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Predigt über Apostelgeschichte 9,1-20

am 22.08.2004
11. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Brenz und Bergenweiler


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Es gibt Begegnungen, die vergisst man nie, die bleiben einem in Erinnerung, von denen erzählt man immer wieder. Begegnungen, bei der man einer bedeutenden Persönlichkeit oder einem Idol oder Vorbild begegnet ist. Oder Begegnungen, die von ihrer Art her einfach was besonderes waren.

Und es gibt Begegnungen, die unser Leben dauerhaft geprägt oder gar verändert haben. Die erste Begegnung mit dem Menschen, den man später geheiratet hat. Die Begegnung mit demjenigen, durch den die berufliche Laufbahn beeinflusst und geprägt wurde. Es gäbe sicherlich noch etliche Beispiele anzuführen, so wie die Begebenheit, die in dem Predigttext für den heutigen Gottesdienst berichtet wird.

- Text lesen: Apostelgeschichte 9, 1 - 20

Wir sind leicht geneigt, weil uns diese Geschichte wie aus dem Saulus der Paulus wurde, bekannt ist, uns allein darauf zu konzentrieren. Dabei übersehen wir oft, dass es in dieser Geschichte mehrere Begegnungen gibt, die unterschiedliche Auswirkungen haben, die aber, wie ich meine, jedem gelten und jeder so erleben kann, auch heute, auch hier und jetzt! Drei Aspekte, die eine Begegnung mit Jesus kennzeichnen, möchte ich herausgreifen:

  • 1. Die Begegnung mit Jesus verändert mein Leben.
  • 2. Die Begegnung mit Jesus öffnet mir eine neue Weltsicht.
  • 3. Die Begegnung mit Jesus ruft mich in den Dienst.
  • 1. Eine Begegnung mit Jesus verändert mein Leben

    Diese Geschichte ist so eindrücklich, von so grundlegender Bedeutung, dass sie sogar einen Platz im Volksmund gefunden hat, wenn davon gesprochen wird wie aus dem Saulus ein Paulus wurde, wenn der Wandel eines Menschen beschrieben wird. Im Leben des Paulus vollzog sich ein radikaler Wandel um 180 Grad, der später von Zeitgenossen so kommentiert wurde: "Alle aber, die es hörten, gerieten außer sich und sagten: Ist dieser nicht der, welcher in Jerusalem die zugrunde richtete, die diesen Namen anrufen, und dazu hierher gekommen war, dass er sie gebunden zu den Hohenpriestern führe? (Apg 9,21".

    Was hat sich ereignet, dass es zu diesem Wandel kam? Zunächst erfahren wir, dass Paulus immer noch Mord und Drohung gegen die Jünger des Herrn schnaubte und dass er wild entschlossen war, dieser Sekte den Garaus zu machen. Es reichte ihm nicht, dass die Anhänger dieses Jesus nur in Jerusalem verfolgt wurden, es musste verhindert werden, dass sich diese Irrlehre weiter ausbreitete. Wie ernst es dem Saulus war wird deutlich, dass er in die Tötung des Stephanus einwilligte und die Kleider derer bewachte, die diesen umbrachten (Apg 8,1; 7,58; 22,20). Er will die Nachfolger Jesu ein für alle mal vom Erdboden vertilgen. Dazu ließ er sich mit allen nötigen Vollmachten ausstatten, sozusagen von höchster geistlicher Stelle. Für Paulus war klar, dass an der Sache mit Jesus nichts dran sein konnte.

    Denn hatte sich der Gott Israels nicht immer wieder durch mächtige Zeichen zu erkennen gegeben? Hatte ER nicht den Abraham erwählt und gesegnet? Und hatte nicht ER sein Volk durch das geteilte Meer geführt und ist er nicht Mose im brennenden Dornbusch erschienen? Aber ein Gott der Mensch wird, der leidet und schließlich den Verbrechertod am Kreuz erleidet - unmöglich! Wer so etwas behauptet, der ist ein Gotteslästerer. Paulus hat nicht die geringsten Zweifel, dass er auf einem Irrweg sein könnte. Er war sich seiner Sache absolut sicher.

    Anders als Martin Luther, der einen gnädigen Gott suchte, der seine eigenen Glaubensvorstellungen und theologischen Ansichten und die seiner Zeit zutiefst in Frage stellte, war Paulus von seinem Glauben, seiner Theologie überzeugt. Er meinte zu wissen, wie man "richtig" glaubt und an was man zu glauben hat, was richtig und was falsch ist und wie man mit Andersdenkenden umgehen muss. Paulus wollte Jesus nicht begegnen, warum auch? Aber er hatte die Rechnung ohne Jesus gemacht. ER will Paulus begegnen und tritt ihm in den Weg. Was Paulus nicht für möglich gehalten hat geschieht. Und diese Begegnung erschüttert ihn zutiefst, alles was er bisher geglaubt hat wird in Frage gestellt.

    Aus der Begegnung mit Jesus geht Paulus als Blinder hervor. Drei Tage sieht er nichts mehr, ist auf die Hilfe von außen angewiesen. Er sieht nichts mehr, muss von seinen Weggefährten an der Hand nach Damaskus geführt werden. Seine bisherige Weltsicht zerbricht. Dieses physische Ereignis der Erblindung macht deutlich, Paulus ist nachher ein anderer als vorher. Eine Begegnung mit Jesus verändert mein Leben, ich kann nicht mehr dahinter zurück, auch, das möchte ich hier anmerken, wenn ich scheinbar doch wieder mein altes Leben weiterführe (vgl. Mt 19,22).

    Bei Paulus jedenfalls kam es zu einer grundlegenden Veränderung, zu einer Lebenswende. Er, der noch vor wenigen Tagen Mord und Drohungen schnaubte, kann das hohe Lied der Liebe anstimmen. Paulus lässt seine bisherige Theologie, seinen bisherigen Glauben hinter sich. ER hat in der Begegnung mit Jesus erfahren, dass Gott alle Menschen liebt, ER darum seinen Sohn Jesus gesandt hat damit alle gerettet werden. Und als Ausdruck, als Bekenntnis dieses Wandels lässt Paulus sich taufen.

    2. Die Begegnung mit Jesus schenkt eine neue Weltsicht

    Drei Tage nicht mehr sehen, nicht wissen, bleibt das nun für immer so, nicht essen, nicht trinken, beten und fasten. Was muss alles in Paulus vorgegangen sein? Was muss ihm durch den Kopf gegangen sein? Wie geht es mit mir weiter? Vielleicht ließ er auch die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen nochmals Revue passieren. Vielleicht plagten ihn auch Gewissenbisse und er stellte sein eigenes Tun, seinen eigenen Eifer in Frage. Das was für ihn bisher als unverbrüchlich richtig galt, wovon er felsenfest überzeugt war und worauf er sein ganzes Leben und Tun ausgerichtet hatte, ist zerbrochen. Jesus lebt, er ist wahrhaftig auferstanden und ER ist ihm erschienen, dieser "unzeitigen Geburt" (1Kor 15,8) wie er sich selbst einmal in einem Brief bezeichnet. All dies mag in diesen Tagen in ihm gereift sein und damit vermutlich auch die Frage, was wird nun aus mir, wie wird es mit mir weitergehen? Habe ich bei diesem Gott überhaupt noch eine Chance? Oder habe ich nicht ein vernichtendes Urteil verdient? Alles was bisher Gültigkeit hatte, ist Makulatur. Was nun folgt führt Paulus zu einer vollkommen neuen Weltsicht, stellt sein Leben auf ein völlig neues Fundament.

    Aber zunächst kommt es in unserem Bericht noch zu einer weiteren "Jesusbegegnung". Jesus erscheint auch einem Mann namens Hananias. Und ER erteilt diesem einen Auftrag, der ihn wohl vor eine große Glaubensprüfung gestellt hat. Er soll zu dem Mann gehen, der bis dahin als der größte Christenverfolger seiner Zeit gegolten hat. Er versteht nicht, was er bei diesem Mann soll. Warum wendet sich Jesus diesem Mann zu? Wäre es nicht viel logischer und folgerichtiger, ihm aus dem Weg zu gehen und seinem Schicksal zu überlassen? So zu denken, diese Art die Dinge und vor allem Menschen zu sehen und zu beurteilen ist zutiefst menschlich.

    Aber auch bei Hananias lässt Jesus nicht locker und gibt ihm eine Antwort, die überrascht: Er ist mir ein auserwähltes Werkzeug - darf ich sie an dieser Stelle fragen: Wären sie das nicht auch gerne: Gottes auserwähltes Werkzeug. Bis dahin würden wir wahrscheinlich alle gerne mitgehen und es bejahen. Bleiben wir aber auch dabei, wenn wir hören wie es weitergeht: "Denn ich werde ihm zeigen, wie vieles er für meinen Namen leiden muss." (Apg 9,16). Spätestens hier würde ich ins zögern kommen. Nachfolge bedeutet, wenn auch nicht immer Leiden, so doch zumindest Konsequenzen anzunehmen.

    So macht sich denn Hananias schließlich auf und kommt zu Paulus und überbringt ihm die Botschaft von Jesus, segnet ihn und Paulus wird mit dem Heiligen Geist erfüllt. Paulus wird sehend und steht auf, aber als völlig neuer Mensch.

    So gewinnen Beide, Hananias als auch Paulus eine neue, andere Weltsicht und lernen, dass Gott ganz eigene Wege mit uns Menschen gehen kann. Und Gott kann auch in einem Leben, das scheinbar gelaufen ist, eine radikale Umkehr bewirken. Gott gibt keinen Menschen verloren. Diese Erfahrung hat Paulus quasi am eigenen Leib erfahren und das hat ihn letztlich auch zeitlebens geprägt, in seinem Glauben, seiner Theologie und seinem Umgang mit anderen Menschen.

    Dass sich dies leichter sagt als dass es dann oft auch im Alltag getan und gelebt wird, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber gerade deswegen sollten wir es uns immer wieder sagen, deswegen ist es wichtig, uns an solche Ereignisse zu erinnern, uns vor Augen halten, was bei Gott möglich ist.

    3. Die Begegnung mit Jesus ruft uns in den Dienst

    Dass es Paulus wie Schuppen von den Augen fällt, hat gewiss eine doppelte Bedeutung. Einerseits erhält er seine physische Sehkraft wieder zurück. Andererseits ist es Ausdruck einer neuen Welt- und Einsicht, die ihm durch den Erhalt des Heiligen Geistes geschenkt wird. Gerade letzteres ist nicht eigene Leistung, Ergebnis seines Nachdenkens sondern kommt allein durch das Wirken des Heiligen Geistes zu Stande. Dass Glaube allein aus Gnade, allein auf das Wirken des Auferstandenen zurückgeht, dies durchdringt die Theologie eines Paulus und ist Zentrum des christlichen Gedankens bis heute. Wie bereits erwähnt, ließ sich Paulus als Ausdruck dieser Erkenntnis taufen, oder wie es wörtlich heißt, wurde Paulus getauft. Das geschieht ohne großes Bohai, ohne dass daraus eine eigene Theologie gemacht wird, gehört Taufe als "Zeichenhandlung"1 und äußerer Bekenntnisakt zu Umkehr und Neuausrichtung einfach dazu (Apg 2,38).

    Eigentlich könnte die Geschichte damit zu Ende sein. Und vielleicht endet bei vielen von uns die Begegnung Jesu damit, dass wir sagen, wir haben eine neue Weltsicht, unser Leben hat einen neuen Sinn bekommen, wir sind getauft und gehen in die Kirche. Aber es gibt noch einen dritten und letzten Aspekt:

    Für Paulus ist Bekehrung Berufung und Berufung Bekehrung. Beides ist bei ihm untrennbar miteinander verbunden. Bekehrung, Umkehr heißt Neuausrichtung auf den auferstandenen Herrn. Heißt sich und sein ganzes Leben diesem Herrn anvertrauen. Heißt in letzter Konsequenz auch, sich von diesem Herrn in den Dienst für sein Reich rufen und stellen lassen.2

    Wenn ich erfahren habe, was die Begegnung mit Jesus auslöst, welche Auswirkungen dies hat, dann kann es nicht ausbleiben, dass ich das weitererzählen will, dass andere Menschen auch diese Erfahrung machen können. Dann kommt es dazu, dass ich es nicht lassen kann, von dem zu erzählen, was ich gesehen und gehört habe (vgl. Apg 4,20) weil mein Herz davon erfüllt ist (vgl. Mt 12,34 par). Wenn mir klar geworden ist, was der Unterschied zwischen einem Leben mit und ohne Jesus ist, gerade auch im Blick auf die "Letzten Dinge", dann kann ich mich doch nicht einfach in mein Kämmerlein zurückziehen und mich still und heimlich darüber freuen, dass ich es "begriffen" habe und dazu gehöre. Für Paulus war sein Platz der des Heidenapostel. Wir heute können und sollten uns fragen: wo ist mein Platz in der Gemeinde. Wo kann ich mitarbeiten, wofür möchte ich mich ausrüsten und befähigen lassen? Oft gelingt mir so etwas nicht alleine. Hier ist auch die Gemeinde und deren Leiter gefordert, Hilfestellungen zu geben und Mut zu machen.

    Schluss

    Zwei Menschen machen auf unterschiedliche Art und von unterschiedlichen Ausgangspositionen aus die Erfahrung, dass und wie Jesus unsere Vorstellungen und Pläne durchkreuzt.

    Am Ende steht eine neue Weltsicht - sowohl bei Paulus als auch bei Hananias. Beide sind um die Erfahrung reicher geworden ist, dass bei Gott kein Mensch abgeschrieben ist, ganz gleich welche Vorgeschichte er hat und mitbringt. Gott liebt und ruft, ungeachtet von Ansehen und Person, es geht allein um das Heil des einzelnen.

    Ich wünsche mir für jeden von uns heute morgen, wo wir auch stehen mögen, dass Jesus uns begegnet, wir uns von IHM verändern, uns seine Weltsicht schenken und uns in den Dienst in seinem Reich rufen lassen.

    Amen.

    - Es gilt das gesprochene Wort! -

    Diese Predigt wurde verfasst von:
    Karl-Heinz Rudishauser
    Altenheimstraße 23
    89522 Heidenheim/Brenz
    07321/910915
    eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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