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Predigt über Apostelgeschichte 2, 41 - 47

am 18.7.2010
7. Sonntag nach Trinitatis

Ort:
Staufen und Münstertal


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Erwartungen, Träume, Wünsche - sie sind Wegbegleiter unseres Lebens, mal mehr mal weniger. Und je nach Lebensphase sehen diese Wünsche und Erwartungen auch unterschiedlich aus. Und dazu gibt es natürlich auch eine ganze Menge Weisheiten: "Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum." (Grafittispruch). "Nach jedem Traum gibt es ein Erwachen - auch nach dem erfüllten Traum." (Sam Peckinpah (1925-84), amerik. Filmregisseur). Und noch eines: "Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur der, der nicht geträumt hat." (Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916), östr. Schriftstellerin). Oder auf der Spruchkarte an meinem Schreibtisch: "Wer keinen Mut zum träumen hat, hat keine Kraft zum kämpfen".

Und als ich mir so meine Gedanken über Träume und Wünsche gemacht habe ist mir ein anderes Sprichwort eingefallen, das ich kürzlich in einem Buch gelesen habe. In diesem Buch werden die Erfolgsstrategien und -merkmale sogenannter "hidden champions", den verborgenen, den unbekannten Weltmarktführern in den unterschiedlichsten Branchen analysiert und dargestellt. Künftig wird der Weg zum Erfolg nur über die Unternehmenskultur und damit eng verbunden ein gutes Personalmanagement gehen. Was diese hidden champions ausmacht ist, dass sie einen hohen Anteil an sogenannten "comebacker", also Rückkehrer, haben. Mitarbeiter, und da bin ich wieder beim Thema Wünsche und Träume, die das Unternehmen einmal verlassen haben weil sie das Glück, den Traum der Erfüllung ihrer beruflichen Wünsche in einem anderen Unternehmen gesucht haben. Dabei sind sie dem Fluch der "italienischen Glücksgöttin" verfallen der in einem Sprichwort so ausgedrückt wird: "Das Glück ist immer auf der anderen Seite."

Ich denke viele von uns kennen dieses Phänomen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen: Irgendwann sehnt man oder auch frau, sich nach etwas anderem, glaubt auf der anderen Seite das zu finden, was glücklich macht, was Erfüllung bietet. Und kaum hat man das "Ufer" gewechselt erkennt man, dass auch das Glück wieder auf der anderen Seite ist. Das gilt auch für den Bereich der Gemeinde. Oder wer von Ihnen hat sich noch nie Gedanken darüber gemacht, dass sich in der Gemeinde etwas ändern müsste?

Was aber ist Gemeinde? Was kennzeichnet sie und was macht Gemeinde aus?

- Text lesen: Apg 2, 41 - 47 -

Wie geht es ihnen, wenn sie so etwas hören? Weckt das Wünsche, Sehnsüchte? Werden Träume wach? Fußnote: Wenn Träume wach werden, sind sie dann nicht eigentlich schon vorbei? Solche Berichte oder auch jene aus jüngeren, gegenwärtigen Tagen, wecken in mir eine Sehnsucht, werden Wünsche wach und erhellen die Defizite in denen wir stecken. Kürzlich haben wir den Gottesdienst in der "G5" - FeG Rebland besucht. Das ist derzeit die Vorzeigegemeinde im Dreiland und haben uns gefragt, ist das Gemeinde der Zukunft? Ist das ein Traum, von dem Lukas hier in seinem Geschichtsbuch - Geschichts-, nicht Geschichtenbuch (!) - berichtet?

In seinem Bericht von Gemeinde, die keine Fiktion sondern Wirklichkeit war - will Lukas in uns einen Traum, eine Vision von Gemeinde erwecken und wach halten. Erinnern sie sich noch an den Spruch den ich vorhin zitiert habe, der über meinem Schreibtisch hängt? Wir brauchen Träume und Visionen, damit wir in Bewegung bleiben und nicht selbstgefällig und genügsam stehen bleiben und nur noch auf der Stelle treten. Aber wichtig ist dass uns bewusst ist, auf welcher Seite wir das Glück suchen und dass wir unsere Visionen in die Wirklichkeit umsetzen!

Was bewegt sie, wenn sie an Gemeinde, an diese Gemeinde denken? Was meinen sie, macht Gemeinde lebendig und attraktiv? Worauf kommt es an?

1. Merkmale von Gemeinde

Gemeinde, und nicht nur jene erste Gemeinde in Jerusalem wird durch vier Merkmale, vier Elemente im Wesentlichen gekennzeichnet und lebt von diesen vier Elementen:

Wort - Gemeinschaft - Gebet - Sakrament

Das Wort Gottes als die geschriebene Offenbarung Gottes. In seinem von Menschen aufgeschriebenen und von Menschen weitergegeben Wort offenbart er sich, spricht er zu uns. In diesem Wort tut Gott sich kund, erfahren wir von seinem Wirken und seinen Plänen. In und durch dieses Wort erfahren wir etwas von Gottes Erlösungswerk und seinem Handeln in dieser Welt seid Beginn. Es ist wahrlich ein Schatz den wir in Händen halten aus dem wir immer wieder Kraft und Orientierung schöpfen können. Es ist auch die Messschnur, die Messlatte an Hand derer wir immer auch unser Leben und tun, den Zeitgeist prüfen können. Es ist somit das Licht auf unserem Weg (Ps 119, 105). Es gilt immer wieder zu fragen - hinterfragen - welches Verhältnis wir zu diesem Wort haben? Freuen wir uns darüber wie einer der große Beute gemacht hat (Ps 119, 162) oder ist es uns ein Ärgernis, weil wir uns in ihm gleichsam in einem Spiegel sehen?

Gemeinschaft: Dazu gäbe und gibt es viel zu sagen. Jene Gemeinde damals zeichnete als besonderes Gemeinschaftsmerkmal aus, dass sie alles gemeinsam hatten. Es würde jetzt den Rahmen dieser Predigt sprengen, wenn wir die Gemeinde damals und deren Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung dieses Merkmales betrachten würden. Spannend ist, dass wir im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte und der neutestamentlichen Briefe, insbesondere denen des Paulus erfahren, dass diese Gemeinde irgendwann Not litt, dass für diese Gemeinde gesammelt wurde. Vermutlich nicht deswegen, weil sie ein neues Gemeindehaus gebaut hatten, sondern weil dieses Konstrukt des kollektiven Eigentums nicht funktioniert hat.

Ich bin der Überzeugung, dass dieses Modell nicht grundsätzlich für Gemeinde und Gemeinschaft steht, wohl aber, dass es dazu beiträgt zu überlegen, wie leben wir mit unserem Besitz, wie gehen wir mit unseren Gütern um und gibt es nicht alternative Modelle zur üblichen Praxis dass jeder "alles" selbst hat, auch wenn er es nur einmal im Jahr braucht? Dinge zu teilen, gemeinsam dafür Verantwortung zu übernehmen trägt zur Gemeinschaft bei und steuert dem Individualismus entgegen.

Ein besonderer Umstand kam jener ersten Gemeinde in Jerusalem sicherlich zugute: die Menschen damals waren näher dran am Evangelium, an der Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn. Was meine ich damit? Sie lebten im kulturellen und zeitgeschichtlichen und auch religiösen Umfeld in dem auch Jesus gelebt und gewirkt hat. In dem seine Botschaft verwurzelt und verankert war. Das war in manchem sicherlich eine Erleichterung oder hatten sie es einfacher. Dadurch waren sie vermutlich auch stärker von dieser Naherwartung geprägt die Einfluss auf Glauben und Leben hatte. Aber das war es dann auch schon Es war dieselbe Botschaft und es war derselbe Geist den auch wir empfangen haben. Wir sind immer wieder gefordert nach Formen von Gemeinschaft zu suchen und diese zu leben.

Im Gebet rücken wir den ins Zentrum, um den es letztlich geht. Wir wenden uns dem zu, von dem wir leben und von dem Gemeinde lebt. Was aber ist beten? Sören Kierkegaard hat es einmal so formuliert: "Beten heißt nicht sich selbst reden hören sonder stille werden und warten, bis der Betende Gott hört." Mir hat diese Aussage immer wieder geholfen und Mut gemacht weil ich kein "großer" Beter bin. Und noch etwas hat mir geholfen: "Bete zur Zeit und zur Unzeit." Die Gegenwart Gottes ist nicht an Orte oder Formen gebunden. Nichts desto trotz halte ich feste Gebetszeiten für wichtig und suche derzeit selbst wieder danach, denn: "Alles was nicht regelmäßig geschieht, erfolgt in der Regel nur mäßig."

Schließlich das Abendmahl - eines der "Wortzeichen" wie es Luther einmal formuliert hat. Für mich eines der großen Gottesgeschenke das uns gegeben ist, an dem ich mich immer wieder aufrichten und erquicken kann. Abendmahl feiern vergegenwärtigt mir in ganz besonderer Weise dass Gott zu mir kommt, zu ihnen kommt, er bei uns sein will. Dafür hat er seinen Sohn gegeben, dafür ist Jesus gestorben damit mich Gott erreicht. Und Abendmahl feiern wir nie allein sondern immer in Gemeinschaft. Und so vereinen sich in diesem das Wort und die Gemeinschaft. Da werden alle Grenzen überwunden und Gott steht im Zentrum. Schließlich hat das Abendmahl einen "objektiven Charakter": so wahr wir, sie und ich, das Brot und den Wein als Leib und Blut Jesu empfangen, so wahr ist es, dass er mitten unter uns ist.

Was ich jetzt gesagt und dargelegt habe, haben vermutlich schon oft gehört und ist nichts neues und doch tut es mir immer wieder gut, wenn ich es höre und mir durchaus auch in einer Predigt selber sage. Dadurch wird manches wieder zu Recht gerückt.

Aber beim Thema Gemeinde erscheint mir noch ein zweites bedeutsam, was sich uns nicht so direkt aus diesen Versen der Apostelgeschichte erschließt:

2. Das Wesen der Gemeinde

Vielleicht fragen sie sich jetzt, worin denn da der Unterschied liegen soll zu dem ersten Punkt? Ich wage den Versuch einer Definition: Merkmale sind die nach außen wirkenden Ausdrucksformen des Wesens.

Das Wesen jener Gemeinde in Jerusalem und vieler Gemeinden nach ihr bis in unsere Tage ist davon geprägt, dass es nicht nur (auf die Wiederkunft Jesu) wartende sind, sondern vor allem auch erwartende. Wartende, dass sind diejenigen die passiv am Südbahnhof (das ist eine Regio-S-Bahnhaltestelle in Staufen) sitzen und der Dinge, in diesem Fall aufs Bähnle ins Münstertal oder nach Krozingen harren ohne etwas dazu zu tun. Es ist also ein rein passiver Vorgang.

Wenn ich etwas erwarte, dann bin ich in stärkerem Maße eingebunden, stehe in einer anderen Beziehung zu dem, von dem ich etwas erwarte und gestalte diese Beziehung mit. In einer Beziehung, in einer Ehe spielen die gegenseitigen Erwartungen eine große Rolle und prägen das Miteinander. Da spielen auch Sehnsüchte und Wünsche eine Rolle und nehmen Einfluss.

Gemeinde steht in einer erwartungsvollen Beziehung zu ihrem Gott. Sie trauen es diesem, ihrem Gott selbst nach 2000 Jahren des Wartens noch zu, dass er handelt und seine Verheißungen einlöst. Oder ist das bei ihnen anders? Und dies wirkt hinein in das Leben des einzelnen, wo er auch Gottes Handeln erwartet bis hinein in das Leben der Gemeinde.

Gemeinde lebt von und mit Erwartungen - Zitat von Markus Müller Predigt vom 23.3.2008: "Ob es Erweckung gibt, hängt doch auch davon ab, ob etwas anderes passieren darf als das, was wir selbst erwarten" Übertragen heißt das für mich auch, ob ich es zulasse, dass Gott entgegen meinen Erwartungen in mein Leben tritt und eingreift, diesem Leben möglicherweise an ganze andere und neue Ausrichtung gibt.

Bei unseren Erwartungen kann und darf es nicht um uns gehen, dass wir uns als Gemeinde im Blick haben, sondern das Reich Gottes. Dass Menschen vom Evangelium erreicht werden, dass Gott in dem was wir tun durchdringt, zum Zuge kommt, dass ER der Handelnde ist.

Lassen sie mich noch ein drittes ansprechen:

3. Gemeinde hat Wirkung

Gemeinde hat Wirkung, vielleicht in unseren Tagen weniger als in früheren, aber Gemeinde hat Wirkung. Allerdings oder aber: nicht automatisch. In dem Maße wie sie sich ihrem Herrn anvertraut, IHN in den Mittelpunkt stellt seine Botschaft lebt. Um Missverständnissen vorzubeugen es geht mir nicht darum denen das Wort zu reden, die meinen, Gottes Wirken erzwingen zu können wenn wir nur mehr beten, die Bibel noch wörtlicher nehmen oder es in der Gemeinde und deren miteinander keine Probleme und Reibereien mehr gibt. Es geht nicht um weiter - schneller - höher. Es geht darum, dass wir das in unseren Bezügen leben was wir verstanden haben und umsetzen können. Und glauben sie mir: das ist mehr als wir vermeintlich meinen. Aber wenn wir gar nichts tun, wenn wir uns aufhalten in Rechthaberein und Formenglauberei, dann werden wir auch dieses Bild abgeben.

Wir müssen darauf vertrauen und erwarten, dass Gott etwas aus uns macht, so wie er es verheißen hat. Wie eben ein Leib zusammengesetzt ist, mit seinen unterschiedlichen Gliedern. Und wir haben ja durchaus die Möglichkeit Gemeinschaft in Vielfalt und Unterschiedlichkeit in ein und derselben Gemeinde zu leben, in den verschiedenen Gruppen und (Haus-)Kreisen die es geben kann. Und wenn wir dann mit Begeisterung am Sonntag in den Gottesdienst kommen weil wir erwarten, dass auch dort Gott am Wirken ist, zu uns spricht in all den Formen und Liedern die es gibt, ja dann zeigt Gemeinde Wirkung weil Gott am Wirken ist!

Schluss

Aus der Begegnung mit dem heutigen Predigttext nehme ich mit in meinen Alltag und Gemeinde:

- Gemeinde lebt von Gottes Wort - Gemeinschaft - Gebet - und dem Sakrament

- Gemeinde ist nicht passiv sonder erwartet etwas von ihrem Gott und

- Gemeinde zeigt Wirkung.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de
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