erfolgen kann, durch Bücher, Lieder und anderes mehr. Wir können uns in Gruppen und Kreisen treffen und Menschen dahin mitnehmen. Und wie viel Generationen an Kindern und Jugendlichen hatten und haben in unseren Schulen Religionsunterricht und in unseren Gemeinden Konfirmandenunterricht. Nutzen wir diese Chance oder besser gefragt: geben wir ihnen ihre Chance?

    Für Paulus war klar, er will nicht nur konsumieren, will nicht das was er erlebt hat für sich behalten und sich daran freuen. Nein er will es weitergeben an andere, will ihnen sagen, dass auch sie, diejenigen die ihr Leben mit Gott noch nicht in Ordnung gebracht haben oder IHN noch nicht kennen, von Gott geliebt sind und eine zweite Chance haben die ihnen eine Perspektive und Hoffnung über das Leben auf dieser Erde hinaus gibt.

    3. ER befähigt uns zu neuen Werken

    Glaube ist nie Selbstzweck, bleibt nie nur bei mir selbst stehen. Glaube, Beziehung zu Jesus dringt nach außen. "Aus der Fülle seines Herzens redet der Mensch" oder nach Luther "Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über." (Mt 12,34) so sagt es Jesus seinen Jüngern und seinen Gegnern. Dies ist es auch, was Jakobus in seinem Brief ausdrückt wen er schreibt "der Glaube ohne Werke ist tot" (Jak 2,17).

    Wenn wir Werke hören, dann verbinden wir damit meist automatisch - und hier können sie sich selbst einmal hinerfragen wie das bei ihnen ist- dass wir diese, nämlich die Werke, deswegen tun um uns das Heil zu verdienen. Aber genau das umgekehrte ist der Fall: weil ich mich von Gott angenommen und geliebt weiß, weil er mich begnadigt hat, ich mir keinen gnädigen Gott erarbeiten muss, kann ich Werke, im weitesten Sinne dieses Wortes, tun. Nicht damit sondern weil Gott mich liebt will ich das in meinem Leben umsetzen, was er mir als Anweisungen zum Leben mitgegeben hat.

    Paulus hat dies in seinem Leben umgesetzt und ist uns, ihnen und mir darin zum Vorbild geworden. Wie wir diese Werke vollbringen, dafür gibt es nach meinem dafür halten kein Schema. Hier halte ich es mit Paulus "Dem einen ist gegeben, dem anderen ist gegeben" (vgl. 1Kor 12). Allen gemeinsam ist, dass sie Jesus in den Mittelpunkt stellen und ihn als Ursache und Ursprung ihres Tuns benennen! So sind wir wieder bei dem schon gesagten: Der Glaube kommt aus der Verkündigung, aus dem, was ich von anderen höre, was ich von denen bezeugt bekomme, die bereits diese Erfahrung gemacht haben, die diese Beziehung zu Jesus haben.

    Schluss

    Wie wird wohl jener junge Manager von dem ich zu Beginn der Predigt erzählt habe das Büro seines Chefs verlassen haben? Was wird in ihm vorgegangen sein? Was wird er sich vorgenommen haben?

    Was machen wir mit der Botschaft von diesem anderen Gott, von dem Paulus berichtet? Was bleibt da zu sagen? Das was Paulus gesagt und was ihn bewegt hat: "Dem König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen." Am Ende bleibt das anbetende Staunen über einen Gott, der so ganz anders ist. Und es bleibt der Wunsch, dies auch anderen erfahrbar zu machen: Gott liebt uns, sie und mich! Gott eröffnet uns, ihrem und meinem Leben eine neue, eine einzigartige Chance!

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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