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Predigt über Hebräerbrief 11,1.2.8 - 12

am 28.3.2021
Palmsonntag

Ort:
Betberg und Seefelden


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

Heute geht es um ein spannendes Thema, ein Thema das uns alle, ausnahmslos betrifft: dünnes Eis. Sonst wären sie vermutlich nicht in diesen Gottesdienst gekommen. Kennen sie das, waren sie schon mal auf dünnem Eis? Das soll das Thema sein? Sie „glauben“ mir nicht – oh, jetzt habe ich es verraten – glauben. Was hat glauben mit dünnem Eis zu tun? Die Frage ist, ob wir uns davon herausfordern lassen. Mich persönlich hat dieses Thema vor etwa zwei, drei Jahren ganz neu ergriffen und herausgefordert und in einen Prozess des nachdenkens gebracht. Ein Prozess, der noch immer nicht völlig abgeschlossen ist – wenn er das überhaupt je sein kann – aber der für mich ganz neue Erkenntnisse, im wahrsten Sinn der biblischen Bedeutung, hervorgebracht und mich in ein Beziehungseschehen geführt hat.

Lassen wir uns hineinnehmen in dieses Thema mit dem für diesen Sonntag vorgeschlagenen Bibelabschnitt:

- Text lesen: Heb 11, 1.2.8 – 12

Glaube – seit der Reformation und auch bereits davor ein zentraler Begriff der Christenheit Aber was verbirgt sich dahinter, was verbinden wir damit? Wie ist er zu verstehen und verwenden wir ihn richtig?

Augustin etwa sprach vom fides qua creduntur – dem Akt des Glaubens. Dieser war eher individuell zu verstehen, denn wie jemand glaubt, kann sehr verschieden sein, sozusagen die subjektive Seite. Oder vom fides quae creduntur – dem Gegenstand des Glaubens, das was geglaubt wird, das was allen gemeinsam ist, sozusagen die objektive Seite.

Luther hat diesen Vorstellungen gehadert. Sie entsprachen so überhaupt nicht seinem Vorstellungen, die aus seinem eigenen geistlichen Erleben, seiner gedachten und erlebten Spiritualität. Für ihn war Glaube der zentrale Begriff, der Begriff, an dem er seine gesamtes reformatorisches Denken aber vor allem sein persönliches Christsein festgemacht hat. Allein aus Glaube, allein aus Gnade wird der Mensch gerechtfertigt bzw. kann sich diese aneignen. So etwas wie ein fides acquista oder den fides historica – ein erworbener Glaube war ihm ein Greuel. Da schon eher ein fides infusa – ein eingegossener Glaube oder der umgeformte Glaube, den fides informis. Belassen wir es dabei.

Für mich spannend, wie intensiv und tiefgründig die Bemühungen der Theologen auf ihrer Suche waren, die richtige und wahre Definition, Beschreibung für glauben zu treffen. Aber, wie weit hat das wohl die Menschen (direkt) erreicht?

Und heute, bei welchem Begriff stehen wir heute? Was würden uns Menschen antworten, die wir auf der Straße, am Arbeitsplatz, Klassenkameraden oder unseren Sitznachbarn hier im Gottesdienst fragen würden: Wie definierst du Glaube/glauben? Würden wir da nicht Antworten erhalten die in die Richtung gehen wie „…glauben, das ist nicht wissen“ oder „glauben ist etwas als Erkenntnisse für wahr halten (siehe entsprechend bei Augustin) aber ist das alles?

Für diese Predigt würde ich gerne bei der Unterscheidung bei Augustin anknüpfen, weil ich denke, dass diese durchaus zutreffend ist: bei der Unterscheidung zwischen Glaubensinhalten und Glaubensakt. Wenden wir uns dem Ersten zu, dem Glaubensinhalt.

1. Glaubensinhalt – was glauben wir

Um glauben als Akt vollziehen zu können bedarf es eines „Glaubensgegenstandes“, jemanden oder etwas, das ich für vertrauenswürdig erachte, etwas oder jemanden, worauf ich mich beziehen, worauf wir uns einlassen. Ich gebe ihnen ein Beispiel aus meiner Jugendzeit.

Zugefrorener Stadtsee – und in jedem Winter, wenn er zugefroren war das spannende Spiel: wer ist der erste, der sich drauf einlässt, das Eis zu betreten, der Eisfläche zu vertrauen, war sie für mich vertrauenswürdig, konnte ich mich darauf verlassen, dass sie dick genug war, um mich zu tragen? Den ersten Schritt zu wagen und nicht im eiskalten Wasser baden zu gehen.

Beim diesem Spiel „wer traut dem Eis“ ging es nicht ums Wissen, keiner wusste wie dick das Eis ist und ob es mich tragen würde, sondern ums sich trauen, das Eis zu betreten. Das war ein Wechselspiel zwischen der eigenen Courage und der Verlässlichkeit der Eisdicke. In der Sprache von Augustin könnte man auch sagen, der „Glaubens-, der Vertrauensgegenstand war die Eisfläche. Schenke ich ihr so viel ver-trauen – zu-trauen dass ich mich traue, den ersten Schritt auf sie zu wagen?

Zurück zu uns: Was ist unser Vertrauensgegenstand, wem oder was erachten wir als vertrauenswürdig? Für Christen ist es die Botschaft die uns in der Bibel vermittelt wird. Der Botschaft von dem Mensch gewordenen Gott, dem Gott der uns entgegenkommt. Dem Gott der in Jesus Mensch wurde um den Menschen, um uns, sie und mich von unserer Sünde zu erretten, damit Gemeinschaft mit Gott und ewiges Leben für mich persönlich möglich wird. Den Gott, der sich uns Menschen zeigt, sich uns offenbart und wie ER uns in Jesus ganz nah kommt, zum Bruder wird der sein Leben für uns gibt und uns errettet.

Jetzt sind wir am Übergang zu dem zweiten Aspekt. Der Frage nach dem Glaubensinhalt, -gegenstand schließt automatisch die Frage an, wie kann ich mir diesen Glaubensinhalt aneignen. Wie kann mir dieser Gott und seine Botschaft zur Wirklichkeit, zur ganz persönlichen Wirklichkeit werden. So die wörtliche Bedeutung von Nichtzweifeln1. Hier bin ich beim zweiten, dem Glaubensakt:

2. Glaubensakt – wie glauben wir bzw. was heißt glauben?

Vielleicht haben sie es schon bemerkt, der entscheidende Begriff ist schon mehrmals gefallen, aber ich gehe nochmals einen Schritt zurück. Im allgemeinen reden wir von glauben wenn wir zum Ausdruck bringen wollen, etwas nicht zu wissen. Und wir bringen zum Ausdruck, dass wir etwas intellektuell, verstandesmäßig für wahr halten was nicht zu beweisen ist.

Aber ist das wirklich so? Ist das der „wahre“ Aspekt von glauben? Das „kopfmäßige“ für wahr halten irgendwelcher Inhalte, auch solcher, die mir im biblischen Zeugnis dargestellt werden? Ist Gott allein ein Gott den es verstandesmäßig zu erfassen gilt, für wahr zu halten ist nur weil ich ihn nicht beweisen kann? Mir fallen die beiden Schöpfungsberichte im ersten Buch Mose. Da begegnet mir zum einen der allmächtige Schöpfergott in 1Mos1. Da erkenne ich den Macher-Gott, den Elohim, der, welcher mit und in all seiner Allmacht diese Welt und alles drumherum durch sein Wort geschaffen hat. Der Gott, der geglaubt, für wahr gehalten werden kann. Aber dann begegnet mir im zweiten Kapitel dieser Schöpfer-Gott auch als der Beziehungs-Gott. Jahwe, der Gott, der mit uns Menschen in Beziehung treten will, der Gott der uns nachgeht, uns hinterherruft wenn wir auf falschen Wegen unterwegs sind. Der Gott, der, um meine Scham zu bedecken, das erste Tier opfert.

Die Bedeutung von glauben im Griechischen zielt genau auf diesen Beziehungsaspekt. Da geht es um vertrauen oder trauen, sich auf jemanden oder eine Aussage, eine Zusage einlassen. Es geht darum, dass ich mich darauf einlasse, weil ich es für verlässlich halte. Weil ich überzeugt bin, dass das Eis trägt, einlassen darauf, dass es so kommen wird wie es uns in der Bibel verheißen wird, einlassen – trotz aller gegenteiligen augenblicklichen Gegebenheiten in meinem Leben – Tod, Trauer, Arbeitslosigkeit, Corona-Pandemie – dass Gott zu seinem Ziel, dem neuen Himmel und der neuen Erde kommen wird – auch trotz uns, mit uns, mit ihnen und mir. Vertrauen ist kein einmaliger Akt der einmal vollzogen für immer und ewig abgeschlossen ist. Vertrauen ist ein lebenslanger Prozess, wie in jeder Beziehung auch.

Das zeigen uns Menschen wie Abraham – ein Mann, der Gott zunächst nicht kannte. Ein Mann, dem Gott begegnete und ihn ansprach und aufforderte, auf sein, auf Gottes Wort und Verheißung hin aufzubrechen. Das bisherige hinter sich zu lassen und sich auf Gott einzulassen. Einzulassen auf einen Gott, den er noch gar nicht kannte, einzulassen auf eine völlig unbestimmte Zusage „…das Land das ich dir zeigen werde …“ Cool – ich weiß nicht, ob das Verhalten damals schon an der Tagesordnung war, wie Abraham zunächst damit umgegangen ist. Ich weiß auch nicht, wie ich mich verhalten würde. Aber Abraham geht los und Gott geht mit, bleibt mit Abraham in Beziehung, ist mit Abraham unterwegs „… in das Land in das ich dir zeigen werde.“ (1Mos 12,1)

Schluss

Wenn wir Jesus nachfolgen, dann begeben wir uns hinein in das Spannungsfeld von Palmsonntag. Dann begeben wir uns hinein in das Spannungsfeld zwischen Heilserwartung und Welterfahrung2. Jesus hat seinen Jüngern kein sorgenfreies und unbeschwertes Leben, nicht die unbeschwerte Leichtigkeit des Seins verheißen. Jesus hat uns verheißen bei uns zu bleiben, mit uns unterwegs zu sein. Jünger Jesu, mit Jesus unterwegs sein bedeutet IHM zu ver-trauen, mit IHM in Ver-Bindung, mit IHM in Beziehung bleiben.

Amen. - Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Obertüllingen 107
79539 Lörrach-Tüllingen
07621/9153229
eMail: karl-heinz.rudishauser(a)t-online.de

1 STEFFENS Georg; in: Zuversicht und Stärke. Februar-März 2021. 3. Reihe - Heft 2. Seite 77
2 Perikopenbuch der EKD, Palmsonntag, S. 195

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