Home
Predigten
 
 

Predigt über Mk 12,41 - 44

am 7.8.2022
8. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Grenzach


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Es gibt Themen über die spricht man nicht. Das lehrt uns auch der Volksmund. Es mag hie und da Gründe dafür geben, dass wir das so handhaben, und doch hilft es letztlich nicht, wenn Dinge totgeschwiegen oder nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert werden. Das kennen wir womöglich aus eigener Erfahrung und wissen, dass sich solche Themen dann eruptiv in den Vordergrund drängen.

Im Gegensatz dazu nimmt Jesus kein Blatt vor den Mund und spricht immer wieder auch unangenehme Themen an, Themen um die wir lieber einen möglichst großen Bogen machen. So auch im Predigttext für den heutigen Sonntag.

Ich lese:

- Text lesen: Mk 12, 41 – 44 -

Nur vier Verse, aber vier Verse die es in sich haben und uns herausfordern – wenn wir genauer hinausschauen. Ich weiß nicht wie es ihnen beim ersten hören ergangenen ist, ich jedenfalls habe mich ertappt gefühlt. Ertappt weil ich mich insgeheim mit der armen Witwe verglichen habe und merke, nein, so bin ich nicht. Diese Courage bringe ich nicht auf, das ist bei mir anders. Und selbst im Vergleich mit den Reichen gerate ich durchaus ins Hintertreffen. Da gibt es zu viel was mich davon abhält, mein Geld einfach so wegzugeben. Vieles, für das ich Vorsorge treffen muss – fürs Alter, die Kinder, deren Studium oder Ausbildung, für Vorsorge für unvorhergesehene Ereignisse – das alte Auto oder der Kühlschrank oder die lang ersehnte Urlaubsreise.

Das Thema Reichtum und Armut scheint mir nicht so ganz einfach, so schwarz - weiß zu sein, wie es auf den ersten Blick anmutet. Denn wer ist reich und wer ist arm? Wo beginnt Reichtum und wo endet die Armut? Denn beides sind keine absoluten Begriffe, sie definieren sich immer im Verhältnis zu einer anderen Größe, in der Regel zu einem Durchschnitt von etwas. Deswegen kann man nicht sagen, ab einem bestimmten Betrag auf dem Bankkonto ist jemand reich oder arm. Aber Reichtum und Armut sind nicht nur Themen für den oder die Einzelne sondern sind immer auch Gesellschaftsthemen. Das können wir bereits aus dem Alten Testament lernen1. Wir leben in einer der reichsten und wohlhabendsten Gesellschaften dieser Erde, und trotz ausgeklügeltem Sozialstatt mit den unterschiedlichen Hilfen, trotz Millionen Spenden die jedes Jahr für die unterschiedlichen Anlässe gegeben werden, gibt es auch bei uns Menschen, die, damit sie genügend zum Leben haben, in Mülltonnen nach Pfandflaschen suchen, manche einer Zweit- oder gar Drittbeschäftigung nachgehen oder sich als Rentnerin noch etwas dazu verdienen müssen. Hier von der Kanzel Lösungen anzubieten erachte ich immer für schwierig, denn fast immer bleibt es bei moralischen Ratschlägen, die vielfach weniger Rat oder Lösung als vielmehr „Schläge“ sind weil sie zu pauschal und zu wenig den Einzelfall im Blick haben.

Was wäre die Alternative, eine wirkliche Lösung und Hilfe? In der Geschichte gab es immer wieder unterschiedliche Modelle und Versuche diese Ungleichheit auf gesellschaftlicher Ebene in den Griff zu bekommen. Sie alle sind gescheitert. Auch die in der Bibel zu findenden Ansätze zum gemeinschaftlichen Umgang mit Vermögen sind letztlich gescheitert (vgl. Apg. 2,42ff -> was zur Folge hatte, dass die Menschen in der Gemeinde verarmten und in anderen gemeinden für gesammelt werden musste, vgl. Rö 12,13).

Nach diesen eher allgemeinen Betrachtungen wollen wir uns etwas näher an die Menschen heranzoomen, die Jesus besonders hervorhebt.

1. Viele Reiche

Da ist zunächst der Reiche. Der (!) Reiche, wirklich? Ich weiß nicht ob es ihnen beim Hören aufgefallen ist – da ist noch schwieriger Feinheiten wahrzunehmen als beim Lesen – in meiner Predigtvorbereitung bin ich meinen vermeintlichen Erfahrungen, Erwartungen, Verkürzungen oder wie auch immer das Tiefenpsychologen nennen würden, aufgesessen. Denn diesen Punkt hatte ich spontan benannt mit „der Reiche“. Aber das stimmt nicht, es heißt Jesus sah „… wie die Volksmenge Geld in den Schatzkasten2 einlegte. Und viele Reiche legten viel (!) ein.“ Es geht, das sei an dieser Stelle schon einmal verraten, nicht um die Zusammenhänge von viel und wenig im Kontext von Geld sondern von alles oder nichts. Dazu aber später mehr, bleiben wir bei unseren Reichen.

Da sind die vielen Reiche die viel einlegten, also vermutlich alles andere als knickerig oder geizig waren. Sie gaben viel – aber sie gaben aus ihrem Überfluss! Jemand drückte es einmal so aus, dass opfern nicht bedeute, von seinem Überfluss abzugeben, sondern von dem was ich selbst zum Leben brauche3. Reichtum und auch Armut sind wie bereits angedeutet keine absoluten Größen – wie auch?! Reichtum und Armut bemisst sich immer nach einem Vergleichswert der als Durchschnittswert von Ökonomen und Sozialwissenschaftlern errechnet und festgelegt wird. Solange sich daran nichts ändert wird es immer Reiche und Arme geben – auch wenn heutige Reiche in Verhältnissen und Möglichkeiten leben die „antiken“ oder „mittelalterlichen“ Reichen unvorstellbar schienen und viele Arme bei uns trotz aller Misslichkeiten komfortablere Lebensumstände vorfinden als viele Reiche bis ins 17. oder 18. Jahrhundert. Oder vergleichen wir Arme oder Reiche in anderen Ländern dieser Erde, auch da wird eine gewisse Relativität in der Definition von Armut und Reichtum deutlich. Damit möchte ich in keiner Weise deren Hilfsbedürftigkeit in Frage stellen, sondern nur noch einmal die Verhältnismäßigkeit von Armut und Reichtum unterstreichen.

So kommen die vielen Reichen und legen viel ein, geben viel von dem ab was sie haben und spenden es. Das erleben wir ja auch noch in unseren Tagen, dass es Menschen möglich ist, ungeheure Summen für wohltätige oder gemeinnützige Zwecke zu spenden und damit sehr vielen Menschen in und aus deren Nöten helfen. Ist das nicht lobens- und anerkennenswert? Ja, das finde ich durchaus, auch weil ich es nicht für selbstverständlich erachte!

2. Eine arme Witwe

Diesem Modell aus seinem Überfluss heraus etwas zu geben, den vielen Reichen die viel geben, stellt Jesus nun „eine“ arme Witwe gegenüber, die er ebenfalls am Opferkasten wahrnimmt. Diese Witwe legt einen nicht nur im Verhältnis zu dem Vielen einen unbedeutenden Betrag, zwei Lepta in den Gotteskasten. Das Lepta war an Wert die kleinste Einzelmünze der damaligen Zeit. Und wenn die Witwe zwei Lepta hatte, dann musste sie zwei einzelne (!) Münzen besitzen. Und wenn sie zwei Lepta in den Gotteskasten legte, musste sie auch zwei Münzen einlegen. Warum erzähle ich das so ausführlich? Wenn sie zwei Münzen hatte, dann hätte sie ja auch nur eine in den Gotteskasten legen und die andere für sich behalten können4, als Reserve für was auch immer.

Und spätestens an diesem Punkt und mit der Aussage Jesu an seine Jünger: „Ich sage euch, diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben.“ wird deutlich, es geht um etwas anderes als um die Größe der Spende. Es geht nicht um Groß- oder Kleinspende, wie viel ich gebe und was das bewirkt. Es geht um alles oder nichts.

Gegenüber den (vielen) Reichen oder sagen wir vorsichtig wohlhabenden, denen es möglich war von ihrem Überfluss etwas abzugeben und danach immer noch genügend zum Leben zu haben, legt die Witwe alles ein, alles was sie in diesem Moment zu Leben hatte und gab es Gott! Ich bin beeindruckt und zutiefst beschämt! Denn bei allem vermeintlich vielem was ich Gott gegeben haben mag, so war es doch letztlich nie ALLES, alles was ich zum Leben hatte!

Und jetzt – was mache ich, was machen wir damit?

3. Die Botschaft an uns

Am Verhalten der Witwe macht Jesus deutlich: Es geht nicht um viel oder wenig, es geht um alles oder nichts5! Es geht um die Frage, woran ich mein Leben letztlich festmache, wem mein Leben gehört, auf wen ich traue? Was ist meine letzte Öse in die ich meinen Lebenshaken einklinke?!!! Es geht um unsere, ihre und meine Gottesbeziehung. Das macht uns diese Witwe in ihrer Radikalität vor. Und nur in dieser Radikalität wird es uns deutlich. Vielleicht sind viele vor ihr auch an den Opferkasten gegangen und haben von ihren zwei Lepta nur eine eingeworfen oder haben andere Varianten gewählt! Sie tut, was dem reichen Jüngling in Mk 10,17ff nicht möglich war, sich bedingungslos von ihrem Besitz zu trennen, von dem, woran sein Leben vermeintlich hängt.

Wie geht es weiter? Nach dieser kurzen Unterweisung an die Jünger, die möglicherweise auch andere Umstehende gehört haben, beginnen die Reden Jesus über die Endzeit – da geht es sowohl um den Einzelnen als auch um die großen Zusammenhänge6 Alles, worauf die Menschen ihr Vertrauen und ihre Zukunft, ihre Hoffnung gesetzt haben, wird zerstört werden. Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen gelassen werden, der nicht abgebrochen werden wird (Kap 13,2). Alles, auch das vermeintlich letztgültige auf dieser Erde, der Tempel7, wird seine Gültigkeit verlieren, wird keinen Bestand haben! Was alleine zählen wird ist das, was ich, was wir aus dem Verhalten dieser armen Witwe für uns lernen und umsetzen, ich betone: jeder für sich, das kann uns niemand abnehmen und keiner wird mir sagen können, wie ich mich, wie wir uns letztlich verhalten werden8.

Lernen aus der Frage alles oder nichts, bei der Frage wie kann der Mensch wieder mit Gott versöhnt werden und in Beziehung mit IHM leben, da hat Gott, unser Vater im Himmel auch alles gegeben. ER hat seinen einzigen Sohn geopfert, indem ER Mensch wurde, gelebt gelitten und schließlich ermordet wurde, für uns, um unserer Sünde willen - Jesus hat für uns alles gegeben.

Schluss

Natürlich fordert uns diese Geschichte heraus über unseren Umgang mit unserem Geld und Vermögen nachzudenken. Schon allein das Gebot der Nächstenliebe ist dazu Maßstab und immer wieder Herausforderung. Auch wenn es nicht dazu dienen kann, Gesellschaften zu reformieren. Trotzdem ist dieses Thema eingebettet in unser Lebensthema Nachfolge, Jünger und Christ sein. Wir können es nicht ausklammern sondern müssen uns immer wieder davon herausfordern lassen.

Aber dies gelingt nur, wenn wir unsere Basis klar haben. Wenn wir wissen wohin wir gehören, was die Grundlage unseres Lebens und unseres Tuns ist, wenn ich klar bekommen habe, wie sehr Geld und Besitz Einfluss auf meine Gottesbeziehung nehmen. Wir können nur geben, wenn wir verstanden haben, dass Gott für uns ALLES gegeben hat. Dann, und nur dann können auch wir alles geben – so wie die Witwe.

Letzten Endes, bei der entscheidenden Frage „alles oder nichts“, der Vertrauensfrage schlechthin geht es nicht ob ich viel in den Gotteskasten eingelegt habe sondern ob ich alles gegeben habe. Gebe ich nur ein Lepta auf vertraue auf das zweite mir verbleibende oder werfe ich beide in den Gotteskasten im Vertrauen, dass ER – Gott mich durch Jesus Christus errettet!

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

1 Stichwort Erlassjahr, Jubeljahr
2 Das große Bibellexikon I; S 489; N.N. R.Brockhaus Verlag Wuppertal, 1987: Mit dem Gottes- oder Opferkastens (siehe Esr 8,28ff; Neh 10,38ff; 13,4-9) war ursprünglich der Aufbewahrungsort für den Tempelschatz2. Nach Josephus war damit in späterer Zeit eines von 13 Gefäße gemeint, die im Vorhof des herodianischen Tempels der Frauen aufgestellt waren. In diese wurden die Tempelsteuer oder freiwillige Gaben eingelegt und 3 mal im Jahr wurde deren Inhalt in die Kammern gebracht, in denen der Tempelschatz aufbewahrt wurde. Soweit der erste allgemeine Überblick und Gedanken.
3 Ich meine, das hat Rolf Günter (Religionslehrer) einmal gesagt, aber keine Ahnung woher er das hatte oder ob es eine Eigenschöpfung war.
4 RÖLLE Timotheus; in: Zuversicht und Stärke. Februar-März 2011. 3. Reihe - Heft 2. Seite 89
5 WRIGHT N.T.: Markus für heute; Brunnen Verlag GmbH, Gießen, 2019; S. 216 f
6 RÖLLE Timotheus; in: Zuversicht und Stärke. Februar-März 2011. 3. Reihe - Heft 2. Seite 88
7 WRIGHT N.T.: Worum es Paulus wirklich ging; Brunnen Verlag, Gießen, 20224; S. 43: Der Tempel war, neben der Tora, eines der großen Symbole für die jüdische Identität
8 vgl. Petrus vom zücken des Schwertes bis zur dreimaligen Verleugnung und seiner eigenen Kreuzigung -> wir können nur hoffen und immer wieder einüben, dass auch wir letzten Endes dieses Stehvermögen haben werden.

nach oben Home Predigten eMail Predigt als PDF zum herunterladen