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Predigt über Johannes 16, 23-28.33

am 04.05.1997
Sonntag Rogate

Ort: Britzingen und Muggardt


Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Schwestern und Brüder

Einleitung

Kennen sie die Situation: Da steht man am Flughafen oder Bahnhof und es gilt Abschied zu nehmen. Und man überlegt sich, was will man dem anderen noch sagen, was will man ihm mit auf den Weg geben. Was ist in dieser Situation von Bedeutung? Da gilt es die Worte abzuwägen, sich auf das zu konzentrieren was wichtig ist. Ein ganz besonderes Gewicht erhalten diese Augenblicke dann, wenn es ein Abschied für längere Zeit oder gar für immer ist. Abschiedsworte an einem Sterbebett sind von besonderer Bedeutung und wirken oft noch sehr lange nach.

In einer solchen Situation stehen die Menschen, von denen der Abschnitt in der heiligen Schrift erzählt, der uns an diesem Sonntag als Grundlage für die Predigt gegeben ist. In den Versen sind die Abschiedsworte festgehalten, mit denen Jesus Abschied von seinen Jüngern nimmt und ihnen letzte Anweisungen gibt. Er will seine Leute auf das vorbereiten, was in der Zukunft auf sie zukommen wird.

- Text lesen: Joh 16,23-28.33

"In der Welt habt ihr Angst, aber seit guten Mutes, ich habe die Welt überwunden." Der Evangelist Johannes überliefert uns diesen Satz als letzten, den Jesus vor seiner Verhaftung und Tod seinen Jüngern sagt. Ein Vers der sicherlich vielen von uns bekannt ist, zumal er vor 5 Jahren Jahreslosung war (1992).

Eine Aussage, die es in sich hat, die auch immer wieder gerne zitiert wird und an die man sich erinnert. Und fast automatisch bin ich an diesem Vers hängen geblieben. Alles, was Jesus seinen Jüngern zuvor gesagt hat, scheint er in diesem Vers zusammenfassen zu wollen. Drei Dinge sind es, die uns in diesem Vers aufgezeigt werden:

1. Unsere Situation in dieser Welt

Unsere Situation und unser Empfinden in dieser Welt ist oft von Angst geprägt. Wenn Jesus das so feststellt, wir das heute so lesen, dann finden wir uns in dieser Aussage wieder. Da merken wir, ja dem kann ich zustimmen, das erlebe ich in meinem Alltag immer wieder. Vielleicht ist das der Grund, warum dieser Vers, diese Aussage immer wieder gerne zitiert wird. Das wir Angst haben, uns Sorgen und Nöte bedrücken, das entspricht unseren eigenen Erfahrungen.

Diese Erfahrung wird von vielem genährt, großem und kleinem, da mag die ist die Sorge um die Umwelt gepaart mit der Angst um die eigenen Gesundheit. Da macht sich der eine Sorgen um den Weltfrieden, wärend den Nachbarn die Angst um den Arbeitsplatz umtreibt. Oder auch der Schüler, der in der kommenden Woche eine Prüfung hat. Und ich denke auch an die Sorge des Schülers vor der nächsten Klassenarbeit oder die Angst des kleinen Kindes vor der Nacht.

Sorgen und Ängste, und seien sie noch so klein sollten wir nicht vorschnell mit oberflächlichen Ratschlägen beiseite schieben. Vielmehr sollten wir denjenigen, der diese Ängste hat, ernst nehmen und ihm diese Angst zunächst einmal zugestehen. Jesus tut das hier auch. Er gesteht seinen Jüngern damals, ihnen und mir heute, unsere Angst zu. Es wird so sein, daß ihr Angst habtsagt er. Er sagt nicht, ihr braucht keine Angst zu haben oder tadelt uns wegen unserer Angst. Nein sagt er, solange ihr in dieser Welt lebt, euch mit dieser Welt auseinandersetzen müßt, wird euch auch die Angst begleiten.

Hier gilt es allerdings eine Unterscheidung zu treffen. Was in unseren Übersetzungen mit Angst bezeichnet wird, meint in der ursprünlichen Bedeutung Bedrängnis. Dabei ist zunächst an äußere Bedrängung gedacht. Ein Umstand den die Gemeinde Jesu immer wieder erfahren hat und auch heute noch in vielen Ländern dazugehört. Wir haben das Privileg in einem Land zu leben, in dem wir einer solchen äußeren Bedrängnis, Gott sei Dank, nicht ausgesetzt sind. Aber ich denke es ist durchaus angebracht, diese Bedrängnis auch in einem übertragenen Sinn zu verstehen. Auch wenn wir nicht um unseres Glaubens willen verfolgt werden ist unsere Glaube doch immer wieder bedrängt. Da werden wir herausgefordert, das auch zu leben, was wir glauben und was uns Jesus aufgetragen hat.

Eine solche Bedrängnis stellt sich möglicherwiese dann ein, wenn es um unsere Wahrhaftigkeit geht, vor allem dann, wenn die Maßstäbe um uns herum andere sind als die unseren. Wenn es darum geht, was in meinem Leben Priorität hat: Gottes Weisungen oder die Maßstäbe dieser Welt. Wenn es zum Beispiel darum geht, den Kreisluaf von "wie du mir, so ich dir" zu durchbrechen oder bei der Steuererklärung Rückgrat zu zeigen und beim Volkssport der Steuerhinterziehung nicht mitzumachen. Solche Situationen können sich dann schon zu einer inneren Zerreißprobe entwickeln, in der unser Glaube bedrängt ist.

Eine andere Art des bedrängten Glaubens erleben wir, wenn wir den Eindruck haben, Gott hört uns nicht, unser Gebet geht ins Leere. Das insbesondere deshalb, weil uns immer wieder zugesagt ist, daß unser Gebet erhört wird. So ja auch am Anfang unseres Abschnittes. Da machen sich schon Zweifel und Ängste breit.

Aber Jesus kennt auch diese Angst, wußte wovon er redete, denn er selbst hatte Angst, Todesangst erfahren1. Darum kann er uns auch sagen, und das ist das Zweite:

2. Wie wir dieser Welt begegnen können

Obwohl das so ist, daß Christ sein immer wieder auch Herausforderung darstellt, sollen wir getrost sein, inmitten dieser Welt und ihrem Chaos. Es hat sich bei uns eingebürgert, daß wir dies "getrost" im Sinne von "getröstet werden" verstehen. Ich denke, in vielen Augenblicken hat dies auch etwas für sich und tut uns gut. Die Vorstellung, Jesus ist da, nimmt uns in den Arm und tröstet uns.

Aber diese Vorstellung trifft die Wortbedeutung nur teilweise. Dieses "seit getrost" geht über diese passive Komponente hinaus. Das wir deutlich, wenn wir diese Stelle mit "seit guten Mutes" übersetzen. Dann wird klar, daß es auch um ein aktives tun unsererseits geht. Wir sind gefordert, immer wieder die Initiative zu ergreifen, selbst dann, wenn nach unseren Möglichkeiten keine Aussicht auf Veränderung besteht. Selbst in den ausweglosesten Situationen brauchen Christen nicht tatenlos zu sein und ängstlich und vertrossen die Hände in den Schoß zu legen. Feigheit, das Gegenteil von mutig sein, kann uns das Himmelreich verschließen, so hat es einmal jemand formuliert2. Was aber ist das, was wir in jeder Situation tun können? Am Anfang unseres Abschnittes wurde es angesprochen - das Gebet. Im Gebet werden Christen tätig und gewinnen den Mut, von dem Jesus hier spricht.

Auf dem Gebet liegt die besondere Verheißung, daß Gott uns das geben will, worum wir in bitten. Nicht nur hier, auch an anderen Stellen in der Bibel begegnet uns diese Zusage. Gott gibt den Seinen was sie brauchen. Aber könnte ich, könnten sie von dieser Gewißheit auch dem gegenüber reden, der soeben die Diagnose Krebs erfahren hat. Oder dem Kollegen, der soeben seine Kündigung erhalten hat? Die Frage, die hier angesprochen wird ist, hilft, nützt denn Gebet auch in diesen Situationen? Dahinter steckt die Erfahrung, daß Gebet nicht erhört werden und damit auch die Frage, wie gehen wir mit den Situationen um, in denen Gott schweigt, können wir auch da noch guten Mutes sein?

Ich kann ihnen und mir diese Zweifel und Fragen nicht wegwischen und beantworten, und ich will es auch nicht. Was ich tun kann ist, ihnen Mut zu machen, trotzdem diesem Gott weiter zu vertrauen. Trotzdem daran festzuhalten, daß Gott mir das gibt, was ich brauche und mein Bitten nicht überhört hat. Solches, scheinbar nicht erhörtes Gebet fordert mich immer wieder heraus, meine Erwartungshaltung zu überprüfen und von dem zu lernen, der mir diese Verheißung gegeben hat. Denn auch Jesus hat die Erfahrung gemacht, daß Gott scheinbar sein Gebet im Garten Gethsemane nicht erhört hat.

Wenn wir uns bewußt machen, daß wir uns im Gebet vor dem Gott stehen, dere diese Welt und das ganze Universum geschaffen hat, und uns verheißen ist, daß uns dieser Gott hört und uns gibt, was wir brauchen, dann soll das keine billige Vertröstung sein sondern uns Mut machen, diesem Gott weiter zu vertrauen. Das heißt für mich auch, Gott offen das zu sagen, was mir Mühe macht, wo ich ihn nicht verstehe. Und die Verheißung steht fest: Gott wird auf solches beten reagieren. Auch dann, wenn ich die Erfahrung mache, daß Gott auf meine Gebete nicht so reagiert wie ich es mir wünsche, so erlebe ich immer wieder, daß mich die Begegnung mit diesem Gott verändert und ich Mut und Kraft bekomme, meinen Weg weiterzugehen. Es ist die Macht des Gebetes, dem die Welt nichts entgegenzusetzen vermag und das den Beter aus der Angst hinüberführt in die Geborgenheit und Gewißheit des lebendigen Gottes.

3. Die Perspektive für uns: Jesus hat diese Welt überwunden

Wenn sich unser getröstet sein, wenn sich unser Mut darin äußert, daß wir immer wieder zu diesem Gott kommen, ihm mit dem in den Ohren liegen, was uns beschäftigt, so gibt uns Jesus auch einen Grund, warum wir das tun sollen. Jesus hat, weil er sich immer wieder unserem Gott anvertraut hat, nicht aufgehört hat ihm zu vertrauen, diese Welt überwunden. Das scheint mir wichtig zu sein, daß es überwunden und nicht besiegt heißt. Jesus hat diese Welt und uns zu Ende geliebt. Er hat nicht mitten drin aufgehört und gesagt, so jetzt reichts mir, sondern hat nicht aufgehört diese Welt zu lieben.

Es wäre sicherlich leichter gewesen, sich von dieser Welt abzuwenden. Aber das ist nicht Gottes Stil, ist nicht sein Umgang mit uns. In diesem überwunden drückt sich aus, daß Gott und Jesus diese Welt nie aufgegeben hat.

Schluß

Trotz vielfältiger Erfahrungen die den Eindruck hinterlassen, Gott hat dieser Welt den Rücken gekehrt, hört nicht mehr auf unser Beten, werden wir an diesem Sonntag Rogate dazu ermutigt und aufgefordert, das Gebet zu suchen. Gerade dann, wenn sich Angst und Sorge in unserem Leben breit macht und unser Glaube bedrängt ist, sollen wir frohen Mutes sein, weil uns zugesagt ist, daß unser Gott bei uns ist und uns nicht alleine läßt. Er hat versprochen uns immer mit dem zu versorgen, was wir brauchen und nötig haben. In diesem Glauben sollen wir leben und daran festhalten mitten in dieser Welt, damit auch wir zu Überwindern werden.

Amen.

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Diese Predigt wurde verfasst von:
Karl-Heinz Rudishauser
Belchenring 20
D-79219 Staufen
07633/500781
eMail: karl-heinz.rudishauser@t-online.de
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