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Predigten

Predigt über 2. Korinther 13,11-13

am 02.06.1996
Trinitatis

Ort: Neuenburg/Zienken


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Mit diesem Gruß oder besser Segen befinden wir uns eigentlich schon mitten in der heutigen Predigt. Denn darum soll es heute, am Trinitatis - Dreifaltigkeitsfest, gehen. Ein Fest, vor dem viele Prediger innerlich zusammenzucken, weil es ihnen davor graut, dieses Thema aufzugreifen. Mir selbst ging es vor kurzem so in einer Nacharbeitsgruppe von einem Glaubensseminar. Plötzlich stand die Frage im Raum, wie das denn zu verstehen wäre mit Gott, Jesus und dem Heiligen Geist. „who is who“ und überhaupt drei Personen und doch eins und ...

Vielleicht gelingt es mir heute morgen in diesem Gottesdienst etwas von dem faßbar und verstehbar zu machen, was dieses Thema ausmacht und um was es da vielleicht im Letzten geht. Dazu lese ich ihnen zunächst einige Verse aus dem letzten Kapitel des zweiten Korintherbriefes.

- Text lesen - 2.Kor 13, 11-13

„Brüder“ - und Paulus meint mit dieser Anrede auch die Schwestern - so beginnt, nein so schließt dieser zweite Brief an die korinthische Gemeinde. Aber so brüderlich stand Paulus gar nicht mit den Christen in Korinth. Das kommt für mich neben dem Inhalt dieses Briefes auch durch ein paar Zahlen zum Ausdruck. Im NT kommt der Ausdruck Brüder 200 mal vor - im zweiten Brief an die Korinther lediglich nur 8 mal, wovon er nur zwei mal als Anrede gebraucht wird. Für mich Ausdruck dafür, wie Paulus zu den Korinthern stand.

Im gesamten 2. Brief an die Korinther verteidigt sich Paulus gegen Angriffe und Anfeindungen seiner Gegner, die ihm schwer zugesetzt und die ganze Gemeinde in Aufruhr versetzt hatten. Es ging dabei hart zur Sache und Paulus hatte alle Mühe, die Oberhand zu behalten. Und trotzdem gebraucht Paulus diese Anrede.

Aber nicht, weil sie ihm einfach so rausgerutscht wäre, sondern er wähl sie ganz bewußt. Und so spricht Paulus Christen, die ihn gnadenlos fertig gemacht haben, die Gnade Jesu zu. Christen die äußerst lieblos mit ihrem geistlichen Vater umgegangen sind, denen spricht er die Liebe Gottes zu, und Christen, die alle Regeln der Gemeinschaft verletzt haben, denen spricht er die Gemeinschaft des Heiligen Geistes zu.

Aber er streicht damit nicht einfach seine harten und energischen Worte, die er in diesem Brief gebraucht hat, wieder durch. Er hebt nicht einfach alles, was er zuvor geschrieben hat wieder auf und kehrt es unter den Teppich. Das wäre nicht der Paulus, wie wir ihn aus seinen Briefen und den Berichten der Apostelgeschichte kennen. „Alles halb so wild“ und „Schwamm d’rüber“ - nein das ist nicht seine Devise! Denn dadurch sind noch nie Probleme und Differenzen gelöst und geklärt worden - auch unter Christen nicht! Aber Paulus findet diese Worte, wählt diesen Segen ganz bewußt, weil er weiß, daß dies nötig ist. Nötig weil er den Mangel in der Gemeinde in Korinth erkannt hat und auch weiß, wie dieser Mangel behoben werden kann.

1. Zum ersten: Unser Mangel

Wenn wir das, was wir von der korinthischen Gemeinde aus den beiden Briefen wissen und in unser Bewußtsein rücken, dann wird uns eines recht deutlich: sie hatten diesen Zuspruch und Segen nötig. Denn wenn wir diese Briefe lesen, werden wir erkennen, daß sie Mangel litten. Nicht unbedingt in materieller Hinsicht, sondern vielmehr in geistlicher Hinsicht. Aber ich denke mir, daß dieser Mangel nicht nur auf die Korinther zutraf, sondern auch auf uns heute hier in Neuenburg/Zienken. Oder haben sie einen Überfluß an Gnade, an Liebe oder Gemeinschaft? Wenn sie noch nie in einem dieser Bereiche ein Defizit verspürt haben, dann sind sie perfekt. Aber ich gehe einmal davon aus, daß dies nicht so ist und darum gilt dieser Abschnitt in ganz besonderer Weise auch uns heute und hier. Dieses Defizit nun sieht Paulus und geht darauf ein. Aber nicht in der Art und Weise daß er sagt, alles halb so wild, das ist ja ganz normal, weil Christen auch nur Menschen sind und es auch unter ihnen einfach menschelt. Ich möchte nicht bestreiten daß dies so ist und durchaus auch zu unserem Mensch-sein, zur gefallenen Schöpfung dazu gehört.

Aber Paulus hält dagegen, wo der Gott des Friedens am Werk ist, da muß von dem auch etwas sichtbar werden. Und wenn nichts davon sichtbar wird, dann stimmt etwas nicht, bei mir persönlich oder im Leben der Gemeinde. Das hört sich zwar bitter und hart an, aber diesen Schuh müssen wir uns zum einen anziehen, können und sollen aber auch etwas dagegen tun! Denn auch an Mangel kann man sich gewöhnen, so sehr, daß es gar nicht mehr auffällt. Und all zu schnell geben wir uns mit dem zufrieden was wir haben, getreu dem Motto „lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“. Und vielleicht haben wir es schon versucht, diesen unseren Mangel auszufüllen, sind aber einfach daran gescheitert. Erleben in unserem miteinander immer wieder mehr oder weniger kraß unser versagen. Erkennen, daß wir uns und anderen nicht gerecht werden und auch in unserer Beziehung zu Gott immer wieder Defizite zu Tage treten.

Wir leben in dieser Welt mit all den darin vorkommenden Meinungen und Regeln und wir werden davon geprägt - machen wir uns da nur nichts vor. Wenn wir das nicht wissen gehen wir unter. Wir haben nicht automatisch einen Schutzmantel um uns herum, der uns davor schütz so wie das Drachenblut Siegfried geschützt hat. Und die Regeln unserer Gesellschaft und dieser Welt sind einfach: Leistung statt Gnade; Regeln und Gesetze statt Liebe und der eigene Vorteil statt Gemeinschaft. Werden wir nicht jeden Tag damit konfrontiert, auch heute wenn wir die Pforten dieser Kirche - spätestens jedoch morgen, wenn wir wieder in den Alltag gehen, heraus aus unserem frommen Reservat? Dann müssen wir uns wieder diesen Gesetzen stellen und sind ihnen ausgesetzt. Und es drängt sich die Frage auf, ob wir da mitmachen müssen, wenn wir nicht unter die Räder kommen wollen. Eine Frage, die die Antwort schon in sich trägt. Natürlich will keiner von uns unter die Räder kommen, aber daß dies alles nichts mit einem Christenleben zu tun hat, das merken wir auch - jetzt beim hören oder sogar aus eigener Erfahrung. Unzufriedenheit und ein schlechtes Gewissen sind die spürbaren Folgen davon.

Wir erkennen, es müßte eigentlich anders sein - aber wie soll das geschehen? Und hier höre ich schon die Stimmen derer, die mit Anweisungen und Ratschlägen der Kategorie „man muß“ und „wir brauchen mehr“ sich Gehör verschaffen.

Das sind die Töne, die ich unter uns höre, aber Paulus schließt seinen Brief, der nun wirklich nicht durch Süßholz raspeln glänzt, mit ganz anderen Tönen ab. Nicht mit Ermahnungen und Regeln schließt er seinen Brief, sondern mit einem Segensgruß, weil er weiß, daß den Mangel, der damals in Korinth herrschte und auch bei uns herrscht, nur einer ausfüllen kann und wird (Phil 4,19). Und so stellt er unserem Mangel Gottes Fülle entgegen.

2. Das ist das Zweite: Gottes Fülle

Die Schwierigkeit an dieser Stelle liegt darin, daß jetzt nicht der Eindruck entsteht, ich möchte Sie mit ein paar frommen Sprüchen abspeisen, die zwar grundsätzlich richtig sind, aber zu jeder anderen Stelle auch passen würden und somit für die konkrete Situation wenig hilfreich sind. Es soll darum gehen, daß wir ermutigt werden, die Quelle anzuzapfen, von der uns wirklich Fülle zukommt.

Dazu müssen wir die geistliche Verstopfung auflösen, damit die Zufuhr wieder funktionieren kann. Eine solche Verstopfung kann entstehen, wenn wir uns nur um uns selber drehen und nur noch auf uns und unsere Probleme schauen. Oder aber wenn wir nicht wahr haben wollen, das etwas nicht stimmt, wir Defizite haben und so tun, als wäre alles in bester Ordnung. Aber da machen wir uns und anderen nur etwas vor. Denn wenn wir ehrlich sind merken wir doch, wenn etwas schief läuft und aus dem Gleis geraten ist. Die entscheidende Frage ist dann, wie wir mit dieser Situation und Verstopfung umgehen. Untereinander und in unserer Beziehung zu Gott.

Zunächst gilt es festzuhalten, daß Gott in seiner ganzen Fülle für uns, mit uns und bei uns ist. Glauben sie das? Denn genau da, wo uns das Leben und diese Welt einholt, wo unser Mensch-sein mit all seinen Mängeln und Schwierigkeiten zu Tage tritt, da redet Paulus vom dreieinigen Gott. Aber nicht in Form einer theoretischen Lehre die eh keiner kapiert. Nein ganz praktisch und konkret. Denn für Paulus ist Trinitatis keine theologische Spekulation und Theorie, sondern der Inbegriff der ganzen Fülle Gottes. Und genau diese Fülle brauchen wir und diese will uns Gott auch schenken.

Und Gottes Fülle begegnet uns in seiner Liebe, in der Gnade seines Sohnes und in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Verdient haben wir diese Liebe ganz gewiß nicht und vielleicht haben wir aus dem Wissen darum manchmal Mühe, an diese Liebe zu glauben. Oder sind sie sich der Liebe Gottes immer hundertprozentig sicher - wirklich? - in jeder Lebenslage?

Gott macht seine Liebe zu uns nicht von unserer Liebenswürdigkeit abhängig. An diese Liebe dürfen wir uns klammern, nicht nur sonn- und feiertags, auch werktags. Diese Liebe, die ihm das Leben seines Sohnes wert war, gilt uns immer. Gottes Liebe gilt jedem Menschen, gilt ganz besonders dem Sünder. Denn so schreibt es Paulus, daß uns Gott geliebt und angenommen hat, als wir noch Sünder und von ihm getrennt waren.

Das dürfen wir hören, auch heute Morgen: da ist einer, der für uns und mit uns ist, kurz, einer der uns bedingungslos liebt. Wenn uns dies wirklich klar ist, dann haben wir es nicht mehr nötig, an unserer Lebensbilanz mit all ihren Mängeln irgend etwas zu beschönigen oder zu frisieren. Denn wenn Jesus dazu steht, dann darf auch ich dazu stehen. Und in dieser Liebe, dieser vorbehaltlosen Annahme, da begegnet uns in Jesus auch ein gnädiger Gott.

Über eines dürfen sie sich sicher sein: Jesus wird sie nie fragen, „Was kannst du?“ oder „Was bringst du mit?“. Er wird fragen „Was brauchst du?“. Das ist Gnade! Wir erhalten und erfahren seine Vergebung, wo wir gefehlt und gesündigt haben. Da wird keine Abrechnung aufgemacht, nein, da steht einer und lädt mich ein, zu ihm zu kommen und meine Schuld bei ihm abzuladen. Das ist die Luft Jesu, der Windhauch des Heiligen Geistes den wir atmen können. Wo wir uns an ihn, an Jesus binden und uns von ihm abhängig machen, da werden auch wir gnädig, uns und anderen gegenüber.

Ist es nicht zum Verzweifeln, wie wenig Gemeinschaft manchmal unter Christen lebendig und spürbar ist? Gottes Geist will diese Gemeinschaft stiften, die mehr ist als gegenseitige Sympathie. Das gilt es zu unterscheiden. Denn Gemeinschaft und Gemeinde ist etwas anderes als die Vereinigung Gleichgesinnter oder die Interessengemeinschaft religiöser Menschen. In der Gemeinde werden mir durch das Wirken des Geistes Menschen als Schwestern und Brüder an die Seite gestellt, mit denen ich unter normalen Umständen wohl nichts zu tun haben würde. Daß Spannungen die Folge sind, halte ich zwar auf der einen Seite für natürlich aber auf der anderen Seite werde ich herausgefordert, ob ich geschwisterlich lebe und wie ich damit umgehe. Klar muß mir sein, daß jede Schwester und jeder Bruder die gleichen Heimatrechte hat wie ich auch.

Schluß

Ich wünsche ihnen, daß sie ihren Mangel - als einzelner und als Gemeinde erkennen aber daran nicht verzweifeln sondern dazu stehen, weil Jesus zu ihnen steht und die Fülle, die Gott ihnen anbietet, in Anspruch nehmen. Und darum gilt:

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch. Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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