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Predigt über Epheser 3,14-21

am 23.05.2004
Sonntag Exaudi

Ort: Brenz / Bergenweiler


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Sie kennen sie wahrscheinlich ebenso wie ich, die Situationen in denen wir uns Sorgen machen, Sorgen um uns und Sorgen um andere Menschen. Und oft sind es ja nicht die globalen Ereignisse die uns umtreiben, sondern die ganz persönlichen Schicksale. Die schwere Krankheit des Nachbarn, die schwierige wirtschaftliche Lage der Firma die uns beschäftigt und damit verbunden die Sorge um den Arbeitsplatz.

Die Frage ist, was tun wir mit unseren Sorgen, worauf blicken wir, wenn sie sich scheinbar übermächtig vor uns auftürmen? Woher kommt unsere Hilfe und was kann uns wieder Mut machen? Der heutige Predigttext will eine Antwort geben und einen Weg aufzeigen.

- Text lesen: Epheser 3, 14 - 21 -

Überschwängliche Worte sind es, die wir gerade gehört haben, Worte, die man beim ersten lesen und hören noch gar nicht so richtig aufnehmen kann. Es bricht förmlich aus Paulus heraus, er kann überhaupt nicht mehr aufhören. Wenn ich diese Verse lese, fühle ich mich an Mt 12,34 erinnert: aus der Fülle seines Herzens redet der Mensch oder nach Luther "Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über." Kennen wir das nicht auch aus unserem alltäglichen Leben? Da hat man etwas einzigartiges oder bewegendes erlebt, das muss man einfach weitererzählen, man kann es nicht für sich behalten.

So geht es Paulus: es muss raus, er kann es nicht mehr für sich behalten. Er will weitergeben was ihn beschäftigt und umtreibt, will anderen daran Anteil geben was ihn froh und zuversichtlich macht. Er versteigt sich in schier "kosmische Dimensionen" von "Länge und Breite und Höhe", blickt auf die "die Erkenntnis übersteigende Liebe" und "die ganze Fülle Gottes".

Man ist geneigt zu fragen: "Darf es auch ein bisschen weniger sein, Paulus?" Denn meine Glaubenswirklichkeit spielt sich in anderen Dimensionen ab. Sie ist vielfach geprägt von Zweifeln und Fragen, gerichtet an die Kirche als der Gemeinschaft der Christen und gerichtet auch an Gott: Christen reden viel von Liebe, aber zu spüren ist davon nicht viel, auf jeden Fall nicht mehr als bei anderen. Und wenn Gott uns Menschen liebt, warum lässt er dann soviel Leid, Ungerechtigkeit und Gewalt zu? Wenn ER der rechte Vater ist, wie Paulus sagt, warum schützt er nicht wenigstens seine Kinder? Christen, Kinder Gottes sagen, sie sind nicht besser aber besser dran - sind wir das wirklich? Warum stirbt die Mutter von vier Kindern an Krebs, wo sie selbst, die Familie und die gesamte Gemeinde so inständig darum gebetet hatten und auch davon überzeugt waren, dass Gott sie heilen wird? Wo ist da die Liebe Gottes?

Paulus scheint sich diese Fragen nicht zu stellen. Es scheint, als habe er jeglichen Realitätssinn und Bodenhaftung verloren. Lebt er in einer anderen Welt, verschließt er seine Augen vor der Realität derselben? Oder war er tatsächlich ein geistlicher Überflieger der weit über den Niederungen des irdischen Daseins stand?

Aber Paulus saß keineswegs auf Wolke sieben, ganz im Gegenteil! Paulus saß im Gefängnis als er diesen Brief schrieb, und zwar wegen seines Glaubens! Ein Gefängnisaufenthalt in unseren Tagen ist kein Zuckerschlecken und zu damaliger Zeit hat er wohl noch weit weniger Anlass für "Jubelarien" geboten. Wir wissen auch, dass Paulus an einer Krankheit litt, die ihm immer wieder schwer zu schaffen machte (2Kor 12,7). Und auch für die Empfänger seines Briefes, den Christen in Kleinasien, war ihre Situation alles andere als erhebend. Wegen ihres Glaubens wurden sie gemieden und geschmäht weil sie an einen Gott glaubten, der seinen Sohn schmählich ans Kreuz schlagen und dort sterben ließ. So gab es in jenen Tagen bereits erste Anzeichen einer beginnenden Christenverfolgung. In der Schriftlesung haben wir gehört wie bereits Jesus versucht hatte, seine Jünger darauf vorzubereiten und ihnen im voraus Mut zu machen indem er ihnen den Beistand seines Vaters verhieß. Jesus als auch Paulus wissen wie groß die Gefahr ist, in solchen Zeiten der äußeren und inneren Bedrängnis den Glauben an den liebenden Gott zu verlieren.

Am liebsten wäre Paulus wohl selbst nach Kleinasien und Ephesus gefahren um den Christen Mut zu machen. Das hätte ihnen sicherlich geholfen und Mut gemacht wenn sie ihn wieder gesehen hätten, den Mann, der ihnen so viel Impulse gegeben hatte (vgl. Apg 19,1ff). Aber es ging nicht, er saß ja angekettet in seiner Zelle. So treibt in seine eigene als auch die Situation seiner "Schützlinge" in Ephesus ins Gebet und er sagt das, was er ihnen am liebsten selber sagen will, seinem himmlischen Vater.

Ich stelle mir diesen Mann in seiner Zelle vor, wahrscheinlich umgeben von Mitgefangnen, wie er anfängt zu beten: "Herr hilf allen Menschen. Sei bei den Missionaren. Hilf allen Kranken." So beten wir vielleicht in unseren Gebetsgemeinschaften - nicht so Paulus. Er beugt seine Knie und bittet mit eindringlichen Worten: Werdet nicht müde, gebt nicht auf, haltet fest! Er ist sich sicher, dass der Vater im Himmel ihnen aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit das geben wird, was sie brauchen. Deshalb macht er mit so großen Worten deutlich, was der Glaube schenken kann und was wir verlieren würden, gäben wir ihn auf. Paulus will seine Leser nicht nur mitreißen sondern - und da unterscheidet er sich von "christlichen Stimmungsmachern" unserer und vergangener Tage - er will herausreißen! Er setzt Überschwang und Begeisterung gegen lähmende Angst und Resignation.

Natürlich könnte Paulus auch hingehen und selbstkritisch die Situation analysieren. Es gibt gewiss Umstände, in denen das richtig ist und wo Paulus dies auch an anderer Stelle tut (ich denke da z.B. an die Situation in Korinth, wo Paulus sehr scharf das Gemeindeleben analysiert (z.B. ab 1Kor 10,14) oder Regeln für das (tägliche) Leben gibt (1Kor 7,1ff) oder an Ratschläge an Mitarbeiter (z.B. 1Tim 5,23)). Aber manchmal, und das ist für mich geistgeführte Seelsorge, bedarf es mutmachender und aufrichtender Worte. Paulus hat sich vielleicht überlegt was er in seiner Situation im Gefängnis am ehesten braucht, was ihm in seiner Situation Mut machen und ihn wieder aufrichten würde. Und was ihm hilfreich ist, kann auch anderen hilfreich sein.

So stellt Paulus seiner Lebenswirklichkeit und seinen begrenzten Möglichkeiten die Wirklichkeit Gottes und DESSEN Möglichkeiten gegenüber. Er führt sich, den Christen in Kleinasien und auch uns die Möglichkeiten Gottes vor Augen. Darauf will er seine Hoffnung setzen, darauf will er vertrauen und daran will er festhalten, allen äußeren Umständen zum Trotz, ganz gleich wie es ihm geht und in welchen Umständen er gerade steckt. Mich hat dies an Psalm 73 erinnert. Dort klagt der Psalmist Gott all sein Leid: "Schau her Gott, wie es mir, dem Gottesfürchtigen, dem der sich immer treu zu dir gehalten hat so schlecht geht, wie ich leiden muss und mein Nachbarn, der Gottlose, der nichts von dir wissen will ist glücklich und zufrieden und wird immer reicher." Eine scheinbar verkehrte Welt. Aber er gibt sich nicht damit zufrieden sondern er sinnt darüber nach und sucht nach Erklärungen, aber es gelingt ihm nicht. Doch plötzlich ändert sich die Einstellung des Psalmbeters: in dem Moment, als er in das Heiligtum Gottes ging, er sich also in die Gegenwart Gottes begab. Da erkannte er, dass er sich in allem und trotz allem in Gottes Hand befand. Damit hatte er noch keine Erklärung für die "verkehrte Welt", für seine missliche Lage. Aber das war nun auch nicht mehr so wichtig, wichtiger war, dass er sich in Gottes Hand wusste. Und diese Gewissheit wird ihm und kann uns, ihnen und mir zum Trost werden. Vielfach meinen wir jedoch, dass wir nur durch mehr Erkenntnis unserer Lebensumstände Trost gewinnen würden, aber halten sie wirklich dafür, dass wenn sie wüssten warum der eine oder andere Schicksalsschlag eingetreten ist, sie daraus Trost gewännen? Wir stellen uns das immer so einfach vor, aber ich glaube dass eher das Gegenteil der Fall wäre.

Für Paulus wird klar, es kommt alleine darauf an, dass er Gott vertraut, dass er damit rechnet, dass Gott durch seinen Geist am Wirken ist und sein Leben in Gottes Hand geborgen ist. Bei diesem Erkenntnisprozess handelt es sich nicht um einen Akt der Autosuggestion, sondern er wird durch das Wirken des Heiligen Geistes geschenkt!

Seine eigenen und die Umstände der Christen in Kleinasien machen Paulus einmal mehr deutlich, worauf es in letzter Konsequenz ankommt. Wenn wir unseren Glauben verlieren, dann ist alles verloren. Und so bittet, ringt Paulus darum, dass die Christen in Kleinasien in ihrem Glauben bewahrt werden und wachsen. Denn gerade in Situationen, in denen wir göttliche Verheißungen und alltägliche Realität nicht mehr zusammenbringen, der Zweifel überhand nimmt, sind wir gefährdet. Oft geht damit eine Sehnsucht einher, nach erfülltem, geistgewirkten Leben. Das sind dann die Geburtsstunden vieler Sekten, auch und gerade christlich angehauchter.

In solchen Situationen besteht die Gefahr, das uns andere geistliche Strömungen erfassen die uns vermeintlich ein "besseres Leben" hier auf Erden versprechen. Die damit locken, ein erfüllteres Leben zu erlangen, dem hiesigen Jammertal zu entsteigen. Da ist dann viel zu hören von "Kraft", vom "inwendigen Menschen" und vom "erfüllt werden". Letztlich wird hier einer Sehnsucht Rechnung getragen, die gerade auch in unseren Tagen weit um sich greift. Aber auch zu Zeiten des Apostels Paulus gab es Menschen, die mit solchen Versprechungen lockten. Indem Paulus deren Begriffe gebraucht und sie mit christlichen Inhalten füllt, tritt er ihnen entgegen. Alles wonach du dich sehnst, findest du im Glauben an den dreieinigen Gott, schenkt Jesus denen, die ihm nachfolgen. Paulus macht klar, dass Jesus durch den Glauben in unseren Herzen wohnt. Und wenn wir unseren Glauben aufgeben und verlieren, dann verlieren wir auch Jesus.

Er macht klar, bei diesem Gott müssen wir uns nichts verdienen und erarbeiten. Dieser Gott hat uns in seinem Sohn Jesus alles geschenkt und hält weit mehr für uns bereit, als wir uns erbitten und erdenken. In dem Maße, wie wir Christus und dem Wirken seines Geistes in uns Raum geben werden wir entdecken, was ER für uns bereit hält wie ER unser Leben füllen kann nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit!

Schluss

Paulus war kein Überflieger, er kannte die Niederungen des Menschseins, er wusste wie einem das Leben mitspielen konnte. Und er wusste auch, welche Auswirkungen dies auch auf den Glauben und die Beziehung zu Jesus haben kann.

Aber Paulus weiß auch um die Möglichkeiten Gottes, dass ER mehr für uns bereit hält, als wir uns ausdenken können. An diesem Gott und seinem Sohn sollen wir dran bleiben, an dem, der über die Maßen hinaus zu tun und zu geben vermag, mehr als wir verstehen. IHM sollen wir in unserem Leben und Alltag die Ehre geben und mit IHM rechnen!

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Altenheimstraße 23
89522 Heidenheim/Brenz
07321/910915
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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