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Predigt über 2. Timotheus 1,6-10

am 26.09.2004
16. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

"Was mein Gott will, gescheh allzeit, sein Will, der ist der beste." Können sie das immer so frei singen wie es vermutlich jetzt die meisten gerade getan haben. Oder stellen sie sich nicht manchmal auch die Frage "Was bringt mir mein Christ sein?" Lohnt es sich noch wenn ich dabei bleibe und weitermache - im Besuchsdienst, in der Jungschar, im Hauskreis, im Ältestenkreis? Und was bringt mir der Gottesdienst?

Es gehört zu unserem Leben und Christ sein dazu, dass wir uns gewisse Dinge vorstellen und Erwartungen hegen, wie Gott ist und wie er handeln soll. Und die eben gestellten Fragen tauchen dann auf, wenn ich mich in meinen Erwartungen enttäuscht sehe. Enttäuscht weil ich Gott anders erlebe oder er anders handelt als ich es mir vorgestellt habe. Aber auch enttäuschte Erwartungen an die Gemeinde und den Menschen, die mir dort begegnen lösen solche Fragen aus. Wer auch immer hinter unseren enttäuschten Erwartungen steckt, eines möchte ich ihnen sagen: seien sie doch froh, wenn sie enttäuscht werden, dann hört die Täuschung endlich auf und sie können beginnen, sich mit den wahren Gegebenheiten auseinander zu setzen.

Meist fallen diese Fragen mit Anfechtungen und Glaubenskrisen zusammen. Dann, wenn wir niedergeschlagen sind, wir mit unserer Beziehung zu Gott nicht mehr zu Recht kommen und wir einmal mehr unsere menschlichen Begrenztheiten erleben. Zumindest ich erlebe es immer wieder, dass Müdigkeit und Verzagtheit über mich kommen, oft ausgelöst durch Ereignisse, die zunächst einmal überhaupt keinen geistlichen Hintergrund haben. Und auch dies gehört zu unserem Menschsein dazu: wir sind nun mal nicht jeden Tag dieselben, weder in unserer psychischen noch physischen Verfassung und auch nicht in unserem Glauben und Dienst. Und selbst diejenigen, die in unseren Augen "Glaubenshelden" sind - sofern es so etwas überhaupt gibt, kennen Phasen der Verzagtheit und Mutlosigkeit. So schreibt beispielsweise Dietrich Bonhoeffer: "... müde und leer zum Beten, zum denken, zum Schaffen, matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen."1 Und dies kann dann auch noch von Mensch zu Mensch, von Charaktertyp zu Charaktertyp in der Ausprägung variieren.

In der Bibel finden wir eine Reihe von Stellen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, die sich mit denen beschäftigen und denen zuwenden, die niedergeschlagen sind. Auch die Verse des heutigen Predigttextes sind an einen gerichtet, der wahrscheinlich auch eher zu den verzagteren Zeitgenossen gehört. Einer, der sich auch fragte, ob sich das weitermachen denn noch lohnt, nach allem was er und andere um ihn herum erleben.

- Text lesen: 2. Timotheus 1, 6 - 10

Das ist schön und gut und hört sich natürlich klasse an - aber weiß Paulus eigentlich wovon er da schreibt? Weiß er wie es mir in meiner Krise ergeht, wie ich mich fühle wenn die Wogen über mir zusammenschlagen? Hat Paulus eine Ahnung davon, sich von Gott verlassen zu fühlen? Als Paulus diese Zeilen schrieb, saß er im Gefängnis und wartete auf seine Verurteilung. Er wusste nicht, was ihn erwartet und was auf ihn zukommen wird. Was er aber wusste, wovon er zutiefst überzeugt war und wovon er auch in der tiefsten Krise nicht ablassen wollte, das will er seinem Mitarbeiter und engem Freund Timotheus mitteilen und ihn dadurch ermutigen. Und so sind diese Verse auch an diejenigen unter uns gerichtet, die ebenfalls alles hinschmeißen wollen, die keinen Bock mehr haben weil sie keine Perspektiven mehr sehen und sie der Mut verlassen hat.

Ihnen nennt Paulus drei Gründe warum es sich lohnt, weiterzumachen, nicht aufzugeben: Es lohnt sich weiterzumachen weil

  • 1. Gott uns berufen hat!
  • 2. Gott uns seinen Geist gegeben hat!
  • 3. Gott uns ein großes Ziel verheißt!
  • 1. Gott hat uns berufen!

    Paulus hatte erfahren, dass es seinem Freund und Mitarbeiter Timotheus überhaupt nicht gut ging. Dass er niedergeschlagen und verzagt war und nicht wusste, wie es weitergehen soll. Timotheus schämte sich, dass sein Freund und Vorbild Paulus im Gefängnis saß. Was sollen da die Leute von ihm denken? Und wie passt das zusammen mit der Botschaft vom auferstandenen HERRN dem alle Gewalt gegeben ist - lässt der seine Anhänger so hängen? Haben nicht auch wir genügend Gründe um uns zu schämen, mit unserem Glauben hinter dem Berg zu halten? Sich zu schämen für eine Kirche die in weiten Teilen ihrer Geschichte immer wieder versagt hat? Sich zu schämen, weil wir als Gemeinde längst nicht das sind, was wir sein sollten? Sich zu schämen weil auch ich selbst immer wieder versage, zurückfalle in mein altes Leben und kaum etwas von der "neuen Kreatur" sichtbar wird, die ich doch sein sollte! Sich zu schämen weil ich eher einem unbeschriebenen Blatt gleiche als einem Brief Christi (2Kor3,3). Gründe genug - oder?

    Paulus waren diese Gedanken wohl nicht unbekannt. Wenn er einmal von sich als einer "unzeitigen Geburt" (1Kor 15,8) spricht schließe ich daraus, dass er sich durchaus seiner Unzulänglichkeiten bewusst und nicht nur auf Wolke sieben zu Hause war. Aber Paulus blieb nicht hier stehen, tritt diesen Gedanken und Selbstvorwürfen entgegen indem er sich, Timotheus und uns in Erinnerung ruft, worauf es ankommt: "Schäme dich nicht des Zeugnisses unseres Herrn, denn ER, Gott hat uns errettet und berufen mit seinem heiligen Ruf." Haben sie das gehört? Gott hat uns, sie und mich errettet und berufen. Nicht wegen unserer Werke, nicht weil wir so tolle Kerle wären, nicht wegen unserer Erfolge und nicht deswegen, weil wir immer alles richtig machen und nie in Zweifel geraten. Er hat uns berufen allein weil ER uns liebt, weil ER will dass jeder von uns gerettet wird und keiner verloren geht.

    Wenn Paulus so spricht, dann spüren wir etwas von seinem Staunen darüber, als Gott ihn mit diesem Ruf gerufen hat, wie sein Leben dadurch eine neue Richtung bekam. Wenn dieser Ruf "Komm, folge mir nach! Erkenne dich als geliebtes Kind Gottes." an Menschen ergeht, und das geschieht bis heute, auch jetzt, dann geht es an die Wurzeln des Lebens. Die Gelegenheiten, in denen Gott uns anspricht sind so vielfältig wie das Leben selbst. Jetzt zum Beispiel, wo sie diese Worte hören und darüber nachdenken, in einer Liedstrophe, in der Schriftlesung. Aber auch in einer Begegnung mit einem Menschen, in einer Zeitungsmeldung, in einem Lebensschicksal, ...

    Wenn Gott uns ruft, dann will er auch die Verantwortung für unser Leben übernehmen. Daran erinnert Paulus seinen Freund, und er erinnert auch uns. ER hat uns berufen mit seinem heiligen Ruf - ER nicht wir! Wenn dieser Ruf an mich ergeht, wenn Jesus in mein Leben tritt, dann kann ich nicht mehr dahinter zurück, kann ich nicht mehr so tun als wäre nichts geschehen. Gewiss, dieser Ruf trifft nicht jeden in gleicher Weise und auch nicht so drastisch wie bei Paulus. Aber in der Konsequenz bleibt es gleich: Ich weiß mich von Gott geliebt und hineingenommen in sein Reich.

    Ich frage mich, frage Paulus: Reicht es aus, allein einen Appell an unser Durchhaltevermögen zu richten? Sollen wir uns etwa an den eigenen Haaren aus dem Sumpf unserer Niedergeschlagenheit und Verzagtheit ziehen? Nein, sagt Paulus. Denn Gott hat euch nicht nur berufen, sondern und das ist das Zweite,

    2. Gott hat uns seinen Geist gegeben!

    Einen Geist, der uns mit Kraft, mit Liebe und mit Besonnenheit erfüllt. Einen Geist, der uns zum Tröster und Beistand wird. Einen Geist, der in uns die Erinnerung an das Wort Gottes wach hält. Einen Geist der uns mit Gaben ausstattet und uns zur Nachfolge und Dienst befähigt.

    Jeder von uns kommt früher oder später an seine Leistungsgrenzen, im geistigen, nervlichen oder auch körperlichen Bereich. Dann ist es wichtig, dass wir auf die Kraftquelle hingewiesen werden, die Gott für uns bereit hält. Gott hat uns einen Geist der Kraft gegeben. Wenn unsere Kräfte schwinden, dann ist es dieser Geist, der uns immer wieder neue Kraft schenkt. Der uns wieder aufrichten und weitergehen lässt. Wenn wir diese neue Kraft bekommen, so erfolgt dies meist recht unspektakulär. Denn es geht nicht darum, dass ich plötzlich vollkommen neue Dinge machen kann sondern darum, den bisherigen Weg weiterzugehen. Ich mich aufraffe und den nächsten Hauskreis vorbereite oder einen weiteren Haus- oder Krankenbesuch mache und nicht darum, Kranke zu heilen. Es ist dieser Geist der mir nach einer hitzigen Debatte im Kirchengemeinderat die Kraft schenkt, auf den anderen zuzugehen, das klärende oder auch vergebende Wort zu suchen. All dies geschieht oft unspektakulär und ohne dass wir ein besonderes Erlebnis dabei haben.

    Gott schenkt uns einen Geist der Liebe - das wäre allein ein Thema für sich! Deshalb möchte ich nur kurz darauf eingehen und nur einen Aspekt aufgreifen, den ich aber für wesentlich halte. Wenn davon die Rede ist, dass Gottes Geist ein Geist der Liebe ist, dann ist eine wesentliche Wirkung dieses Geistes, dass er meinen Blick öffnet für andere Menschen und für Gott. Dass ich anfange zu fragen, was kann ich für meinen Nächsten tun, was nützt und hilft ihm und ich auch danach frage, was möchte Gott von mir, was kann ich in meinem Leben umsetzen was in seinem Sinne ist.

    Und schließlich ist er auch ein Geist der Besonnenheit. Viele sind ja der Auffassung, dass man mit Gottes Geist in höhere Sphären entschwebt, den Niederungen des irdischen Daseins entfliehen kann. Aber ich denke, genau das Gegenteil ist der Fall. Dieser Geist hält uns, sie und mich auf dem Teppich, bewahrt vor Höhenflügen, hilft zu einer realistischen Analyse und führt uns immer wieder die Möglichkeiten Gottes vor Augen. Besonnenheit, schreibt der ehemalige württembergische Bischof Theo Sorg, "Besonnenheit, dazu gehört auch die Bereitschaft zu einer Lebensart, die etwas von Maßhalten, Verzichten und Teilen weiß, zu einem Lebensstil, der nicht auf Kosten anderer geht."2

    Das Neue Testament lehrt uns zwei aktive Umgangsformen mit dem Geist Gottes: ich kann ihn dämpfen und ich kann ihn anfachen. Ich glaube es gehört zum Wesen dieses Geistes dazu, dass er nicht immer volle Pulle brennt, da könnten wir überhaupt nicht mithalten. Und so kann es durchaus Phasen geben, da brennt er nur noch schwach oder ist gar nur noch am glühen. Dann müssen und können wir ihn wieder anfachen, dadurch dass ich mich mit dem Wort Gottes beschäftige, dass ich mich ganz bewusst in einer Zeit der Stille und Anbetung dem auferstandenen Herrn zuwende und mir vor Augen führe, was er für mich getan und mir gegeben hat. Ich kann diesen Geist neu anfachen indem ich das seelsorgerliche Gespräch suche und mir von einem anderen Christen Vergebung und die Verheißungen Gottes zusprechen lasse. Und ich kann ihn anfachen in dem ich darum bitte, dass sich dieser Geist wieder in meinem Leben entfaltet und mich neu erfüllt.

    3. Gott verheißt uns ein großes Ziel!

    Es gibt ja den schönen Spruch, dass der Weg das Ziel sei. Dieser Satz hat einen bestimmten Charme, weil er eine gewisse Dynamik ausstrahlt die davon spricht, dass man unterwegs ist und nicht auf der Stelle stehen bleibt. Er erweckt auch den Eindruck dass es nicht nötig ist, sich vornherein auf ein bestimmtes Ziel festzulegen. Das Ziel ist variabel, heute dies und morgen jenes, Hauptsache ich bleibe nicht stehen. Zugegeben, dieser Spruch hat was.

    Aber was ist, wenn mich mein Weg im Kreis führt? Wenn ich gar nicht mehr weiß, wohin ich eigentlich gehe weil mir das Ziel abhanden gekommen ist oder weil es unbestimmt ist. In unseren Tagen gibt es viele, die von Zielen reden und darüber, wie ich sie erreichen kann - auch ich. Ich halte dies durchaus für wichtig, weil es uns in vielen Dingen helfen kann, auch in der Gemeindearbeit. Aber wenn es um Lebensziele geht, dann haben wir als Christen ein klares Ziel: ein Leben im Himmel, ein Leben in Gottes Gegenwart! Das ist unser Ziel, das haben wir uns auch nicht selbst gesteckt, sondern ist uns von Gott gegeben. Es gibt keine anderes, lassen sie sich da ja nichts vormachen! Alles andere was uns als Ziel vorgestellt wird bzw. wir meinen es sei als Ziel erstrebenswert (Gesundheit, Wohlergehen im weitesten Sinn) ist, wenn es sich einstellt schön und gut, aber nur Sahne auf dem Kuchen und nicht unser eigentliches Ziel.

    Die Frage ist, wie komme ich an dieses Ziel? Ich bin überzeugt, dass es viele Wege gibt um an dieses Ziel zu gelangen. Das mag jetzt vielleicht etwas komisch klingen, wo wir doch wissen, dass Jesus der Weg ist. Was ich damit sagen möchte ist, dass jeder von uns seinen eigenen Weg geht, dabei seine ganz eigenen Erfahrungen auf diesem Weg macht und dieser Weg letztlich von jedem ganz unterschiedlich erlebt wird. Aber allen gemeinsam ist, ich muss mich an Jesus hängen, muss IHM nachfolgen um ans Ziel zu kommen.

    Ich möchte an dieser Stelle betonen: Nachfolge bedeutet nicht irgendwelche Werke zu vollbringen oder etwas zu tun oder nicht zu tun um mir damit "Berechtigungsschein" zu verdienen! In der Nachfolge geht es im Blick auf das von Gott geschenkte Ziel einfach - oder auch nicht einfach- darum, das in Anspruch nehmen, was Jesus für mich getan hat! Für uns Christen gibt es ein Ziel und Jesus hat den Weg dahin frei gemacht, er hat dafür gesorgt, dass jeder ans Ziel gelangen kann. Was dem im Wege stand, war der Tod, und den hat Jesus ein für alle mal besiegt! Der Weg, die Methode an dieses Ziel zu kommen ist, mich an Jesus zu hängen und mich von ihm mitziehen zu lassen.

    Schluss

    Wenn Paulus heute davon spricht, dass dem Tod die Macht genommen ist, unser Ziel ewiges Leben bei Gott ist, sprechen da unsere Friedhöfe nicht eine andere Sprache? Hier komme ich nochmals auf die Geschichte zurück, die ich Eingangs dieses Gottesdienstes erzählt habe*)3 - die Botschaft ganz hören. In unserem Leben und Glauben stehen wir vielfach in der Spannung, dass wir noch nicht schauen was Gott uns verheißen hat, und dass das, was wir schauen, oft dem zu widersprechen scheint, was uns verheißen ist. Mit den Versen die Paulus seine Freund Timotheus geschrieben hat fordert er ihn und uns auf, dem Schauen das Glauben entgegenzuhalten. Auf einem Grabstein auf einem Friedhof ist der letzte Vers des heutigen Predigttextes als Angabe eingraviert "2.Tim 1,10". Ich denke das ist es worauf es Paulus immer wieder ankommt, worauf es immer wieder hinausläuft: Im Angesicht der scheinbar endgültigen Tatsachen dieser Welt Gottes ewige Verheißung entgegenhalten. Auf das zu vertrauen, was uns gegeben ist, jetzt schon und für alle Ewigkeit!

    Amen. - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
    *) Als General Wellington mit den anderen europäischen Verbündeten über Napoleon siegte, sollte der Ausgang der Schlacht mittels eines optischen Signals übermittelt werden. Auf der einen Seite des Kanals wurde das Signal gegeben und in England entzifferte man: "Wellington besiegt" und große Enttäuschung machte sich breit. Aber dann kam der Rest der Botschaft: "den Feind!" und die Sorge wich dem Jubel. (Erzählt in "Zuversicht und Stärke" 2.Reihe Heft 5 2004; S.84)
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