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Predigt über Johannes 12, 34-36

am 04.02.2001
Letzter Sonntag nach Epiphanias

Ort: Neuenburg


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

Einleitung

"Ein Mensch erblickt das Licht der Welt, doch oft hat sich herausgestellt, nach manchem trüb verbrachten Jahr, daß dies der einzige Lichtblick war."

Ein Kind wird geboren und so sagen wir, es erblickt das Licht der Welt. Aber ist es wirklich so "licht" was es da zu sehen gibt oder trifft nicht eher die Erfahrung zu, wie sie Eugen Roth in seinem Gedicht formuliert? Ist unsere Welt nicht viel mehr geprägt von Schattenseiten und Dunkelheiten? Eine Welt in der Menschen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, weil Erdbeben tiefe Abgründe aufreißen oder weil ihnen Liebe und Geborgenheit vorenthalten wird. Eine Welt, in der Menschen das Wasser bis zum Hals steht weil Gewässer über die Ufer treten oder weil sie vor Trauer und Leid nicht ein noch aus wissen. Eine Welt in der Menschen nicht mehr zur Ruhe kommen weil sie durch Krieg und Verfolgung ständig flüchten müssen oder weil sie wegen eigenem Versagen und eigener Schuld keinen Frieden mehr finden. Die Nachrichten und Bilder der Medien unserer Tage zeichnen ein Bild dieser Welt, das von Dunkel und Trostlosigkeit beherrscht wird und vielleicht kann dieses Bild manch einer mit seiner eigenen Lebenserfahrung belegen.

Doch trotz oder gerade wegen dieses Umstandes, daß unsere Welt viel Dunkel, viele Schattenseiten hat und oft das Licht fehlt, steckt in uns eine Sehnsucht nach Licht, nach Wärme und Geborgenheit in uns. Wir hoffen und wünschen, daß es licht wird in dieser Welt und sich auch die Schattenseiten in unserem eigenen Leben erhellen, daß sich das Licht dauerhaft durchsetzt und das Dunkel unserer Tage vertreibt.

Licht, ich war schon versucht zu sagen, ist das bestimmende Element unserer Welt. Aber das trifft es ja nicht. Licht ist ja im eigentlichen Sinn kein Element wie Luft oder Wasser. Gewiß, Licht ist nicht alles, aber ohne Licht ist alles nichts. Ohne Licht und ohne Wärme wäre Leben auf dieser Erde nicht denkbar. Die beste Saat auf dem besten Boden mit der besten Wasserversorgung und der reinsten Luft bringt keine Frucht, wenn es kein Licht gibt. Und wenn wir von Licht reden, dann denken und meinen zunächst die Sonne, ihr Licht und ihre Wärme. Und wie sehr wir von ihr bestimmt werden, merken wir jetzt in dieser Jahreszeit, die für viele sehr bedrückend ist. Lange Nächte, kurze Tage und die dann oft auch nur trüb und neblig. Viele sind froh, daß es wieder aufwärts geht, die Tage länger und wärmer werden. Diese Sehnsucht nach der Sonne finden wir nicht nur bei uns, sie lebt in allen Kulturen und bei allen Menschen, ganz gleich wo sie leben. In einer Geschichte wird erzählt, wie eines Tages irgendwo auf einer Südseeinsel die Sonne nicht aufgeht. Die Menschen stehen am Strand und starren gebannt hinaus auf den Horizont, wo sie doch jeden Morgen aufgegangen ist, aber nichts tut sich. Und was das bewirkt, wenn die Sonne nicht scheint, nur durch den Mond verdunkelt wird, konnten wir bei der Sonnenfinsternis 1999 erleben - es wird merklich kühler und dunkler.

Weil Licht so bestimmend, so existentiell nötig ist, wird es vielfach auch immer im übertragenen Sinn gebraucht. In manchen Kulturen und Religionen wird die Sonne sogar als Gott verehrt oder Götter mit einem Sonnensymbol dargestellt. Auch in der Bibel spielt Licht immer wieder eine Rolle. Bereits in den ersten Sätzen heißt es :" Und Gott sprach, es werde Licht und es ward Licht." In seinem ersten schöpferischen Handeln schafft Gott das Licht. Aber nicht nur als Energiequelle für die Welt und alles was danach erschaffen wurde (Boden, Pflanzen, Tiere) sondern auch als Gegensatz zur Finsternis. Und so überrascht es nicht, daß das Licht auch in der Bibel immer wieder ein Thema ist und eine Rolle spielt. Dabei geht es weniger naturwissenschaftliche Betrachtungen als vielmehr um die Bedeutung des Lichts im übertragenen Sinn.

- Text lesen: Johannes 12, 34 - 36 -

Betrachten wir uns zunächst einmal die Situation, um die es hier geht. In den vorhergehenden Versen weist Jesus auf das Gericht der Welt hin und darauf, daß er von dieser Welt gehen und alle zu sich ziehen wird. In diesem Gespräch mit der Volksmenge versucht Jesus auf sich, sein Leben und seinen Tod hinzudeuten. Er tut dies aber nicht direkt sondern etwas verhalten und spricht, wie an vielen anderen Stellen in Bildern zu den Menschen. Und es bleibt nicht aus, daß seine Zuhörer nicht verstehen, was er sagt, sie können die Bedeutung seiner Worte nicht fassen und so entbrennt eine fast dogmatische Diskussion. "Wie kannst du sagen, daß der Christus erhöht werden muß", sagen die Leute, "wir wissen doch, daß der Christus ewig bleiben wird." Und daraus folgt unausgesprochen der Rückschluß, also kannst du nicht der Christus sein, also bist du doch nur ein Hochstapler und Wichtigtuer, du hast dich eben selbst entlarvt. Aber Jesus läßt sich nicht auf diese Diskussion ein, er weicht ihren Fragen aus und richtet seinerseits einen Aufruf an die Zuhörer: es geht IHM hier nicht um dogmatische Diskussionen und darum wer recht hat. Im Mittelpunkt steht seine Aufforderung: "glaubt an das Licht und wandelt in diesem Licht". Denn es wird eine Zeit kommen, in der dies weitaus schwieriger, wenn nicht gar unmöglich sein wird. Nutzt also die Gunst eurer Stunde - jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist die Zeit des Heils (2. Kor 6,2). Dieser Aufruf, mit dem Zusatz "solange ihr das Licht habt bzw. es bei euch ist" war, wie wir heute wissen, für die Menschen damals entscheidend, denn Jesus sollte schon Stunden später verhaftet und getötet werden. Die Frage wird sein, welche Bedeutung diese Worte für uns haben, die wir von je her "ohne Jesus" leben. Was bedeuten diese Aussagen vom Licht für uns, sie und mich hier in Neuenburg oder woher wir sonst kommen?

1. Glaubt an das Licht!

Nicht erst hier spricht Jesus vom Licht dieser Welt und meint damit sich selbst. Bereits in Kapitel 8 Vers 12 sagt Jesus mit aller Klarheit Deutlichkeit: "Ich bin das Licht dieser Welt." ER formuliert damit einen Anspruch, wie er gewaltiger kaum sein könnte, wenn wir uns nochmals die Bedeutung des Lichts für diese Welt für uns und alle Geschöpfe in Flora und Fauna vor Augen führen. Hier fordert er auf, an dieses Licht, an IHN zu glauben. Dieser Aufruf zum Glauben an Jesus ist mit das bestimmende Thema dieses Evangeliums. Wie alle Schreiber der Evangelien hatte auch Johannes eine bestimmtes Ziel vor Augen und schrieb vor einem speziellen Hintergrund. Johannes versucht in diesem Evangelium die Bedeutung Jesu als Messias zu unterstreichen und seine Leser zum Glauben aufzurufen. Am Ende seines Evangeliums macht er nochmals deutlich und bringt in einem Satz zum Ausdruck, warum er dieses Evangelium geschrieben hat: "... diese sind geschrieben damit ihr glaubt, daß Jesus der Christus (=Messias), der Sohn Gottes ist ..." (Joh 20,31). Allein darum geht es ihm, Menschen zum Glauben an Jesus Christus zu führen!

Dieser Aufruf gilt auch uns heute, und darum geht es letztlich, wenn wir uns mit diesen Worten beschäftigen und darüber nachdenken. Es geht darum, uns dem Anspruch Jesu zu stellen und daran festzuhalten, daß ER der Sohn Gottes ist, ER das Licht dieser Welt und unser Erlöser ist. Und wer will von sich behaupten, daß er sich da immer so sicher ist, daß ihm Angesichts des Dunkels dieser Welt nicht auch schon ins Zweifeln gekommen wäre, ihn nicht auch schon die Sorge um den richtigen Weg beschlichen hätte?

Gerade weil das so ist, daß Jesus jetzt nicht mehr leibhaftig hier unter uns ist, wir ihn nicht mehr fragen und seine Antworten hören können, wir uns mit den Ereignissen unseres Alltages auseinandersetzen müssen die uns immer wieder den Blick auf Jesus verstellen, sind wir in unserem Glauben, in unserem Vertrauen gefordert. Dabei geht es immer wieder darum festzuhalten, daß mit Jesus das Licht in die Welt gekommen ist, das die Dunkelheit der Gottesferne und die Kälte der Sünde überwunden hat. Die Wirksamkeit des Lichts kann sich doch am deutlichsten dort entfalten und zum Ausdruck kommen, wo es dunkel und kalt ist. Jesus selbst hat immer wieder betont, daß er nicht zu denen gekommen ist, die eh schon auf der Sonnenseite des Lebens sitzen, sondern zu denen, die verloren sind und im Dunkel sitzen (z.B. Mt 9, 13). Verstehen sie mich bitte jetzt nicht falsch: ich halte bei Leibe nicht dafür daß erst einer "ins Loch fallen muß" um seine Bedürftigkeit und Hilflosigkeit zu erkennen. Aber, und das ist (leider) eine Tatsache, daß es Zeitgenossen gibt, die erst in der Lebenskrise erkennen, worauf es ankommt und welche Bedeutung Jesus für ihr Leben hat. Und da kann es dann schon zu Situationen kommen, in denen ich überhaupt kein Licht mehr sehe. Selbst der berühmte "Lichtschein am Ende des Tunnels" ist nicht mehr auszumachen. In solchen Situationen sind alle die gut beraten, die umsetzen können was der Prophet Micha ausgesprochen hat(7, 8): "Wenn ich auch im Finstern sitze, so ist doch der HERR mein Licht." Was für den alttestamentlichen Propheten galt sollte auch für Christen gelten: Wir sind gefordert daran festzuhalten und darauf zu vertrauen, daß Jesus als das Licht der Welt seine Wirkung entfalten und sich durchsetzen wird. Schon jetzt im Leben des einzelnen und zukünftig bei seiner Wiederkunft sichtbar für alle Menschen.

Erinnern sie sich noch an jene Menschen auf der Südseeinsel, von denen ich eingangs erzählt habe, die sehnsüchtig auf den Aufgang der Sonne gewartet haben? So sind wir Christen. Wir wissen, die Sonne ist da hinterm Horizont, und sie wird kommen. Jene Insulaner wurden nicht enttäuscht, die Sonne ging auf, wie an jedem anderen Tag auch. Und so wird auch Jesus eines Tages diese Welt mit seinem Licht erfüllen. So lange gilt, was Paulus den Korinthern geschrieben hat: "... denn wir wandeln durch glauben, nicht durch schauen." (2. Kor 5,7). Wir sollen und dürfen damit rechnen, mit Jesus wird es Licht in meinem Leben, kann es zu Wachstum und gedeihen kommen. Und nicht umsonst steht auch in diesem Evangelium die Verheißung: "Glückselig sind, die nicht sehen und doch geglaubt haben." (Joh 20, 29)

Und dennoch, auch wenn Jesus nicht mehr leibhaftig unter uns ist können wir IHN erfahren, etwas von seinen "Wirkungen" erleben. Wie das geschehen kann? Ganz einfach:

2. Wandelt im Licht!

Es stellt sich die Frage, wann, wo und wie kommen wir in den Genuß der Wirkungen des Lichts kommen? Die Helligkeit und Wärme der Sonne bekommen wir dann zu spüren, wenn wir uns ihr aussetzen. Wenn ich im Schatten stehen bleibe, dann bleibt es kalt und dunkel. Aber wie sieht es mit Jesus aus, gerade jetzt, wo er nicht mehr auf dieser Erde ist?

Für viele Menschen ist ihr Leben und Alltag mit einer Nachtwanderung zu vergleichen. So spannend und abenteuerlich es ist eine Nachtwanderung zu machen, so froh ist man dann doch, wenn einer eine gute Taschenlampe mit dabei hat, damit man doch wenigstens etwas vom Weg erkennen und sicher sein kann, doch ans Ziel zu kommen und nicht beim nächsten Schritt in ein Loch zu fallen oder eine Wurzel zu stolpern. Und jeder ist versucht, möglichst nah und im Lichtkegel der Lampe seinen Weg zu finden.

Jesus ist das Licht dieser Welt und wir sind gefordert, in seinem Lichtkegel zu leben. Wenn wir das machen, dann werden wir nicht in die Irre gehen und nicht ins stolpern geraten. Wo und wie das geschehen kann, darüber möchte ich im folgenden noch etwas nachdenken.

Jesus hat verheißen, uns nicht allein zurück zu lassen, sondern uns einen Beistand und Tröster zu schicken (Joh 14, 26). Ich möchte mal einen Vergleich wagen: wenn Jesus das Licht der Welt ist, dann ist der Heilige Geist die Flutlichtanlage für unser Leben in der Dunkelheit dieser Welt! In der Zeit, in der Jesus nicht hier ist, ER uns den Weg wiesen kann, hilft der Heilige Geist. Das heißt, um im Licht zu wandeln, die Wirkungen des Lichts zu erfahren, muß ich dort sein, mich mit dem beschäftigen, wo der Heilige Geist zu finden ist und er seine Wirksamkeit entfaltet. Das ist an erster Stelle die Bibel, das von und für Menschen aufgeschriebene Gottes Wort. Denn wie Jesus das Licht ist, so ist ER auch das Wort: "Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort." Darum ist Jesus in diesem Wort gegenwärtig, auch heute noch, auch hier in Neuenburg und wirkt sein Heiliger Geist. Dieses Wort wird zum Licht auf unserem Weg (Ps 119, 105), wenn wir uns ihm aussetzen. Es ist quasi unsere "geistliche Taschenlampe" auf der Nachtwanderung durch diese Welt.

Als Christen, ganz gleich welcher Coleur sind wir an dieses Wort gewiesen, es gibt nichts was diesem das Wasser reichen oder an dessen Stelle treten könnte! Wenn wir uns diesem Wort stellen, dem vertrauen was darin aufgeschrieben steht und zu uns gesprochen wird, werden wir erfahren und erkennen, wie dieses Wort Licht in das Dunkel unseres Lebens bringen kann. Wie wir in dem Licht des Gotteswortes den Lebensentwurf für unser Leben erkennen und daran festhalten können, trotz der Negativerfahrungen die wir tagtäglich machen können. Daß es dieses Wort ist, aus dem wir Hoffnung schöpfen und Trost erfahren können - ich erinnere hier nochmals an den Propheten Micha.

Wir haben dieses Licht nicht, wie wir einen anderen Gegenstand haben können, aber wir haben die Möglichkeit, uns diesem Licht immer wieder auszusetzen. Das bedeutet, in der Nachfolge Jesu bleiben, immer wieder in seinen Wirkungsbereich eintreten, dann werden wir das Licht des Lebens haben (Joh 8, 12).

Als letztes möchte ich noch auf die Wirkungen des Lichts eingehen.

3. Wirkungen des Lichts

Denn im Gegensatz zur Sonne, deren Wirkungen ich nur dann spüren kann, wenn sie auch am Himmel steht, kann Jesus auch dann in mein Leben hineinwirken, wenn er mir nicht gegenübersteht, ich ihn nicht sehen und hören kann. Im Gegensatz zur Sonne, wenn diese nicht scheint, wir sie nicht sehen können wir auch nichts von ihrer Wirkung erfahren, ist es im übertragenen so, daß wir etwas von Jesus als dem Licht erfahren, auch wenn wir ihn nicht sehen. Lassen sie mich zum Schluß noch einige Wirkungen des "Lichts" aufzeigen, wie sie aus diesen Versen zu erkennen sind:

  • Die Finsternis wird uns nicht ergreifen, sie kann ihre Macht nicht entfalten. Wenn es licht wird, muß sie weichen und dem Licht Platz machen. Aber das muß ich wollen, da muß mir klar sein, daß es keine schummrigen Kuschelecken mehr geben darf, in die ich mich alleine zurückziehen kann.

  • Durch den Glauben an das Licht, werden wir selbst zu Kindern des Lichts und in dieser "Funktion" selbst zum Licht dieser Welt (Mt 5, 14).

  • Das Licht wird (geistliches) Wachstum und Reife hervorbringen.

  • Wir werden den Weg erkennen und nicht in die Irre gehen.

Schluß

Das Licht des Lebens ist den Menschen gegeben. Wir können uns diesem Licht aussetzen, darin wandeln und somit selbst Licht und anderen zum Licht werden. Dann wird auch in unserem Leben Wachstum und Reife einsetzen und wir finden immer wieder auf den richtigen Weg zurück. Wir haben die Botschaft gehört und es liegt nun an uns, entweder in dogmatische Diskussionen und Ausreden zu flüchten oder aber an dieses Licht, an Jesus zu glauben, ihn an- und aufzunehmen und dann seine Wirkungen zu erfahren.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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