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Predigten

Predigt über Apostelgeschichte 17,22-34

am 28.04.1996
Sonntag Jubilate

Ort: Staufen/Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemein- schaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Als Menschen und auch als Christen sind wir immer Lernende. Ich denke, daß wir kaum einmal dahin kommen werden, daß wir nichts mehr dazulernen können, auch wenn es unter der Sonne nichts neues geben wird (Pred 1,9). Gerade die Bibel ist für uns Christen eine schier unerschöpfliche Fundgrube zum lernen. Da gibt es zum einen sogenannte Lehrtexte, Aussagen also, die man übernehmen kann, die grundsätzliche Dinge regeln. Das ist eine Art zu lernen, indem jemand etwas vorgibt, vorsagt und wir übernehmen das. Eine andere Form des Lernens wurde mir vor kurzem in der Ausbildung in der biblisch-therapeutischen Seelsorge vorgestellt, das sogenannte „lernen am Modell“. Dazu ein kleines Beispiel: Wenn sie gestern ihre Brötchen beim Bäcker geholt haben und der Laden war mit Menschen voll, sind sie sicherlich nicht einfach nach vorne an die Theke gegangen, sondern haben sich fein sauber in die Reihe gestellt. Daß man das so macht, hat man ihnen unter Umständen nicht lange theoretisch erklärt, sondern sie haben das als Kind bei Erwachsenen gesehen und nachgemacht. Andere Beispiele für das Lernen am Modell finden sie auch noch im Erwachsenenalter. Vielleicht waren sie auch schon einmal bei einer etwas vornehmeren Feier eingeladen. Da sitzt man dann an der Tafel und ist zunächst einfach nur irritiert: mehrere Teller, mehrere Gläser und Garnituren an Bestecken und die Frage taucht auf: Mit was anfangen? Ein Blick zum Nachbarn, wie der das wohl macht, soll Klarheit schaffen - lernen am Modell. Schwierig, wenn der Nachbar seinerseits zu mir rüberschaut weil er dasselbe Problem hat. Unser heutiger Predigttext hat etwas zu tun, mit dem lernen am Modell. Ich lese dazu einige Verse aus der Apostelgeschichte:

- Text lesen - Apg 17,22 - 34 -

Dreierlei können wir aus dieser Begebenheit, die uns vom Apostel Paulus berichtet wird lernen:

1. Unsere Umwelt und Zeitgenoßen genau wahrnehmen 2. Die Menschen in ihrem Anliegen ernst nehmen und Jesus verkündigen 3. Die Konsequenzen tragen und souverän bleiben

1.Unsere Umwelt und Zeitgenoßen wahrnehmen

Paulus ist auf einer seiner Reisen auch in Athen angekommen. Während Rom die politische Hauptstadt jener Tage darstellte, war Athen das intelektuelle Zentrum. Alles was Rang und Namen hatte oder sich einen solchen erwerben wollte, hielt sich in dieser Stadt auf.

Nun geht Paulus durch die Stadt und sieht sich genau um. Und vieles begegnet ihm, was ihm gefallen hat (Sehenswürdigkeiten und Bauwerke, Landschaften) aber auch die Dinge, die ihm weniger gut gefielen, ja die ihn sogar errregten oder wie Luther übersetzt, Dinge die ihn ergrimmen ließen. Ihm wesentlichen waren es die Götzenbilder aus Stein, die vielen Götterstatuen die überall in der Stadt anzutreffen waren. Aber wenn ich mir diese Verse so durchlese, habe ich den Eindruck, daß es weniger die reinen Steinmonumente waren, als vielmehr der Irrweg, der sich dahinter verbarg, den Paulus so in Rage versetzte. Er erkannte, daß die Menschen auf der Suche sind, auf der Suche nach dem Sinn im Leben und dem wahren Gott. Und sie hatten viele Götter, die Griechen und die Römer und wer noch alles. Für alles und jedes gab es eine Gottheit. Und aus lauter Furcht, vielleicht einen vergessen zu haben, hat man vorsorglich einem unbekannten Gott einen Altar errichtet. In all dem erkannte Paulus suchende Menschen. Menschen denen es ein Anliegen und tiefes Bedürfnis war, Gott kennenzulernen. Paulus blickte hinter die Kullissen, schaute tiefer als was die Fassade hergab.

Und ich denke mir, daß sich da in den knapp 2000 Jahren die zwischen dieser Geschichte und uns heute liegen, nicht allzuviel verändert hat. Wenn wir einen Blick hineintun in unsere Welt, werden wir erkennen daß viele unserer Zeitgenoßen ihre Religion oder ihren Gott haben, auch wenn sie das vordergründig nicht zugeben. Oder kennen sie nicht auch Arbeitskollegen, die ihre Entscheidungen und ihren Lebensweg vom Horoskop bestimmt wissen. Oder den Nachbarn, der auf die Heilkraft von Kräutern setzt, die nach einem ganz bestimmten System gepflanzt und geerntet werden?

Paulus nun läßt solches Treiben nicht unberührt. Er weiß, daß er die Antwort auf die grundelgende Fragen der Menschen hat und darum sucht er das Gespräch mit ihnen. Das tut er zunächst wie immer, in der jüdischen Gemeinde, die es auch in Athen gab. Das Kommen des Messias und die Auferstehung der Toten waren seine zentralen Themen. So etwas konnte natürlich nicht verborgen bleiben und ruck zuck waren auch ein paar von den Philosophen mit von der Partie. Und sie luden diesen Unbekannten mit der neuen Lehre ein, sie ihnen zu verkündigen. Aber was sie davon hielten, brachten sie gleich unverhohlen zum Ausdruck, indem sie Paulus als einen „Schwätzer“ bezeichneten. Trotzdem nahm Paulus die Herausforderung an, obwohl, er kein überrragender Redner vgl. 2.Kor 10,10 war und vermutlich auch nicht die Idealgestalt eines der antiken Helden besaß.

Soweit zum ersten, Paulus blickt hinter die Kulissen, nimmt die Menschen genau wahr. Das Zweite ist fogendes:

2. Die Menschen in ihrem Anliegen ernst nehmen und Jesus verkündigen

Jetzt stelle ich mir diesen kleinen Mann vor, wie er da steht und sich langsam das Gemurmel legt, weil man ja gespannt ist, was er zu erzählen hat. Und nun fängt er an. Aber es kommen zunächst andere Worte über seine Lippen, als ich es zunächst vermutet habe. Er macht die Menschen nicht rund, mischt sie nicht auf und sagt ihnen, daß das alles Schwachsinn ist, was sie da mit ihren Göttern treiben. Nein er nimmt sie wirklich ernst und lobt sie sogar für ihr religiöses Engagement. Er sagt nicht, daß sie auf der Stelle alle Götzenbilder abreißen sollen. Paulus geht nicht, obwohl wir ja wissen, wie furchtbar in das ganze Treiben aufgeregt hat, auf Konfrontationskurs, sondern holt die Menschen da ab wo sie stehen. „Ich sehe, daß ihr den Göttern sehr ergeben seid“ mit diesen Worten beginnt er seine Rede. So etwas tut doch gut und schafft Offenheit, wenn mir einer sagt, „Junge, was du da machst ist gut, das finde ich ganz toll“.

Paulus hat die Freiheit und Souveranität so auf Leute zuzugehen. Er grenzt nicht von vorneherein aus sondern sucht das Gespräch. Er weiß, daß er mit Ausgrenzung und Verurteilung nur Barrieren aufbaut aber keine Basis schafft, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Als ich das so gelesen habe, mußte ich mich fragen, wie gehe ich auf Menschen zu: suche ich das Gespräch, schaffe ich offene Türen oder schaffe ich die Konfrontation?

Eine offene und vertraute Atmosphäre zu schaffen ist das eine. Das andere aber ist dem gleich, und zwar mit dem was wir zu sagen haben, nicht hinter dem Berg zu halten. Paulus setzt bei dem eigentlichen Anliegen der Athener ein. Hier ist ihm das eine Hilfe, daß er genau hingeschaut und hingehört hat, was die Leute umtreibt. Und es hat mich erstaunt, mit welcher Klarheit er hier auftritt, nachdem ihm doch gleich zu Beginn der Titel Schwätzer zuteil wurde. Aber Paulus läßt sich nicht beirren. Er ist von seiner Sache und von dem, was er zu verkündigen, überzeugt. Wenn wir das nicht sind, sollten wir das Gespräch mit dem Zeitgeist erst gar nicht eröffnen, weil wir dann eh den Kürzeren ziehen. Allerdings bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig ich diese Überzeugung bei Christen finde. Manchmal scheint mir, daß wir sind von den Vorteilen bestimmter Haushaltsgeräte oder unserer Automarke mehr überzeugt sind, als vom Evangelium. Auch erstaunt mich immer wieder, mit welcher Selbstverständlichkeit vieler unserer Mitmenschen ihre Meinung und Überzeugung vertreten, die weit weniger von Bedeutung ist, als die Botschaft von Jesus. Warum sind wir so ängstlich und zurückhaltend? Sind wir nicht davon überzeugt, daß wir der Welt etwas zu sagen haben?

Paulus jedenfalls hält sich nicht zurück. In seiner Rede bringt er die wesentlichen Aspekte des christlichen Glaubens deutlich zum Ausdruck. So macht er klar, wer der Schöpfer dieser Welt ist und wie er zu uns Menschen steht. Es gibt nur diesen einen Gott, alles andere sind nur Götzen. Mit dieser Aussage von einem Schöpfergott ist er bei seinen Zuhörerern damals gewiß noch nicht angeeckt, da konnten sie noch mit.

Aber Paulus läßt es nicht bei dem bewenden. Er kneift nicht und sagt auch, daß wir von diesem Gott eingeladen sind umzukehren. Zunächst einmal umzukehren zu ihm, hinein in seine Gegenwart und seine Liebe und von da aus auch umzukehren von falschen Lebenswegen. Paulus scheut sich auch nicht, vom Gericht zu sprechen, von dem also, daß sich jeder einmal vor diesem Gott verantworten muß. Aber Paulus geht noch weiter und packt ein heißes Eisen an. Indem er sagt, daß die Toten auferweckt werden. Hier schieden sich nun endgültig die Geister und der Widerspruch erhob sich deutlich: „Hört euch diesen Schwätzer an!“ Ähnliches kann uns auch in unsren Tagen widerfahren. An einen Schöpfergott zu glauben mag ja noch einigermaßen normal sein - aber Auferweckung der Toten und der Absolutheitsanspruch Jesu?

Nachdem wir gesehen und vielleicht schon gelernt haben, daß wir unsere Umwelt genau betrachten müssen, unsere Zeitgenoßen, wenn wir mit ihnen ins Gespräch kommen wollen ernst nehmen sollen und trotzem Jesus Verkündigen. kommt nun das Dritte:

3. Bereit sein, die Konsequenzen zu tragen

Um es uns nochmals ins Gedächtnis zu rufen, falls wir es vergessen haben sollten: Unser Auftrag als Christen ist es, Botschafter an Christi statt zu sein (2.Kor 5,20). Das ist unser Auftrag in dieser Welt und es gibt natürlich viele Varianten, diesen Auftrag auch auszuführen. Kernstück ist aber immer, die gute Botschaft vom Evan- gelium zu verkündigen und die Einladung Gottes auzusprechen. Somit hat unser Leben und Wirken als Christen ein klares Ziel.

Und als mir das so deutlich wurde, habe ich mich daran erinnert, daß immer dann, wenn wir uns Ziele in unserem Leben setzen und Ziele verfolgen, dies auch mit Frustration verbunden ist. Und ich habe mir gedacht, daß dies auch in diesem Fall so ist. Ich möchte das kurz ausführen und dazu die Reaktionen auf die Predigt des Paulus betrachten.

Auf die Botschaft des Evangeliums sind im Grunde zwei Reaktionen möglich. Entweder die Botschaft wird von Menschen angenommen oder sie wird abgelehnt. Man könnte auch sagen, daß es noch eine dritte Mögichkeit gibt, die der unentschlossenen. Aber Jesus sagt einmal zu seinen Jüngern (Mt 12,30): „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut.“ oder in der Umkehrung (Mk 9,40): „Denn wer nicht gegen uns ist, ist für uns.“

Somit ergeben sich für mich nur zwei Konsequenzen. Zunächst einmal diejenige, daß Menschen das Evangelium aufnehmen, das ist ja das, was wir uns wünschen. Auch das finden wir in unserer Geschichte. Wieviele es waren, wird uns nicht mitgeteilt, zumindest zwei finden eine namentliche Erwähnung.

Wir erfahren davon, daß diese zwei und noch andere, sich dem Paulus anschloßen und gläubig wurden. Wenn wir die Botschaft von Jesus verkündigen frage ich mich manchmal, ob wir denn überhaupt damit rechnen, daß Menschen sich uns anschließen und mehr von Jesus erfahren wollen. Rechen wir mit so etwas, wenn wir unsere Aktivitäten planen, unserer Gruppenstunden, Hauskreise und Gottesdienste, dass jemand sagt: ich möchte mich euch anschließen und mehr von Jesus hören?

Die andere Reaktion ist diejenige, mit der wir noch weniger umgehen können. Da lehnen Menschen das ab, was wir ihnen sagen, machen sich vielleicht noch lustig über uns, ob wir denn noch auf der Höhe unserer Zeit sind. Haben sie schon einmal solche Situationen erlebt, in denen sie von ihrem Glauben erzählt haben und ihnen nur Ablehnung oder sogar Spott widerfahren ist? Wie ist es ihnen da ergangen? Möglicherweise waren sie enttäuscht oder sogar frustriert. Hier liegt für mich ein Grund, für die Zurückhaltung vieler, Angst vor Enttäuschung, Frustration und dem Gefühl versagt, zu haben.

Aber wir wollen heute morgen ja etwas lernen, und so möchte ich ihnen sagen, was mir unter anderem bei Puklus aufgefallen ist. Er bleibt souverän. Er fühlt sich in keiner Weise genötigt und gedrängt diesen Menschen, die ihn ablehnen, nachzugehen. Und vielleicht haben sie es gemerkt, ich habe gesagt,die ihn ablehnen. Aber in Wirklichkeit lehnen sie ja nicht Paulus oder uns ab, sondern unsere Botschaft und damit Jesus.

Auch wir dürfen und sollen die Freiheit haben, Menschen wieder gehen zu lassen, die im Augenblick das Evangelium ablehnen. Und nuch nur Paulus verhielt sich so, auch Jesus konnte Menschen wieder gehen lassen, ohne daß sie sich für ihn entschieden hätten. Wir sollten uns von dem Zwang frei machen, Menschen bekehren zu wollen. Unsere Aufgabe ist die Arbeit von Säleuten, wir sollen den guten Samen ausstreuen. Für das Wachstum wird Gott selber sorgen. Haben wir doch die Freiheit, Menschen gehen zu lassen und darauf zu vertrauen, daß Gott am Wirken ist und binden die Menschen nicht an uns.

Schluß

Bei all dem, was ich gesagt habe bin ich mir dessen bewußt, daß nicht jeder Christ zum Evangelisten berufen ist und es auch nicht jedem von uns gegeben ist, auf Menschen zuzugehen. Auch ist es mir nicht darum gegangen, daß Menschen Rollen übernehmen, die sie nicht ausfüllen können und für die sie auch nicht berufen sind. Das will uns diese Begebenheit, wie wir sie von Paulus erfahren haben, auch nicht nahelegen. Vielmehr sind es drei Dinge, drei Grundprinzipien, die wir bei Paulus am Modell lernen sollen:

1. Unsere Zeitgenoßen genau wahrnehmen
2. Die Menschen in ihrem Anliegen ernst nehmen ind die Botschaft von Jesus weitersagen
3. Die Konsequenzen tragen und souverän bleiben

Das kann jeder von uns umsetzen, jeder der sich als Bote an Christi statt in diese Welt gesandt weiß. Das gilt jedem von uns, gleich welchen Beruf er ausübt und wo er lebt und welche Gaben er hat. Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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