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Predigt über Johannes 11, 1-3.17-27.41-45

am 14.09.1997
16. Sonntag nach Trinitatis

Ort: Zienken


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

In unserem heutigen Predigttext begegnet uns eine der großen Geschichten des Neuen Testamentes. Eine Geschichte die uns zum einen immer wieder ins Staunen versetzt aber andererseits immer wieder in unserem Glauben herausfordert.

- Text lesen: Joh 11,1-3.17-27.41-45

Wie gesagt, eine der großen und wunderbaren Geschichten, die uns im Neuen Testament berichtet werden. Und dennoch oder gerade deswegen auch immer eine Geschichte, die uns herausfordert. Herausfordert mit der Frage, ob das denn wirklich so gewesen ist, ob das denn sein kann, daß da einer nach vier Tagen wieder aus dem Grab herauskommt. Aber auch damit herausfordert zu entdecken, was das für uns heute, für mich ganz persönlich bedeutet.

Diese Geschichte kommt als Verkündigung und Trost vielschichtig zu uns. Sie berührt, hilft und stärkt uns als Menschen und Christen in unseren Fragen und Zweifeln auf ganz unterschiedlichen Ebenen unseres Lebens, Erlebens und Glaubens. Und so ist es zweierlei, worauf wir bei dieser Geschichte achten müssen.

Das erste:

1. Was erzählt uns die Geschichte!

Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, auf dem Weg an den Ort, den er immer wieder besucht hat. Und er weiß, daß dies das letzte mal sein wird, daß er diesen Weg zurücklegt. Und mitten in dieser Situation erreicht ihn die Nachricht, daß sein Freund Lazarus schwer erkrankt ist und im Sterben liegt. Alle erwarten, daß er sich auf den Weg macht, um zu Lazarus zu gehen. Wir würden uns vermutlich sofort auf den Weg machen, und um so mehr erstaunt uns, daß Jesus noch wartet. Obwohl es heißt, daß er diesen Mann und dessen Schwestern liebte, wartet er noch zwei Tage und macht sich erst dann auf den Weg. Er mach sich auf den Weg in ein Gebiet, wo man ihm nach dem Leben trachtet und ihn seine Freunde davor warnen, dahin zu gehen.

Als Jesus endlich in Betanien eintrifft, liegt Lazarus schon vier Tage im Grab. Jesus wird von den Schwestern des Lazarus etwas, wie es scheint, vorwurfsvoll empfangen: "Wenn du hier gewesen wärst, dann wäre Lazarus nicht gestorben!" Kennen sie diese Aussage: ja wenn doch, ja dann wäre... .Aber noch erstaunlicher finde ich, was Jesus darauf zur Antwort gibt: "Lazarus wird auferstehen." Eine scheinbar banale Floskel, die man so dahin sagt, die zwar in der Aussage stimmt, denn dem frommen Juden war natürlich klar, daß Lazarus einmal auferstehen wird, aber in der gegenwärtigen Situation nicht weiterhilft. So etwa nach dem Motto: Das Leben geht weiter. Natürlich geht das Leben weiter, aber nach einem so gewaltigen Einschnitt ist doch die Frage, wie es weitergeht. Wie gesagt, mit diesem Satz sagte Jesus nichts Neues, denn das glaubten auch die Juden. Hier hätten wir doch gerade von Jesus eine Antwort, einen Aussage erwartet, die den Menschen in ihrer Situation und uns weiterhilft, wenn auch wir an unseren Gräbern stehen? Uns so bleibt zunächst der Eindruck, daß sich Jesus diese Antwort hätte sparen können.

Aber die Menschen, zu denen Jesus das sagte und auch wir, wenn wir so denken, haben Jesus wohl nicht richtig verstanden. Vielleicht haben sie und wir den Unterton nicht gehört, der in diesem Satz mitschwingt, und so fügt Jesus noch etwas hinzu. "Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit." Damit bringt er zum Ausdruck, Auferstehung ist nicht erst ein Ereignis, das irgendwann in der Zukunft geschehen wird, an einem Tag, von dem niemand weiß wann das sein wird und von dem der eine oder andere auch seine Zweifel hat ob das überhaupt sein wird. Mit diesem "ich bin die Auferstehung" bringt Jesus jetzt und heute zum Ausdruck, daß Auferstehung bereits dann geschieht, wenn wir an ihn glauben, wir wirkliches Leben haben, wenn wir ihm nachfolgen. Wenn Auferstehung nicht nur mehr eine fromme Vokabel für uns ist sondern geglaubt wird, wo das geschieht, da bleibt der Tod wirkungslos, hat er seine Macht verloren, auch im Angesicht der Gräber auf unseren Friedhöfen.

Vielleicht haben wir den Eindruck gewonnen, Jesus läßt die ganze Sache kalt, er betrachtet das nur aus einem theologischen Blickwinkel und steht mit frommer und unnahbarer Souveranität über den Dingen. Aber das ist nicht so. Jesus läßt das keineswegs kalt und unberührt, ganz im Gegenteil.

Vom Anfang bis zum Ende unserer Geschichte zieht sich eine ganz warme, anrührende Linie, in der uns ein besonderer Gott in außergewöhnlicher Weise begegnet. Als Jesus an das Grab kommt, da weinte er oder nach anderer Übersetzung, da brach er in Tränen aus. Da kommt uns der Sohn Gottes ganz nah, da erleben wir, daß wir ihm nicht egal und gleichgültig sind, in unserer Not, in unserem Leid und in unserer Trauer. Jesus nimmt Anteil an unserem Leben, findet sich nicht ab mit anscheinend sinnlosem Sterben und dem Leid der Menschen. Er ergrimmt und weint im Angesicht des Todes. Wir brauchen diese Nähe und Wärme, wenn um uns herum alles ins Dunkel fällt, wir brauchen diesen menschlichen Jesus, wenn wir an Gott verzweifeln.

Hier bin ich nun an meinem zweiten Punkt:

2. Was will uns die Geschichte erzählen?

Natürlich ist es etwas besonderes, wenn Leid in so wunderbarer Weise aufgehoben und gewandelt wird. Aber ich Frage sie: Kann es darum gehen? Würden wir uns da nicht etwas vor machen, wenn wir glaubten, dann wäre es uns leichter?

In dieser Geschichte und mit dem Wunder der Wiederbelebung des Lazarus soll uns der Blick geweitet werden für das, was darüber hinaus ist. Es geht darum, daß wir in diesem menschlichen Jesus, in dem Gott, der uns ganz nahe kommt und mit uns weint, auch den Gott erkennen, der diese Welt und uns in seinen Händen hält. In dieser Geschichte leuchtet die ganze Herrlichkeit Gottes auf.

Wer aus dieser Geschichte die These herausliest, daß es mit dem Sterben vorbei sei, der irrt. Es wird nicht die Parole ausgegeben, daß wir unsere Krankenhäuser und Friedhöfe schließen können. Nein, zu einem solchen Glauben fordert uns diese Geschichte nicht auf. Gerade in seiner Aussage, daß Jesus die Auferstehung und das Leben ist, schließt er mit ein, daß das Sterben zu unserem Leben dazugehört. Aber der Glaube ist dort und dann gefordert, im Angesicht des Todes, von Leid und Trauer an den Zusagen Gottes festzuhalten. Im Angesicht unsrer Friedhöfe und Gräber der Aussage Jesu standzuhalten und auf seine Frage: Glaubst du das, glaubst du daß ich den Tod überwunden habe und die Auferstehung bin? wie Martha zu antworten Ja ich glaube.

Auch wenn mir das jetzt scheinbar leicht über die Lippen geht, so kenne ich Situationen in meinem Leben, da ist mir das bei weitem nicht so leicht gefallen. Aber ich habe gelernt, das ganz neu zu buchstabieren, was wir jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis bekennen: Ich glaube an die Auferstehung der Toten. Das muß geglaubt werden und darf nicht in einem formelhaften Gebet stecken bleiben!

Damit wir das können, ist Jesus, der Lazarus aus dem Grab in ein vergängliches Leben geholt hat, Tage später selbst in ein Grab gelegt worden. Da hat Jesus am eigenen Leib erfahren, was Leiden und Sterben bedeutet und von Gott verlassen zu sein. In Jesu Leiden und Sterben fällt er selbst in unser Dunkel um es zu erhellen, um es erträglich zu machen. In Jesu Leiden und Sterben fällt er selbst in unsere Verzweiflung, um sie zu überwinden. Aber Gott hat diesen Jesus auch aus dem Grab gerufen in ein Leben, das endgültig den Tod überwunden hat. Mit der Auferstehung Jesu hat Gott eine andere, eine neue Wirklichkeit geschaffen.

Dahinein, in diese Wirklichkeit werden wir durch diese Erzählung gestellt und in dieser Wirklichkeit dürfen wir als Christen leben. "Wer an mich glaubt, der wird leben auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.

In dieser Wirklichkeit sollen und können wir bekennen: "Der Tod ist vernichtet! Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist deine Macht?"1

Schluß

Lazarus wurde in ein Leben zurückgerufen, über das der Tod noch herrschen kann. Uns ruft Christus in ein Leben, das nicht frei ist von Leid aber in ein Leben, über das der Tod nicht mehr herrschen kann. Der ganze Sinn und die ganze Erfüllung unseres Lebens verbergen sich in der Frage, ob wir das glauben, ob wir, sie und ich, trotz aller Zweifel und Bedenken daran festhalten, daß Jesus die Auferstehung und das Leben ist und daß darum das beste noch kommt.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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