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Predigt über Lk 16,19 - 31

am 19.6.2022
1. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Grenzach


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Kürzlich lass ich folgende Nachricht: Die zehn reichsten Deutschen konnten in der Corona-Pandemie ihr Vermögen verdoppeln. Gleichzeitig wird das Heer derer, die in die Armut gedrängt werden, immer größer. Nachrichten oder nur Schlagzeilen mit wenig Inhalt? Denn fast zeitgleich las ich an anderer Stelle, dass die Armut weltweit immer weiter zurückgegangen sei. Was nun: mehr oder weniger? Was stimmt: Armut und Reichtum ist ein Thema, auch bei uns in Deutschland, auch für Christen.

Denn auch in der Bibel wird dieses Thema nicht tabuisiert sondern immer wieder aufgegriffen. Da finden sich genügend Stellen, sowohl im Alten wie Neuen Testament, die sich damit auseinandersetzen und versuchen, Wegweisung und Hilfestellung zu geben. Zum Beispiel in den Versen aus dem 5. Mose die wir als Schriftlesung gehört haben (5.Mos 15,7ff). Oder auch in den Versen des heutigen Predigttextes:

- Text lesen: Lk 16, 19-31 -

Hilfestellung, Wegweisung? - zunächst erschrickt man, wenn man diese Verse und den Ausgang dieser Erzählung liest und hört. Man zuckt irgendwie innerlich zusammen und fühlt sich ertappt. Das kommt wohl daher, dass wir uns in unseren Lebensumständen, wenn auch nicht zwingend im Detail, vermutlich eher mit dem namenlosen Reichen vergleichen und weniger mit dem Lazarus. Keiner von uns liegt in der Gosse und muss um sein tägliches Brot betteln. Und ertappt fühlen wir uns weil wir alle nach unserem Tod wohl lieber an den Ort kommen wollen, an dem sich Lazarus befindet – oder?

Jesus greift das Thema Reichtum immer wieder auf. So zum Beispiel in der Geschichte von der armen Witwe und dem Reichen (Lk 21,1ff) in der es darum geht, wie groß im Sinne von viel eine Opfergabe ist und woran sich diese bemisst. Oder bei der Frage, was ist zukunfts- bzw. ewigkeitstauglich wie in jenem Gleichnis vom reichen Kornbauern der seinen Besitz in Scheunen für die Zukunft lagert und der in der Nacht sterben wird. Für seine materielle Zukunft hat er vorgesorgt, aber hat er das auch für die Ewigkeit? Oder schließlich in den Mahnungen oder Weherufe an die Reichen, die den 10 Seligpreisungen bei Lukas folgen (Lk 6,24ff). Und es gäbe noch genügend andere anzuführen.

Über dieser Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus bin ich ins nachdenken darüber gekommen, was Reichtum bedeutet, warum in der Bibel und gerade im Neuen Testament sehr kritische Töne angeschlagen werden und was daraus zu lernen ist.

Zunächst habe ich in der Erzählung zwei Botschaften ausgemacht:

1. ausgleichende Gerechtigkeit -

- eine erste und durchaus nachvollziehbare Reaktion auf diesen Text. Über Jahrhunderte wurde dieser Gedanke aufrecht erhalten, nahezu befördert und genährt, sowohl in einer aktiven als auch in einer passiven Weise. Passiv deswegen, weil Menschen mit diesen Versen auf das Jenseits vertröstet wurden. Menschen, denen das Leben nichts anderes anzubieten hatte als Elend und Not, ein Dasein in erbärmlichen Verhältnissen und Zuständen aus denen es vermeintlich kein Entkommen gab. Aber dieser Hinweis auf die ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits dient und dient vielleicht noch heute dazu, bestehende gesellschaftliche Systeme zu stützen. Aber diese Systeme waren vielfach nichts anderes als Unterdrückungssysteme in denen es immer wieder darum ging, die Unterdrückten und die Menschen in ihrer Armut zu vertrösten damit sie nicht auf die Idee kommen, an diesen Systemen etwas ändern zu wollen.

Interessant finde ich, dass die Unterdrückenden aus diesen Versen keine Lehren für sich herstellten, aus dem „Schicksal“ des Reichen keinen Rückschluss auf ihre Lebensgestaltung und ihr Lebensende zogen. Zu Recht haben die Kirchenkritiker des 19. Jahrhunderts dieses Verhalten angeprangert wie z.B. Karl Marx „Die Religion ist das Opium des Volkes“ und der Glaube ist nichts anderes als Blumen an den Ketten der Menschen in ihrer Knechtschaft.

Das haben die Menschen verstanden und begannen, ihre Verhältnisse nicht mehr einfach als Gott gegeben hinzunehmen sondern zu hinterfragen. Auch mit der Frage, ob diese Verhältnisse wirklich unabänderlich sind und ob und wie man daran etwas ändern kann. Im Ergebnis entstanden andere Gesellschaftsformen die den Gedanken und die Idee in sich tragen, dass kein Mensch unabänderlich in einen Stand und damit in einer Art Lebensbahn gefangen ist, aus der er nicht ausbrechen kann. Unser Grundgesetz mit seinen Grundrechtsartikeln bringt dies zum Ausdruck.

Dieser Gedanke, diese Vorstellung auf ein Jenseits in dem es mir, so ich denn auf der richtigen Seite lande, besser geht als in meinem irdischen Leben, hat etwas reizvolles. Und dies ist die aktive Seite wie mir die ausgleichende Gerechtigkeit begegnet. Aktiv deswegen, weil ich mich bewusst mit Lazarus vergleiche, mich mit ihm identifiziere bzw. mit dem was ihm nach dem Tod erwartet. Das ist doch Zweck und Ziel unseres Christ seins, unserer Nachfolge, dass auch wir dereinst in „Abrahams Schoß“ sein und Labsal für die Mühsal unseres irdischen Lebens ausgleichend empfangen werden – oder?

2. Carpe diem -

mach was draus , nutze die Zeit – haben sie diese Aufforderung auch schon einmal gehört oder haben sie gar zu jemandem gesagt, vielleicht ihren Kindern? Mach was draus, nutze die dir verbleibende Zeit. Das ist die zweite Botschaft die mir in diesem Text begegnet. Und wenn wir das Evangelium am Stück gelesen hätten, wären uns sicherlich noch die ersten Verse dieses 16. Kapitels in Erinnerung. Das ganze Kapitel widmet sich dem Thema Reichtum und Geld. Und Jesus spricht die Mahnung aus, dass die Jünger nicht Gott und dem Mammon dienen können – entweder der eine oder das andere.

Und so fühle ich mich ertappt, erkenne meine Defizite und erinnere mich an verpasste Möglichkeiten in meiner Nachfolge – verpasste Möglichkeiten im Umgang mit meinem Geld, meiner Zeit, wahrnehmen von Begegnungen mit Menschen und Gott. Ich entdecke, da gibt es immer ein zu wenig oder es hätte doch mehr sein können – ein mehr und ein öfters an Spenden an Brot für die Welt, die Flutopfer im Ahrtal oder die Menschen in der Ukraine1 oder vielen anderen Orten der Welt- Somalia, Jemen und, und, und. Oder in meinem Engagement in der Kirchengemeinde, dem Gottesdienstbesuch oder der Mitarbeit im Besuchsdienst oder beim Gemeindefest. So gesehen lebe ich immer im Defizit und nutze meine Möglichkeiten nicht. So lässt sich der Begriff Reichtum durchaus mit anderen Inhalten als nur mit Geld füllen: Möglichkeiten an Zeit, Begabungen, Fähigkeiten und manch anderem. Diese Wahrnehmung kann nun dazu führen dass ich, getrieben von einem schlechten Gewissen plötzlich auf der anderen Seite vom Pferd herunterfalle. Dass ich in einen Aktivismus verfalle und meine, mir dadurch einen Platz im Himmel zu verdienen.

Die Begriffe Reichtum, Vermögen, Geld sind negativ besetzt und über sie wird schnell eine moralische Wertung vorgenommen dahingehend, dass sie etwas schlechtes ist. Aber kann man diese Wertung so pauschal vornehmen. Kann man mit Geld und Reichtum nicht viel Gutes und hilfreiches tun? Und wurde Reichtum nicht vielfach auch als Segen angesehen, als Gunst Gottes angesehen?

So möchte ich festhalten: Reichtum, materieller Besitz ist nicht von vorneherein verwerflich oder abzulehnen. Reichtum ist auch nicht von vorneherein ein Zeichen besonderer Frömmigkeit wie auch Armut nicht als Indiz für Sünde gewertet werden kann. Derjenige, der etwas hat steht in besonderer Verantwortung, wie er mit seinem Besitz umgeht. Diesen Ansatz, den wir in der Bibel, gerade im Alten Testament finden, haben auch die Väter (und die vier Mütter2) unseres Grundgesetzes übernommen (Art. 14). So bemisst sich die Kritik Jesu an Reichtum nicht an diesem selbst oder an der Menge von Besitz, sondern an meinem Verhältnis zu diesem. Das bedeutet dass ich gefordert bin zu klären, welchen Einfluss Reichtum auf mich, meine Person und mein Leben, mein Denken und Handeln nimmt und damit auch auf meine Gottesbeziehung und meine Nachfolge. Die Mahnung aus den heutigen Versen ist diejenige, mich zu überprüfen, wie meine Beziehung zu Gott ist, wer bzw. was und wie Einfluss nimmt auf mein Denken, Handeln und Tun und ob ich noch den Blick habe für den anderen habe, den oder die welche nichts hat, der bedürftig ist und dem ich helfen könnte und so meine Verantwortung für ihn wahrnehme. Diese Sorge und Blick für die Mittellosen wurde auch im Alten Testament dem Volk Gottes immer wieder eingeschärft und auferlegt.3

3. Vom Ende her denken

Diese beiden moralischen Sichtweisen – ausgleichende Gerechtigkeit und carpe diem werden der Botschaft dieses Textes nicht gerecht, obwohl wir ihn auch als moralische Forderung verstehen dürfen und sollen. So bleibt diese von Jesus erzählte Geschichte nicht bei einen moralischen Anspruch stehen. Denn hätte sie allein diesen zum Ziel, dann könnte sie nach V. 25/26 zu Ende sein.

Statt dessen nimmt die Geschichte unerwartet nochmals Fahrt auf und wendet sich in eine ganz andere Richtung. Denn wie sonst sind die nun folgenden Verse (27 bis 31) zu verstehen: Der immer noch namenlose Reiche wird sich nicht nur seiner Situation war – er leidet Pein und ihm verlangt nach Linderung indem Lazarus seinen Finger ins Wasser taucht um seine Zunge zu kühlen. Er erinnert sich auch an seine fünf Brüder und er sieht das gleiche Schicksal auch auf diese zukommen. Vermutlich sind auch sie reich und führen einen ähnlichen Lebensstil wie er. Und nun will er sie warnen lassen indem Lazarus von den Toten aufsteht, zu ihnen geht und sie warnt und eines besseren belehrt.

Aber diese Bitte wird abgelehnt. Was seine Brüder brauchen um zu wissen, worauf es im Leben ankommt, das Gesetz und die Propheten,haben sie. Es braucht keine zusätzlichen Botschaften oder gar außergewöhnlichen Erscheinungen. Damit sind sie hineingestellt in die große Botschaft Gottes, in die große Story Gottes wie es N.T. Wright ausdrückt.4 An deren Ende, in deren Ziel steht die Erfüllung des sichtbaren Reiches Gottes in der neuen Stadt Jerusalem, dem neuen Himmel und der neuen Erde. Und auch uns ist alles gegeben. Auch wir sollen die Botschaft vom angebrochenen Gottesreich und der zukünftigen Stadt Gottes und seinem sichtbaren Reich aufnehmen und zeichenhaft in unserer Zeit leben.5 Hineingerufen in die Gemeinschaft mit dem auferstandenen Jesus, in seine Nachfolge können wir uns an seinem Wort, seinem Evangelium und seinem Leben orientieren. Denn Jesus hat uns vorgelebt, worauf es im Reich Gottes ankommt.

Schluss

Wenn in der Bibel und vor allem im Neuen Testament das Thema Reichtum angesprochen wird, wird nicht in erster Linie eine moralische Bewertung vorgenommen, sondern es wir die Frage nach meinem Umgang und meiner Einstellung mit und zu meinem Besitz gestellt. Es geht darum meine Einstellung dazu zu überprüfen und mich zu hinterfragen, Konsequenzen zu ziehen und Verantwortung zu übernehmen. Darum geht es hier oder in dem Gleichnis vom Reichen Kornbauern ebenso wie in der Aufforderung, die Paulus seinem Freund und Mitarbeiter Timotheus gibt: "Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein, noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen - sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss.“ (1.Tim 6,17). Dies gelingt nur, aus einer guten Beziehung und Gemeinschaft mit Jesus, wenn ich mit IHM unterwegs bin und mich von IHM und seinem Wort berühren und prägen lasse.

Die Entscheidung und damit auch meine Verantwortung im Umgang mit Besitz wird mir nicht abgenommen, sondern ich bin gefordert, mich dieser zu stellen. Ob uns und mir das gelingt, hängt wesentIich von meiner Gottesbeziehung ab. In dem Maße, wie ich mich an Jesus binde und mich von seinem Geist durchdringen und prägen lasse, wird sich auch mein Verhältnis zum Geld, Besitz und Reichtum ändern. Und wie wir unsere Gottesbeziehung pflegen können das lehren uns die Schriften des Alten und neuen Testaments.

Amen. - Es gilt das gesprochene Wort! - Diese Predigt wurde verfasst von:

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

1 Im Sommer 2021 kam es im Ahrtal auf Grund von Starkregen zu verheerenden Überschwemmungen mit über 100 Todesopfern und verheerenden Schäden die bis heute noch nicht wieder beseitigt sind. Am 24. Februar griff Russland mit seinen Truppen die Ukraine (vornehmlich Osten) an, was zu enormen Problemen in der Energieversorgung im Westen auf Grund von verhängten Sanktionen gegen Russland führte.
2 Im Parlamentarischen Rat saßen (nur) vier Frauen: Friederike Nadig und Elisabeth Selbert, beide von der SPD sowie Helene Weber, CDU und Helene Wessel (Zentrum) die beide auch Schriftführerinnen waren.
3 Stichwort "Sabbatjahr" und "Erlassjahr"
4 Vgl. hierzu die Erläuterungen in Wright N. T.: Worum es Paulus wirklich ging; Brunnen Verlag Gießen, 2010, S. 23, Fußnote.
5 Wright N. T.: Lukas für heute; Brunnen Verlag Gießen, 2019, S. : N.T. Wright richtet an dieser Stelle seinen Blick auf Jesus - auf sein Wirken und den Akt den er ihn Gottes "Drama" in der Fortsetzung der beiden vorhergehenden - Gesetz und Propheten - mit Inhalt füllt und uns als Inspiration zur Gestaltung unseres fünften Aktes.

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