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Predigt über 2. Korintherbrief 5, 19-21

am 10.04.1998
Karfreitag

Ort: Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Kennen Sie auch den Streit um und über’s Essen? Da gibt es die einen, die essen nicht nur, die zelebrieren das Essen förmlich und da muß es schon ein bißchen extra zugehen. Dann gibt es die anderen, die sich um oder über das was sie essen, wenig Gedanken machen. Hauptsache es schmeckt.

Es gibt Geschichten in der Bibel, die gehen uns runter wie ein gutes Essen. Da können wir uns richtig daran laben und gar nicht genug davon bekommen. Daneben gibt es aber auch noch andere. Die findet man seltener auf Spruchkarten oder als Begleitverse für bestimmte Anlässe im Leben. Das sind diejenigen, bei denen man erst auf den Geschmack kommen muß, um sie genießen zu können! Aber wenn man dann einmal auf den Geschmack gekommen ist, dann will man sich auch daran satt essen. Unser heutiger Predigttext fällt für mich unter diese zweite Kategorie. Ich lese aus dem 2. Korintherbrief, Kapitel 5 die Verse 18-21:

- Text lesen: 2.Kor 5,19-21 -

Ich weiß jetzt nicht, was sie heute morgen gefrühstückt haben. Mit diesen Versen wird uns sozusagen ein geistliches Vollkornfrühstück angeboten, Theologie pur. Unberücksichtigt dessen, was es bei ihnen heute morgen zum Frühstück gegeben hat, möchte ich sie einladen, mit mir auf den Geschmack dieser Verse zu kommen, in deren Zentrum das Wort „Versöhnung / versöhnen“ steht. Dieses Wort möchte ich in die Mitte dieser Frühstückspredigt stellen, und die ich ihnen in drei Gängen anbieten möchte:

1. sich versöhnen heißt: den Blick zurück wagen

2. sich versöhnen heißt: Gott dienen lassen

3. sich versöhnen heißt: sich senden lassen (oder als Gesandte zu leben)

1. Sich versöhnen heißt: den Blick zurück wagen

Der bekannte Bürgerrechtler und jetzige Präsident Südafrikas Nelson Mandela hat einmal auf die Frage nach seinem persönlichen Lebensschicksal geantwortet: „Ich bin mit meinem Leben versöhnt!“

Mich erstaunt die Aussage dieses Mannes, der viele Jahre im Gefängnis saß und dem Willen seiner Peiniger ausgesetzt war. Nelson Mandela hat sich, wie viele andere auch, die allerdings weniger populär sind und die nicht in den Schlagzeilen der Zeitungen zitiert werden, seiner Vergangenheit gestellt und sich mit ihr auseinandergesetzt. Er hat den Mut aufgebracht auf sein Leben zurückzublicken. Auf Grund dieses Rückblicks konnte er sich mit seiner Vergangenheit aussöhnen und neue Wege für sich und in seiner politischen Funktion als Präsident auch für sein Land neue Wege gehen.

Jetzt sind wir hier in Münstertal/Staufen und keiner von uns hat die Lebensgeschichte eines Nelson Mandelas hinter sich und wir genießen auch nicht dessen Popularität. Aber das Thema, das in diesem Zitat anklingt, findet sich auch bei jedem von uns, in unserer Lebensgeschichte: Versöhnung - Versöhnung zwischen Völkern, zwischen Generationen, zwischen den Kirchen, zwischen Ehepartnern und Arbeitskollegen und nicht zuletzt, sondern vor allem: Versöhnung mit Gott! Damit Versöhnung zustande kommt, Versöhnung möglich wird, braucht es den Blick zurück und hinein in unser Leben. Und davor drücken wir uns oft. Denn das bedeutet, den Dingen ungeschminkt ins Gesicht zu schauen, möglicherweise Peinlichkeiten zu ertragen und Fehler einzugestehen. Denn das heißt unter Umständen auch zu dem Ergebnis kommen, mein Leben ist mir aus dem Ruder gelaufen. So wie dieser Mensch in der Pantomime (Pantomime „Ich steh zu dir“ von Annette und Ute zu dem Lied von Cae Gaunt) zu erkennen, so kann es nicht weitergehen, etwas muß anders werden.

Die entscheidende Frage an diesem Punkt ist dann, wie komme ich mit mir, mit meinem Leben ins Reine und wie kann ich versöhnt werden. Uns, die wir heute morgen hier zusammengekommen sind, sagt Paulus in diesen Versen, warum es uns möglich ist, den Blick zurück zu wagen und, was viel wichtiger ist, wie wir Versöhnung finden. Sich versöhnen, so sagt Paulus, heißt nicht nur den Blick zurück zu wagen, sondern, und da bin ich bei meinem zweiten Gang, Gott dienen lassen:

2. Sich versöhnen heißt: Gott dienen lassen

Ich behaupte, daß Versöhnung, wahre, bleibende Versöhnung ihren Ursprung an Karfreitag hat. An jenem Nachmittag als vor den Toren Jerusalems in der sengenden Sonne ein Kreuz aufgerichtet wurde, an dem ein Mann qualvoll zu Tode gefoltert wurde. Indem dieses Kreuz aufgerichtet wurde an dem Jesus starb, wurde das Wort von der Versöhnung in dieser Welt aufgerichtet.

Und glauben Sie jetzt ja nicht, sie seien die ersten, die mit dem Wort vom Kreuz ihre liebe Not haben. Schon Paulus weiß von Zeitgenossen zu berichten, denen das alles andere als wie ein feiner Nachtisch runterging. Da gab es zum einen diejenigen, die daran Anstoß nahmen und zum anderen die, denen es überhaupt nicht in ihr Weltbild paßte, denen das alles zu einfach und zu banal war (1.Kor 1,23). Aber die Antwort auf die Frage nach dem Kreuz und seiner Bedeutung für mich ganz persönlich und der Frage nach der Versöhnung erschließt sich mir nicht, wenn ich vermeintlich meine, alles verstanden zu haben und alles geklärt ist und ich den Durchblick habe. Versöhnung geschieht vielmehr im Aufblick zu diesem Kreuz und dem Mann, der daran gestorben ist (Joh 17,3)! Und das ist alles andere als banal!

Gott macht hier den ersten Schritt auf uns zu. Zu einem Zeitpunkt, an dem wir uns noch keine Gedanken über Gott gemacht haben, da sind wir ihm bereits wichtig. So wichtig, daß er seinen Sohn in diese Welt schickt, damit er zurechtbringt, was wir, was ich verbockt habe. Gott wartet nicht, bis wir die Initiative ergreifen, bis wir vermeintlich so weit sind, sondern ER kommt auf uns zu. „Den, der von keiner Sünde wußte, hat er für uns zur Sünde gemacht (2.Kor 5,21). Oder wie es etwas moderner in dem Lied von Siegfried Fietz heißt: „Gott kommt zu uns, er kommt herab von seinem ewigen Thron. Gott kommt zu uns, und wird uns gleich in Jesus seinem Sohn (Lebenslieder Nr. 276). Im Leiden und im Sterben Jesu war Gott selbst zugegen. „Gott war in Christus (2.Kor 5,19), so schreibt es Paulus, Gott war mitten drin im Geschehen so wie ER auch in unserem Geschehen, unserer Geschichte und Leben mitten drin ist, Tag für Tag! Damit hat Gott die Basis geschaffen, daß wir den Blick zurück wagen können. Im Kommen seines Sohnes und im Geschehen vom Kreuz auf Golgatha macht Gott deutlich, ich steh zu Dir und ich will mich mit dir versöhnen. Nimm in Gottes Namen dieses Angebot an!

Versöhnung mit Gott, und Versöhnung mit meiner Geschichte und mit meinem Leben beginnt dann, wenn ich den Blick auf diesen Mann am Kreuz richte. Gott hat uns gedient und dient uns noch heute. Und dies will in diesem Gottesdienst in den Zeichen von Brot und Wein ganz konkret werden. Da kommt Gott zu uns, mitten hinein in ihr und mein Leben, greifbar und spürbar.

Laßt euch versöhnen mit Gott, daß heißt im dritten Gang:

3. Sich versöhnen heißt: als Gesandte leben

Von dem dänischen Philosophen und Theologen Sören Kiergegaard stammt die Aussage: „Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, leben muß man es vorwärts.“ Das Angebot Gottes zur Versöhnung erkennen und annehmen ist das eine. Das andere sind die Konsequenzen die sich daraus ergeben. Und Konsequenzen heißt in diesem Fall für mich nicht in wilde Aktivität verfallen, sondern dem Wirken Gottes in meinem Leben Raum geben. Als Bild dafür dient mir das Samenkorn. Ein Samenkorn hat eine ihm innewohnende Dynamik, eine Kraft, die es zum austreiben bringt und es wachsen läßt. Das erleben wir gerade jetzt im Frühjahr sehr eindrücklich. Mit aller Gewalt drängt es nach außen, schafft sich diese Kraft in den Keimlingen durch den Boden Bahn. So ist es auch, wenn Gottes Wort in unser Leben fällt, wenn das Wort von der Versöhnung in uns aufgerichtet wird. Da wird eine Dynamik entfaltet, die uns in Bewegung setzt.

Dann wird Versöhnung in unserem Leben konkret. Paulus hatte dies erfahren: Versöhnung mit Gott und Versöhnung mit den Menschen. Und diese Erfahrung entfaltete sich in seinem Leben und drängte nach außen. Das wird auch von den ersten Christen berichtet und erkennbar daran, daß aus einem ängstlichen Haufen, bei dem sich alle aus dem Staub gemacht hatten, unerschrockene Zeugen und sogar Märtyrer werden. Aus Menschen, die beim Hahnenschrei alles verleugnet haben werden Frauen und Männer die von sich sagen, „wir können es ja nicht lassen von dem zu erzählen was wir gesehen und gehört, was wir erlebt haben“(Apg 4,20). Sie haben dem Samenkorn Raum gegeben und haben das gelebt, haben sich als Gesandte in dieser Welt gewußt und die Herausforderung angenommen.

Nun höre ich diejenigen unter uns, die innerlich die Hände heben und abwehren und sagen, das kann ich doch nicht. Da bin ich nicht perfekt oder radikal genug. Denen, die immer von einer radikalen Einstellung träumen und perfekt ein wollen, sage ich: Auch die Christen, an die sich Paulus in seinem Brief wendet, waren alles andere als perfekt und fühlten sich wohl auch etwas überfordert. Aber sie haben die Einladung Gottes angenommen, haben dem Wort der Versöhnung in ihrem Leben Raum gegeben so daß sich dessen Dynamik entfalten konnte und haben nicht alle Anstrengung unternommen, diese zu bremsen. Sie haben die Botschaft von der Liebe Gottes und seiner Versöhnung mit uns weitergegeben. Auch wir sind berufen, wenn wir dieses Wort angenommen haben, als Gesandte und als Gottes Leute diese Einladung auszusprechen: laßt euch versöhnen mit Gott. Eine Botschaft die allen Menschen gilt, die wir immer wieder hören können und hören müssen.

Schluß

Ich schließe mit einer Einladung: an Karfreitag hat sich Gott mit dieser seiner Welt und uns Menschen, mit ihnen und mir versöhnt. Das fleischgewordene Wort in der Person Jesu wurde zum Wort der Versöhnung. Wagen sie darum im Vertrauen darauf daß Gott sie liebt den Blick zurück, nehmen sie Gottes-dienst an sich wahr und lassen sich mit Gott versöhnen um als Gesandte aus diesem Gottesdienst zu gehen und als solche zu leben. Gottes Kraft will sich in ihrem Leben entfalten!

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -


Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Finkenweg 5
D-86574 Petersdorf-Alsmoos
08237/951727
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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