Predigt über Johannes 15, 18 - 21
am 30.10.2005 23. Sonntag n. Trinitatis |
|
Ort: Brenz / Bergenweiler |
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des
Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!
Einleitung
Kennen sie die Situation: Da steht man am Flughafen oder Bahnhof und es gilt Abschied
zu nehmen. Es ist klar, nun wird man sich für lange Zeit nicht mehr sehen und wann das
nächste mal sein wird, ist völlig ungewiss. Und nun überlegt man, was will man dem ande-
ren noch sagen, was will man ihm mit auf den Weg geben. Was ist in dieser Situation von
Bedeutung? Da gilt es die Worte abzuwägen, sich auf das zu konzentrieren was wichtig
und wesentlich ist.
Der Abschnitt in der heiligen Schrift der uns an diesem Sonntag als Grundlage für die Pre-
digt gegeben ist, beinhaltet solche Abschiedsworte. Jesus nimmt von seinen Jüngern Ab-
schied und gibt ihnen letzte Anweisungen. Er will seine Leute auf das vorbereiten, was in
der Zukunft auf sie zukommen wird.
- Text lesen: Johannes 15, 18-21 -
Mit dieser Rede Jesu an seine Jünger befinden wir uns mitten in seinen Abschiedsreden
(Joh 13, 31 – 17, 26). Ich denke mir, dass seine Jünger noch gar so richtig verstanden
haben, was Jesus ihnen da sagt. Sie können sich das einfach nicht vorstellen, dass ER
nicht mehr bei ihnen ist, dass sie sich nicht mehr mit ihm unterhalten können, er nicht
mehr zur Verfügung steht, wenn sie Fragen und Probleme haben. Es wird nicht mehr
möglich sein, dass sie ihn vertraulich bei Seite nehmen um ihn etwas zu fragen.
Aber diese Worte sind letztlich nicht nur an die Jünger damals gerichtet. Sie gelten auch
uns und entfalten auch für uns, die wir nahezu 2000 Jahre später, in einem anderen Land,
in einer ganz anderen Kultur und unter ganz anderen Umständen leben, ihre ganz spe-
zielle Bedeutung. In dem was Jesus seinen Jüngern mit auf den Weg gibt, einen Weg, den
sie nun alleine gehen müssen und von dem keiner von ihnen weiß, was auf den einzelnen
zukommen wird, treffen sie auch unsere Situation und unser erleben. Was uns Menschen
verwehrt und unmöglich ist, das kann Jesus. Er weiß, was auf seine Nachfolger zukom-
men wird, mit was und wem sie sich auseinandersetzen müssen und was dies letztlich für
sie bedeutet. Der Vergleich hinkt zwar ein bisschen, und trotzdem drängt er sich mir auf:
während Politiker und andere Verantwortliche unserer Tage mit ihren Aussagen was die
Zukunft betrifft, eher vage bleiben, sich scheuen, den Betroffenen reinen Wein einzu-
schenken, hält Jesus nicht hinter dem Berg.
Zwei Aspekte dieser Rede möchte ich unterstreichen:
1. Ihr seid in der Welt ...
Es ist ihnen auch schon so ergangen, dass sie sich gewünscht haben, dieses irdische
Jammertal doch endlich hinter sich zu lassen? Haben sie auch schon einmal daran ge-
dacht und sich vorgestellt wie das wohl wäre, wenn jetzt die Entrückung käme? Es gäbe
doch nichts schöneres als endlich bei Jesus zu sein – oder?
Auch die Jünger wären wohl diesem „Jammertal“ am liebsten entronnen – „komm, lass
uns hier drei Hütten bauen!“ sagt Petrus auf dem Berg der Verklärung. Hier haben wir die-
ses Jammertal hinter uns gelassen, hier ist es gut sein. Gewiss wäre das schön und an-
genehm, aber darum geht es nicht. Jesus hat seine Jünger nicht berufen, um sie aus der
Welt herauszunehmen, sondern um sie in diese hineinzusenden. Christen sollen in der
Welt sein.
Auf was Jesus seine Jünger und uns dieser Stelle hinweist sind nicht die Bedrängnisse
und Mühsale, die dem irdischen Leben seit dem Sündenfall anhangen (1.Mose 3,17-19):
Davon, dass der Erdboden verflucht ist um des Menschen willen, dass Dornen und Disteln
wachsen und wir im Schweiße unseres Angesichts unser Brot essen. Es geht nicht um die
allgemeinen Gefährdungen wie Krankheit, Armut, Arbeitslosigkeit, Tod und anderes. Das
sind Dinge, die jedem Menschen wiederfahren können, ganz gleich ob er Christ, Moslem,
Hindu oder Atheist ist. Das sind die Widerwärtigkeiten die dem menschlichen Leben und
dieser Erde seit dem Sündenfall anhaften.
Um was es Jesus hier geht und worauf er seine Jünger damals und uns heute hinweist ist
das Leiden, das speziell Christen trifft oder treffen kann. Und das möchte an dieser Stelle
betonen: Jesus spricht hier keine „Verheißung“ aus in dem Sinne, „die Welt wird euch
hassen“. Meist lesen wir das aus diesen Versen heraus weil wir es insgeheim erwarten,
aber dem ist nicht so. Jesus spricht hier kein Drohwort sondern vielmehr ein Trostwort!
Jesus will kein düsteres Zukunftsszenario malen, sondern er will uns getrost machen.
Wenn die Welt euch hasst, wenn es aus irgendeinem Grund so weit ist, dass sie euch
verfolgen und verschmähen und verspotten, dass sie euch sogar wegen mir, darum dass
ihr Christen seid, ihr euch zu mir bekennt, mir nachfolgt und nach meinen Maßstäben lebt,
nach dem Leben trachten oder ins Gefängnis werfen und foltern, so wisst, dass sie das
auch mir angetan haben, vor euch. Und dieses „vor euch“ in Vers 18 hat eine doppelte
Bedeutung: eine zeitliche, in dem Jesus vor seinen Jüngern gehasst wurde und eine „qua-
litative“. Der Hass der Welt galt und gilt in ganz besonderer Weise immer auch Jesus. In
der Reaktion der Welt, geht es immer um Jesus und nicht um uns.
So wundert euch also nicht, wenn euch solches widerfahren sollte! Leiden gehören zu un-
serem Mensch sein dazu und das Leiden um Christi willen ist Bestandteil der Nachfolge.
Bei all dem sollten wir vorsichtig und zurückhaltend mit jeglichen Formen der Interpretation
und Deutung von Leid sein. Ich erinnere hier nur an Hiob. Es ist nicht an uns, dem Leiden-
den Erklärungen für seine Situation zu liefern, da ist die Gefahr viel zu groß, dass wir in
die Irre gehen – auch hier sei nochmals an Hiob respektive an seine Freunde erinnert. Es
sollte vielmehr darum gehen, den Betroffenen darauf hinzuweisen, wo er Trost und Hoff-
nung finden kann.
Hier bin ich nun beim zweiten: Wir sind in der Welt, ...
2. ... aber wir sind nicht von der Welt!
„Denn ich denke, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der
zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll (Röm 8,18) – so schreibt es
Paulus der Gemeinde in Rom und das ist die Perspektive, die Grundüberlegung, die uns
für den Umgang mit dem Leid gegeben ist. Ich betone: diese Perspektive können und
dürfen wir keinem anderen überstülpen. Diese Perspektive, diese Aussage muss sich mir,
muss sich jedem von uns selbst erschließen oder offenbaren und manchmal muss ich sie
mir auch erarbeiten, so wie das Hiob gegenüber seinen Freunden getan hat.
Als Christen sind wir nicht mehr von dieser Welt. Wir sind Kinder Gottes und als solche
auch seine Erben. Was kennzeichnet einen solchen Erben? Er hat einen Rechtsanspruch,
der ihm von niemandem mehr genommen werden kann. Christen haben den Geist Gottes
empfangen und sind mit diesem versiegelt. Sie sollen sich nicht dieser Welt und ihren
Meinungen anpassen sondern sich durch diesen Geist verändern lassen. Und es ist dieser
Geist, der ihnen, uns selbst bezeugt, dass wir Gottes Kinder sind. Das reden wir uns nicht
selbst ein, sondern das sagt uns dieser Geist! Dass wir Gottes Kinder sind, kann die Welt
nicht erkennen (1Joh 3,1). Und zu dieser Gotteskindschaft gehört auch, dass die Welt sie
hasst (1Joh 3,13). Und hassen in seiner ursprünglichen Bedeutung meint nun nicht so
sehr einen gefühlsmäßigen Akt, sondern eine willentliche Entscheidung gegen etwas.
An keiner Stelle ist davon die Rede, dass Christen das Leiden, jed‘ welcher Art auch im-
mer, erspart bleibt und sie davon ausgenommen sind. Aber ihnen ist verheißen, dass Je-
sus für sie, für uns sorgt. Dass ER derjenige ist, der uns bedingungslos liebt und annimmt
und der für uns eine Zukunft bereit hält! Jesus hat uns versprochen, dass er immer bei uns
ist, ganz gleich wo wir sind.
Gewiss, bringt mir dies in dieser Welt keinen Vorteil, keinen materiellen Vorteil. Wer darauf
aus ist, wird sich enttäuscht sehen. Auch wenn ich um diese Verheißungen das weiß und
sie mir vor Augen führe, wird sich an meiner Situation vermutlich äußerlich nichts ändern.
Die Krankheit die mich plagt, wird nicht auf einmal weg und die Sorgen um den Arbeits-
platz werden nicht verschwunden sein.
Aber bei all dem geht es nicht darum, dass ich, dass wir den Himmel auf Erden erleben,
sondern dass ich meinen Blick auf das Zukünftige richte, auf das, was mir von Gott ver-
heißen ist. Dass mir dann daraus Kraft und Hoffnung erwächst, ist Wirken des Heiligen
Geistes, aber darauf schauen, mir das sagen lassen, das muss ich, müssen wir schon
selbst tun. Die Bedrängnis wird nicht aufgehoben, aber sie wird tragbar (vgl. 1Kor. 10,13).
Als Christen leben wir auf Hoffnung, das sollten wir nicht vergessen! Wir werden den Wirr-
nissen und Widrigkeiten dieser Welt nicht enthoben, auch das sagt Jesus in seinen Ab-
schiedsreden an andere Stelle sehr deutlich (vgl. Joh 17,15). Es geht darum, dass ich mir
immer wieder der Wirklichkeit dieser Welt die Wirklichkeit Gottes entgegen halte. Das ist
Anbetung, so wie es im Wochenspruch für diese Woche anklingt: „Dem König aller Könige
und Herrn aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, dem sei Ehre und ewige Macht.“
Schluss
Wahrscheinlich ist es, wie so oft, einfacher gesagt als getan und umgesetzt: Wir müssen
und sollten uns das sagen lassen, Christ sein, Nachfolge Jesu ist gewiss kein Zucker-
schlecken. So stehen Christen in diesem Spannungsfeld zwischen „Sein und Schein“ –
„Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir
sein werden; wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden,
denn wir werden ihn sehen, wie er ist. (1.Joh 3,2) oder „Nicht, dass ich es schon ergriffen
habe oder schon vollendet bin; ich jage ‹ihm› aber nach, ob ich es auch ergreifen möge,
weil ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. (Phil 3,12). Wir sind Teilhaber am Reich
Gottes und leben noch auf dieser Erde.
In diesem Spannungsfeld leben wir als Menschen und Christen. Wir wissen um unsere
himmlische Zugehörigkeit, wissen um die Möglichkeiten Gottes und sind trotzdem weiter
eingebunden in das irdische Leben. Wir werden nicht einfach von dieser Erde genommen
oder leben auf ihr wie unter einer Käseglocke, so dass wir vor allem Schlechten und Un-
angenehmen bewahrt und verschont blieben. Aber Gott hilft uns, dieses zu tragen.
Ich schließe mit einer kleinen Geschichte:
In Kleinasien, einem Teil der heutigen Türkei, lebte einst in der Stadt Smyrna (das heutige
Izmir) ein Bischof mit Namen Polykarp, einer aus den Anfängen der Christenheit. Mit 86
Jahren erlebte er eine Christenverfolgung. Ein Richter wollte es ihm ermöglichen heil da-
vonzukommen und riet im, seinem Glauben öffentlich abzuschwören und im Stillen zu
glauben. Von Polykarp ist überliefert: "86 Jahre ist mir mein Herr treu geblieben, wie sollte
ich ihm am Ende meines Lebens noch untreu werden und verleugnen?" Polykarp hat ver-
mutlich dieses Evangelium und so auch die darin enthaltenen Abschiedsreden Jesu ge-
kannt. Er wusste sich bei dem, der seine Lebensumstände kennt, ihm den Horizont weit
gemacht und ein Ziel und eine Hoffnung gegeben hat geborgen.
Ich möchte sie einladen wie Polykarp dem zu vertrauen, der uns die Treue hält und uns in
unserer Enge trösten kann.
Amen.
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Altenheimstraße 23
89522 Heidenheim/Brenz
07321/910915
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
|